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Urteil Kantonsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:RZ.2010.61
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Kantonsgericht
Kantonsgericht Entscheid RZ.2010.61 vom 06.12.2010 (SG)
Datum:06.12.2010
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 282 lit. c ZPO (sGS 961.2); § 1896 BGB/D. Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung, insbesondere der Bestellung eines Vertreters, einer prozessunfähigen Partei. Das Begehren in der Hauptsache einer nicht wirksam vertretenen prozessunfähigen Partei ist aussichtslos, weshalb das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen ist. Nachdem ein Vertreter bestimmt worden ist (in Deutschland: durch das Betreuungsgericht), kann dieser (im Namen der Partei) ein neuerliches Gesuch um unentgeltliche Prozessführung stellen (Kantonsgericht St. Gallen, Präsident der III. Zivilkammer als Einzelrichter, 6. Dezember 2010, RZ.2010.61).
Schlagwörter : Rekurrentin; Rekurs; November; Landgericht; Vollmacht; Gesuch; Bestellung; Zweifel; Vorinstanz; Unentgeltliche; Deutschland; Prozessführung; Oktober; Zuständig; Kreisgericht; Diesen; Vorliegend; Klägerin; Landgerichts; Insbesondere; Vertreters; Führt; Unentgeltlichen; Gewährung; Früheren; Betreuer; Liegenden; Stellt
Rechtsnorm: Art. 1 IPRG ; Art. 219 ZPO ; Art. 35 IPRG ; Art. 39 ZPO ; Art. 79 ZPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
GerGLeuenberger, Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, 1999
Geiser, Jametti-Greiner, Basler Kommentar IPRG, 2007
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Erwägungen

I.

  1. Am 2. Oktober 2010 (Poststempel: 8. Oktober 2010) reichte die Rekurrentin beim Kreisgericht einen gegen die Bank A gerichteten Klageentwurf über Fr. 158'079.- ein

    (vi-act. 3). Sinngemäss macht sie insbesondere geltend, sie sei mit der Verwaltung des Bankvermögens (rund eine halbe Million Franken) ihres früheren Ehemanns X beauftragt gewesen und habe sich dabei von einem Vermögensberater der Bank A beraten lassen, der auch schon ihren früheren Ehemann betreut habe. Durch eine Falschberatung sei an den verwalteten Geldern ein Verlust von Fr. 155'353.15 entstanden (vgl. auch Bankauszug per 03.07.2008; vi-act. 4). Die Klägerin will sich diesen Betrag von der Bank A erstatten lassen, um ihren früheren Ehemann und ihren Sohn Y entschädigen zu können.

  2. Gleichzeitig stellte die Rekurrentin ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung, insbesondere bat sie um Bestellung eines Vertreters (Art. 282 lit. c ZPO; vi-act. 2).

  3. Das Kreisgericht leitete die Akten am 12. Oktober 2010 zuständigkeitshalber an ein anderes Kreisgericht weiter. Dessen Präsident wies das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung am 22. Oktober 2010 wegen Aussichtslosigkeit ab (vi-act. 13; rechtshilfeweise Zustellung am 3. November 2010 [vi-act. 16]). Er führte aus, einerseits beständen erhebliche Zweifel an der Handlungsfähigkeit der Gesuchstellerin und andererseits sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Bank A zur Zahlung des Schadenersatzes verpflichtet werden solle.

  4. Am 5. November 2010 übergab die Rekurrentin einen vom 4. November 2010 datierten und an die Vorinstanz adressierten Rekurs gegen diesen Entscheid bei der Deutschen Post auf. Dieser traf am 10. November 2010 beim Kreisgericht ein (act. R2, R4). Die Vorinstanz leitete den Rekurs am 15. November 2010 ans Kantonsgericht weiter, wo er am 16. November 2010 eintraf (act. R1).

II.

  1. Die zehntägige Rekursfrist nach Art. 219 Abs. 1 ZPO hat vorliegend am (Montag den) 13. November 2010 geendet. Zu diesem Zeitpunkt war der - entgegen der Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Entscheid an die Vorinstanz adressierte - Rekurs wohl bei der Vorinstanz, nicht aber beim Kantonsgericht eingegangen. Gemäss Art. 84 Abs. 3 GerG gilt jedoch eine Eingabe auch dann als rechtzeitig eingereicht, wenn sie an eine unzuständige Stelle erfolgt und diese zur Weiterleitung verpflichtet ist. Eingaben an ein unzuständiges Gericht sind der zuständigen Behörde zu überweisen (Art. 72 Abs. 1 GerG; Leuenberger/Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, Art. 77 N 1c). Der Rekurs hat somit als rechtzeitig eingereicht zu gelten.

  2. Die von Amtes wegen vorzunehmende Prüfung der übrigen Prozessvoraussetzungen (Art. 79 ZPO) ergibt, dass diese erfüllt sind (Art. 217 lit. a). Auf

    den Rekurs ist einzutreten. Zuständig ist der Präsident der III. Zivilkammer als Einzelrichter (Art. 16 lit. a ZPO und Art. 16 Abs. 2 GO).

  3. Die Rekurrentin hat ihren Wohnsitz in Deutschland. Damit liegt ein internationales Verhältnis im Sinne von Art. 1 Abs. 1 IPRG vor. Entsprechend richten sich Zuständigkeit und anwendbares Recht vorbehältlich völkerrechtlicher Verträge nach IPRG (Art. 1 Abs. 1 IPRG).

III.

  1. Dem Rekurs wie dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist zu entnehmen, dass sich die Rekurrentin als prozess- und geschäftsunfähig ansieht und deshalb um Bestellung eines Vertreters i. S. v. Art. 282 lit. c ZPO ersucht (vi-act. 2, Ziff. 2; Rekurs, 1 Ziff. I). Es stellt sich daher die Frage, ob die Rekurrentin überhaupt handlungs- respektive prozessfähig ist (Art. 39 Abs. 1 ZPO).

  2. Die Handlungsfähigkeit unterliegt dem Recht am Wohnsitz (Art. 35 IPRG), vorliegend dem deutschen Recht. Dies gilt auch für die Frage der Prozessfähigkeit (Geiser/Jametti-Greiner, in: Honsell/Vogt/Schnyder/Berti [Hrsg.], Basler Kommentar IPRG, 2. Aufl., Basel 2007, Art. 35 N 8).

    1. Die Prozessfähigkeit bestimmt sich in Deutschland nach dem BGB (§ 51 Abs. 1 ZPO/D). Geschäftsunfähig ist gemäss § 104 Ziff. 2 BGB, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschliessenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

    2. Mit dem Beschluss vom 3. Mai 2010 eines Landgerichts in Deutschland ist davon auszugehen, dass die in den Akten liegenden ärztlichen Atteste hinreichend glaubhaft machen, dass die Rekurrentin geschäftsunfähig und damit prozessunfähig ist (vi-act. 9,

      S. 1 unten).

    3. Damit kann die Rekurrentin nur über einen eingesetzten Betreuer (§ 1896 Abs. 1 BGB) oder durch einen Bevollmächtigten (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB) handeln. Dass ihr

      ein Betreuer bestellt worden wäre, behauptet die Rekurrentin nicht (vgl. auch vi-act. 9,

      S. 2 oben). Hingegen liegt eine Vollmacht zur Vertretung vor Gerichten bis zur Erteilung der Prozesskostenhilfe an Z, der die Klägerin sowohl vorinstanzlich wie auch im Rekursverfahren vertritt, im Recht (Beilage zu vi-act. 2). Das Landgericht in Deutschland hatte erhebliche Zweifel daran, dass diese Vollmacht von der Rekurrentin wirksam erteilt worden ist (vi-act. 9, S. 2 oben). Das Landgericht führte insbesondere aus, es sei schwer nachvollziehbar und gebe zu Zweifeln Anlass, dass die Vollmacht nicht notariell beurkundet worden sei. Vor dem Hintergrund der bereits zum Zeitpunkt der Ausstellung der Vollmacht vorliegenden ärztlichen Atteste hätte es nahe gelegen, aufkommende Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Rekurrentin auf diesem Wege zu begegnen. Unter diesen Umständen seien die Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit der Vollmachterteilung nicht mehr ausräumbar (vi-act. 9, S. 4 unten). Den Ausführungen des Landgerichts im Zusammenhang mit der Geschäftsfähigkeit der Klägerin im Zeitpunkt der Ausstellung der Vollmacht ist zuzustimmen, darauf kann verwiesen werden (vi-act. 9, S. 2 ff.).

    4. Damit steht fest, dass - wie schon vor dem Landgericht (vi-act. 9, S. 5 oben) - die prozessunfähige Rekurrentin nicht wirksam vertreten ist und daher ihr Begehren in der Hauptsache (die angestrebte Schadenersatzklage) aussichtslos ist. An der Aussichtslosigkeit würde sich auch durch die Bestellung eines Vertreters i. S. v.

Art. 282 lit. c ZPO nichts ändern, wäre doch die Rekurrentin selbst dann noch nicht gültig im Sinne von § 1896 BGB vertreten. Der Rekurrentin bleibt nichts anderes übrig - was ihr ebenfalls vom Landgericht schon auseinandergesetzt worden ist (vi-act. 9, S. 5 oben) - als auf die Bestellung eines Betreuers hinzuwirken und nach erfolgter Bestellung durch diesen ein neuerliches Gesuch um unentgeltliche Prozessführung zu stellen. Die Rekurrentin wohnt in der deutschen Stadt B. Gemäss der Website des Landgerichts C ist die Zuständigkeit des Betreuungsgerichts in D den Notariaten übertragen. Das Notariat B befindet sich an der E-Strasse 00, 00000 B. Die Zuständigkeit des Notariats B in Betreuungssachen richtet sich nach dem Wohnort der betroffenen Person. Für die Stadt B und Personen mit einem Nachnamen F ist gemäss der erwähnten Website das Referat G Telefon 0000/0000000, zuständig.

4. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Vorinstanz das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Das führt zur Abweisung auch des vorliegenden Rekurses.

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