Ein Mann namens X. wurde aufgrund einer bipolaren affektiven Störung für sechs Wochen in einer psychiatrischen Klinik fürsorgerisch untergebracht. Nachdem er dagegen erfolgreich Beschwerde eingelegt hatte, wurde er erneut untergebracht, woraufhin er erneut Beschwerde einreichte. Es wurden Gutachten erstellt, die bestätigten, dass X. an einer manischen Episode leidet, jedoch keine akute Gefahr für sich selbst oder andere darstellt. Schliesslich wurde die fürsorgerische Unterbringung aufgehoben und die Kosten von CHF 2'668.-- dem Kanton Graubünden auferlegt.
Urteilsdetails des Kantongerichts ZK1-15-170
Kanton: | GR |
Fallnummer: | ZK1-15-170 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 17.12.2015 |
Rechtskraft: | - |
Entscheid des Kantongerichts ZK1-15-170
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
Ref.:
Chur, 17. Dezember 2015
Schriftlich mitgeteilt am:
ZK1 15 170
18. Dezember 2015
Entscheid
I. Zivilkammer
Vorsitz
Brunner
RichterInnen
Michael Dürst und Schnyder
Aktuarin ad hoc Dedual
In der Kindesund Erwachsenenschutzbeschwerde
des X.___, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Vincent
Augustin, Quaderstrasse 8, 7000 Chur,
betreffend fürsorgerische Unterbringung,
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt
A.
Mit Verfügung vom 02. Dezember 2015 wurde X.___ durch Dr. med.
A.___, O.1___, gestützt auf Art. 429 ZGB in der Psychiatrischen Klinik
B.___ fürsorgerisch untergebracht. Als Gründe hierfür werden im Einweisungs-
schreiben die bekannte bipolare affektive Störung mit einer seit zwei Wochen vor
Arztbesuch zunehmenden manischen Exazerbation genannt. Die Ärztin hielt fest,
bei X.___ häuften sich massive Geldausgaben, er sei nächtlich unterwegs, fah-
re Auto trotz eines Verbots und trete zunehmend verbal aggressiv gegenüber sei-
ner Ehefrau auf. Die fürsorgerische Unterbringung wurde für die Dauer von sechs
Wochen angeordnet (zum Ganzen act. 01.1). X.___ wurde bereits im Jahr 2014
für die Dauer von vier Wochen fürsorgerisch in der Psychiatrischen Klinik B.___
untergebracht, wogegen er sich mit Beschwerde ans Kantonsgericht von Grau-
bünden erfolgreich wehrte (vgl. ZK1 2014 33).
B.
Gegen seine erneute fürsorgerische Unterbringung hat X.___ mit dem
sinngemässen Antrag um Aufhebung der entsprechenden Verfügung am 03. De-
zember 2015 Beschwerde beim Kantonsgericht von Graubünden erhoben (vgl.
act. 01).
C.
Mit Schreiben vom 04. Dezember 2015 ersuchte der Vorsitzende der I. Zi-
vilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden die Psychiatrische Klinik
B.___ um einen kurzen Bericht zum Gesundheitszustand von X.___, zur Art
der Behandlung und insbesondere darüber, ob die Voraussetzungen für eine für-
sorgerische Unterbringung weiterhin gegeben seien (act. 02).
D.
Im Bericht der Psychiatrischen Dienste Graubünden, Klinik B.___, vom
07. Dezember 2015 heisst es, dass sich X.___ erstmalig vom 14. März bis zum
10. April 2015 mit der Diagnose einer bipolaren Störung in stationäre Behandlung
begab. Am 02. Dezember 2015 sei er durch seine Ärztin per FU zugewiesen wor-
den, weil er eine manische, angetriebene Symptomatik aufgewiesen habe. Bei
X.___ bestehe eine massive Selbstüberschätzung mit Verkennung der Situati-
on. Bei Eintritt habe er sich zunehmend gereizt, angetrieben, beleidigend und ver-
bal aggressiv drohend verhalten und habe jede Behandlung vehement abgelehnt,
so dass sichernde Massnahmen notwendig geworden seien. Auf der geschlosse-
nen Station habe er sich sodann zunehmend behandlungseinsichtig gezeigt be-
züglich der Medikation mit Seroquel 800mg, doch habe er auf einen sofortigen
Austritt gedrängt. Bei Erhebung des Berichts hätten sich die anfänglich manisch-
angetriebenen Symptome als rückläufig erwiesen. Der Patient befinde sich in der
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Stabilisierungsphase. Der Bericht kommt zum Schluss, dass bei vorzeitigem Ab-
bruch der stationären Behandlung von einer erneuten manischen Entgleisung mit
Eigenund Fremdgefährdung auszugehen sei (zum Ganzen act. 04).
E.
Mit prozessleitender Verfügung des Vorsitzenden der I. Zivilkammer des
Kantonsgerichts vom 08. Dezember 2015 (act. 06) wurde Dr. med. C.___,
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, gestützt auf Art. 439 Abs. 3 in
Verbindung mit Art. 450e Abs. 3 ZGB mit der Begutachtung von X.___ betraut.
Die Gutachterin wurde ersucht, sich zum Gesundheitszustand von X.___ und
zur Notwendigkeit der fürsorgerischen Unterbringung zu äussern und insbesonde-
re darzulegen, ob und inwiefern ein Bedarf an der Behandlung einer festgestellten
psychischen Erkrankung bzw. an der Betreuung der Person bestehe und mit wel-
cher konkreten Gefahr für die Gesundheit das Leben der betroffenen Person
von Dritten zu rechnen sei, wenn die Behandlung der gutachterlich festge-
stellten Krankheit bzw. Betreuung unterbleibe. Des Weiteren sollte sie die Frage
beantworten, ob aufgrund des festgestellten Handlungsbedarfs eine stationäre
Behandlung beziehungsweise Betreuung unerlässlich sei allfällige ambulante
Alternativen bestünden. Zudem hatte sie darüber Auskunft zu geben, ob die be-
troffene Person über glaubwürdige Krankheitsund Behandlungseinsicht verfüge.
F.
Das entsprechende Kurzgutachten datiert vom 10. Dezember 2015 und
wurde dem Kantonsgericht von Graubünden am selben Tag überbracht (act. 07).
Darin attestiert die Gutachterin X.___ eine bipolare affektive Störung mit einer
gegenwärtig manischen Episode ohne psychotische Symptome (ICD10: F31.1).
G.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 wandte sich X.___ erneut an das
Kantonsgericht von Graubünden. Sinngemäss ersuchte er um Schadenersatz für
seine Verletzungen an Ellbogen, Hand, Kopf und Rücken, welche er sich beim
Fussball spielen auf der Station D11 zugezogen habe, weil der Aussenbereich
"eine mangelnde Pflege [ ] (Belag, Plastik)" aufweise (act. 11).
H.
Am 15. Dezember 2015 reichte Rechtsanwalt Dr. iur. Vincent Augustin eine
Vollmacht zur Vertretung des Beschwerdeführers betreffend dessen fürsorgeri-
sche Unterbringung ein. In seinem Begleitschreiben liess er sich für die Teilnahme
an der Hauptverhandlung entschuldigen (zum Ganzen act. 12).
I.
Am 17. Dezember 2015 fand die mündliche Hauptverhandlung vor der I.
Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden statt, an welcher X.___ zu-
sammen mit seiner Frau, D.___, teilnahm. Zusammensetzung und Zuständig-
keit des Gerichts blieben unbestritten. Der Vorsitzende erläuterte X.___ den
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Zweck sowie den Ablauf der Verhandlung. Die anschliessende richterliche Befra-
gung des Beschwerdeführers bezog sich insbesondere auf seinen gegenwärtigen
Gesundheitszustand, die Gründe für seine fürsorgerische Unterbringung, seine
aktuellen Lebensumstände (Wohnund Arbeitssituation), seine Krankheitsund
Behandlungseinsicht sowie seine Einstellung gegenüber einer medikamentösen
Behandlung.
J.
Auf die Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich seiner richterlichen
Befragung wie auch auf die Ausführungen im Gutachten und den beigezogenen
Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
II. Erwägungen
1.a)
Da es sich vorliegend um ein Verfahren handelt, dem eine fürsorgerische
Unterbringung nach Art. 429 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR
210) zugrunde liegt, und das Kantonsgericht unter der neuen Rechtsordnung die
einzige kantonale Beschwerdeinstanz ist (Art. 439 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB in Verbin-
dung mit Art. 60 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch [EGzZGB;
BR 210.100]), hat der Beschwerdeführer sein Begehren um gerichtliche Überprü-
fung der fürsorgerischen Unterbringung an die hierfür zuständige Stelle einge-
reicht.
b)
Gegen die am 02. Dezember 2015 gestützt auf Art. 429 Abs. 1 ZGB ärztlich
verfügte fürsorgerische Unterbringung kann die betroffene eine ihr naheste-
hende Person innert 10 Tagen schriftlich beim zuständigen Gericht Beschwerde
erheben (Art. 439 Abs. 1 und 2 ZGB). Der Beschwerdeführer ist als unmittelbar
Betroffener der Einweisungsverfügung klarerweise zu deren Anfechtung legiti-
miert. Eine Begründung ist gemäss Art. 439 Abs. 3 ZGB, welcher die Bestimmun-
gen über das Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz und damit auch
Art. 450e Abs. 1 ZGB für sinngemäss anwendbar erklärt, nicht erforderlich. Vorlie-
gend wurde die Beschwerdefrist mit Eingabe vom 03. Dezember 2015 (Poststem-
pel) gewahrt. Da keine Begründungspflicht besteht und aus besagter Eingabe mit
hinreichender Klarheit geschlossen werden kann, dass sich der Beschwerdeführer
mit der fürsorgerischen Unterbringung in der Klinik B.___ nicht einverstanden
erklärt, ist auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten.
Wegen Unzuständigkeit nicht zu hören ist die "Schadenersatzklage", welche der
Beschwerdeführer beim Kantonsgericht von Graubünden am 14. Dezember 2015
einreichte.
Seite 4 — 13
2.a)
Wie bereits erwähnt, sieht Art. 439 Abs. 3 ZGB für die gerichtliche Überprü-
fung einer ärztlich angeordneten fürsorgerischen Unterbringung eine sinngemässe
Anwendung der Bestimmungen über das Verfahren vor der gerichtlichen Be-
schwerdeinstanz (Art. 450a ff. ZGB) vor. Zu beachten sind die allgemeinen Ver-
fahrensgrundsätze des erstinstanzlichen Verfahrens (Art. 443 ff. ZGB), die auch
im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anwendbar sind, soweit das
Gesetz in den Art. 450 ff. ZGB keine abweichenden Vorschriften enthält (Daniel
Steck, in: Geiser/Reusser [Hrsg.], Basler Kommentar zum Erwachsenenschutz,
Basel 2012, N 13 zu Art. 450 ZGB). Dies gilt namentlich für die in Art. 446 ZGB
verankerte uneingeschränkte Untersuchungsund Offizialmaxime und das Prinzip
der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Zu erwähnen ist ferner der ebenfalls für
alle Instanzen geltende Art. 450f ZGB, welcher die Bestimmungen der ZPO als
subsidiär anwendbar erklärt, soweit die Kantone nichts anderes bestimmen. Von
letzterer Möglichkeit wurde im Kanton Graubünden kein Gebrauch gemacht. Viel-
mehr verweist Art. 60 Abs. 2 EGzZGB ebenfalls auf die ZPO als subsidiär an-
wendbares Recht sowie auf die entsprechende kantonale Einführungsgesetzge-
bung (Einführungsgesetz zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [EGzZPO; BR
320.100]).
b)
Gemäss dem aufgrund des Verweises in Art. 439 Abs. 3 ZGB sinngemäss
anwendbaren Art. 450e Abs. 3 ZGB muss bei psychischen Störungen für den Ent-
scheid über eine ärztlich angeordnete fürsorgerische Unterbringung zwingend ein
Gutachten eingeholt werden. Das Gutachten muss von einer unabhängigen, im
laufenden Verfahren noch nicht involvierten sachverständigen Person erstellt wer-
den und in dem Sinne aktuell sein, als es sich zu den sich im gerichtlichen Verfah-
ren stellenden Fragen äussert (vgl. Thomas Geiser/Mario Etzensberger, in: Gei-
ser/Reusser [Hrsg.], Basler Kommentar zum Erwachsenenschutz, Basel 2012,
N 48 ff. zu Art. 439 ZGB, und Thomas Geiser, in: Geiser/Reusser [Hrsg.], Basler
Kommentar zum Erwachsenenschutz, Basel 2012, N 19 zu Art. 450e ZGB sowie
BGE 137 III 289 E. 4.4 f. und Urteil des Bundesgerichts 5A_63/2013 vom 7. Feb-
ruar 2013 E. 5, jeweils noch zum bisherigen Recht und nunmehr zum neuen Recht
Urteil des Bundesgerichts 5A_189/2013 vom 11. April 2013 E. 2.2). Mit dem am
10. Dezember 2015 erstatteten Kurzgutachten von Dr. med. C.___, welche den
Beschwerdeführer am 09. Dezember 2015 in der Klinik B.___ persönlich unter-
suchte und auch die Einweisungsverfügung von Dr. med. A.___ sowie die Be-
richte der Psychiatrischen Dienste Graubünden konsultierte, wurde dieser Vor-
schrift Genüge getan.
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c)
Gemäss Art. 450e Abs. 4 Satz 1 ZGB muss die gerichtliche Beschwer-
deinstanz die betroffene Person in der Regel als Kollegium anhören, was faktisch
zwingend zur Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung führt (vgl. Chris-
tof Bernhart, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011, N 848 f.).
Mit der Durchführung der mündlichen Hauptverhandlung am 17. Dezember 2015
wurde diese Vorgabe umgesetzt.
3.
Gemäss Art. 429 Abs. 1 ZGB können neben der Kindesund Erwachse-
nenschutzbehörde auch die von den Kantonen bezeichneten Ärzte und Ärztinnen
eine fürsorgerische Unterbringung, welche die Höchstdauer von sechs Wochen
nicht überschreiten darf, anordnen. Dabei hat die Ärztin der Arzt die betroffe-
ne Person persönlich zu untersuchen und anzuhören (Art. 430 Abs. 1 ZGB) und
ihr anschliessend den Unterbringungsentscheid mit den gesetzlich vorgeschriebe-
nen Angaben auszuhändigen (Art. 430 Abs. 2 und 4 ZGB). Was die verfahrens-
rechtlichen Anforderungen angeht, kann vorab festgehalten werden, dass der an-
gefochtene Unterbringungsentscheid der anordnenden Ärztin, Dr. med. A.___,
diesen zu genügen vermag. So geht aus dem Entscheid selber hervor, dass der
Beschwerdeführer von der vorerwähnten Ärztin persönlich untersucht und ange-
hört worden ist. Alsdann enthält der entsprechende Entscheid die gemäss Art. 430
Abs. 2 ZGB vorgeschriebenen Minimalangaben. Allerdings fehlt die unterschriftli-
che Bestätigung des Beschwerdeführers, ein Exemplar der Verfügung erhalten zu
haben. Dieser Umstand ist letztlich unbeachtlich, da der Beschwerdeführer offen-
sichtlich ungeachtet dessen in der Lage war, das gerichtliche Verfahren zur Über-
prüfung seiner Unterbringung in der Klinik B.___ umgehend einzuleiten.
Schliesslich war Dr. med. A.___ als im Kanton Graubünden zur selbständigen
Berufsausübung zugelassene Ärztin gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. a EGzZGB in Ver-
bindung mit Art. 22 der Verordnung zum Kindesund Erwachsenenschutz (KESV,
BR 215.010) zur Anordnung der Unterbringung in der Klinik B.___ legitimiert.
Gegeben ist auch die örtliche Zuständigkeit der einweisenden Ärztin. Massgeblich
ist hierfür nicht der Wohnsitz des Einzuweisenden, sondern sein Aufenthaltsort,
welcher sich in O.1___ befindet, wo Dr. med. A.___ praktiziert (vgl. Gei-
ser/Etzensberger, a.a.O., N 10 zu Art. 429/430 ZGB).
4.a)
Gemäss Art. 426 Abs. 1 ZGB darf eine Person, welche an einer psychi-
schen Störung an geistiger Behinderung leidet verwahrlost ist, in einer
geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung
Betreuung nicht anders erfolgen kann. Die Belastung und der Schutz von Angehö-
rigen und Dritten sind zu berücksichtigen (Abs. 2). Die betroffene Person wird ent-
lassen, sobald die Voraussetzungen der Unterbringung nicht mehr erfüllt sind
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(Abs. 3). Die Massnahme gelangt zur Anwendung, wenn eine Person der persön-
lichen Fürsorge Pflege bedarf (Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 6 vor Art. 426-
439 ZGB). Die fürsorgerische Unterbringung dient dem Schutz der betroffenen
Person und nicht der Umgebung (vgl. dazu: Botschaft zur Änderung des Schwei-
zerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindes-
recht] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7001, S. 7062). Erste gesetzliche Vorausset-
zung für eine Anordnung der Massnahme ist einer der drei abschliessend genann-
ten (Bernhart, a.a.O., N 262; Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 12 zu Art. 426 ZGB;
Olivier Guillod, in: Büchler/Häfeli/Leuba/Stettler [Hrsg.], FamKomm, Erwachse-
nenschutz, Bern 2013, N 34 zu Art. 426 ZGB) Schwächezustände: psychische
Störung, geistige Behinderung schwere Verwahrlosung. Erforderlich ist so-
dann eine sich aus dem Schwächezustand ergebende Notwendigkeit der Behand-
lung beziehungsweise Betreuung. Weitere Voraussetzung bildet, dass der Person
die nötige Behandlung Betreuung nicht auf andere Weise als durch eine Ein-
weisung beziehungsweise Zurückbehaltung in einer Anstalt gewährt werden kann
(Verhältnismässigkeit). Gesetzlich verlangt ist schliesslich eine geeignete Einrich-
tung (vgl. Urteile des Bundesgerichts 5A_189/2013 vom 11. April 2013 E. 2.1;
5A_346/2013 vom 17. Mai 2013 E. 1.2). Die genannten Voraussetzungen müssen
kumulativ erfüllt sein, damit eine freiheitsbeschränkende Unterbringung gesetzes-
konform ist (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 7 zu Art. 426 ZGB).
b)
Aufgrund des Gutachtens von Dr. med. C.___, welches sich nebst einer
persönlichen Konsultation zulässigerweise auch auf die Einweisungsverfügung
von Dr. med. A.___ vom 02. Dezember 2015 sowie auf die persönlichen Aus-
künfte des behandelnden Arztes Dr. med. E.___ stützt, ist ausgewiesen, dass
der
Beschwerdeführer
derzeit
an
einer
bipolaren
affektiven
Störung
(ICD10:F31.1), gegenwärtig in einer manischen Episode ohne psychotische
Symptome, leidet (act. 07). Dieses Krankheitsbild stellt eine psychische Störung
im Sinne der gesetzlichen Bestimmung von Art. 426 Abs. 1 ZGB dar (vgl. Bern-
hart, a.a.O., N. 285 ff.).
Den Psychostatus des Beschwerdeführers dokumentiert die Gutachterin als ge-
pflegt und normalgewichtig mit höflichem Auftreten. Sein Antrieb sei deutlich ge-
steigert. Er könne nur kurze Zeit sitzen und gehe während des Gesprächs oft im
Zimmer herum. Zudem habe er einen starken Rededrang, der kaum zu unterbre-
chen sei und ein hohes Redetempo. Er assoziiere schnell und bleibe nicht bei ei-
nem Thema, sei leicht erregt und schimpfe über Fehler, die er zum Beispiel in der
Patientenbetreuung den Tätigkeiten in der Pflege wahrnehme. Er könne sich
aber selbst wieder beruhigen, wenn er Zeit habe, auszureden. Seine Selbstein-
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schätzung beurteilt sie als zu gut ("normal und stabil"), zeige sich aber zugleich
behandlungseinsichtig und berichte er auch selbst von Reizüberflutungen und sei-
nen Reaktionen darauf. In Bezug auf seine Arbeitsmöglichkeiten bestünden even-
tuell Grössenwahnideen: So gebe er an, bei einem Konflikt mit der Klinikleitung
würde er seine Tätigkeit aufgeben und könne zum Beispiel als Berater der Klinik
CHF 2000.-pro Tat verdienen. Seine Stimmungslage schwanke zwischen leicht
gehoben, gereizt und zornig, doch wurde er von der Gutachterin nicht als bedroh-
lich empfunden. Alsdann habe es keinen Hinweis auf Wahngedanken, Wahrneh-
mungsstörungen Suizidalität gegeben (zum Ganzen act. 07).
b/dd) Anlässlich der Hauptverhandlung hat der Beschwerdeführer im Wesentli-
chen geltend gemacht, die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbrin-
gung seien nicht gegeben. Er befinde sich momentan zwar in einer manischen
Phase und sei selbst zur Erkenntnis gelangt, dass er einer stationären Behand-
lung bedürfe, doch sei er weder fremdnoch selbstgefährdend gewesen. Er sei
zwar ausfällig geworden gegenüber seiner Frau, dies jedoch nur verbal. Er wehre
sich aber entschieden gegen den Vorwurf, er hätte zu viel Geld ausgegeben. Hin-
sichtlich seines Klinikeintritts bemerkte der Beschwerdeführer, er habe sich in
mehrfacher Hinsicht unzulässig behandelt gefühlt. Die Verfügung sei erst einige
Stunden nach Klinikeintritt dort eingegangen. Er habe darauf warten wollen und
sei später ins Isolationszimmer verbracht worden, ohne dass er mit seinem Vater
seinem Anwalt hätte sprechen können. Seither fühle er sich aber sehr wohl
auf der geschlossenen Station D11 der Psychiatrischen Klinik B.___. Soweit er
für sich seine Frau einen Mehrwert erkenne, sei er auch bereit, seinen Klini-
kaufenthalt zu verlängern. Der Beschwerdeführer zeigt vollständige Krankheits-
und Behandlungseinsicht; vom Nutzen seiner Medikation ist er überzeugt. Bei der
Befragung durch den Vorsitzenden der I. Zivilkammer gebarte er sich zwar sehr
agitiert, lief im Gerichtssaal auf und ab, doch er drückte sich sowohl formal als
auch inhaltlich klar aus.
c)
Eine weitere kumulative Voraussetzung für eine fürsorgerische Unterbrin-
gung ist die sich aus diesem Schwächezustand ergebende Notwendigkeit einer
Behandlung resp. Betreuung. Dr. med. C.___ hält in ihrem Gutachten vom 10.
Dezember 2015 fest, dass die gegenwärtig auftretende manische Störung beim
Beschwerdeführer akut behandlungsbedürftig sei. Bei Unterbleiben einer adäqua-
ten Behandlung in Form von Reizabschirmung und medikamentöser Einstellung
würde sich das manische Zustandsbild erneut verstärken. Aufgrund der damit ein-
hergehenden Reizbarkeit könnte der Beschwerdeführer erneut in Konflikt mit Per-
sonen geraten und deren Gesundheit gefährden. Ausserdem bestünde eine gros-
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se Gefahr der sozialen Selbstschädigung in Form von überhöhten Geldausgaben
Konflikten mit der Ehefrau, die die Ehe in Gefahr bringen könnten. Durch
Konflikte mit Mitarbeitern und Vorgesetzten könne auch die Arbeitsstelle gefährdet
werden. Aufgrund dieser vor allem sozialen potentiellen Selbstgefährdung sei die
manische Episode unbedingt behandlungsbedürftig (zum Ganzen act. 07).
d)
Als weitere Voraussetzung für eine fürsorgerische Unterbringung bedarf es
zudem, dass die nötige Behandlung Betreuung nicht anders erfolgen können
darf als mit der Einweisung in eine Einrichtung. Weil eine Unterbringung stets eine
schwerwiegende Einschränkung der persönlichen Freiheit darstellt, muss sie ver-
hältnismässig sein. Mit anderen Worten muss die Unterbringung in einer Einrich-
tung geeignet sein, den Zweck der beabsichtigten Behandlung zu erfüllen, ohne
dass eine weniger einschneidende Massnahme genügen würde (vgl. dazu Gei-
ser/Etzensberger, a.a.O., N 22 ff. zu Art. 426 ZGB und Guillod, a.a.O., N 64 f. zu
Art. 426 ZGB). Eine Unterbringung fällt in den Worten der Botschaft zum neuen
Erwachsenenschutzrecht deshalb nur als ultima ratio in Betracht (a.a.O., S. 7062).
Als leichteste Massnahme kommen den ambulanten Massnahmen und der Nach-
betreuung sowie der freiwilligen Sozialhilfe entscheidende Bedeutung zu. Die Gut-
achterin gelangt diesbezüglich zum Schluss, dass sich die stationäre Behandlung,
aktuell auf der Station D11 der Psychiatrischen Klinik B.___, als angemessen
und notwendig für die Behandlung der manischen Krankheitsepisode des Be-
schwerdeführers erweise. Der Beschwerdeführer bedürfe der Reizabschirmung.
Er selbst befürworte diese auf der geschlossenen Station, doch denke er, er kön-
ne die gleiche Ruhe eventuell auch ausserhalb der Klinik finden. Kurz darauf be-
richte er jedoch von der Reizüberflutung ausserhalb der Station. Die Gutachterin
hält eine ambulante Behandlung der Manie deshalb aktuell für nicht sinnvoll, da
sie eine Verschlechterung der Symptomatik bewirken könnte, was auch eine star-
ke Belastung für die Ehefrau von X.___ darstellte (zum Ganzen act. 07).
e)
Als letzte kumulative Voraussetzung einer rechtmässigen fürsorgerischen
Unterbringung fordert Art. 426 Abs. 1 ZGB das Vorhandensein einer für die nötige
Behandlung und Betreuung geeignete Einrichtung. Dass die Klinik B.___ der
Psychiatrischen Dienste Graubünden eine geeignete Einrichtung in diesem Sinne
darstellt, steht ausser Frage. Dies wird vom Beschwerdeführer denn auch nicht
bestritten.
f/aa) Gemäss Art. 426 Abs. 3 ZGB wird eine Person entlassen, sobald die Vo-
raussetzungen für eine Unterbringung nicht mehr erfüllt sind. Mit dieser Umschrei-
bung beabsichtigte der Gesetzgeber eine im Vergleich zum bisherigen Recht rest-
Seite 9 — 13
riktivere Regelung der Entlassungsvoraussetzungen, welche der sog. Drehtürpsy-
chiatrie entgegen wirken sollte (vgl. Botschaft Erwachsenenschutz, a.a.O.,
S. 7063). Der Patient soll die Klinik nicht bereits verlassen können, sobald die aku-
te Krise, die zur Einweisung geführt hat, vorüber ist; vielmehr ist eine gewisse Zeit
für die Stabilisierung des Gesundheitszustands für die Organisation der not-
wendigen Betreuung ausserhalb der Einrichtung erforderlich, da ansonsten in Kür-
ze wieder eine Einweisung in die Klinik nötig wird (Hermann Schmid, Kommentar
Erwachsenenschutz, Zürich 2010, N 17 zu Art. 426 ZGB; vgl. auch Bernhart,
a.a.O., N 399 f.). Der Entscheid über die Entlassung ist, wie dargelegt, stets an-
hand des Zustands des Betroffenen im aktuellen Zeitpunkt zu bestimmen (vgl.
Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 44 zu Art. 426 ZGB). Dabei ist eine Interessenab-
wägung im Hinblick auf den Zweck der fürsorgerischen Unterbringung, nämlich die
Wiedererlangung der Selbständigkeit und der Eigenverantwortung im Entlas-
sungszeitpunkt, vorzunehmen. So kann es im Einzelfall für eine Entlassung nicht
genügen, dass eine Person bereits wieder in der Lage wäre, für sich selber zu
sorgen, wenn mit einem Rückfall zu rechnen ist und eine nur noch kurze Weiter-
führung der Therapie in der Anstalt zu einer anhaltenden Besserung führen könn-
te. Eine kurze Verzögerung der Entlassung ist auch zulässig, um die Nachbetreu-
ung zu organisieren, wenn die betroffene Person ohne eine solche durch die Ent-
lassung Schaden nehmen würde (Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 45 zu Art. 426
ZGB). Der zuständigen Instanz wird mithin beim Entlassungsentscheid der Spiel-
raum belassen, die notwendige Nachbetreuung so zu berücksichtigen, dass sich
ein rascher Wiedereintritt in die psychiatrische Einrichtung vermeiden lässt (Guil-
lod, a.a.O., N 79 zu Art. 426 ZGB).
e/bb) Vorliegend geht aus dem Gutachten hervor, dass sich der Gesundheitszu-
stand des Patienten seit dem Eintrittstag gebessert hat und dass er sich in der
Stabilisierungsphase befindet. Dies hat auch das Auftreten des Beschwerdefüh-
rers an der Hauptverhandlung vom 17. Dezember 2015 bestätigt, an welcher er
zwar einen agitierten, aber ansonsten recht guten Eindruck hinterlassen hat. Er ist
krankheitsund behandlungseinsichtig und zeigt sich gewillt, die ihm verschriebe-
nen Medikamente zur weiteren Stabilisierung seines Zustands einzunehmen, was
von der Gutachterin bestätigt wurde. Die Verabreichung der Medikation wird auch
in den Akten der Psychiatrischen Klinik B.___ als meist unproblematisch be-
schrieben. Jedenfalls drängt sich aufgrund der Befragung des Beschwerdeführers
der Schluss auf, dass aktuell von ihm keine konkrete Selbstoder Fremdgefähr-
dung ausgeht. Indes hat sich sein Zustand gemäss dem Gutachten noch nicht in
einem solchen Mass stabilisiert, dass ausserhalb des geschützten Rahmens ein
Seite 10 — 13
selbstoder fremdgefährdendes Verhalten vollständig ausgeschlossen werden
könnte. Allerdings rechtfertigte dies keinen Rückbehalt von X.___ in der Psychi-
atrischen Klinik B.___. Dass der psychische Zustand des Beschwerdeführers
momentan instabil ist, was der Beschwerdeführer auch selbst anerkennt, hat ihn
allerdings bei der Hauptverhandlung dazu bewogen, aus Rücksicht auf seine Frau,
dem weiteren Verbleib in der Psychiatrischen Klinik B.___ auf der geschlosse-
nen Station D11 zuzustimmen. X.___ ist zurzeit offensichtlich auf die Unterstüt-
zung seiner Frau angewiesen. Er will zwar nach Hause, doch fürchtet er selbst
eine Reizüberflutung ausserhalb der geschlossenen Station D11 und möchte des-
halb nicht alleine daheim sein. Da seine Frau 70% arbeitet, durch die Situation
selbst belastet und am Wochenende vor Weihnachten ferienabwesend ist, bietet
sich in Absprache zwischen den Ehegatten ein Austritt am 23. Dezember 2015 an.
Dies entspricht auch der Zielrichtung des Art. 426 ZGB, wonach gemäss Abs. 2
neben einer Selbstoder Fremdgefährdung auch die Belastung und der Schutz
von Angehörigen und Dritten bei Aufhebung einer fürsorgerischen Unterbringung
zu berücksichtigen sind. Insofern nimmt das Kantonsgericht von Graubünden da-
von Vormerk, dass X.___ sich bereit erklärt hat, zum Zwecke der weiteren Sta-
bilisierung seines gesundheitlichen Zustands die Aufhebung der fürsorgerischen
Unterbringung erst auf den 23. Dezember 2015 wirksam werden zu lassen.
g)
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Voraussetzungen für eine
fürsorgerische Unterbringung gemäss Art. 426 ZGB nicht (mehr) erfüllt sind. Die
ärztliche Einweisung durch Dr. med. A.___ ist rechtmässig erfolgt und auch in
formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Das Gutachten wie auch die persönliche
Anhörung haben jedoch aufgezeigt, dass der Beschwerdeführer zum jetzigen
Zeitpunkt und in der momentanen Verfassung zwar auf eine regelmässige Medi-
kamenteneinnahme angewiesen ist, damit sich sein Gesundheitszustand verbes-
sert und stabilisiert, doch geht von ihm weder eine konkrete Gefahr für sich selbst
noch für Dritte aus. Die Beschwerde ist folglich gutzuheissen, wird gemäss Ab-
sprache jedoch erst auf 23. Dezember 2015 wirksam.
5.
In Bezug auf die Grundsätze der Kostenauflage im erwachsenenschutz-
rechtlichen Beschwerdeverfahren verweisen die Art. 63 Abs. 5 und Art. 60 Abs. 2
EGzZGB subsidiär auf die Bestimmungen der ZPO. In sinngemässer Anwendung
von Art. 106 Abs. 1 ZPO verbleiben die Kosten des Beschwerdeverfahrens von
insgesamt CHF 2'668.-- (bestehend aus CHF 1'500.-- Gerichtsgebühr und CHF
1'186.-- Gutachterkosten) bei diesem Verfahrensausgang beim Kanton Graubün-
den. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. iur. Vincent
Augustin, beantragte mit Eingabe vom 15. Dezember 2015 eine ausseramtliche
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Entschädigung, welche nach Ermessen des Gerichts festzusetzen sei (act. 12).
Da dem Rechtsvertreter kein nennenswerter Aufwand entstanden ist, wird vorlie-
gend auf die Zusprechung einer Parteientschädigung verzichtet.
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III. Demnach wird erkannt:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die ärztlich angeordnete fürsorgeri-
sche Unterbringung aufgehoben.
2.
Es wird davon Vormerk genommen, dass X.___ sich in Absprache mit
seiner Ehefrau bereit erklärt hat, zum Zwecke der weiteren Stabilisierung
seines gesundheitlichen Zustands die Aufhebung der fürsorgerischen Un-
terbringung erst auf den 23. Dezember 2015 wirksam werden zu lassen.
3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von insgesamt CHF 2'668.--
(CHF 1'500.-- Gerichtsgebühr und CHF 1'168.-- Gutachterkosten) gehen zu
Lasten des Kantons Graubünden. Es wird keine aussergerichtliche Ent-
schädigung gesprochen.
4.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 72 BGG Beschwerde in Zivil-
sachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt
werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen
seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der ge-
mäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zuläs-
sigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das
Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90 ff. BGG.
5.
Mitteilung an:
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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