Der Beschuldigte wurde wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt und erhielt eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten sowie eine Busse von 500 CHF. Die Freiheitsstrafe wurde teilweise aufgeschoben und eine Probezeit von 3 Jahren festgesetzt. Die Gerichtskosten wurden dem Beschuldigten auferlegt, jedoch sofort und definitiv abgeschrieben. Die Kosten der amtlichen Verteidigung wurden vorläufig auf die Staatskasse genommen. Der Beschuldigte hat seine Drogensucht als strafminderndes Element geltend gemacht, jedoch konnte dies aufgrund fehlender Untersuchungen nicht bestätigt werden. Letztendlich wurde die Strafe aufgrund des festgestellten Tatverschuldens und der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten angemessen festgesetzt.
Urteilsdetails des Kantongerichts ZK1-11-71
Kanton: | GR |
Fallnummer: | ZK1-11-71 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 27.10.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entzug der Bewilligung zur unentgeltlichen Rechtspflege |
Schlagwörter : | Recht; Rechtspflege; Bezirksgericht; Entscheid; Landquart; Bewilligung; Rechtsvertreter; Entzug; Einzelrichter; Gericht; Scheidung; Kanton; Gesuch; Graubünden; Bezirksgerichts; Verfahren; Aufwand; Kantons; Gewährung; Rechtsvertreters; Honorar; Schweizerische; ängigkeit |
Rechtsnorm: | Art. 105 ZPO ;Art. 118 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 120 ZPO ;Art. 326 ZPO ; |
Referenz BGE: | 129 I 65; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Kantongerichts ZK1-11-71
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
_____
Ref.:
Chur, 27. Oktober 2011
Schriftlich mitgeteilt am:
ZK1 11 71
01. November 2011
Urteil
I. Zivilkammer
Vorsitz
Brunner
RichterInnen
Michael Dürst und Schlenker
Aktuarin
Thöny
In der zivilrechtlichen Beschwerde
der X., Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Silvio C. Bian-
chi, Martinsplatz 8, 7002 Chur,
gegen
den Entscheid des Einzelrichters des Bezirksgerichts Landquart vom 13. Septem-
ber 2011, mitgeteilt am 15. Juni 2011, in Sachen gegen die Beschwerdeführerin,
betreffend Entzug der Bewilligung zur unentgeltlichen Rechtspflege,
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt
A.
Nach durchgeführtem Eheschutzverfahren vor dem Bezirksgerichtspräsi-
denten Landquart und entsprechendem Weiterzug an den Einzelrichter in Zivilsa-
chen am Kantonsgericht von Graubünden gelangte X. am 18. Februar 2011 erneut
ans Bezirksgerichtspräsidium Landquart mit dem Gesuch um Gewährung der un-
entgeltlichen Rechtspflege für ein noch nicht rechtshängiges Scheidungsverfah-
ren. In der Begründung führte sie insbesondere an, die Parteien hätten einen Ent-
wurf für eine Scheidungskonvention ausgearbeitet und seien an einer einvernehm-
lichen Scheidung interessiert.
B.
Mit Entscheid vom 19. Mai 2011 bewilligte der Bezirksgerichtspräsident
Landquart als Einzelrichter das Gesuch rückwirkend ab dem 17. September 2010,
wobei Rechtsanwalt Dr. iur. Silvio C. Bianchi als unentgeltlicher Rechtsvertreter
eingesetzt wurde.
C.
Am 6. Juni 2011 liess X. dem Bezirksgerichtspräsidenten mitteilen, dass
sich die Gegenpartei trotz Ausarbeitung einer Ehescheidungskonvention samt gü-
terrechtlicher Auseinandersetzung für den Klageweg entschieden und im Sinne
eines „forum running“ mit Datum vom 30. Mai 2011 eine Scheidungsklage beim
Bezirksgericht Plessur rechtshängig gemacht habe. Dem Schreiben beigelegt
wurde die Honorarnote des Rechtsvertreters über den Betrag von Fr. 5'786.35 für
Aufwendungen ab dem 17. September 2010.
D.
Mit Entscheid vom 13. September 2011, mitgeteilt am 15. September 2011,
entzog der Einzelrichter des Bezirksgerichts Landquart X. die Bewilligung zur un-
entgeltlichen Rechtspflege vom 19. Mai 2011 rückwirkend auf den 17. September
2010. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Rechtsvertreter der Ge-
suchstellerin habe es versäumt, die örtliche Gerichtsbarkeit des Bezirksgerichts
Landquart durch ein gemeinsames Scheidungsbegehren eine Klage zu fixie-
ren. Dadurch sei die Klageeinreichung durch die Gegenpartei beim Bezirksgericht
Plessur möglich gewesen. Es könne nicht sein und wäre im Ergebnis nicht vertret-
bar, wenn die Kasse des Bezirksgerichts Landquart für einen Parteivertreter ein
zudem noch weit über den Verhältnissen liegendes Honorar ausschütten müsse,
obschon es sich mit Ausnahme der Bewilligung zur unentgeltlichen Rechtspflege
nie mit dem Fall habe befassen müssen.
E.
Gegen diesen Entscheid liess X. mit Eingabe vom 26. September 2011 Be-
schwerde beim Kantonsgericht von Graubünden einreichen mit dem Begehren um
Seite 2 — 9
Aufhebung des angefochtenen Entscheids unter gesetzlicher Kostenund Ent-
schädigungsfolge.
F.
Mit Stellungnahme vom 30. September 2011 beantragte der Bezirksge-
richtspräsident Landquart als Einzelrichter die vollumfängliche Abweisung der Be-
schwerde mit der sich daraus ergebenden Kostenfolge.
Auf die Begründung der Anträge sowie auf die Ausführungen in der Vernehmlas-
sung wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.
II. Erwägungen
1.
Gegen Entscheide des Einzelrichters des Bezirksgerichts betreffend die
Ablehnung den Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege kann gemäss
Art. 121 in Verbindung mit Art. 319 lit. b ZPO und Art. 8 des Einführungsgesetzes
zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (EGzZPO; BR 320.100) Beschwerde an
das Kantonsgericht von Graubünden erhoben werden. Die Beschwerde ist, da es
sich gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO um ein summarisches Verfahren handelt, innert
10 Tagen seit der Zustellung der Entscheidbegründung schriftlich und begründet
einzureichen, wobei der angefochtene Entscheid beizulegen ist (Art. 321 Abs. 2
und 3 ZPO). Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde von X. vom
26. September 2011 fristund formgerecht eingereicht, weshalb darauf einzutreten
ist.
2.
Gemäss Art. 326 Abs. 1 ZPO ist es ausgeschlossen, im Beschwerdeverfah-
ren neue Akten einzureichen. Vorbehalten bleiben besondere Bestimmungen des
Gesetzes (Abs. 2), welche im vorliegenden Verfahren jedoch nicht in Betracht
kommen. Die mit der Beschwerdeeingabe produzierten neuen Beweisurkunden
sind demnach aus dem Recht zu weisen.
3.a) Mit Entscheid vom 19. Mai 2011 hat der Einzelrichter am Bezirksgericht
Landquart X. in Anwendung von Art. 119 Abs 1 ZPO für das in Vorbereitung ste-
hende Scheidungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechts-
anwalt Dr. iur. Silvio C. Bianchi zum unentgeltlichen Rechtsvertreter ernannt. Im
entsprechenden Gesuch von X. war darauf hingewiesen worden, dass die Partei-
en an einer einvernehmlichen Scheidung interessiert seien und von den Parteian-
wälten bereits eine Scheidungskonvention ausgearbeitet worden sei. Allerdings
sei die Unterzeichnung noch nicht erfolgt. Diese Angabe hat der Einzelrichter am
Bezirksgericht Landquart offenbar als glaubwürdig erachtet und er zieht diese we-
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der in der angefochtenen Verfügung noch in seiner Vernehmlassung vom 30. Sep-
tember 2011 in Zweifel. Gerade für derartige Konstellationen sieht der Gesetzge-
ber die Möglichkeit vor, ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege schon vor Ein-
tritt der Rechtshängigkeit zu stellen. Die Botschaft zur Schweizerischen Zivilpro-
zessordnung vom 28. Juni 2006 zu den fraglichen Bestimmungen über die unent-
geltliche Rechtspflege, welche vom Parlament unverändert übernommen wurden,
erwähnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch die Erarbeitung einer
Scheidungskonvention (Botschaft S. 7302; so auch Emmel, in Sutter-
Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2011, N.
14 zu Art. 118 ZPO). In diesem Sinne sieht Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO vor, dass die
Rechtsbeiständin der Rechtsbeistand bereits zur Vorbereitung des Prozes-
ses bestellt werden kann.
b)
Im vorliegenden Fall kommt allerdings hinzu, dass der Einzelrichter am Be-
zirksgericht Landquart die unentgeltliche Rechtspflege nicht nur vor Eintritt der
Rechtshängigkeit des Prozesses bewilligt hat, sondern zusätzlich rückwirkend auf
den 17. September 2010. Als Grundsatz gilt dabei, dass die Wirkung der unent-
geltliche Rechtspflege ab dem Datum der Gesuchstellung vorliegend somit am
18. Februar 2011 eintritt, wobei praxisgemäss der Aufwand für die Gesuchsein-
reichung und in zeitlich engen Grenzen dringende Prozesshandlungen bzw. Vor-
bereitungshandlungen bei Bewilligung des Gesuchs ebenfalls entschädigt werden.
Eine eigentliche rückwirkende Bewilligung erfolgt gemäss ausdrücklicher Geset-
zesvorschrift von Art. 119 Abs. 4 ZPO nur ausnahmsweise. Wie die Lehre betont,
ist von dieser Möglichkeit äusserst zurückhaltend Gebrauch zu machen (Huber in:
Brunner/Gasser/Schwander, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2011, N. 12 zu
Art. 119 ZPO; Emmel, a.a.O., N. 4 zu Art. 119 ZPO). Der Einzelrichter am Be-
zirksgericht Landquart hat ohne sichtliche Prüfung dieser Voraussetzungen in sei-
nem Entscheid vom 19. Mai 2011 die unentgeltliche Rechtspflege rückwirkend auf
den 17. September 2010 gewährt, obwohl im Gesuch auf die Kontaktnahme des
Gegenanwalts vom 17. September 2010 und die anschliessenden Konventions-
verhandlungen hingewiesen wurde. Ob die Voraussetzungen zur rückwirkenden
Gewährung der unentgeltliche Rechtspflege unter diesen Umständen gegeben
waren, ist zumindest zweifelhaft. Da der Entscheid vom 19. Mai 2011 jedoch un-
angefochten blieb und die Gesuchstellerin deshalb davon ausgehen durfte, dass
der Aufwand ihres unentgeltlichen Rechtsvertreters ab 17. September 2010 ent-
schädigt werde (vgl. auch nachstehende Erwägungen), kann die Frage vorliegend
offen bleiben, ob die rückwirkende Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege
zu Recht zu Unrecht gewährt wurde. Auf jeden Fall erstaunt es nicht, wenn
Seite 4 — 9
bei einer Rückwirkung für die Dauer von fünf Monaten und laufenden Konventi-
onsverhandlungen für diese Zeit ein Honoraranspruch von rund Fr. 4'000.-ent-
standen ist.
c)
Das Gesetz gestattet nun allerdings den Entzug der unentgeltlichen
Rechtspflege, wenn der Anspruch darauf nicht mehr besteht nie bestanden
hat (Art. 120 ZPO). Der Vorderrichter ist der Auffassung, im vorliegenden Fall sei
der rückwirkende Entzug gerechtfertigt, weil es der unentgeltliche Rechtsvertreter
versäumt habe, den Gerichtsstand für das Scheidungsverfahren am Bezirksgericht
Landquart zu fixieren, und es für das Bezirksgericht Landquart nicht zumutbar sei,
den Aufwand für Vorbereitungshandlungen eines Rechtsvertreters für einen Pro-
zess zu entschädigen, welcher anschliessend vor einem anderen Gericht durchge-
führt worden sei.
ca)
Der Gesetzgeber ging grundsätzlich davon aus, dass ein Entzug nur für die
Zukunft erfolgen darf. Im Sinne einer Ausnahme darf die unentgeltliche Rechts-
pflege aber rückwirkend entzogen werden, wenn sich im Verlaufe des Verfahrens
herausstellt, dass der Gesuchsteller bereits im Zeitpunkt des Entscheids über ge-
nügend Mittel verfügt hat (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 7303), sich seine finan-
ziellen Verhältnisse während des Verfahrens ausserordentlich verbessern (Huber,
a.a.O., N. 10 zu Art. 120 ZPO mit Hinweisen; Emmel, a.a.O., N. 2 zu Art. 120
ZPO; Rüegg, Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel
2010, N. 2 zu Art. 120 ZPO). Denkbar ist ein rückwirkender Entzug allgemein
dann, wenn der Gesuchsteller durch irreführende Angaben Verschweigen
relevanter Tatsachen auf den Entscheid eingewirkt hat. Kann einer Partei aber
nichts Derartiges vorgehalten werden, darf der Entzug der unentgeltlichen
Rechtspflege nicht rückwirkend erfolgen (vgl. Urteil des Bundesgerichts
5P.16/2007 vom 20. April 2007, E. 3.1). Die bedürftige Partei und ihr Vertreter dür-
fen nämlich in guten Treuen davon ausgehen, dass bis zur Anordnung des Ge-
genteils die Unentgeltlichkeit Geltung hat. Erst wenn diese Annahme nicht mehr
berechtigt ist, kommt ein Entzug auch rückwirkend für Rechtsvorkehren in Be-
tracht, welche nicht im Vertrauen auf das gewährte Armenrecht vorgenommen
werden konnten (Urteil des Bundesgerichts 4P.300/2005 vom 15. Dezember 2005,
E. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Insbeson-
dere ist der Umstand, dass der Rechtsvertreter von X. den Gerichtsstand Land-
quart nicht durch Einreichung eines gemeinsamen Scheidungsbegehrens
einer Klage „fixiert“ hat, kein Grund zum rückwirkenden Entzug der unentgeltlichen
Rechtspflege. Das Gesetz sieht in Art. 119 Abs. 1 ZPO (und Art. 118 Abs. 1 lit. c
ZPO) ausdrücklich die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vor Eintritt
Seite 5 — 9
der Rechtshängigkeit des Verfahrens beziehungsweise zur Vorbereitung eines
Prozesses vor. Bei derartigen Konstellationen ist es in der Regel so, dass der Ge-
richtsstand noch nicht feststeht. Der Gesetzgeber schreibt auch nicht vor, dass die
Klage unmittelbar nach Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege beim betref-
fenden Gericht einzureichen ist dass mit der Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege gleichzeitig der Gerichtsstand fixiert wird. Er nimmt es bei nicht aus-
schliesslichen Gerichtsständen also in Kauf, dass der Prozess allenfalls an einem
anderen Gericht stattfindet. Auf jeden Fall fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die
Beschwerdeführerin ihr Rechtsvertreter darauf hingearbeitet hätten, dass das
Scheidungsverfahren vor einem anderen Gericht durchgeführt werde. Soweit dies
überhaupt von Relevanz wäre, könnte ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden.
Sodann gereicht es der betreffenden Partei, welche die unentgeltliche Rechtspfle-
ge gewährt erhielt, auch nicht zum Vorwurf, dass sie nicht unmittelbar nach deren
Bewilligung den Prozess rechtshängig macht. Dies könnte gerade Konventions-
verhandlungen unnötig belasten und schliesslich kontraproduktiv sein. Anderer-
seits sind die Bedenken des Gerichts, dass die Kosten der unentgeltlichen
Rechtsvertretung ohne rechtshängiges Verfahren nur schwer kontrollierbar sind
und aus dem Ruder laufen könnten, nachvollziehbar. Eine wirksame Eindämmung
dieser
Kosten
kann
wohl
nur
durch
konsequente
Überprüfung der Notwendigkeit des anwaltlichen Aufwands und der Kürzung
überhöhter Honorarnoten erfolgen.
cb)
Der Einzelrichter am Bezirksgericht Landquart stört sich daran, dass es oh-
ne frühzeitige Fixierung des Gerichtsstands möglich ist, dass „seine“ Gerichtskas-
se für Kosten aufkommen müsse, die grundsätzlich für einen vor einem anderen
Gericht geführten Prozess angefallen sind. Obwohl der Kanton seit 1. Januar 2011
für die Defizite aller staatlichen bündnerischen Gerichte aufkommt (Art. 73 GOG),
ist dem Einwand ein gewisses Verständnis entgegenzubringen, sind die Kosten
der Bezirksgerichte doch zu einem erheblichen Teil fallbezogen und steigen so die
Kosten pro Fall, ohne dass der betreffende Aufwand einem Hauptverfahren zuge-
ordnet werden kann. Dies ist indessen kein entscheidendes Kriterium und bildet
selbstverständlich keinen Grund für einen richterlichen Entzug der Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege. Der Gesetzgeber hat solches im Gegenteil mit der
Ermöglichung der unentgeltlichen Rechtspflege vor Eintritt der Rechtshängigkeit in
Kauf genommen und der Kanton Graubünden hat im Gegensatz zu anderen
Kantonen (vgl. Huber, a.a.O., N. 17 zu Art. 119 ZPO) keine besondere Instanz
zur Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege vor Eintritt der Rechtshängigkeit
und einen speziellen Kostenträger vorgesehen.
Seite 6 — 9
cc)
Nicht stichhaltig ist auch der Einwand des Einzelrichters am Bezirksgericht
Landquart unter Hinweis auf eine Literaturstelle bei Stefan Meichssner (Das
Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3b), Rheinfelden 2008,
S. 173 f.), dass ein rückwirkender Entzug möglich sei, wenn der Verfügungsadres-
sat selbst für die ursprüngliche Fehlerhaftigkeit der Bewilligung der unentgeltlichen
Rechtspflege verantwortlich sei, was vorliegendenfalls zutreffe. Wie bereits er-
wähnt sind irreführende Handlungen Unterlassungen der Beschwerdeführerin
oder ihres Rechtsvertreters nicht erkennbar. Die Bewilligung der unentgeltlichen
Rechtspflege war denn auch nicht etwa fehlerhaft, da sie vor Eintritt der Rechts-
hängigkeit gesetzlich möglich ist. Nicht ausgeschlossen ist (als Ausnahme) auch
die rückwirkende Gewährung. In diesem Zusammenhang kann auch keine Irrefüh-
rung durch die gesuchstellende Partei geltend gemacht werden, wurde doch im
Gesuch darauf hingewiesen, dass seit 17. September 2010 Konventionsverhand-
lungen liefen. Im Rahmen der beschränkten Untersuchungsmaxime (vgl. Huber,
a.a.O., N 18 zu Art. 119 ZPO) hätte es auch dem Einzelrichter am Bezirksgericht
Landquart oblegen abzuklären, wie viel Zeit bereits in Konventionsverhandlungen
investiert worden ist und ob die Voraussetzungen der rückwirkenden Bewilligung
der unentgeltlichen Rechtspflege in der Tat gegeben waren. Aus allen diesen
Gründen ist somit festzustellen, dass der rückwirkende Entzug der Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege zu Unrecht erfolgt ist, was zur Gutheissung der Be-
schwerde führt.
cd)
Keine selbständige Bedeutung hat bei diesem Ausgang die von der Be-
schwerdeführerin vorgebrachte Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs im
Zusammenhang mit dem Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege (vgl. immerhin
das Urteil des Bundesgerichts 4P.300/2005 vom 15. Dezember 2005, E. 2), wes-
halb darauf nicht weiter einzugehen ist.
ce)
Steht mit diesem Entscheid nun fest, dass die Bewilligung der unentgeltli-
chen Rechtspflege zu Unrecht entzogen wurde, ist die Sache zur Festsetzung der
Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters an die Vorinstanz zurückzu-
weisen.
4.a) Im vorliegenden Fall kann offen gelassen werden, ob Art. 119 Abs. 6 ZPO
derart auszulegen ist, dass der Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Verfahrens
um die unentgeltliche Rechtspflege auch im Rechtsmittelverfahren greift (vgl. be-
jahend Huber, a.a.O., N. 27 zu Art. 119 und N. 10 zu Art. 121). Da die Beschwer-
deführerin obsiegt, verbleiben die Kosten des Beschwerdeverfahrens ohnehin
beim Kanton Graubünden.
Seite 7 — 9
b)
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist der Beschwerdeführerin zu Lasten
des Kantons Graubünden eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 106 Abs. 1
ZPO in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 ZPO). Dabei ist zu berücksichtigen, dass
nur X. selbst beschwerdelegitimiert war und nicht etwa auch ihr unentgeltlicher
Rechtsvertreter (vgl. hierzu das Urteil des Bundesgerichts 5P.417/2006 vom 7.
Februar 2007 E. 1.2 sowie BGE 129 I 65). Letzterer ist somit nicht als Rechtsver-
treter, der (auch) in eigener Sache handelt, zu betrachten, so dass der Beschwer-
deführerin eine volle Parteientschädigung zusteht. Der Rechtsvertreter von X.
reichte am 13. Oktober 2011 eine Honorarnote über den Betrag von Fr. 1'657.50
ein, wobei er einen zeitlichen Aufwand von 7.45 Stunden à Fr. 200.-sowie Ba-
rauslagen und Mehrwertsteuer geltend macht. Dabei geht aus der Honorarnote
ausdrücklich hervor, dass es sich beim angewendeten Kostentarif um den „URP-
Tarif“ handelt. Da die Beschwerdeführerin jedoch obsiegt, hat sie Anspruch auf
eine Entschädigung zum vereinbarten Stundentarif, welcher gemäss Vollmacht
vom 23. Januar 2009 Fr. 250.-pro Stunde beträgt. Daraus resultiert ein Gesamt-
betrag von Fr. 2'071.80 (Zeitaufwand Fr. 1'862.50, Barauslagen Fr. 55.85 sowie
Mehrwertsteuer Fr. 153.45). Dieser Aufwand erscheint als angemessen, weshalb
der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu Lasten des Kantons Grau-
bünden von Fr. 2'071.80 zugesprochen wird.
Seite 8 — 9
III. Demnach wird erkannt:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgeho-
ben und die Sache zur Festsetzung der Entschädigung des unentgeltlichen
Rechtsvertreters an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'500.-verbleiben beim
Kanton Graubünden.
3.
Der Beschwerdeführerin wird zu Lasten des Kantons Graubünden eine Par-
teientschädigung von Fr. 2'071.80 zugesprochen.
4.
Gegen diese, einen Streitwert von weniger als 30'000 Franken betreffende
Entscheidung kann gemäss Art. 72, Art. 74 Abs. 2 lit. a des Bundesge-
richtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische
Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden, wenn sich eine Rechts-
frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Andernfalls ist die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff. BGG gegeben. In beiden Fäl-
len ist das Rechtsmittel dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit
Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss
Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit,
die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfah-
ren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff., 90 ff. und 113 ff. BGG.
5.
Mitteilung an:
Seite 9 — 9
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