Entscheid vom 16. Mai 2023
Referenz ZK1 23 65
Instanz I. Zivilkammer
Besetzung Cavegn, Vorsitzender
Michael Dürst und Moses
Arpagaus, Aktuarin ad hoc
Parteien A.___
Beschwerdeführer
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Dieter Marty
Alexanderstrasse 8, Postfach 428, 7001 Chur
Gegenstand fürsorgerische Unterbringung
Anfechtungsobj. ärztliche Einweisung vom 28.04.2023
Mitteilung 22. Mai 2023
Sachverhalt
A. A.___, geboren am ___ 1985, trat am ___ 2023 freiwillig in die B.___ ein. Gleichentags wurde A.___ von dipl. med. C.___, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, für eine Dauer von sechs Wochen in der B.___ zur Behandlung fürsorgerisch untergebracht. Begründet wurde die Einweisung mit einer massiven psychotischen Dekompensation bei bekannter Schizophrenie und Drogenkonsum mit Lebensangst.
B. Gegen die fürsorgerische Unterbringung erhob A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) am 1. Mai 2023 (Poststempel) Beschwerde beim Kantonsgericht von Graubünden.
C. Am 3. Mai 2023 ersuchte der Vorsitzende der I. Zivilkammer des Kantonsgerichts die B.___ unter Fristansetzung bis am 5. Mai 2023 um einen kurzen Bericht zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, zur Art der Behandlung und insbesondere darüber, inwiefern die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung aus ärztlicher Sicht gegeben seien. Ferner wurden die wesentlichen Klinikakten über den Beschwerdeführer angefordert.
D. Mit prozessleitender Verfügung vom 11. Mai 2023 wurde Dr. med. D.___, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, entsprechend Art. 450e Abs. 3 ZGB mit der Begutachtung des Beschwerdeführers beauftragt. Das von ihr verfasste Kurzgutachten wurde dem Kantonsgericht am 15. Mai 2023 überbracht.
E. Mit Verfügung vom 15. Mai 2023 wurde der Beschwerdeführer zu der für den 16. Mai 2023 anberaumten Hauptverhandlung vorgeladen.
F. Die mündliche Hauptverhandlung fand am 16. Mai 2023 vor der I. Zivilkammer des Kantonsgerichts statt. Der Beschwerdeführer nahm an der Hauptverhandlung persönlich teil und wurde befragt.
G. Nach durchgeführter Urteilsberatung wurde das vorzeitige Entscheiddispositiv dem Beschwerdeführer, seinem Rechtsvertreter sowie der B.___ noch gleichentags mitgeteilt.
H. Auf die Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich der richterlichen Befragung sowie auf die Ausführungen im Kurzgutachten und in den beigezogenen Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Erwägungen
1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist eine fürsorgerische Unterbringung (Art. 426 ff. ZGB). Das Kantonsgericht von Graubünden ist hierfür einzige kantonale Beschwerdeinstanz (Art. 439 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EGzZGB [BR 210.100]), womit es auch zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig ist. Die Frist zur Anrufung des Gerichts bei einer fürsorgerischen Unterbringung beträgt zehn Tage seit Mitteilung des Entscheids (Art. 439 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 ZGB sowie Art. 450b Abs. 2 ZGB). Mit der unterzeichneten Eingabe vom 1. Mai 2023 wurde die besagte Frist gewahrt (act. 01). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
2.1. Das Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz richtet sich nach Art. 450a ff. ZGB. Ebenfalls zu beachten sind die in den Art. 443 ff. ZGB statuierten allgemeinen Verfahrensgrundsätze des erstinstanzlichen Verfahrens, die auch im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anwendbar sind, soweit das Gesetz in den Art. 450 ff. ZGB keine abweichenden Vorschriften aufstellt (Lorenz Droese, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022, N 13 zu Art. 450 ZGB). Dies gilt namentlich für die in Art. 446 ZGB verankerte uneingeschränkte Untersuchungs- und Offizialmaxime (Abs. 1 und 3) und das an gleicher Stelle festgeschriebene Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Abs. 4). Diese Verfahrensgrundsätze sind auch auf die Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anwendbar, wobei es im kantonalen Rechtsmittelverfahren zu punktuellen Einschränkungen kommt. So kommt etwa die Offizialmaxime nur im Rahmen des Anfechtungsobjekts zum Tragen (BGer 5A_532/2020 v. 22.7.2020 E. 2; Luca Maranta, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022, N 1 f. sowie N 40 ff. zu Art. 446 ZGB). Aus Art. 450a ZGB ergibt sich schliesslich, dass das Gericht Tat- und Rechtsfragen wie auch die Angemessenheit frei überprüft.
2.2. Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass das Gericht aufgrund eines Gutachtens entscheiden muss, wenn die betroffene Person an einer psychischen Störung leidet (Art. 439 Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 450e Abs. 3 ZGB). Das Gutachten muss von einer unabhängigen, im laufenden Verfahren noch nicht involvierten sachverständigen Person erstellt werden. Es muss in dem Sinne aktuell sein, dass es sich zu den sich im gerichtlichen Verfahren stellenden Fragen äussert (BGE 148 III 1 E. 2.3.1; 143 III 189 E. 3.2 f.; Thomas Geiser/Mario Etzensberger, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022, N 48 ff. zu Art. 439 ZGB; Thomas Geiser, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022, N 19 zu Art. 450e ZGB). Vorliegend wurde ein psychiatrisches Kurzgutachten angeordnet. Die Gutachterin D.___ erstattete dieses am 13. Mai 2023, nachdem sie den Beschwerdeführer in der B.___ am 11. Mai 2023 persönlich untersucht hatte (vgl. act. 08). Dem Erfordernis eines Sachverständigengutachtens wurde damit Genüge getan.
2.3. Die gerichtliche Beschwerdeinstanz muss die betroffene Person gemäss Art. 450e Abs. 4 Satz 1 ZGB in der Regel als Kollegium anhören, was faktisch zwingend zur Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung führt (Christof Bernhart, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011, N 848 f.). Das Gericht hat sich durch eigene Wahrnehmung davon zu überzeugen, dass die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung gegeben sind (Geiser, a.a.O., N 22 zu Art. 450e ZGB). Die Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung war für den 16. Mai 2023 anberaumt worden. Der Beschwerdeführer wurde dazu vorgeladen (act. 09), war aber zwischenzeitlich abgängig (act. 10). Mit seinem Erscheinen an der mündlichen Hauptverhandlung vom 16. Mai 2023 wurde die Vorgabe von Art. 450e Abs. 4 Satz 1 ZGB umgesetzt.
3.1. Neben der gemäss Art. 428 Abs. 1 ZGB für die Anordnung der Unterbringung grundsätzlich zuständigen Erwachsenenschutzbehörde können die Kantone gemäss Art. 429 Abs. 1 ZGB Ärztinnen und Ärzte bezeichnen, welche eine fürsorgerische Unterbringung anordnen dürfen. Die Höchstdauer von sechs Wochen darf dabei nicht überschritten werden. Der einweisende Arzt hat die betroffene Person persönlich zu untersuchen, anzuhören und ihr anschliessend den Unterbringungsentscheid mit den gesetzlich vorgeschriebenen Angaben auszuhändigen (Art. 430 ZGB). Dies bedeutet, dass die Untersuchung dem Einweisungsentscheid unmittelbar vorauszugehen hat (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 20 ff. zu Art. 429/430 ZGB). Der einweisende Arzt muss sich gestützt auf eine klinische Untersuchung und soweit möglich nach einem Gespräch mit der betroffenen Person eine Meinung bilden (vgl. Olivier Guillod, in: Büchler et al. [Hrsg.], FamKomm Erwachsenenschutz, Bern 2013, N 4 zu Art. 430 ZGB).
3.2. Nach Art. 429 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 51 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 EGzZGB ist jeder im Kanton zur selbständigen Berufsausübung zugelassene Arzt mit einem Facharzttitel der Psychiatrie und Psychotherapie zur Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung befugt. Dipl. med. C.___ ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in medizinischer Praxis. Damit war er gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 EGzZGB zur Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung legitimiert. Zudem enthält die Verfügung vom 28. Mai 2023 die gemäss Art. 430 Abs. 2 ZGB vorgeschriebenen Minimalangaben (vgl. act. 01.1).
4.1. Gemäss Art. 426 Abs. 1 ZGB darf eine Person, welche an einer psychischen Störung an einer geistigen Behinderung leidet schwer verwahrlost ist, in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung Betreuung nicht anders erfolgen kann. Die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten sind zu berücksichtigen (Abs. 2). Die betroffene Person wird entlassen, sobald die Voraussetzungen der Unterbringung nicht mehr erfüllt sind (Abs. 3). Die Massnahme gelangt zur Anwendung, wenn eine Person der persönlichen Fürsorge Pflege bedarf (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 6 zu Art. 426-439 ZGB). Die fürsorgerische Unterbringung dient dem Schutz der betroffenen Person und nicht der Umgebung (BGE 140 III 101 E. 6.2.3; vgl. dazu auch Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7001, S. 7062 [zit.: Botschaft]). Erste gesetzliche Voraussetzung für eine Anordnung der Massnahme ist einer der drei abschliessend genannten Schwächezustände: psychische Störung, geistige Behinderung schwere Verwahrlosung. Erforderlich ist sodann eine sich aus dem Schwächezustand ergebende Notwendigkeit der Behandlung beziehungsweise Betreuung. Weitere Voraussetzung ist, dass der Person die nötige Behandlung Betreuung nicht auf andere Weise als durch eine Einweisung beziehungsweise Zurückbehaltung in einer Einrichtung gewährt werden kann. Gesetzlich verlangt ist schliesslich eine geeignete Einrichtung (vgl. BGer 5A_228/2016 v. 11.7.2016 E. 3.1). Die genannten Voraussetzungen bedingen sich gegenseitig und sind nur in ihrem Zusammenhang verständlich. Der Schwächezustand allein vermag eine fürsorgerische Unterbringung nie zu rechtfertigen, sondern immer nur zusammen mit der Notwendigkeit einer Behandlung Betreuung. Selbst bei Vorliegen einer solchen ist die freiheitsbeschränkende Unterbringung aber nur gesetzeskonform, wenn der Zweck der Unterbringung nicht mit einer milderen Massnahme erreicht werden kann (Verhältnismässigkeitsprinzip) und die Unterbringung für den angestrebten Zweck auch tauglich ist (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 7 zu Art. 426 ZGB).
4.2. Zunächst ist zu prüfen, ob beim Beschwerdeführer einer der im Gesetz genannten Schwächezustände vorliegt. Die psychische Störung umfasst die anerkannten Krankheitsbilder der Psychiatrie, d.h. Psychosen und Psychopathien, seien sie körperlich begründbar nicht (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 7062). Psychische Störung ist ein Begriff des Rechts, der sich aber auf die medizinische Terminologie abstützt. Der Begriff ist aus der modernen Medizin entnommen und entspricht der Klassifikation der WHO (ICD [International Classification of Disturbances]; vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O. N 15 f. zu Art. 426 ZGB). Die B.___ diagnostizierte dem Beschwerdeführer gemäss Behandlungsplan vom 28. April 2023 eine paranoide Schizophrenie (ICD-10: F20.0). Als Nebendiagnosen festgestellt wurden psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Abhängigkeitssyndrom (ICD-10: F17.2) sowie psychische und Verhaltensstörungen durch Kokain: Psychotische Störung und Abhängigkeitssyndrom (ICD-10: F14.5 und ICD-10: F14.2; act. 04.4). D.___ bestätigte in ihrem Gutachten das Vorliegen einer paranoiden Schizophrenie des Beschwerdeführers (ICD-10: F20.0), diagnostizierte anders als die B.___ aber eine psychische und Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch mit Abhängigkeit von Kokain, Tabak, Benzodiazepin und Alkohol (ICD-10: F19.2). Dies, weil gemäss den Angaben des Beschwerdeführers zumindest im Vorfeld ein Alkoholabusus vorgelegen hätte und aktuell ein Benzodiazepinabusus sowie eine Nikotinabhängigkeit bestehen würden (act. 08, S. 4). Das Gutachten ist diesbezüglich nachvollziehbar, weshalb darauf abzustellen ist. Damit ist beim Beschwerdeführer ein gemäss Art. 426 Abs. 1 ZGB für die fürsorgerische Unterbringung erforderlicher Schwächezustand gegeben.
4.3. Eine weitere kumulative Voraussetzung für eine fürsorgerische Unterbringung ist die sich aus diesem Schwächezustand ergebende Notwendigkeit einer Behandlung Betreuung. Der Kurzbericht der B.___ hält diesbezüglich fest, der Beschwerdeführer sei der B.___ seit 2002 bekannt (act. 04). Alleine im letzten Jahr habe es 14 stationäre Eintritte des Beschwerdeführers gegeben, jeweils bei Dekompensation mit ausgeprägten Wahngedanken, verstärkt durch unkontrollierten Kokain-Konsum. Auch in diesem Jahr habe sich der Beschwerdeführer bereits mehrfach über das ambulante Kriseninterventionsteam vorgestellt. Dabei habe er einen starken Verfolgungswahn (die Mafia sei hinter ihm her) sowie einen Vergiftungswahn (Gas werde in die Wohnung geleitet) geäussert und sich in reduziertem Allgemeinzustand gezeigt (bleich, Kratzspuren im Gesicht, abgemagert). Nach jeweils kurzem Aufenthalt in der Klinik habe der Beschwerdeführer das stationäre Setting wieder verlassen (act. 04.1). Der jetzige Eintritt in die B.___ am 28. April 2023 sei initial freiwillig erfolgt, nachdem der Beschwerdeführer sich an die Polizei gewandt und dieser gegenüber erklärt habe, sich und seine Angehörigen durch die Mafia mit dem Tode bedroht zu fühlen. Gleichentags sei er von der B.___ rückbehalten und durch den externen Psychiater C.___ für die Dauer von sechs Wochen fürsorgerisch untergebracht worden. Seither zeige sich der Beschwerdeführer nur bedingt krankheits- und behandlungseinsichtig und nehme nur die Hälfte der antipsychotischen Medikation (Quetiapin) ein. Weiter sei er nicht absprachefähig, so dass er in den begleiteten Ausgängen am 1. Mai 2023 und am 3. Mai 2023 umgehend entwichen sei (act. 04). Im aktuellen Zustand gefährde sich der Beschwerdeführer selbst an Leib und Leben, weshalb eine Rückbehaltung zur weiteren Betreuung und Akutbehandlung unumgänglich sei (act. 04.1). Auch gemäss der Gutachterin besteht ein Bedarf an der Behandlung der paranoiden Schizophrenie und zwar vorwiegend mit Hilfe antipsychotischer Medikation sowie einer psychiatrischen Behandlung (act. 08, S. 4).
Nach dem Gesagten scheint die Behandlungsbedürftigkeit des Beschwerdeführers ausgewiesen. Dennoch stellt sich die Frage, ob die fürsorgerische Unterbringung angesichts des schweren Eingriffs in die persönliche Freiheit des Betroffenen im konkreten Fall als verhältnismässig beurteilt werden kann.
4.4. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, dass eine fürsorgerische Unterbringung nur verfügt beziehungsweise nur so lange aufrechterhalten werden darf, als mit einer konkreten Selbstoder Fremdgefährdung von einem gewissen Ausmass zu rechnen ist. So hat das Bundesgericht festgehalten, dass es für die Beurteilung des Behandlungsbeziehungsweise Betreuungsbedarfs wesentlich sei, mit welcher konkreten Gefahr für die Gesundheit das Leben der betroffenen Person bzw. von Dritten zu rechnen sei, wenn die Behandlung der gutachterlich festgestellten Krankheit beziehungsweise die Betreuung unterbleibe (BGE 140 III 101 E. 6.2.2; 140 III 105 E. 2.4). Gemäss Art. 426 Abs. 3 ZGB wird eine Person entlassen, sobald die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht mehr erfüllt sind. Der Entscheid über die Entlassung ist stets anhand des Zustandes des Betroffenen im aktuellen Zeitpunkt zu bestimmen (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 44 zu Art. 426 ZGB). Dabei ist eine Interessenabwägung im Hinblick auf den Zweck der fürsorgerischen Unterbringung, nämlich die Wiedererlangung der Selbständigkeit und der Eigenverantwortung im Entlassungszeitpunkt, vorzunehmen. Aus dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit ergibt sich des Weiteren, dass die nötige Behandlung Betreuung nicht anders erfolgen können darf als mit der Einweisung in eine Einrichtung. Mit anderen Worten muss die Unterbringung in einer Einrichtung geeignet sein, den Zweck der beabsichtigten Behandlung zu erfüllen, ohne dass eine weniger einschneidende Massnahme genügen würde (vgl. dazu Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 22 ff. zu Art. 426 ZGB). Eine Unterbringung fällt gemäss der Botschaft zum neuen Erwachsenenschutzrecht deshalb nur als ultima ratio in Betracht (Botschaft, a.a.O., S. 7062). Als mildere Massnahme kommt den ambulanten Massnahmen und der Nachbetreuung sowie der freiwilligen Sozialhilfe entscheidende Bedeutung zu (Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 24 zu Art. 426 ZGB).
4.4.1. Im Eintrittsstatus der B.___ vom 28. April 2023 wird ausgeführt, beim Beschwerdeführer bestünden keine Suizidgedanken und -intentionen (act. 04.3). Jedoch erklärte die behandelnde Ärztin und Chefärztin, Dr. med. E.___, im Bericht der B.___ bezüglich Rückbehalt, beim Beschwerdeführer bestehe aus Sicht der B.___ eine Eigengefährdung, da der Beschwerdeführer bei Handlungsimpulsen im Rahmen des Wahns und durch die fehlende Behandlungseinsicht potentiell selbstgefährdende Taten begehen könnte. Die Medikamenteneinnahme im häuslichen Setting erfolge unregelmässig und es sei eine starke Selbstvernachlässigung und fehlende Selbstfürsorge zu beobachten. Zudem sei der Beschwerdeführer gemäss Berichten der Polizei vor seinem Eintritt in die B.___ mehrfach beinahe vor fahrende Autos gerannt (act. 04.1). Ergänzend führte die behandelnde leitende Ärztin und stellvertretende Chefärztin, Dr. med. F.___, aus, aktuell sei wegen der anhaltenden Psychose des Beschwerdeführers und seiner nicht vorhandenen Absprachefähigkeit, welche zum Suchtmittelkonsum führe und die bestehende Psychose verschlechtere, keine weniger einschneidende Massnahme als die Unterbringung in der Akutpsychiatrie ersichtlich (act. 04).
4.4.2. Gemäss der Gutachterin D.___ hat der Beschwerdeführer anlässlich der psychiatrischen Untersuchung vom 11. Mai 2023 keine Zeichen für bewusste Selbstoder Fremdgefährdung gezeigt (act. 08, S. 3). Aktuell bestehe keine psychotische Symptomatik mehr und der Beschwerdeführer sei klar im Denken und Wahrnehmen. So könne er auch klar Auskunft geben über die Zusammenhänge zwischen der Menge von Drogenkonsum und möglichem Psychose-Rezidiv. Er sei sich der Gefährdung bewusst und wolle ein Rezidiv vermeiden. Weiter verfüge der Beschwerdeführer über eine glaubwürdige Krankheitseinsicht und sei fähig, Krankheitssymptome sowie die notwendige Medikation und deren Wirkung sowie Nebenwirkungen differenziert zu schildern. Er sei grundsätzlich zur Kooperation fähig und sehe ein, dass er die antipsychotische Medikation benötige und der stationären Betreuung bis zur offiziellen Entlassung aus der stationären Behandlung zu folgen habe, um dann ruhig und entspannt leben zu können. Sein Handeln in den letzten Wochen habe diesen Einsichten allerdings widersprochen (vgl. act.08, S. 5).
Da der Beschwerdeführer die aktuelle Medikation mit Quetiapin gut vertrage und diese ausdrücklich gutgeheissen habe, sei die Wahrscheinlichkeit des Absetzens der Medikation als mittelhoch einzustufen (act. 08, S. 4). Selbst wenn ein Risiko für erneuten Substanzkonsum bestehe, gehe damit aber angesichts der nun 20-jähriger Krankheitsgeschichte des Beschwerdeführers und dessen ordentlichen Ernährungs- und Allgemeinzustands wohl keine unmittelbare Gefahr für sein Leben einher (act. 08, S. 4 f.). Zudem begebe sich der Beschwerdeführer bei Auftreten von Ängsten wohl meist selbst in die Psychiatrie, auch in die stationäre Behandlung (act. 08, S. 4). Der Beschwerdeführer habe nach eigenen Angaben eine ambulant betreuende Psychiaterin, Frau Dr. G.___, und einen Hausarzt, Herr Dr. H.___, zu denen ein Vertrauensverhältnis mit regelmässiger Behandlung bestehe. Damit sei, angesichts des aktuell recht guten Befindens des Beschwerdeführers und remittierter psychotischer Symptomatik mit Einsicht in die Notwendigkeit der Medikation, eine stationäre Behandlung und Betreuung nicht mehr unerlässlich. Das Setting der B.___ sei aktuell noch geeignet, für die ambulante psychiatrische Nachbehandlung sollten aber unbedingt Termine vereinbart werden, um die Behandlung ambulant fortzusetzen (act. 08, S. 5). Es bestehe etwas Hoffnung, dass die neue antipsychotische Medikation, die vom Beschwerdeführer gut vertragen werde, zu einer Stabilisierung beitrage. Sollte dies nicht gelingen und das ungute Zusammenspiel von Kokainkonsum und Psychose zu dauernd wiederkehrenden Hospitalisationen und zum Verlieren einer Wohnmöglichkeit führen, seien Massnahmen des Erwachsenenschutzes zu ergreifen (act. 08, S. 6).
4.4.3. Die Beschwerdeinstanz hat bei der Entscheidfindung auf den Zustand des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung abzustellen. Anlässlich der Verhandlung vom 16. Mai 2023 konnte sich die Beschwerdeinstanz ein Bild vom Beschwerdeführer machen. Dieser erschien in einem bewusstseinsklaren und orientierten Zustand. Die ihm gestellten Fragen konnte er adäquat und in einer gepflegten Sprache beantworten. Hinsichtlich der psychischen Störung zeigte er sich krankheits- und behandlungseinsichtig und brachte diesbezüglich vor, die paranoide Schizophrenie würde nur bei übermässigem Kokainkonsum auftreten und jeweils nach ein bis zwei Tagen wieder verschwinden (act. 13, S. 2). Er habe seinen Konsum aber bereits reduzieren können und spüre, dass es nun 'bergauf' gehe (act. 13, S. 3). Gegenüber dem Gericht machte der Beschwerdeführer glaubhaft, dass er bereit sei, nach einer allfälligen Entlassung aus der B.___ eine Therapie zu beginnen respektive die Therapie bei seiner Psychiaterin, Dr. G.___, fortzuführen und sich medikamentös behandeln zu lassen (act. 13, S. 5). Die Medikamente würden ihm insbesondere auch gegen den Suchtdruck helfen (act. 13, S. 4). Weiter werde er im Sommer 2023 seine eigene Wohnung in I.___ beziehen können und habe sich bezüglich der Möglichkeit eines freiwilligen Beistands bereits mit der KESB Graubünden in Verbindung gesetzt (act. 13, S. 3).
4.4.4. Die vorerwähnten Umstände führen zum Schluss, dass die für die fürsorgerische Unterbringung wesentlichen Voraussetzungen nicht länger erfüllt sind. Einerseits fehlt es an einer konkreten Selbstgefährdung des Beschwerdeführers und andererseits steht als milderes Mittel die ambulante psychiatrische Betreuung des Beschwerdeführers zur Verfügung. Die angeordnete fürsorgerische Unterbringung erweist sich folglich im Zeitpunkt der Verhandlung – allein dieser ist für das Kantonsgericht massgebend – als unverhältnismässig. Die Beschwerde ist folglich gutzuheissen und die fürsorgerische Unterbringung ist aufzuheben.
5. Bei diesem Verfahrensausgang gehen die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von CHF 2'792.00 (Gerichtsgebühr von CHF 1'500.00 und Gutachterkosten von CHF 1'292.00) zu Lasten des Kantons Graubünden (Art. 60 Abs. 5 EGzZGB i.V.m. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Da der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde durchgedrungen ist, wird ihm die anlässlich der Hauptverhandlung beantragte Parteientschädigung zugesprochen (Art. 60 Abs. 5 EGzZGB i.V.m. Art. 105 Abs. 2 ZPO und Art. 2 Abs. 1 HV [BR 310.250]). Der mit Honorarnote von Rechtsanwalt lic. iur. Dieter Marty geltend gemachte Aufwand von 5.60 Stunden erweist sich – zumal Aufwendungen enthaltend, welche nicht mit dem vorliegenden Beschwerdeverfahren in Verbindung gebracht werden können (u.a. hat der Beschwerdeführer selber Beschwerde erhoben) – als übermässig und ist auf pauschal 3 Stunden zu kürzen (Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 HV). Rechtsanwalt lic. iur. Dieter Marty ist mit einem Honorar von CHF 798.70 (3 Stunden à 240.00, zzg. 7.7 % MwSt. und 3 % Spesen) zu Lasten des Kantons Graubünden zu entschädigen.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und die fürsorgerische Unterbringung wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 2'792.00 (Gerichtsgebühr von CHF 1'500.00 und Gutachterkosten von CHF 1'292.00) gehen zu Lasten des Kantons Graubünden.
3. A.___ erhält für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von CHF 798.70 (inkl. Spesen und MwSt.) zu Lasten des Kantons Graubünden.
4. Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 72 BGG Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zu-lässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90 ff. BGG.
5. Mitteilung an: