Der Beschuldigte wurde des schweren Körperverletzung, Raufhandels und Diebstahls schuldig gesprochen. Er erhielt eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten, von denen 26 Tage durch Haft erstanden sind. Die Vollstreckung wurde im Umfang von 24 Monaten aufgeschoben. Der Beschuldigte wurde zur Zahlung von Schadenersatz und Genugtuung an die Geschädigten verurteilt. Die Gerichtskosten wurden dem Beschuldigten auferlegt. Der Beschuldigte ist männlich.
Urteilsdetails des Kantongerichts ZF-06-69
Kanton: | GR |
Fallnummer: | ZF-06-69 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 21.11.2006 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung aus Arbeitsvertrag (Berufungsfähigkeit, Konversion Berufung |
Schlagwörter : | Berufung; Urteil; Kanton; Rechtsmittel; Berufungsklägerin; Bezirksgericht; Kantonsgericht; Begründung; Kantonsgerichts; Plessur; Berufungserklärung; Entschädigung; Klage; Bezirksgerichts; Urteils; Sinne; Gericht; Kantonsgerichtsausschuss; Verfahren; Einzelrichter; Beru-; Zuständigkeit |
Rechtsnorm: | Art. 122 ZPO ;Art. 218 ZPO ;Art. 219 ZPO ;Art. 232 ZPO ;Art. 233 ZPO ;Art. 246 ZPO ;Art. 335 ZPO ;Art. 337c OR ;Art. 343 OR ;Art. 93 ZPO ; |
Referenz BGE: | 103 II 158; 115 II 30; 96 I 697; |
Kommentar: | Sutter-Somm, Hasenböhler, Frank, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Art. 121 ZPO, 2016 |
Entscheid des Kantongerichts ZF-06-69
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 21. November 2006
Schriftlich mitgeteilt am:
ZF 06 69
Urteil
Zivilkammer
Vorsitz Präsident
Brunner
RichterInnen Rehli,
Sutter-Ambühl, Tomaschett-Murer und Vital
Aktuar Conrad
——————
In der zivilrechtlichen Berufung
der G M O . , Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
iur. et lic. oec. Marco Toller, Bahnhofstrasse 7, 7001 Chur,
gegen
das Urteil des Bezirksgerichts Plessur vom 24. August 2006, mitgeteilt am 13.
September 2006, in Sachen HX., Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. iur. Christian Schreiber, Hartbertstrasse 11, 7002 Chur, gegen
die Beklagte und Berufungsklägerin,
betreffend Forderung aus Arbeitsvertrag (Berufungsfähigkeit, Konversion Berufung
in Beschwerde, Berufungserklärung, Beschwerdebegründung nach Art. 233 ZPO),
hat sich ergeben:
2
A.1. Durch Einleitung des Sühneverfahrens vor dem Kreispräsidenten
Chur am 09. September 2004 klagte HX. aus Arbeitsvertrag gegen die GMO. (im
Folgenden GMO.) auf Bezahlung von Fr. 9'483.— zuzüglich 5 % Zins seit 24. Juli
2004. Mangels Streitbeilegung veranlasste die Klägerin am 05. Januar 2005 die
Ausstellung des Leitscheins, welcher auf den vorgenannten Betrag lautete und
setzte das Klageverfahren am 19. Januar 2005 durch Prozesseingabe fort. Die
Prozesseingabe, mit dem Hauptbegehren auf Bezahlung von Fr. 3'697.50 zuzüg-
lich 5 % Zins seit 24. Juli 2004, richtete sie an den Präsidenten des Bezirksge-
richts Plessur als Einzelrichter, mit Hinweis auf dessen Zuständigkeit gemäss Art.
17 ZPO.
2.
Nach Durchführung des Beweisverfahrens und mündlicher Haupt-
verhandlung erwog der Bezirksgerichtspräsident Plessur als Einzelrichter in sei-
nem Urteil vom 22. November 2005 zur sachlichen Zuständigkeit, dass aufgrund
des im Leitschein festgelegten Streitwerts von Fr. 9'483.— wohl grundsätzlich das
Bezirksgericht zuständig wäre. Nachdem das Rechtsbegehren jedoch auf Fr.
3'697.50 reduziert worden sei und sich die Parteien mit der Anhandnahme der An-
gelegenheit durch das Präsidium einverstanden erklärt hätten, sei der Präsident
dafür sachlich zuständig. Er wies die Klage ab, verlegte die Verfahrenskosten von
Fr. 2'417.70 auf die Gerichtskasse und verpflichtete die unterlegene Klägerin zur
Zahlung einer Prozessentschädigung von Fr. 5'912.60 an die GMO.
3.
Gegen dieses Erkenntnis liess die Klägerin am 21. Februar 2006 Be-
schwerde gemäss Art. 232 ZPO an den Kantonsgerichtsausschuss erheben, mit
den Anträgen auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Klagegutheissung.
Mit Urteil vom 15. Mai 2006 hob der Kantonsgerichtsausschuss das Einzelrichter-
urteil von Amtes wegen ohne entsprechenden Parteiantrag wegen vorinstanz-
licher Verletzung der sachlichen Zuständigkeitsvorschriften auf und wies die Sa-
che zurück zwecks Beurteilung durch das Bezirksgericht (Kammer in 5-er Beset-
zung) gemäss Art. 19 Ziff. 1 ZPO.
B.
Mit Urteil vom 24. August 2006 wies das Bezirksgericht Plessur die
Klage von HX. ab, verlegte die amtlichen Kosten von Fr. 5'707.70 auf die Ge-
richtskasse und schlug die ausseramtlichen Kosten wett. Die gegenseitige Wett-
schlagung der Prozessentschädigungen wurde damit begründet, dass sich die
Gesamtforderung im Zeitpunkt der Klageerhebung aus einem Strafgeld gemäss
Art. 337 c Abs. 3 OR von etwas über Fr. 3'000.— und einer Forderung auf Lohn-
fortzahlung bis 30. September 2004 von über Fr. 6'000.— zusammengesetzt ha-
3
be. Da anschliessend der Lohn bis zum 30. September 2004 zufolge einer einver-
nehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf eben diesem Zeitpunkt bezahlt
worden sei, liege eine Klageanerkennung im Umfang von zwei Dritteln vor. Den
hauptsächlichen Prozessaufwand habe indessen der restliche Drittel der Forde-
rung verursacht, so dass sich rechtfertige, die ausseramtlichen Kosten wett zu
schlagen.
C.1. Gegen das am 13. September 2006 mitgeteilte Urteil liess die GMO.
mit Schriftsatz vom 18. September 2006 an das Bezirksgericht Plessur zu Handen
des Kantonsgerichts wie folgt Berufung erklären:
" .
I. RECHTSBEGEHREN
1. Es sei Ziff. 2 Abs. 2 des Dispositivs des Urteils des Bezirksgerichts Plessur
vom 24. August 2006, mitgeteilt am 13. September 2006 (Proz. Nr. 130-2005-
33), aufzuheben, und es sei die Klägerin und Berufungsbeklagte zu verpflich-
ten, der Beklagten und Berufungsklägerin eine ausseramtliche Entschädigung
für das erstinstanzliche Verfahren von Fr. 15'508.40 zu leisten
2. Unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Klägerin und Beru-
fungsbeklagten für das Berufungsverfahren.
II. BEWEISMITTEL
1. Der guten Ordnung halber überlasse ich Ihnen eine Kopie der Kostennote,
welche der Unterzeichnete anlässlich der Hauptverhandlung vor der Vo-
rinstanz dieser eingereicht hat und aus welcher sich ergibt, dass die Zuspre-
chung einer ausseramtlichen Entschädigung für das vorinstanzliche Verfahren
von Fr. 15'508.40 beantragt wurde.
2. Ferner erhalten Sie eine Kopie des Urteils des Bezirksgerichtspräsidiums
Plessur vom 22. November 2005, mitgeteilt am 6. Februar 2006, in gleicher
Sache, aus welchem sich u.a. ergibt, dass diese Instanz der Beklagten und
Berufungsklägerin eine aussergerichtliche Entschädigung von Fr. 5912.60 zu-
sprach.
Die Originale der vorgenannten Urkunden sollten sich bei den Gerichtsakten
befinden, weshalb es sich bei diesen Urkunden nicht um Nova handelt.
.".
2.
Mit prozessleitender Verfügung vom 22. September wurde die
Durchführung des Berufungsverfahrens im schriftlichen Verfahren gemäss Art.
224 Abs. 5 ZPO angeordnet.
3.
Anstatt die Berufung schriftlich zu begründen, wandte sich der
Rechtsvertreter der Berufungsklägerin am 31. Oktober 2006 an das Kantonsge-
4
richt mit dem Antrag, die Berufung gegen den Kostenentscheid des Bezirksge-
richts Plessur sei als Beschwerde gemäss Art. 232 ZPO entgegen zu nehmen und
sie dem Kantonsgerichtsausschuss zur Beurteilung weiter zu leiten. Zur Begrün-
dung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nachdem in der Berufungserklärung vom
18. September 2006 auf das Urteil des Bezirksgerichtspräsidenten Plessur vom
22. November 2005 in nämlicher Sache verwiesen worden sei, worin der Einzel-
richter der Beklagten gestützt auf Art. 122 ZPO eine ausseramtliche Entschädi-
gung zugesprochen habe, sei für den Kantonsgerichtsausschuss als Beschwer-
deinstanz klar ersichtlich, dass die GMO. eine Verletzung von Art. 122 ZPO gel-
tend mache. Es müsste als überspitzt formalistisch gelten, falls die Entgegennah-
me der Berufung als Beschwerde mit dem Argument abgelehnt würde, die Beru-
fungserklärung sage nicht explizit, welche ZPO-Norm verletzt sei. Die Berufungs-
erklärung erfülle somit durchaus die Anforderungen, welche Art. 233 ZPO an die
Kurzbegründung der zivilrechtlichen Beschwerde stelle.
4.
Mit Vernehmlassung vom 03. November 2006 liess die Berufungsbe-
klagte Nichteintreten auf die Berufung beantragen, unter amtlicher und ausseramt-
licher Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Berufungsklägerin. Falls die
Berufung als Beschwerde entgegen zu nehmen sei, sei auf sie nicht einzutreten,
eventuell sei sie mit den gleichen Kostenfolgen abzuweisen.
Die Zivilkammer zieht in Erwägung :
1.
Gemäss Art. 219 Abs. 1 ZPO ist die Berufung innert der peremptori-
schen Frist von 20 Tagen, von der schriftlichen Mitteilung des Urteils an, dem Prä-
sidenten der ersten Instanz in dreifacher Ausfertigung zu erklären. Sie hat die for-
mulierten Anträge auf Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und der Beiurteile
sowie neue Einreden, soweit solche noch zulässig sind, zu enthalten. Die Beru-
fungserklärung der GMO. vom 18. September 2006 gegen das am 13. September
2006 mitgeteilte Urteil ist zeitig. Sie ist ferner formgerecht, das heisst die ausfor-
mulierten Anträge auf Abänderung des erstinstanzlichen Urteils enthaltend, und
richtet sich an den Bezirksgerichtspräsidenten Plessur, welcher für die Einrei-
chung zuständige Instanz ist. Aus dieser Sicht stünde einem Eintreten auf die Be-
rufung nichts entgegen.
2.
Das ordentliche Rechtsmittel der Berufung steht gemäss Art. 218
Abs. 1 ZPO offen gegen Urteile der Bezirksgerichte im Sinne von Artikel 19 dieses
Gesetzes. Dass ein Urteil vom Bezirksgericht stammt, genügt allerdings nicht.
5
Soweit es sich um vermögensrechtliche Streitigkeiten im Sinne von Art. 19 Ziff. 1
ZPO handelt, ist die Zulässigkeit der Berufung nach gefestigter Praxis weiter an
die Voraussetzung eines Mindeststreitwerts geknüpft, wobei sich letzterer aus den
sachlichen Zuständigkeitsbestimmungen für das Bezirksgericht ergibt (Art. 19 Ziff.
1 ZPO, vgl. auch Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilpro-
zessordnung, 3. A. Zürich 1997, N 3 zu § 259). In vermögensrechtlichen Streitsa-
chen bedeutet dies nichts anderes, als dass das gegensätzliche Streitinteresse
der Parteien gemäss Art. 19 Ziff. 1 ZPO im Urteilszeitpunkt der Vorinstanz einen
Fr. 8'000.— übersteigenden Wert aufweisen muss, damit die Streitsache beru-
fungsfähig ist. Massgebend ist hierbei der im Zeitpunkt der Ausfällung der ange-
fochtenen Entscheidung noch vorhandene Streitwert, unter Abrechnung der im
Laufe des Verfahrens fallen gelassenen anerkannten Rechtsbegehren (PKG
2000 Nr. 7 E. 1b, 1994 Nr. 15, 1973 Nr. 5; BGE 96 I 697 E. 1 zu Art. 246 und Art.
34 Ziff. 2 lit. a aZPO GR; Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A.,
Bern 1979, S. 112 Fn 27; Frank/Sträuli/Messmer, a.a.O., N 3 zu § 18;
Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern,
5. A. Bern 2000, N 2a zu Art. 335 ZPO e contrario (im Zeitpunkt der Beendigung
der erstinstanzlichen Verhandlungen); Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozess-
rechts, 8. A., Bern 1992, 13 N 53 f.). Steht einer Forderungsklage eine Widerklage
gegenüber, ist laut Art. 218 Abs. 3 ZPO für die Berufungsfähigkeit des Urteils der
höhere der beiden Streitwerte massgebend. Auch diese Norm macht die Massge-
blichkeit des Streitwerts für die Berufungsfähigkeit im vorstehend dargelegten Sin-
ne klar (so bereits PKG 1949 Nr. 3 zu Art. 245 der Zivilprozessordnung vom 1.
Januar 1908 (Gesetz über das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen), PKG
1960 Nr. 2, 1962 Nr. 10 zu aArt. 246 ZPO, PKG 1993 Nr. 17, 2000 Nr. 7 E. 1 b).
Zudem bestimmt sich der Streitwert nicht nach dem Inhalt des angefochtenen Ur-
teils, sondern nach denjenigen Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten Instanz
noch streitig waren (BGE 103 II 158).
Die Kenntnis dieser Spruchpraxis des Kantonsgerichts darf man von der
rechtskundig vertretenen Berufungsklägerin erwarten. Im Übrigen war die Reduk-
tion des klägerischen Rechtsbegehrens und dessen Einfluss auf die Zuständigkeit
bereits Thema im vorinstanzlichen Verfahren, musste doch der Kantonsgerichts-
ausschuss das Einzelrichterurteil wegen sachlicher Unzuständigkeit aufheben und
den Beteiligten sagen, dass die sachliche Zuständigkeit durch das Leitscheinbe-
gehren fixiert und einer abweichenden Parteivereinbarung nicht zugänglich ist. Es
hätte auf der Hand gelegen, sich zu überlegen, welchen Einfluss derselbe Um-
stand (Reduktion des klägerischen Rechtsbegehrens) auf den Instanzenzug, das
6
heisst auf die funktionelle Zuständigkeit (Art des Rechtsmittels, Rechtsmittelzu-
ständigkeit) hat.
Angesichts des keinerseits in Abrede gestellten Umstandes, dass zum Zeit-
punkt der vorinstanzlichen Urteilsfällung lediglich noch ein geldwertes Interesse
von Fr. 3'697.50 strittig war, bleibt die Feststellung, dass diese Streitsache nicht
berufungsfähig ist. Davon geht denn auch die Berufungsklägerin wenigstens still-
schweigend aus. Auf ihre Berufung kann somit wegen einer fehlenden Prozessvo-
raussetzung nicht eingetreten werden.
3.
Zur gleichen Einsicht gelangt, verzichtete die Berufungsklägerin da-
rauf, die Berufung schriftlich zu begründen. Sie verlangt nunmehr, dass ihre Beru-
fungserklärung vom 18. September 2006 tale quale dem Kantonsgerichtsaus-
schuss zur Behandlung als Beschwerde im Sinne von Art. 232 ff. ZPO zu über-
weisen ist. Sie stützt sich damit stillschweigend auf Art. 93 Abs. 4 ZPO, wonach
die Akten zur weiteren Behandlung zu überweisen sind, wenn eine andere Abtei-
lung des angerufenen Gerichts dessen Präsident für zuständig erklärt wer-
den.
3.1. Die Berufungsklägerin beantragt, die Berufung gegen den "Kosten-
entscheid" des Bezirksgerichts Plessur als Beschwerde entgegen zu nehmen und
sie dem Kantonsgerichtsausschuss zur Beurteilung weiter zu leiten. Der Anwen-
dungsfall des selbständigen Kostenentscheids von Art. 232 Ziff. 7 ZPO liegt nicht
vor. Gegen Kostensprüche, die Bestandteil eines Urteils bilden, ist das in der
Hauptsache gegebene Rechtsmittel zu ergreifen. Grundlage für eine Beschwerde
könnte daher nur das nicht berufungsfähige Urteil des Bezirksgerichts bilden (Art.
232 ZPO, Ingress).
3.2. Gemäss Rechtsprechung zur Konversion einer Beschwerde in eine
Berufung beziehungsweise zur Entgegennahme der Beschwerde als Berufung
und Weiterleitung zur Behandlung an die Zivilkammer ist dies in der Regel in ana-
loger Anwendung von Art. 93 Abs. 4 ZPO möglich, da die Rechtsmittelfrist diesel-
be ist und die Abänderungsanträge formuliert sind (vgl. PKG 1970 Nr. 8 zu Art.
105 Abs. 4 aZPO, 1970 Nr. 20 E. 4). Der umgekehrte Weg - die Berufungserklä-
rung als Beschwerde entgegen zu nehmen beziehungsweise an den Kantonsge-
richtsausschuss zwecks Behandlung weiter zu leiten ist in aller Regel verbaut,
weil die Begründung fehlt. Es ist einerseits unverzichtbar, dass die Beschwerde
innert der (gleichen) Rechtsmittelfrist von 20 Tagen mit einer Begründung verse-
7
hen dasteht; andererseits ist es nicht verboten, mit der Berufungserklärung eine
Begründung im Rechtssinne gemäss Art. 233 Abs. 2 ZPO mitzuliefern. Der Beru-
fungsklägerin ist also darin zuzustimmen, dass es theoretisch möglich ist, dass
eine Berufungserklärung eine Begründung enthält, die der entsprechenden Anfor-
derung von Art. 233 Abs. 2 ZPO genügt und damit der Weg ihrer Überweisung an
den Kantonsgerichtsausschuss in analoger Anwendung von Art. 93 Abs. 4 ZPO
geebnet wäre. Was die Berufungsklägerin in diesem Sinne für ihren Fall vorbringt,
ist allerdings nicht erspriesslich.
3.3. Die Berufungsklägerin macht geltend, ihre Berufungserklärung ent-
halte in Ziffer II/2 [Beweismittel] eine "Kurzbegründung", weil sie dort unter Hinweis
auf das bereits früher in gleicher Sache ergangene Urteil vom 22. November 2005
ausgeführt habe, dass der Bezirksgerichtspräsident als Einzelrichter in jenem Ver-
fahren, in welchem sie ebenfalls vollständig obsiegt habe, ihr gestützt auf Art. 122
ZPO eine ausseramtliche Entschädigung zugesprochen habe. Dieses Urteil habe
sie der Berufungserklärung beigelegt. Insoweit sie damit das - nota bene ersatzlos
aufgehobene - Einzelrichterurteil zum Bestandteil ihrer Argumentationen und Teil
der Beschwerdebegründung erklärt haben will, ist dies prozessual unzulässig. Die
gesamte Begründung hat aus dem Rechtsvortrag, im Berufungsverfahren aus
dem Plädoyer der Rechtsschrift (im Schriftverfahren nach Art. 224 Abs. 2
ZPO) und im Beschwerdeverfahren aus der Beschwerdeschrift selbst hervorzuge-
hen. Was darin nicht enthalten ist, kann umgekehrt nicht als Rechtsmittelbegrün-
dung gelten. Nach ständiger Rechtsprechung des Kantonsgerichts und seiner Ab-
teilungen ist es grundsätzlich unzulässig, anstelle eigener, in der Berufungsoder
Beschwerdeschrift selbst enthaltener Begründung in globo punktuell auf
frühere, eigene und/oder fremde schriftliche Eingaben und Aktenstücke zu verwei-
sen. Denn der Rechtsmittelinstanz ist es nicht zuzumuten, die Argumentationen
der Parteien (welche) im Sinne eines Puzzles in verschiedenen anderen Schrift-
stücken zusammenzusuchen und an deren Stelle zusammenzutragen bezie-
hungsweise dasjenige davon, das für ihre Argumentationen an den entsprechen-
den Orten (an welchen) gerade als passend erscheinen könnte (PKG 2003 Nr.
18). Das ist Sache der Parteien. Insoweit muss ein solcher Schriftsatz ein auto-
nomes, aus sich selbst heraus verständliches Produkt sein. Unter Vorbehalt von
hier nicht zur Anwendung gelangenden Prozessmaximen, welche das Gericht zum
Einschreiten von Amtes wegen veranlassen, können sich Prüfungsgegenstand
und -umfang nur aus dem mündlichen Plädoyer (Art. 225-227 ZPO) und seiner
schriftlichen Zusammenfassung aus der schriftlichen Berufungsbegründung
(Art. 224 Abs. 2/3 ZPO) aus der Beschwerdeschrift (Art. 233 ZPO) ergeben.
8
Soweit die Berufungsklägerin zur Begründung ihrer als Beschwerde zu behan-
delnden Berufungserklärung auf andere Schriftstücke verweist, hätte sich folglich
der Kantonsgerichtsausschuss im Beschwerdeverfahren damit nicht zu beschäfti-
gen. Die Beschwerde ist zu begründen (Art. 233 Abs. 2 ZPO), und zwar in der Be-
schwerdeschrift selbst. Die Beschwerdeinstanz ist mitnichten gehalten, dem
Rechtssuchenden diese Arbeit abzunehmen und sich die Beschwerdebegründung
in verschiedenen Aktenstücken selbst zusammenzusuchen (PKG 1998 Nr. 29 E.
b., 1960 Nr. 28 E. 1). Die Berufungserklärung kann bereits aus diesem Grund kei-
ne hinreichende Begründung im Sinne von Art. 233 ZPO abgeben.
3.4. Die
Beschwerdeführer erhebt vorsorglich die Rüge, es wäre als
überspitzter Formalismus zu qualifizieren, falls die Entgegennahme der Berufung
als Beschwerde mit dem Argument abgelehnt würde, in der Berufungserklärung
lasse sich kein expliziter Hinweis finden, welche ZPO-Norm verletzt sei. Das geht
an der Sache vorbei. Sie übersieht ein Zweifaches: Die Nennung einer bestimm-
ten gesetzlichen Norm, welche das Erstgericht durch Anwendung Nichtan-
wendung verletzt haben soll, ist zum einen im Licht des Grundsatzes von iura
novit curia - nicht erforderlich, und zum anderen im Licht der Verfahrensbestim-
mungen aber auch nicht ausreichend für eine (Kurz)Begründung im Sinne von Art.
233 Abs. 2 ZPO.
3.5. Art. 233 Abs. 2 ZPO (erster Halbsatz) verlangt, dass in der Be-
schwerde mit kurzer Begründung angegeben wird, welche Punkte der Entschei-
dung angefochten und welche Abänderungen beantragt werden. Aus der Beru-
fungserklärung vom 18. September geht klar hervor, dass die Berufungsklägerin
Ziffer 2 Abs. 2 des Dispositivs der angefochtenen Entscheidung, worin die Wett-
schlagung der ausseramtlichen Kosten verfügt wird, aufgehoben haben will (An-
fechtung) und stattdessen die Zusprechung einer ausseramtliche Entschädigung
von Fr. 15'508.40 verlangt (Abänderung). An einer Begründung dieser beiden An-
träge gebricht es hingegen vollständig auch an einer kurzen. Das Rechtsbegeh-
ren selbst ist keine Begründung; daraus geht lediglich hervor, was die Berufungs-
klägerin will, aber nicht weshalb dies im Gegensatz zu den Erwägungen in der
angefochtenen Entscheidung gerechtfertigt sein soll. In Anwendung des An-
spruchs auf rechtliches Gehör wird von den Gerichten verlangt, dass sie sich in
zunehmender Dichte mit den Ausführungen der Rechtssuchenden auseinander-
setzen. Hat ein unteres Gericht dies einmal getan, liegt es im Sinne einer pro-
zessualen Mitwirkungspflicht am Rechtsmittelkläger, sich seinerseits zumindest
minimal damit auseinander zu setzen. Es muss Überprüfungsstoff in Form von
9
Gegenargumentation(en) vorhanden sein, damit die Rechtsmittelinstanz ihre Ar-
beit tun kann. Liefert der Rechtsmittelkläger diesen nicht, bliebe nur übrig, dass
ihn die Rechtmittelinstanz selbst schafft, was ihr nicht zuzumuten ist. Für eine Be-
gründung Motivation im Rechtssinne hat die beschwerdeführende Partei dar-
zulegen, worin sie ungerechtfertigte Schlussfolgerungen und Lösungen der ange-
fochtenen Entscheidung sieht, welche Rechtssätze verletzt wurden ohne die
Gesetzesartikel im Einzelnen nennen zu müssen welche tatsächlichen
Feststellungen sie bestreitet. Die Beschwerde führende Partei muss also implizite
sagen, warum anders zu entscheiden ist, als dies die Vorinstanz getan hat. Sie
muss einen Grund mehrere Gründe nennen, weshalb das erstinstanzliche
Urteil einer Überprüfung betreffend Gesetzesverletzung nicht Stand halten soll.
Dazu ist zwangsläufig erforderlich, dass sie sich wenn auch kurz irgendwie mit
der von der Vorinstanz vorgenommen Tatsachenfeststellung und/oder Rechtsan-
wendung inhaltlich auseinandersetzt, sei es, dass auf eine andere Tatsachen-
grundlage abzustellen ist (willkürliche Beweiswürdigung), sei es, dass ein ange-
wendeter Rechtssatz nicht anders anzuwenden und/oder ein nicht angewen-
deter Rechtssatz anzuwenden ist. Sie muss für jedes einzelne der gestellten Ab-
änderungsbegehren sagen, warum es gestellt wird, das heisst ihre Antithese zu
den entsprechenden Überlegungen der Vorinstanz aufstellen. Darüber hinaus
schreibt Art. 233 Abs. 2 ZPO vor, dass sie dies im Rechtsmittelakt selbst tun
muss. Es handelt sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung für das Rechtsmittel;
enthält die Rechtsmittelschrift überhaupt keine Begründung im vorgenannten Sin-
ne, ist das Rechtsmittel als solches unzulässig, nicht an die Hand zu nehmen (vgl.
zum Ganzen Poudret/Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judi-
ciaire, vol. II, Berne 1990, Art. 55 n. 1.5.1.1-1.5.2.4).
Wie aus dem Überweisungsantrag vom 31. Oktober 2006 an die Zivilkam-
mer, welcher die Rechtsmittelfrist von Art. 233 ZPO nicht wahrt, hervorgeht, hätte
die Berufungsklägerin ihr Abänderungsbegehren im Wesentlichen damit begrün-
den wollen, dass während des ganzen erstinstanzlichen Verfahrens nur noch die
geltend gemachte Vertragsstrafe von Fr. 3'679.50 zur Diskussion gestanden habe,
und ihr ganzer Prozessaufwand allein darauf zurückzuführen sei (act. 06, S. 2 f.,
Ziff. 3 und 4). Eine solche Aussage kann beim besten Willen nicht aus der Beru-
fungserklärung vom 18. September 2006 herausgelesen werden. Weiter ist auf die
nachgeschobene (Beschwerde)Begründung nicht einzugehen.
3.6. Die, wie dargelegt, bereits aus formellen Überlegungen unzulässige
Verweisung der Berufungsklägerin auf das Einzelrichterurteil des Bezirksgerichts-
10
präsidenten Plessur ist des weiteren auch deshalb ungeeignet, eine Beschwer-
debegründung zu liefern, weil dieses aufgehobene Erkenntnis zeitlich vor dem
hiesigen Anfechtungsobjekt gefällt wurde. Es ist mithin vollkommen ausgeschlos-
sen, darin eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Erwägungen zum Kosten-
punkt im späteren Anfechtungsobjekt zu erblicken. Selbst wenn es nach bündneri-
schem Prozessrecht zulässig wäre, anstatt eigener Beschwerdebegründung auf
bereits früher Vorgetragenes auf das angefochtene Urteil zu verweisen, wür-
de dies der GMO. nicht helfen. Im Hinweis auf ein wegen sachlicher Unzuständig-
keit ersatzlos aufgehobenes Einzelrichterurteil könnte von vorneherein weder eine
Beschwerdebegründung noch ein valables Surrogat für eine solche liegen.
3.7.
Der Einwand der Berufungsklägerin, es ergäbe sich die Begründung
der Beschwerde schon aus dem Umstand, dass der GMO. keine ausseramtliche
Entschädigung zugesprochen wurde, obwohl die Klage der Gegenseite abgewie-
sen worden sei, schlägt nicht durch. Dieser "Umstand" ist offensichtlich keine
Rechtsmittelbegründung im Sinne von Art. 233 ZPO. Gemäss Art. 122 ZPO wird
der unterliegende Teil in der Regel zur Übernahme sämtlicher Kosten des Verfah-
rens verpflichtet. Hat keine Partei vollständig obsiegt, können die Kosten verhält-
nismässig verteilt werden. Von diesen Regeln kann insbesondere dann abgewi-
chen werden, wenn die unterliegende Partei sich in guten Treuen zur Prozessfüh-
rung veranlasst sah der genaue Umfang des Anspruchs für den Kläger aus
objektiven Gründen nicht überblickbar war (Abs. 1). Die unterliegende Partei wird
in der Regel verpflichtet, der obsiegenden alle ihr durch den Rechtsstreit verur-
sachten, notwendigen Kosten zu ersetzen. Fällt das Urteil nicht ausschliesslich zu
Gunsten einer Partei aus, können die aussergerichtlichen Kosten nach den glei-
chen Grundsätzen wie die gerichtlichen verteilt werden (Abs. 2). Die Klägerin un-
terlag vollständig, womit sie nach der Regel von Art. 122 Abs. 2 ZPO grundsätzlich
zu verpflichten gewesen wäre, der Beklagten alle ihr durch den Rechtsstreit verur-
sachten, notwendigen Kosten zu ersetzen. Warum nach ihrer Qualifikation eine
die Abweichung rechtfertigende Ausnahme von der Kostenbeziehungsweise
Entschädigungsverteilungsregel vorliegt, hat die Vorinstanz, ihrerseits die aus dem
Gehörsanspruch fliessende Pflicht zur Begründung von Gerichtsentscheiden
wahrnehmend, wie folgt dargelegt:
"Im Zeitpunkt der Klageinstanzierung setzte sich die Forderung der Klägerin aus
der Entschädigung gemäss Art. 337c Abs. 3 OR von etwas über CHF 3'000.— so-
wie einer Lohnforderung bis 30. September 2004 von über CHF 6'000.— zusam-
men. Aufgrund der anschliessend erfolgten einvernehmlichen Auflösung des Ar-
beitsverhältnisses per 30. September 2004 ist der Lohn bis zu diesem Zeitpunkt
bezahlt worden und es erfolgte mithin eine Anerkennung der Klage im Umfang von
zwei Dritteln vor. Den hauptsächlichen Prozessaufwand hat indessen der restliche
11
Drittel der Forderung verursacht, so dass es sich rechtfertigt, die ausseramtlichen
Kosten wettzuschlagen."
Die Beklagte hätte sich mit diesen Tatsachenfeststellungen und Subsump-
tionen inhaltlich auseinandersetzen müssen, indem beispielsweise substantiiert zu
bestreiten gewesen wäre, dass sie die Klage teilweise anerkannt hat und/oder
dass und aus welchen Überlegungen eine allfällige teilweise Klageanerkennung
kein Anwendungsfall der gesetzlich vorgesehenen Abweichungsmöglichkeit von
der Entschädigungsregel darstellt. Das tat sie in ihrer Berufungserklärung vom 18.
September 2006 nicht einmal ansatzweise.
Zusammenfassend ist der berufungsklägerische Antrag auf Überweisung
der Berufungserklärung an den Kantonsgerichtsausschuss zwecks dortiger Be-
handlung als Beschwerde gemäss Art. 232 ff. ZPO von der Hand zu weisen.
4.a. Von hier nicht weiter interessierenden Ausnahmen abgesehen, ha-
ben die Gerichte Streitigkeiten um behauptete Ansprüche aus Einzelarbeitsvertrag
bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.— von Bundesrechts wegen ohne (amtli-
che) Kostenfolgen zu beurteilen (Art. 343 Abs. 2 und 3 OR), womit Art. 122 ZPO in
diesem Bereich derogiert wird. Dies gilt auch im Rechtsmittelverfahren. Entgegen
den gegensätzlichen Anträgen beider Parteien sind daher die Gerichtskosten des
Berufungsverfahrens auf die Gerichtskasse zu nehmen.
b. Befreiung
von
den
amtlichen Kosten im Sinne von Art. 343 Abs. 3
OR ändert nichts daran, dass die obsiegende Partei einen Anspruch besitzt, für
die ihr erwachsenen Umtriebe (ausseramtliche Kosten) von der unterliegenden
Gegenpartei angemessen entschädigt zu werden (BGE 115 II 30 E. 5c). Die Beru-
fungsklägerin wird im gleichen Umfang entschädigungspflichtig, wie sie unterliegt
(Art. 122 Abs. 3 ZPO). Der Rechtsvertreter der obsiegenden Berufungsbeklagten
hat weder eine Honorarnote eingelegt noch den geltend gemachten Anspruch auf
Prozessentschädigung sonst wie beziffert, so dass die Zivilkammer den für eine
gehörige Vertretung notwendigen Aufwand schätzungsweise festsetzt. Dem ver-
gleichsweise bescheidenen tatsächlichen Aufwand ist eine Entschädigung von
500 Franken (MWST eingeschlossen) angemessen.
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Demnach erkennt die Zivilkammer :
1.
Auf die Berufung der GMO. wird nicht eingetreten.
2.
Der Antrag der GMO. auf Überweisung der Berufungserklärung an den
Kantonsgerichtsausschuss zwecks Behandlung als Beschwerde wird ab-
gewiesen.
3.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens gehen zu Lasten der Ge-
richtskasse.
4.
Die GMO. ist verpflichtet, HX. für das Berufungsverfahren eine Prozessent-
schädigung von 500 Franken (MWST eingeschlossen) zu bezahlen.
5. Mitteilung
an:
__
Für die Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Präsident:
Der Aktuar:
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