Die Privatklägerin 2 schilderte detailliert, wie der Beschuldigte sie mit einem Messer bedrohte, nachdem sie ihm einen Kuchen angeboten hatte. Sie beschrieb, wie er die Messerklinge an ihren Hals hielt und die Spitze in ihren Hals drückte, was zu einem feinen Schnitt führte. Die Verteidigung kritisierte die Anklageschrift als ungenau, aber die Privatklägerin 2 konnte den Vorfall präzise und konstant beschreiben. Die ungewöhnlichen Details und Reaktionen des Beschuldigten auf den Kuchenwurf stützen die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen. Die Verteidigung zweifelte an der Motivation des Beschuldigten für solch ein Verhalten, aber die Privatklägerin 2 konnte nachvollziehbar erklären, wie sich die Situation entwickelt hat. Letztendlich konnte der Anklagevorwurf der Gefährdung des Lebens durch den Messereinsatz anhand der Aussagen der Privatklägerin 2 überzeugend dargelegt werden.
Urteilsdetails des Kantongerichts ZF-02-63
Kanton: | GR |
Fallnummer: | ZF-02-63 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 05.11.2002 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Erbteilung |
Schlagwörter : | Darlehen; Berufung; Recht; Bezirk; Darlehens; Bezirksgericht; Urteil; Vater; Maloja; Moritz; Parteien; Kanton; Erblasser; Klage; Gericht; Kantons; Zivilkammer; Teilung; Erblassers; Rechtsanwalt; Thomas; Meile; Lasses; Betrag; Verfahren; Tochter; Kreis; Entschädigung |
Rechtsnorm: | Art. 19 ZPO ;Art. 218 ZPO ;Art. 312 OR ;Art. 314 OR ;Art. 318 OR ;Art. 73 OR ; |
Referenz BGE: | 83 II 209; 83 II 210; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Kantongerichts ZF-02-63
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
Ref.:
Chur, 05. November 2002
Schriftlich mitgeteilt am:
ZF 02 63
Urteil
Zivilkammer
Vizepräsident Schlenker, Kantonsrichterinnen und Kantonsrichter Heinz-Bom-
mer, Rehli, Sutter-Ambühl und Vital, Aktuar Engler.
——————
In der zivilrechtlichen Berufung
der S. L.-P., Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic.
iur. Adolf Hörler, Plazza da Scoula 10, Postfach 223, 7500 St. Moritz,
gegen
das Urteil des Bezirksgerichtes M a l o j a vom 3. Juli 2002, mitgeteilt am 10. Juli
2002, in Sachen der Klägerin und Berufungsklägerin gegen C. P., Beklagte und
Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Schimun Vonmoos,
Quaderstrasse 16, 7000 Chur,
betreffend Erbteilung,
hat sich ergeben:
2
A.
Am Y. verstarb der in St. Moritz wohnhaft gewesene R. P.. Er hin-
terliess als einzige Erbinnen seine beiden Töchter S. L.-P. und C. P..
Mit Beschluss der Vormundschaftsbehörde des Kreises Oberengadin vom
3. Juni 1987 war für R. P. eine Mitwirkungsund Verwaltungsbeiratschaft errich-
tet worden, wobei zum Beirat Rechtsanwalt lic. iur. Thomas J. Meile, St. Moritz,
ernannt wurde. Nach dem Ableben des Verbeirateten betrauten die beiden Er-
binnen Rechtsanwalt Meile mit der Verwaltung des Nachlasses sowie der Mithilfe
bei der Teilung.
Im Verlauf der erbrechtlichen Auseinandersetzung kam es insoweit zu
Meinungsverschiedenheiten, als S. L.-P. gestützt auf entsprechende Quittungen
geltend machte, sie habe ihrem Vater zwei zu 5,5 % verzinsliche Darlehen ge-
währt, eines in der Höhe von Fr. 50'000.am 30. Oktober 1986 und eines im
Betrage von Fr. 100'000.am 16. April 1987. C. P. macht demgegenüber gel-
tend, es bestehe keine hinlängliche Gewissheit, dass ihre Schwester ihrem Vater
die genannten Gelder tatsächlich zur Verfügung gehalten habe.
B.
Am 21. August 2001 machte S. L.-P. gegen C. P. beim Kreispräsi-
denten Oberengadin als Vermittler eine Erbteilungsklage anhängig. Laut dem
Leitschein vom 25. Oktober 2001 hatten die Parteien an der Sühneverhandlung
vom 4. Oktober 2001 die folgenden Anträge gestellt:
Klägerisches Rechtsbegehren:
„1. Es sei der zum Zeitpunkt der Klageeinreichung noch unverteilte
Nachlass des am Y. verstorbenen Erblassers R. P., wohnhaft
gewesen in St. Moritz, richterlich festzustellen.
2. Es sei richterlich festzustellen, dass der Klägerin eine Forde-
rung an den Nachlass in Höhe von insgesamt CHF 150'000.00
aus zwei dem Erblasser zu seinen Lebzeiten gewährten Darle-
hen samt Zins zu 5,5 % seit den jeweiligen Darlehensgewäh-
rungen bis zur definitiven Teilung des Nachlasses zusteht.
3. Richterliche Teilung des noch verbleibenden Nachlassvermö-
gens unter Berücksichtigung dieser Darlehensforderung der
Klägerin samt Zinsen.
4. Richterliche Anweisung an den von den Parteien als Erbinnen
bevollmächtigten Verwalter des Nachlasses, Herrn Rechtsan-
walt lic. iur. Thomas J. Meile, St. Moritz, die richterlich festge-
stellten Treffnisse an die Parteien auszuzahlen.
3
5. Im Sinne einer vorsorglichen Verfügung wird die richterliche
Anordnung zur Weiterführung der Verwaltung des Nachlasses
bis zu einem rechtskräftigen Gerichtsentscheid und erfolgter
definitiver Erbteilung durch Rechtsanwalt Thomas J. Meile be-
antragt.
6. Unter voller vermittleramtlicher, gerichtlicher und aussergericht-
licher Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklag-
ten.“
Beklagtisches Rechtsbegehren:
„1. Abweisung der Klage.
2. Unter voller vermittleramtlicher, gerichtlicher und aussergericht-
licher Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Kläge-
rin.“
C.
Mit Prozesseingabe vom 13. November 2001 unterbreitete S. L.-P.
die Streitsache dem Bezirksgericht Maloja, wobei sie an ihren Rechtsbegehren
gemäss Leitschein festhielt.
In ihrer Prozessantwort vom 21. Januar 2002 liess C. P. den Antrag stel-
len:
„1. Sämtliche Rechtsbegehren mit Ausnahme von Ziffer 2 und 6
entsprechen den Wünschen und Intentionen der Beklagten.
2. Es sei festzustellen, dass die Forderung der Klägerin im Betra-
ge von Fr. 150'000.-, plus Zinsen, ungerechtfertigt ist.
3. Aus all diesen und noch zu erwähnenden Gründen sei die Klä-
gerin zu verpflichten, sämtliche gerichtlichen und ausserge-
richtlichen Kosten zu tragen.“
Es wurde kein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt.
D.
Mit Urteil vom 3. Juli 2002, mitgeteilt am 10. Juli 2002, erkannte
das Bezirksgericht Maloja:
„1. Die Klage wird teilweise gutgeheissen und der Nachlassverwal-
ter wird angewiesen, den restlichen, bei Eintritt der Rechtskraft
dieses Urteils vorhandenen Nachlass des R. P. selig, verstor-
ben Y., zu gleichen Teilen unter den Parteien aufzuteilen, ohne
Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Dar-
lehen in Höhe von CHF 150'000.- nebst Zins.
4
2. Die Verfahrenskosten, bestehend aus einer Gerichtsgebühr
von CHF 8000.-, einem Streitwertzuschlag von CHF 3000.-
sowie Schreibgebühren von CHF 500.-, sowie die vermittler-
amtlichen Kosten von CHF 220.werden der Klägerin aufer-
legt.
3. Die Klägerin wird verpflichtet, die Beklagte mit CHF 14'899.70
ausseramtlich zu entschädigen.
4. Gegen dieses Urteil kann innert 20 Tagen seit Mitteilung beim
Bezirksgerichtspräsidium Maloja zuhanden des Kantonsgerich-
tes Graubünden Berufung erklärt werden.
5. Mitteilung an: ...
E.
Hiergegen liess S. L.-P. am 27. August 2002 Berufung an die Zivil-
kammer des Kantonsgerichtes erklären mit dem Begehren:
„1. Das Urteil des Bezirksgerichtes Maloja im Fall Nr. 99/01 vom
03./10.07.02 sei vollumfänglich aufzuheben.
2. In Gutheissung der Klage und der Berufung sei richterlich fest-
zustellen, dass der Klägerin eine Forderung an den Nachlass
des am Y. verstorbenen Erblassers R. P., wohnhaft gewesen
in St. Moritz, zufolge Darlehensgewährungen von CHF
50'000.00 am 30.10.1986 und von CHF 100'000.00 am
16.04.1987 gemäss Quittungen, total demnach CHF
150'000.00 zuzüglich Zins von 5,5 % seit den Daten der jewei-
ligen Darlehensgewährungen bis zur definitiven Teilung des
Nachlasses zusteht.
Eventuell sei der Zinssatz für den Betrag von CHF 50'000.00
seit dem 30.10.1986 mit 5,5 % und für den Betrag von CHF
100'000.00 seit dem 16.04.1987 mit 5 % festzulegen.
3. Richterliche Feststellung, dass der gesamte Nachlass unter
Berücksichtigung der Erbschaftsschuld von CHF 150'000.00
gemäss vorstehender Ziff. 2 zuzüglich Zinsen je zur Hälfte auf
die Parteien aufzuteilen ist.
4. Richterliche Anweisung an den Nachlassverwalter, Rechtsan-
walt lic. iur. Thomas J. Meile, St. Moritz, die entsprechende
Teilung unter den Parteien vorzunehmen.
5. Unter voller Kostenund Entschädigungsfolge, letztere zuzüg-
lich 7,6 % MWSt., für beide Instanzen zulasten der Beklagten
und Berufungsbeklagten.“
5
F.
Anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2002 vor
der Zivilkammer bestätigte der Rechtsvertreter von S. L.-P. die schriftlichen Be-
rufungsbegehren, während C. P. beantragen liess, es sei die Berufung abzuwei-
sen, unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Gegenpartei. Auf die
weiteren Ausführungen der Parteivertreter zur Begründung ihrer Rechtsbegehren
wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. - Rechtsanwalt
Vonmoos gab überdies seine Plädoyernotizen sowie eine Kopie einer bereits
eingelegten Urkunde zu den Akten.
Die Zivilkammer zieht in Erwägung:
1.
Im Prozess der Erbin S. L.-P. gegen ihre Miterbin C. P. will die Klä-
gerin im Grunde gerichtlich feststellen lassen, dass ihr im Rahmen der Teilung
des noch verbleibenden Nachlasses ihres verstorbenen Vaters wie von ihm
ausdrücklich angeordnet vorab die Darlehen zurückzubezahlen seien, die er
von ihr seinerzeit erhalten habe. Wie bei anderen Ansprüchen, die durch den
Tod des Erblassers entstanden sind die sonstwie in engem Zusammenhang
mit dem Erbfall stehen, handelt es sich auch hierbei um eine erbrechtliche Klage,
welche gemäss Art. 18 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Gerichtsstand in
Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG) abweichende Parteivereinbarungen
vorbehalten beim Gericht am letzten Wohnsitz des Erblassers der Erblas-
serin anzuheben ist (vgl. Harold GRÜNINGER, Kommentar zum Gerichtsstandsge-
setz [Hrsg.: Thomas MÜLLER und Markus WIRTH], Z. 2001, Art. 18 GestG N. 21;
LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton
Bern, Bern 2000, Art. 30 Rz. 2.a und 2.b). Da R. P. vor seinem Tod während vie-
len Jahren in St. Moritz gelebt hatte, wo er während langer Zeit auch als A. tätig
gewesen war, er also an diesem Ort, einer im Bezirk Maloja gelegenen Gemein-
de, offenkundig seinen letzten Wohnsitz besass, durfte die von S. L.-P. angeru-
fene Vorinstanz ihre örtliche Zuständigkeit zu Recht bejahen. Dies blieb denn
auch von Seiten der Parteien völlig unbestritten.
Vermögensrechtliche Klagen im Betrag von über Fr. 8000.-, wie hier eine
zu beurteilen war, fallen gemäss Art. 19 Ziff. 1 ZPO in die sachliche Zuständig-
keit des jeweiligen Bezirksgerichts, hier also jenes von Maloja, so dass auch in-
6
soweit einem Eintreten auf die Streitangelegenheit durch die Vorinstanz nichts
entgegenstand.
Bezirksgerichtliche Urteile im Sinne von Art. 19 ZPO, seien sie in vermö-
gensrechtlichen (Ziff. 1) nicht vermögensrechtlichen Streitsachen (Ziff. 2)
ergangen, können gemäss Art. 218 Abs. 1 ZPO mit Berufung bei der Zivilkam-
mer des Kantonsgerichtes angefochten werden. Da dieses Rechtsmittel im vor-
liegenden Fall innert Frist ergriffen wurde (Art. 219 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und da
die Weiterzugserklärung überdies den gesetzlichen Formerfordernissen ent-
spricht (Art. 219 Abs. 1 Satz 2 ZPO), ist darauf grundsätzlich einzutreten.
An einem rechtlich schützenswerten Interesse als Eintretensvorausset-
zung fehlt es indessen von vornherein insoweit, als mit der Berufung eine ge-
richtliche Feststellungserklärung erlangt werden soll, wonach die Parteien je zur
Hälfte Anspruch auf den nach der Erledigung der vorliegenden Angelegenheit
verbleibenden Nachlass von R. P. besitzen würden. Dies war zwischen den bei-
den Töchtern des Erblassers im ganzen Verfahren gar nie streitig. Ebenso wenig
besteht für die Weiterzugsinstanz Anlass, dem nicht amtlich bestellten, sondern
durch die beiden Erbinnen beigezogenen Nachlassverwalter Thomas J. Meile
irgendwelche Weisungen darüber zu erteilen, wie er bei der weiteren Teilung
vorzugehen habe. Hier bei Bedarf tätig zu werden, ist allein Sache der Klägerin
und der Beklagten. - In diesen zwei Punkten kann also auf die Berufung nicht
eingetreten werden.
2. Hauptinhalt
eines
Darlehensvertrages bildet im Normalfall einer-
seits die Verpflichtung des Darleihers, dem Borger am vereinbarten Geldbetrag
Eigentum zu verschaffen (Aushändigungspflicht) und ihm für die Dauer des Ver-
trages den Wertgebrauch an der Darlehenssumme zu erhalten (Belassungs-
pflicht), während anderseits der Borger zur Rückerstattung einer gleich grossen
Summe Geldes verpflichtet ist (vgl. Heinz SCHÄRER, Basler Kommentar zum
Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 2. Aufl., Basel und Frankfurt
am Main 1996, Art. 312 OR N. 1, 6 und 11).
Wer auf Rückzahlung eines Darlehens klagt, hat also nicht nur die Aus-
händigung des Geldes zu beweisen, sondern ebenso - und zwar in erster Linie -
das Bestehen eines Darlehensvertrages und demzufolge auch die daraus flies-
sende Rückerstattungspflicht (vgl. BGE 83 II 209, 210; LGVE 1975-I-255-312,
7
SCHÄRER, a. a. O., Art. 318 OR N. 34). Dabei kann im Einzelfall der blosse Emp-
fang einer bestimmten Geldsumme durchaus ein ausreichendes Indiz für die An-
nahme eines Darlehensvertrages mit dem für ihn typischen Rückforderungsan-
spruch bilden, dann nämlich, wenn sich die Aushändigung des Geldes nach der
aus den konkreten Umständen gewonnenen Überzeugung des Richters nicht
anders erklären lässt als durch das Vorliegen einer derartigen Vereinbarung (vgl.
BGE 83 II 210; LGVE-1975-I-255-313).
3.
In zwei schriftlichen, als Quittung bezeichneten und von ihm eigen-
händig unterschriebenen Erklärungen vom 30. Oktober 1986 und 16. April 1987
bestätigte R. P., von S. L.-P. Geldbeträge von Fr. 50'000.- und Fr. 100'000.-
erhalten zu haben. Zusätzlich findet sich in jeder der beiden Urkunden eine aus-
drückliche Anordnung des Empfängers, dass die angeführte Summe seiner
Tochter S. im Rahmen der Erbteilung (zuzüglich Zins) zurückzubezahlen sei.
Damit wurde deutlich gemacht, dass die Gelder, deren Empfang R. P. quittierte,
keine Schenkung darstellten, sondern dass es sich hierbei um rückzahlbare Dar-
lehen handelte. Irgendwelche Anhaltspunkte, dass die Unterschriften auf den
beiden Dokumenten nicht vom Vater der heutigen Parteien stammen könnten,
sind nicht ersichtlich. Sie weisen denn auch gegenüber den Unterschriften auf
anderen Aktenstücken keine ins Auge springenden Abweichungen auf, welche
den Verdacht einer Fälschung entstehen lassen könnten. Ebenso wenig gibt es
Hinweise, dass R. P. von seiner Tochter getäuscht übermässig unter
Druck gesetzt an den genannten, mehrere Monate auseinander liegenden Da-
ten den Empfang von Fr. 50'000.- und Fr. 100'000.förmlich bestätigt habe, ob-
wohl ihm solche Zahlungen lediglich (möglicherweise nicht einmal ernst gemeint)
in Aussicht gestellt worden seien, und erst recht jeder Grundlage entbehren wür-
de die Vermutung, dass er im Einvernehmen mit der Klägerin eine Darle-
henshingabe gar fingiert habe. Insgesamt betrachtet muss bei dieser Sachlage
der S. L.-P. obliegende Beweis, dass sie ihrem Vater zwei Darlehen über Fr.
50'000.- und Fr. 100'000.eingeräumt habe, die erst nach seinem Tod zur
Rückzahlung fällig werden sollten, als gelungen angesehen werden.
Was hiergegen von C. P. und ihren Einwendungen folgend im angefoch-
tenen Urteil des Bezirksgerichtes Maloja vorgebracht wird, vermag das bisher
Gesagte nicht zu erschüttern. - Nur weil für R. P. am 3. Juni 1987, offenbar auf
eigenes Begehren, eine Mitwirkungsund Verwaltungsbeiratschaft errichtet wur-
8
de, darf daraus nicht einfach geschlossen werden, dass er im Herbst 1986 und
Frühjahr 1987 die Bedeutung einer Quittung samt Rückzahlungsverpflichtung
nicht mehr zu ermessen vermochte. Es ist ohne weiteres verständlich, dass ihm
die mit dem Besitz von zwei Liegenschaften (darunter einer Parzelle mit einem
Mehrfamilienhaus in T.) verbundenen Umtriebe allmählich zu mühselig wurden.
Dies besagt aber noch nicht, dass er bereits durch nicht besonders komplizierte,
mit wenig Aufwand verbundene Geschäfte wie die hier interessierende Darle-
hensgewährung überfordert war. In einem Zwischenbericht an die Vormund-
schaftsbehörde des Kreises Oberengadin vom 26. Januar 1988 führte denn auch
der Beirat aus, dass R. P. trotz seines fortgeschrittenen Alters sowohl in körperli-
cher wie in geistiger Hinsicht einen gesunden Eindruck erwecke. - Ebenso un-
verfänglich ist, dass offenbar keine der Personen aus dem Umfeld des späteren
Erblassers (Beirat, Treuhänder, Tochter C.) über die Darlehen unterrichtet war,
welche S. L.-P. ihrem Vater eingeräumt hat. Diesbezüglich war er niemandem
Rechenschaft schuldig, und es ist auch keineswegs aussergewöhnlich, dass
Darlehen unter nahen Verwandten in Steuererklärungen nicht ausgewiesen wer-
den. - Nicht gesagt werden kann weiter, dass sich die Vorstellung, R. P. habe
eine Tochter um ein Darlehen gebeten, mit seiner Persönlichkeit und seinem
bescheidenen Lebenswandel nicht vertrage. Dem ist gerade nicht so, behauptet
doch auch die andere Tochter (die Beklagte), dass sie ihrem Vater auf dessen
Ersuchen hin mehrfach Darlehen gewährt habe, und aus dem bereits erwähnten
Bericht des Beirates geht hervor, dass am 3. Juli 1987 eine bestehende Hypo-
thek erhöht wurde; im hier interessierenden Zeitraum bestand also offensichtlich
ein Finanzierungsbedarf (Sanierung Liegenschaft T., Pflegekosten). Über die von
C. P. stammenden Darlehen war übrigens der Treuhänder ihres Vaters so wenig
auf dem Laufenden wie über jene der anderen Tochter, so dass auch sie in den
jeweiligen Steuererklärungen nicht aufschienen. - Für die vordergründige Auffäl-
ligkeit, dass zu Lebzeiten von R. P. die Darlehen von C. P. dann doch noch ei-
nem weiteren Kreis bekannt wurden, nicht aber jene von S. L.-P., gibt es wiede-
rum eine plausible Erklärung. Da die Wohnliegenschaft des Erblassers zu trag-
baren Bedingungen auf die Beklagte übergehen sollte (vgl. etwa die bei den Edi-
tionsakten liegende Erklärung von R. P. vom 8. Mai 1987), war es nahe liegend,
in der öffentlichen letztwilligen Verfügung vom 19. November 1986 bzw. im Kauf-
und Erbvorbezugsvertrag vom 8. Mai 1987 all jene Forderungen ausdrücklich
anzuführen, welche die Erwerberin mit dem Übernahmepreis würde verrechnen
können. Solches auch bezüglich der Klägerin vorzukehren, bestand demgegen-
über kein Anlass, wurde sie doch nicht in vergleichbarer Weise bedacht. - Dass
9
schliesslich S. L.-P. zur Herausgabe sämtlicher einschlägiger Unterlagen durch
die Steuerbehörden des Kantons Z. im Prozess nicht Hand bot, muss nicht zwin-
gend mit der vorliegenden Streitsache zusammenhängen und belegt jedenfalls
noch nicht, dass sie im fraglichen Zeitraum völlig mittellos und selbst mit Hilfe
ihres damaligen Ehemannes zur Ausrichtung von Darlehen nicht in der Lage ge-
wesen sei.
Aus all dem erhellt, dass S. L.-P. mit ihrer Klage und Berufung insoweit
durchzudringen vermag, als sie gerichtlich festgestellt wissen will, dass ihr ge-
genüber dem Nachlass ihres verstorbenen Vaters noch Forderungen in der Höhe
von Fr. 50'000.- und Fr. 100'000.zustehen würden.
Keiner näheren Begründung bedarf schliesslich, dass die Darlehensrück-
zahlung zuzüglich Zins zu erfolgen hat, wurde dies doch vom Borger in den bei-
den Urkunden vom 30. Oktober 1986 und 16. April 1987 ausdrücklich zugestan-
den. Dabei anerkannte er hinsichtlich des Darlehens von Fr. 50'000.einen
Zinssatz von 5,5 %, während in Bezug auf den zweiten Betrag von Fr. 100'000.-
dessen Verzinslichkeit wenigstens dem Grundsatz nach festgehalten wurde.
Damit bestände an sich gemäss Art. 314 Abs. 1 OR eine Vermutung zugunsten
jenes Zinsfusses, der zur Zeit und am Ort des Darlehensempfanges für die be-
treffende Art von Darlehen üblich war. Da die Höhe dieses Satzes indessen im
Verfahren völlig unbewiesen geblieben ist, kommt Art. 73 Abs. 1 OR als ergän-
zendes Recht zur Anwendung; er sieht in solchen Fällen einen Zinssatz von 5 %
vor (vgl. BGE 126 III189 und 192 = Pra 2000-119-702, 705). Dass die Verzin-
sung bei Bejahung der Rückzahlungsverpflichtung ab dem 30. Oktober 1986
bzw. dem 16. April 1987 zu erfolgen hat, blieb im Prozess unbestritten.
4.
Nachdem S. L.-P. vor Bezirksgericht Maloja im eigentlichen Streit-
punkt mit ihren Begehren noch vollumfänglich unterlegen war, erreichte sie nun-
mehr mit ihrer Berufung gegen den Widerstand der Beklagten die Aufhebung des
angefochtenen Urteils sowie die richterliche Feststellung, dass die von ihr ge-
genüber dem Nachlass ihres verstorbenen Vaters geltend gemachten Darle-
hensforderungen samt Zins Bestand hätten, wobei sie sich lediglich insoweit ei-
nen geringen Abstrich gefallen lassen musste, als auf einen Betrag von Fr.
100'000.statt des mit dem Hauptantrag verlangten Zinses von 5,5 % bloss der
im Eventualbegehren genannte Zins von 5 % zu entrichten ist. Bei dieser Sach-
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lage rechtfertigt es sich, die Kosten der Vermittlung sowie jene des erstund
zweitinstanzlichen Gerichtsverfahrens vollumfänglich C. P. zu überbinden.
Als obsiegende Partei besitzt die Klägerin und Berufungsklägerin überdies
einen Anspruch darauf, für ihre Umtriebe in den Verfahren vor den genannten
Instanzen (Kreisamt Oberengadin, Bezirksgericht Maloja, Zivilkammer des Kan-
tonsgerichtes) von ihrer Gegnerin eine aussergerichtliche Entschädigung bezahlt
zu erhalten. Die Vergütung wird der Bedeutung des Falles sowie dem geltend
gemachten, als angemessen erachteten Aufwand Rechnung tragend auf insge-
samt Fr. 16'198.40 festgelegt, wovon Fr. 2000.für das Berufungsverfahren ge-
schuldet sind.
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Demnach erkennt die Zivilkammer:
1.
Die Berufung wird, soweit darauf eingetreten werden kann, gutgeheissen
und es wird das angefochtene Urteil aufgehoben.
2.
In teilweiser Gutheissung der Klage wird festgestellt, dass S. L.-P. gegen-
über dem Nachlass des am Y. verstorbenen R. P., wohnhaft gewesen in
St. Moritz, eine Forderung von Fr. 150'000.zusteht, nebst Zins zu 5,5 %
auf Fr. 50'000.seit 30. Oktober 1986 und 5 % auf Fr. 100'000.seit 16.
April 1987.
3.
Die Kosten des Kreispräsidenten Oberengadin als Vermittler von Fr. 220.-
sowie jene des Bezirksgerichtes Maloja von Fr. 11'500.gehen zu Lasten
der Beklagten, welche überdies verpflichtet wird, die Klägerin für ihre Um-
triebe im erstinstanzlichen Verfahren aussergerichtlich mit Fr. 14'198.40
zu entschädigen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, bestehend aus einer Gerichtsge-
bühr von Fr. 6000.- und einer Schreibgebühr von Fr. 165.-, total somit Fr.
6165.-, gehen zu Lasten der C. P., welche überdies verpflichtet wird, S.
L.-P. für ihre Umtriebe im Verfahren vor der Zivilkammer eine ausserge-
richtliche Entschädigung von Fr. 2000.zu bezahlen.
4. Mitteilung
an:
__
Für die Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident
Der Aktuar
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