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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SK2-14-37: Kantonsgericht Graubünden

Eine Person namens X. hat Beschwerde gegen die Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 20. Juni 2014 eingereicht, die das Verfahren gegen Z. und Y. wegen Ehrverletzungsdelikten eingestellt hat. X. hatte Strafantrag gestellt, nachdem Z. sie beleidigt hatte. Das Kantonsgericht von Graubünden hat die Beschwerde teilweise gutgeheissen und die Einstellung des Verfahrens gegen Z. aufgehoben, während die Einstellung gegen Y. bestätigt wurde. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 2000 wurden aufgeteilt, wobei X. die Hälfte tragen muss.

Urteilsdetails des Kantongerichts SK2-14-37

Kanton:GR
Fallnummer:SK2-14-37
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SK2-14-37 vom 17.12.2014 (GR)
Datum:17.12.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Beschimpfung
Schlagwörter : Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Recht; Einstellung; Person; Verhalten; Provokation; Verfahrens; Graubünden; Befreiung; Verfahren; Beschwerde; Kanton; Beschimpfung; Sinne; Personen; Reaktion; Einstellungsverfügung; Kantons; Kantonsgericht; Einstellungsverfügungen; Sachverhalt; Täter; Verfahrens; Verfügung; Gemütsbewegung
Rechtsnorm:Art. 104 StPO ;Art. 105 StPO ;Art. 115 StPO ;Art. 118 StPO ;Art. 146 StPO ;Art. 177 StGB ;Art. 382 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 428 StPO ;
Referenz BGE:83 IV 151;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SK2-14-37

Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni

Ref.:
Chur, 17. Dezember 2014
Schriftlich mitgeteilt am:
SK2 14 37
19. Dezember 2014

(Mit Urteil 6B_58/2014 vom 29. Januar 2015 ist das Bundesgericht auf die gegen
diese Verfügung erhobene Beschwerde nicht eingetreten.)
Verfügung

II. Strafkammer
Vorsitz
Hubert
Richter
Pritzi und Schnyder
Aktuar ad hoc
Paganini

In der strafrechtlichen Beschwerde
der X.___, Beschwerdeführerin,

gegen

die Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 20. Juni
2014, mitgeteilt am 24. Juni 2014, in Sachen Dr. Y.___, Beschwerdegegner und
Z.___, Beschwerdegegnerin,
betreffend Beschimpfung,
hat sich ergeben:

I. Sachverhalt
A.
Am 1. Januar 2013, gegen 17.00 Uhr, stand X.___ zusammen mit meh-
reren Begleitpersonen auf der Privatstrasse ___, in O.1___. Beim Ausstell-
platz oberhalb der ___ fotografierte sie ein Auto, welches darauf parkiert war
und in welchem Z.___ und ihre beiden Kinder sassen, von hinten und von vor-
ne. Als Z.___ dies bemerkt hatte, stieg sie aus dem Auto und rief X.___ an-
geblich mehrfach die Ausdrücke "Gehirnamputierte", "dummes Weib" und "blöde
Kuh" zu.
B.
Als Y.___, der Ehemann von Z.___ hinzukam, informierte diese ihn
über das Vorgefallene. In der Folge äusserte er sich auch angeblich in ehrverlet-
zender Weise gegenüber X.___.
C.
Am 3. Januar 2013 stellte X.___ Strafantrag gegen Z.___ sowie
Y.___ wegen Ehrverletzungsdelikten.
D.
Mit Einstellungsverfügungen vom 20. Juni 2014 stellte die Staatsanwalt-
schaft das Verfahren gegen Y.___ und Z.___ ein. Dabei führte sie zur Be-
gründung im Wesentlichen aus, die verbalen Reaktionen der Beschuldigten seien
in erregter Gemütsbewegung infolge des provozierenden Verhaltens X.___ er-
folgt, weshalb eine Strafbefreiung gemäss Art. 177 Abs. 2 StGB zum Zuge käme.
E.
Dagegen erhob X.___ am 4. Juli 2014 Beschwerde beim Kantonsgericht
von Graubünden mit folgenden Anträgen:
"1. Die von der Staatsanwaltschaft Graubünden genehmigte Einstellungs-
verfügung der Staatsanwaltschaft Abteilung I vom 20. Juni 2014, mit-
geteilt am 24. Juni 2014, im Verfahren VV.2013.1458/CG, sei aufzu-
heben und die Sache sei zur Durchführung des Strafuntersuchungs-
verfahrens einschliesslich Ergänzung der Beweiserhebung und zur
Anklageerhebung an die Staatsanwaltschaft Graubünden zurückzu-
weisen.

2.
Unter gesetzlicher Kostenund Entschädigungsfolge."
F.
In der Stellungnahme der Beschuldigten vom 15. Juli 2014 teilte Y.___
mit, er möchte zum Inhalt der Beschwerde nicht weiter Stellung nehmen. Er und
seine Frau würden, seit sie vom verstorbenen Vater der Beschwerdeführerin ein
Mehrfamilienhaus gekauft hätten, von dieser massiv provoziert. Dies habe zu den
verbalen Entgleisungen geführt. Er habe sich dafür persönlich entschuldigt. Er
führte im Weiteren aus, die Staatsanwältin habe den Sachverhalt und die Motivati-
on der Klägerin bestens erkannt und eingeschätzt.
Seite 2 — 9

G.
Auf die weitergehenden Ausführungen in den Rechtsschriften sowie in den
angefochtenen Einstellungsverfügungen wird, soweit erforderlich, in den nachfol-
genden Erwägungen eingegangen.
II. Erwägungen
1.a)
Gegen Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft kann innert zehn
Tagen schriftlich und begründet Beschwerde geführt werden (Art. 322 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 393 Abs. 1 lit. a sowie Art. 396 Abs. 1 StPO). Beschwer-
deinstanz ist das Kantonsgericht von Graubünden (Art. 22 des Einführungsgeset-
zes zur Schweizerischen Strafprozessordnung [EGzStPO; BR 350.100]). Die an-
gefochtenen Einstellungsverfügungen wurden X.___ am 25. Juni 2014 zuge-
stellt. Die am 4. Juli 2014 eingereichte Beschwerde erweist sich somit als fristge-
recht und entspricht im Übrigen auch den an sie gestellten Formerfordernissen.
b)
Zur Beschwerdeführung legitimiert ist jede Partei, die ein rechtlich ge-
schütztes Interesse an der Aufhebung Änderung des angefochtenen Ent-
scheids hat (Art. 382 Abs. 1 StPO). Partei im Sinne von Art. 104 StPO ist unter
anderem die Privatklägerschaft. Als solche gilt nach Art. 118 Abs. 1 StPO die ge-
schädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Strafoder
Zivilkläger beteiligen zu wollen. Der Parteibegriff von Art. 382 Abs. 1 StPO er-
streckt sich auch auf die in Art. 105 Abs. 1 StPO aufgezählten anderen Verfah-
rensbeteiligten, soweit diese in ihren Rechten unmittelbar betroffen sind (Art. 105
Abs. 2 StPO). Verfahrensbeteiligte ist namentlich die geschädigte Person (Art. 105
Abs. 1 lit. a StPO). Art. 115 StPO bestimmt sodann, dass als geschädigte Person
die Person gilt, welche durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt
worden ist (Abs. 1). Die zur Stellung eines Strafantrags berechtigte Person gilt in
jedem Fall als geschädigte Person (Abs. 2). Die Beschwerdeführerin liess vorlie-
gend am 3. Januar 2013 gegen Y.___ und Z.___ einen Strafantrag einrei-
chen und konstituierte sich gleichzeitig als Privatklägerin im Strafwie auch im
Zivilpunkt, womit sie zur Beschwerde legitimiert ist.
c)
Mit der Beschwerde können gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO Rechtsverlet-
zungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechts-
verweigerung und Rechtsverzögerung (lit. a), die unvollständige unrichtige
Feststellung des Sachverhalts (lit. b) sowie die Unangemessenheit (lit. c) gerügt
werden. Die Beschwerde stellt somit ein umfassendes ordentliches Rechtsmittel
dar. Die Rechtsmittelinstanz verfügt über eine volle Kognition und kann die ange-
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fochtene Verfügung vollständig in allen Rechtsund Tatfragen überprüfen (vgl.
Jeremy Stephenson/Gilbert Thiriet, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler
Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, N 15 zu Art. 393
StPO).
2.
Gemäss Art. 319 Abs. 1 lit. e StPO ist ein Strafverfahren dann einzustellen,
wenn nach gesetzlicher Vorschrift auf Strafverfolgung Bestrafung verzichtet
werden kann. Diese Bestimmung verweist unter anderem auf den Strafbefrei-
ungsgrund von Art. 177 Abs. 2 StGB. Demgemäss kann der Richter den Täter von
Strafe befreien, wenn der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der
Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben hat. Voraussetzung der Strafbefreiung
ist, dass die Beschimpfung durch ein verwerfliches Verhalten des Beschimpften
hervorgerufen wurde und dass sie unmittelbar auf die Provokation erfolgt ist. Das
Merkmal der Unmittelbarkeit ist zeitlich zu verstehen, und zwar in dem Sinne, dass
der Täter in der durch das ungebührliche Verhalten erregten Gemütsbewegung
handelt, ohne dass er Zeit zu ruhiger Überlegung hat (BGE 83 IV 151 S. 151).
Obwohl Art. 177 Abs. 2 StGB dem Wortlaut nach den urteilenden Richter als zu-
ständig erklärt, ermächtigt Art. 319 Abs. 1 lit. e StPO die Staatsanwaltschaft bei
Vorliegen der Voraussetzungen bereits im Vorverfahren im Sinne der Opportunität
das Verfahren einzustellen (Franz Riklin, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Strafrecht
II, Art. 111-392 StGB, 3. Aufl., Basel 2013, N 22 zu Art. 177 StGB). Nachfolgend
ist zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft die Verfahren gegen Z.___ und
Y.___ zu Recht gestützt auf Art. 319 Abs. 1 lit. e StPO in Verbindung mit Art.
177 Abs. 2 StGB eingestellt hat.
3.
Zunächst wird auf die Einstellungsbegründung betreffend Z.___ einge-
gangen.
a)
Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein mit der Begründung, aus
den Aussagen der befragten Personen ergebe sich, dass sich Frau Z.___ zum
Tatzeitpunkt in erregter Gemütsbewegung befunden habe und dass sie damit un-
mittelbar auf das Fotografieren reagiert habe. X.___ habe Fotografien zu den
Akten gereicht, welche sie vom Auto Z.___ gemacht habe. Der Fokus dieser
Fotografien liege objektiv betrachtet auf dem Auto, auch wenn darauf weder
Z.___ noch andere Mitfahrer erkennbar seien. Aufgrund der Fokussierung habe
Z.___ berechtigterweise davon ausgehen dürfen, dass sie fotografiert werde.
Das Fotografieren von Personen in Autos könne deren Privatbereich tangieren
und daher als provozierendes Verhalten gewertet werden. Damit seien die Vo-
raussetzungen einer Strafbefreiung gemäss Art. 177 Abs. 2 StGB erfüllt.
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b)
Letzterer Auffassung kann nicht gefolgt werden. Gemäss Staatsanwalt-
schaft "erscheint ( ) erstellt", dass Z.___ X.___ als "Gehirnamputierte", "blö-
de Kuh" und "dummes Weib" beschimpfte. Auch wenn das Fotografieren von
fremden Personen in ihrem Fahrzeug durchaus als Provokation qualifiziert werden
kann, rechtfertigt dies nicht derart massive Beschimpfungen, von denen die
Staatsanwaltschaft ausgeht. Provokation und Reaktion haben in einem angemes-
senen Verhältnis zu stehen (vgl. Urteil des Kantonsgerichtsausschusses SB 07 11
vom 3. Oktober 2007 E. 7a). Bei der vorliegend von der Staatsanwaltschaft ange-
nommenen Reaktion kann nicht mehr gesagt werden, dass diese aufgrund des
Fotografierens gerechtfertigt erscheine. Davon scheint übrigens auch die Be-
schwerdegegnerin selbst auszugehen, lässt sie sich doch in der Beschwerdeant-
wort durch ihren Ehemann dahingehend vernehmen, ihre verbalen Entgleisungen
seien strafrechtlich nicht zu entschuldigen, aber aus menschlicher Sicht verständ-
lich. Letzteres wird allenfalls bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sein, zu-
mal die Provokation auch bloss als Strafmilderungsgrund zum Zuge kommen
kann, wenn sich wie hier keine vollumfängliche Strafbefreiung aufdrängt (vgl.
Riklin, a.a.O., N 21 zu Art. 177 StGB). Dies ist vorliegend allerdings nicht zu ent-
scheiden. Die Einstellungsverfügung ist nach dem Gesagten aufzuheben, soweit
sie Z.___ betrifft und die Sache ist zur Fortsetzung des Verfahrens an die
Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.
c)
In Bezug auf den weiteren Fortgang des Verfahrens ist festzuhalten, dass
der Sachverhalt offenbar noch nicht abschliessend geklärt wurde. Anders kann die
Formulierung in der angefochtenen Verfügung, wonach es aufgrund der Aussagen
der befragten Personen als erstellt "erscheine", nicht verstanden werden. Die Fra-
ge wurde offenbar im Hinblick auf Art. 177 Abs. 2 StGB nicht abschliessend ge-
prüft. Insoweit wird die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Verfahrens auch zu
entscheiden haben, ob zur Klärung der Angelegenheit die Einvernahme weiterer
Personen und allenfalls Konfronteinvernahmen erforderlich sind. Dies zumal
Z.___ anlässlich ihrer polizeilichen Einvernahme den ihr vorgeworfenen Tather-
gang noch bestritt (vgl. dazu aber auch die Aussage von Y.___ anlässlich sei-
ner Einvernahme vor dem Staatsanwalt, wo er zu Protokoll gab, seine Frau stehe
dazu, "dass sie das gesagt habe" und es müsste lediglich über die Intensität bzw.
die Häufigkeit diskutiert werden). Immerhin ist in diesem Zusammenhang darauf
hinzuweisen, dass entgegen dem, was die Beschwerdeführerin offenbar annimmt,
nicht in jedem Fall Anspruch auf eine Konfronteinvernahme besteht. Ein Antrag
auf Konfrontation kann abgelehnt werden, wenn dies zu einem unverhältnismässi-
gen Aufwand führen würde, und dem Anspruch auf rechtliches Gehör auf andere
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Weise Rechnung getragen werden kann (vgl. Häring, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger
[Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011,
N 16 zu Art. 146 StPO).
4.
Sodann bleibt zu prüfen, ob die Einstellung des Strafverfahrens gegen
Y.___ rechtmässig erfolgt ist.
a)
In Bezug auf Y.___ ist der Sachverhalt insoweit umstritten als die Be-
schwerdeführerin geltend macht, Y.___ habe zig-mal mit dem gestreckten Zei-
gefinger an die Stirn geklopft und sie mindestens zweimal mit "dumme Kuh" be-
schimpft. Der Beschwerdegegner selbst führt aus, er habe gesagt: "Haben Sie ein
Problem im oberen Dachstock Haben Sie nichts Besseres zu tun, als anständige
Leute zu belästigen" Dabei habe er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn
gelangt. Er bestritt dagegen, X.___ als "dumme Kuh" bezeichnet zu haben.
b)
Der Staatsanwaltschaft ist darin beizupflichten, dass gemäss beiden Sach-
verhaltsdarstellungen von einer Beschimpfung im Sinne von Art. 177 StGB auszu-
gehen ist. Namentlich ist die Geste mit dem Zeigefinger und jene mit der flachen
Hand gleich zu interpretieren, worauf auch die unbestrittenermassen an X.___
gerichtete Frage "haben Sie ein Problem im oberen Dachstock" hinweist. Der
genaue Vorgang kann somit insoweit offen bleiben und lässt sich wohl auch nicht
mehr eruieren, zumal keine Zeugen bekannt sind, die nicht in einer engeren Be-
ziehung zu einer der beiden Streitparteien stehen. Es handelt sich überdies bei
beiden Schilderungen um in etwa gleich schwer wiegende Beleidigungen. Dass
Y.___ Aussage mit einem Interrogativsatz kundgetan wurde, ist irrelevant, zu-
mal er dadurch bei unbefangenen Anwesenden den Verdacht hegte, die Be-
schwerdeführerin könnte ein psychisches Problem haben. Anders wäre die
Rechtslage zu beurteilen, wenn eine solche Verdachtsäusserung nur unter den
Parteien stattgefunden hätte (vgl. Urteil des Kantonsgerichtsausschusses SB 07
11 vom 3. Oktober 2007 E. 6c).
c)
Auch bezüglich Y.___ ging die Staatsanwaltschaft von einer Strafbefrei-
ung gemäss Art. 177 Abs. 2 StGB aus. Die Beschimpfungen erfolgten denn auch
unmittelbar als Reaktion auf die Schilderung und das aufgebrachte Verhalten sei-
ner Frau. Dabei ist von Bedeutung, dass eine Provokation im Sinne von Art. 177
Abs. 2 StGB nicht gegen den Täter selbst gerichtet sein muss und dass selbst die
irrtümliche Annahme einer Provokation für eine Strafbefreiung nach dieser Be-
stimmung genügt (Riklin, a.a.O., N 23 und 26 zu Art. 177 StGB). Provokation wird
sofern sie sich nicht gegen den Täter selbst richtet - dann angenommen, wenn
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sich der Täter infolge Wahrnehmung ungebührlichen anstössigen öffentlichen
Verhaltens des Provokators diesem gegenüber zur Tat hat hinreissen lassen (vgl.
SJZ 62/1966 S. 76). Dass die Beschwerdeführerin das Fahrzeug, in welchem
Z.___ und deren Kinder sassen fotografierte ist unbestritten und ergibt sich klar
aus den bei den Akten liegenden Fotografien. Dass sich Z.___ - und in der Fol-
ge aufgrund der Schilderung und des Verhaltens seiner Frau auch Y.___ -
dadurch provozieren liessen, ist nachvollziehbar. Es handelt sich unzweifelhaft um
einen Eingriff in den Privatbereich, der zu einer entsprechenden Reaktion führen
kann. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist dabei völlig belanglos, ob
die Provokation absichtlich erfolgte und bewusst Personen fotografiert wurden.
Der Grund für die Strafbefreiung liegt in der erzeugten Gemütserregung. Vorlie-
gend ist die Vorinstanz dementsprechend zu Recht von einer Handlung im Affekt
ausgegangen. Die Reaktion von Y.___ erweist sich sodann um einiges gemäs-
sigter als jene seiner Frau und erscheint in Anbetracht der gegebenen Umständen
als nachvollziehbar. Die Staatsanwaltschaft hat das Verhalten von Y.___ somit
zu Recht unter Art. 177 Abs. 2 StGB subsumiert, womit sich die Einstellung des
Verfahrens gegen Y.___ als rechtens erweist.
d)
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht von ei-
nem Bagatellfall ausgegangen, erfolgt dieser Vorwurf zu Unrecht. Die Staatsan-
waltschaft bejahte die Voraussetzungen der Strafbefreiung infolge Annahme einer
durch Provokation hervorgerufenen Gemütsbewegung. Der Hinweis auf Bagatell-
fälle erfolgte lediglich im Rahmen der Darlegung der Rechtslage unter Bezugnah-
me auf eine Kommentarstelle, gemäss welcher Strafbefreiung nicht nur in Fällen
von Handlungen im Affekt sondern auch im Bagatellbereich gestützt auf Art. 177
Abs. 2 StGB zulässig sei. Im vorliegenden Fall ging sie von einem Handeln im Af-
fekt und nicht von einem Bagatellfall aus.
5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin nach
Massgabe ihres Unterliegens kostenpflichtig (Art. 428 Abs. 1 StPO). Vorliegend ist
die Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag, die Einstellung des Verfahrens gegen
Y.___ sei aufzuheben, unterlegen, wogegen ihrem Begehren um Aufhebung der
Verfahrenseinstellung gegen Z.___ stattgegeben wird. Demzufolge rechtfertigt
es sich, der Beschwerdeführerin die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens
aufzuerlegen. Diese werden in Anwendung von Art. 8 der Verordnung über die
Gerichtsgebühren in Strafsachen (VGS; BR 350.210) auf CHF 2000.festgesetzt,
wovon die Beschwerdeführerin CHF 1'000.zu tragen hat. Den verbleibenden
Anteil von CHF 1'000.trägt der Kanton Graubünden (Art. 428 Abs. 4 StPO).
Mangels nennenswerter Umtriebe ist den Parteien, welche sich im vorliegenden
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Verfahren nicht anwaltlich vertreten liessen, keine aussergerichtliche Entschädi-
gung zuzusprechen (vgl. Art. 430 Abs. 1 lit. c StPO in Verbindung mit Art. 436
Abs. 1 StPO).


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III. Demnach wird erkannt:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2.
Die Einstellung des Strafverfahrens gegen Z.___ wird aufgehoben und
die Sache im Sinne der Erwägungen zur Fortsetzung des Verfahrens an die
Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
3.
Die Beschwerde gegen die Einstellung des Strafverfahrens gegen Y.___
wird abgewiesen.
4.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 2'000.gehen in der Höhe
von CHF 1'000.zu Lasten von X.___. Der verbleibende Anteil von CHF
1'000.geht zu Lasten des Kantons Graubünden.
5.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 ff. BGG Beschwerde in
Strafsachen an das Bundesgericht geführt werden. Die Beschwerde ist dem
Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, schriftlich innert 30
Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in
der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die
Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen
und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff.
BGG
6.
Mitteilung an:

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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