In dem vorliegenden Fall ging es um eine Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft See/Oberland bezüglich Verletzung des Berufsgeheimnisses und Nötigung. Der Beschwerdeführer warf dem Beschwerdegegner vor, die Beziehung zu seiner Partnerin aktiv zerstört zu haben, um kostenpflichtige Therapien durchführen zu können. Der Beschwerdeführer fühlte sich erpresst und genötigt, die Strafanzeige zurückzuziehen und hohe Rechnungen zu begleichen. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde ab und setzte die Gerichtsgebühr auf 1'200 CHF fest. Der Beschwerdeführer wurde verpflichtet, die Gerichtskosten zu tragen.
Urteilsdetails des Kantongerichts SK2-11-27
Kanton: | GR |
Fallnummer: | SK2-11-27 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 18.12.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung gemäss Art. 292 StGB |
Schlagwörter : | Amtsbefehl; Amtsbefehle; Bezirksgericht; Sistierung; Imboden; Verfügung; Parzelle; Urteil; Vollzug; Recht; Sache; Trins; Beschwer; Entscheid; Recht; Verfahren; Graubünden; Beiurteil; Eigentümer; Bezirksgerichts; Bundesgericht; Strasse; Ausbuchtung; Zivilstreitsache |
Rechtsnorm: | Art. 103 StGB ;Art. 104 StPO ;Art. 105 StPO ;Art. 118 StPO ;Art. 119 StPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 292 StGB ;Art. 322 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 389 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 737 ZGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Franz Hasenböhler, Christoph Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich, 2010 Schmid, Schweizer, Praxis, Zürich, St. Gallen, Art. 395 OR, 2009 Franz Riklin, Schweizer, 1. Auflage, Zürich, Art. 394 OR, 2010 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Entscheid des Kantongerichts SK2-11-27
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
_____
Ref.:
Chur, 18. Oktober 2011
Schriftlich mitgeteilt am:
SK2 11 27
4. Januar 2012
Entscheid
II. Strafkammer
Vorsitz
Schlenker
Redaktion
Aktuarin ad hoc Ambühl
In der strafrechtlichen Beschwerde
der X., Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Remo Cahenzli,
Postfach 171, Städtlistrasse 12, 7130 Ilanz,
gegen
die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 20. Juli 2011,
mitgeteilt am 27. Juli 2011, in Sachen der Staatsanwaltschaft Graubünden, Senn-
hofstrasse 17, 7001 Chur, gegen Y. und Z. Beschwerdegegner, beide vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. iur. Marco Ettisberger, Postfach 203, Hinterm Bach 40,
7002 Chur,
betreffend Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung gemäss Art. 292 StGB,
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt
A.
Mit Amtsbefehl vom 7. Dezember 2006 (Prozess-Nummer 099/2006) ver-
fügte der Kreispräsident des Kreisamtes Trins in Sachen X. - Eigentümerin der
Parzelle Nr. D. gegen Z. und Z. - Eigentümer der Parzelle Nr. C. was folgt,
„1. Das Amtsbefehlsgesuch vom 26. April 2006 betreffend Be-
sitzesschutz wird gutheissen.
2. Die Entscheide des Kreispräsidiums Trins vom 30. Juni 2006
und 5. Juli 2006 werden aufgehoben.
3. Die Eigentümer von Parzelle Nr. C., Grundbuch F., werden
mit diesem Amtsbefehl angehalten, die ganze Dienstbar-
keitsanlage auf ihrem Grundstück jederzeit freizuhalten, da-
mit diese von den Dienstbarkeitsberechtigten ungehindert
befahren und begangen werden kann. Zu diesem Zweck ist
der Kehrplatz (hälftiger Teil) auf dem Grundstück Nr. C. wie-
derherzustellen (einbetonierte Eisenabsperrungspfosten und
Kettenspannung sind zu entfernen), so dass er gemeinsam
mit dem Teil auf Parzelle Nr. B. für Wendemanöver benutzt
werden kann, und es ist am östlichen Ende der Dienstbar-
keitsanlage der angelegte Pflanzgarten zu entfernen und der
Untergrund wiederherzustellen, so dass die Anlage jederzeit
benutzt werden kann.
4. Der Amtsbefehl wird Herr R. und Frau Z. unter Androhung
der Straffolgen von Art. 292 StGB erlassen und lautet: „Wer
der von einer zuständigen Behörde einem zuständigen
Beamten unter Hinweis auf die Straffolgen dieses Artikels an
ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Haft
oder mit Busse bestraft.“
5. Die Verfahrenskosten von Fr. 600.00 gehen zulasten der
Gesuchsgegner. Sie sind innerhalb von 30 Tagen der Kreis-
kasse Trins, Postkonto 70-3681-0, zu überweisen. Ausser-
amtlich haben die Gesuchsgegner die Gesuchstellerin mit
Fr. 800.00 inkl. MWSt. zu entschädigen.
6. (Rechtsmittelbelehrung).
7. (Mitteilung).“
Zur Begründung führte der Kreispräsident des Kreises Trins insbesondere
aus, gemäss den Auszügen aus dem Grundbuch F. sei auf den Parzellen Nr. D.,
B., C. und P. sowie E. ein gegenseitiges Fussund Fahrwegrecht eingetragen. Die
Fläche der Dienstbarkeit sei unbestritten. Ursprünglich sei zwar eine genaue Be-
zeichnung der Wegrechtsfläche unterblieben. Mit Urteil des Bezirksgerichts Imbo-
den vom 20. März 2002 sei aber die Unterhaltsregelung für die fragliche Zufahrts-
Seite 2 — 22
strasse festgelegt worden. Das Kantonsgericht von Graubünden habe mit Urteil
vom 14. Oktober 2002 bestätigt, dass die rot markierte Fläche des dem Urteil bei-
liegenden Plans massgebend sei. Gemäss den Urteilen des Bezirksgerichts Im-
boden und des Kantonsgerichts von Graubünden gehöre zur Dienstbarkeitsanlage
also auch die Ausbuchtung, welche hälftig auf den Parzellen Nr. B. (im Eigentum
der Stockwerkeigentümergemeinschaft G.) und Nr. C. (im Eigentum von R. und Z.)
liege. Die Eigentümer der Parzellen Nr. B. und C. dürften daher nichts vornehmen,
was die Ausübung der Dienstbarkeit durch X. erschwere. R. und Z. hätten also die
Pfosten und Ketten auf der Parzelle Nr. C. sowie den das Fussund Fahrwegrecht
allenfalls beeinträchtigenden Pflanzgarten zu entfernen, damit das Fussund
Fahrwegrecht durch die Gesuchstellerin ausgeübt werden könne.
B.
In der gleichen Streitsachen erliess der Kreispräsident des Kreises Trins in
Sachen X. - Eigentümerin der Parzelle Nr. D. gegen die Stockwerkeigentümer-
gemeinschaft G. - Eigentümerin der Parzelle Nr. B. gleichentags einen weiteren
Amtsbefehl (Prozess-Nummer 097/2006), in welchem die Eigentümer der Parzelle
Nr. B. - darunter auch Y. angehalten wurden, die ganze Dienstbarkeitsanlage auf
ihrem Grundstück jederzeit freizuhalten, damit diese von den Dienstbarkeitsbe-
rechtigten ungehindert befahren und begangen werden könne. Die Miteigentümer
der Stockwerkeigentümergemeinschaft G. wurden im Weiteren unter Androhung
der Straffolge von Art. 292 StGB angehalten, den Kehrplatz (hälftiger Teil) auf dem
Grundstück Nr. B. wiederherzustellen (einbetonierte Eisenabsperrungspfosten und
Kettenspannung seien zu entfernen), so dass er gemeinsam mit dem Teil auf Par-
zelle Nr. C. für Wendemanöver benutzt werden könne sowie den Untergrund wie-
derherzustellen, so dass die Anlage jederzeit benutzt werden könne. Zur Begrün-
dung führte der Kreispräsident des Kreises Trins dieselben Gründe auf wie im
Amtsbefehl vom 7. Dezember 2006, Prozess-Nummer 099/2006.
C.
Mit Beiurteil vom 4. März 2008, mitgeteilt am 2. April 2008, erkannte der
Bezirksgerichtsausschuss Imboden, dass der Vollzug der Amtsbefehle des Krei-
samtes Trins vom 7. Dezember 2006 bis zur rechtskräftigen Erledigung der vor
Bezirksgericht Imboden pendenten Zivilstreitsache betreffend Grunddienstbarkeit
(Feststellung Dienstbarkeitsfläche, „Wendeplatz“, Ablösung, etc.) sistiert werde. Im
Weiteren stellte der Bezirksgerichtsausschuss Imboden fest, dass dem Kreisamt
Trins sowie X. untersagt werde, bis zum rechtskräftigen Entscheid in der vor Be-
zirksgericht Imboden hängigen Zivilstreitsache betreffend Grunddienstbarkeit den
Streitgegenstand zu verändern respektive durch Dritte verändern zu lassen.
Seite 3 — 22
D.
Gegen dieses Beiurteil des Bezirksgerichtes Imboden erhob X. am 5. Mai
2008 Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht und verlangte die Aufhebung
des angefochtenen Urteils. Mit Urteil vom 12. März 2009 wies das Bundesgericht
die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten sei. Zur Begründung wurde insbe-
sondere ausgeführt, dass der Bezirksgerichtsausschuss die Amtsbefehle vom 7.
Dezember 2006 nicht aufgehoben, sondern lediglich deren Vollzug vorübergehend
bis zum Erlass des Endurteils sistiert habe. Nachdem die Stockwerkeigentümer-
gemeinschaft G., bestehend aus H., I., Y., J., K. sowie Z. und Z. auf Feststellung
des Nicht-Bestands einer Dienstbarkeit in dem von X. behaupteten Umfang ge-
klagt hatten, sei es wichtig gewesen, den bestehenden Zustand für die Dauer des
Prozesses zu erhalten. Dies habe sich im konkreten Fall nur mit einer Sistierung
des Vollzuges der Amtsbefehle erreichen lassen, zumal der bestehende Zustand
auf den Grundstücken nach Anordnung des Vollzugs der Amtsbefehle noch wäh-
rend der Dauer des Hauptverfahrens hätten verändert werden können bezie-
hungsweise müssen.
E.
Mit Strafanzeige vom 31. Dezember 2010, bezeichnet als „vierte Strafan-
zeige“, erstattete X., Eigentümerin der Parzelle Nr. D. an der A. in L., gegen die
Eheleute R. und Z., Eigentümer der Parzelle Nr. C., Strafanzeige wegen wieder-
holten Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen. In der Folge wurde ein ent-
sprechendes Verfahren nur gegen Z. eingeleitet, weil er Halter des Fahrzeuges ist,
mit dem die behauptete Widerhandlung begangen worden sein soll. Ebenfalls am
31. Dezember 2010 erstattete X. die „sechste Strafanzeige“ wegen derselben
Übertretung gegen sieben Eigentümer der Parzelle Nr. B., darunter Y.. In der Fol-
ge wurde das Verfahren lediglich gegen Y. weitergeführt. Das Verfahren gegen die
übrigen sechs Eigentümer wurde eingestellt. Die entsprechende Einstellungsver-
fügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. X. führte in ihren jeweiligen Straf-
anzeigen aus, dass die genannten Personen wegen wiederholt fortgesetzten Un-
gehorsams gegen amtliche Verfügungen gemäss Art. 292 StGB aufgrund wider-
rechtlichen Parkierens auf der Dienstbarkeitsanlage zur Rechenschaft zu ziehen
seien.
F.
Nachdem sowohl das Bezirksgericht Imboden mit Urteil vom 12. Mai 2009
als auch das Kantonsgericht von Graubünden mit Urteil vom 7. Juni 2010 erwogen
haben, dass auf der Ausbuchtung zu keinem Zeitpunkt eine Dienstbarkeit bestan-
den habe und sich X. somit weder auf ein Kehrplatzrecht noch auf ein Fussund
Fahrwegrecht an der von ihr als „Kehrplatz“ bezeichneten Fläche berufen könne,
führte das Bundesgericht in seinem Urteil vom 26. Mai 2011 letztinstanzlich aus,
dass diese Sachverhaltsfestellungen des Kantonsgerichts von Graubünden nicht
Seite 4 — 22
zu beanstanden seien. Wendemanöver auf der Ausbuchtung seien seitens der
Eigentümer der Parzelle Nr. B. höchstens im Sinne einer Gefälligkeit auf Zusehen
hin geduldet worden, wenn die Ausbuchtung nicht selbst zum Abstellen von Fahr-
zeugen benutzt worden sei. Eine dienstbarkeitsmässige Belastung der betreffen-
den Fläche könne daraus nicht abgeleitet werden. Das Beweisverfahren habe da-
bei insbesondere ergeben, dass allen Anstössern der A. ein Wenden auf dem ei-
genen Parkplatz möglich sei, weshalb die Inanspruchnahme der Ausbuchtung le-
diglich der subjektiven Bequemlichkeit diene.
G.
Mit Einstellungsverfügung vom 20. Juli 2011, mitgeteilt am 27. Juli 2011,
verfügte die Staatsanwaltschaft Graubünden, das Strafverfahren gegen Y. und Z.
wegen Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen gemäss Art. 292 der Schweize-
rischen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311) werde eingestellt. Zur Begründung
wurde dabei insbesondere ausgeführt, gemäss dem Beiurteil des Bezirksgerichtes
Imboden vom 4. März 2008 sei der Vollzug der Amtsbefehle des Kreisamtes Trins
vom 7. Dezember 2006 bis zur rechtskräftigen Erledigung der vor Bezirksgericht
Imboden pendenten Zivilstreitsache betreffend Grunddienstbarkeit sistiert worden.
Die rechtskräftige Erledigung dieser Streitsache sei mit Bundesgerichtsentscheid
vom 26. Mai 2011 erfolgt. Die in Frage stehenden Amtsbefehle seien somit vom 4.
März 2008 bis 26. Mai 2011 ausser Kraft gesetzt gewesen. Es handle sich dabei
nach dem klaren Wortlaut des Dispositivs um eine vollständige und nicht bloss um
eine partielle Ausserkraftsetzung. Mit anderen Worten bedeute dies, dass auch die
in den Amtsbefehlen enthaltenen Strafandrohungen gemäss Art. 292 StGB ausser
Kraft gesetzt gewesen seien. Eine strafrechtliche Verfolgung wegen Widerhand-
lung gegen die Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 sei somit ausgeschlossen,
wenn sich die Widerhandlung im Zeitraum der Sistierung ereignet hätte. Nach dem
Gesagten könnten die Beschuldigten wegen Ungehorsam gegen eine amtliche
Verfügung nicht bestraft werden, wenn sie ihre Fahrzeuge im November 2010 und
Dezember 2010 in den Einbuchtungen auf der Fahrbahn der Dienstbarkeits-
anlage ihrer Parzellen Nr. B. beziehungsweise Nr. C. abgestellt hätten.
H.
Gegen diese Einstellungsverfügung erhob X. am 12. August 2011 Be-
schwerde beim Kantonsgericht von Graubünden und beantragte die Aufhebung
der Einstellungsverfügung sowie die Rückweisung der Angelegenheit zum Erlass
von Strafbefehlen gegen die beschuldigten Personen, eventuell zur Fortsetzung
der Strafuntersuchung, an die Staatsanwaltschaft Graubünden. Zur Begründung
wird ausgeführt, aus dem Beiurteil des Bezirksgerichtsausschusses Imboden vom
4. März 2008 gehe klar und unmissverständlich hervor, dass nicht die Amtsbefehle
des Kreispräsidenten Trins vom 7. Dezember 2006 als solche sistiert worden sei-
Seite 5 — 22
en, sondern lediglich der Vollzug dieser Amtsbefehle, das heisst somit die gestützt
auf Art. 252 ff. der Bündnerischen Zivilprozessordnung (ZPO-GR) ergangenen
Verfügungen des Kreispräsidenten Trins vom 25. Oktober 2007 und 30. November
2007. Dass nur das Vollzugsverfahren sistiert worden sei, nicht aber die jederzei-
tige Freihaltungspflicht gemäss Art. 737 Abs. 3 des Schweizerischen Zivilgesetz-
buches (ZGB; SR 210), gehe auch eindeutig aus den Erwägungen des Beiurteils
vom 4. März 2008 hervor. Hätte der Bezirksgerichtsausschuss Imboden mit dem
Beiurteil vom 4. März 2008 auch die mit den Amtsbefehlen vom 7. Dezember 2006
angeordnete jederzeitige Freihaltungspflicht sistieren wollen, das heisst Art. 737
Abs. 3 ZGB während der Dauer des Prozesses ausser Kraft setzen wollen, hätte
dies zwingend seinen Niederschlag in den Erwägungen und im Dispositiv haben
müssen. Wäre dies tatsächlich die Absicht des Bezirksgerichtsausschusses Imbo-
den gewesen, hätte er im Dispositiv nicht den Vollzug der Amtsbefehle vom 7. De-
zember 2006 sistieren müssen, sonder ausdrücklich die Amtsbefehle vom 7. De-
zember 2006 als solche, was ausdrücklich nicht der Fall gewesen sei. Auch das
Urteil des Bundesgerichts vom 12. März 2009 beziehe sich gerade nicht auf die
Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 und die darin befohlene jederzeitige Freihal-
tung der Dienstbarkeitsfläche, sondern alleine auf die inzwischen verfügte Ersatz-
vornahme durch einen Dritten, das heisst die bauliche Wiederherstellung der
Dienstbarkeitsanlage.
I.
Die Staatsanwaltschaft Graubünden führte in ihrer Stellungnahme an das
Kantonsgericht von Graubünden vom 22. August 2011 aus, dass gemäss Ziffer 1
des Dispositivs des Beiurteils des Bezirksgerichts Imboden vom 4. März 2008 der
Vollzug der Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 sistiert worden sei. Ein Vorbehalt
in dem Sinne, dass sich die Sistierung nicht auch auf die in den fraglichen Amts-
befehlen enthaltene Strafandrohung beziehe, enthalte das Dispositiv nicht. Wenn
es tatsächlich nur um die Sistierung der baulichen Massnahmen gegangen wäre,
hätte es wohl genügt, die Amtsbefehle vom 25. Oktober 2007 und vom 30. No-
vember 2007 aufzuheben beziehungsweise zu sistieren. Da nun aber die Amtsbe-
fehle vom 7. Dezember 2006 gemäss Dispositiv des erwähnten Beiurteils vorbe-
haltlos sistiert worden seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die Straf-
androhung gemäss Art. 292 StGB von der Sistierung miterfasst worden sei.
J.
Der Rechtsvertreter von Y. und Z. beantragte in seiner Stellungnahme vom
15. September 2011 an das Kantonsgericht von Graubünden, auf die Beschwerde
vom 12. August 2011 sei nicht einzutreten, eventualiter sei diese vollumfänglich
abzuweisen. Des Weiteren stellte er das Begehren, neue Beweismittel gemäss
Art. 389 Abs. 3 der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO; SR 312) beizu-
Seite 6 — 22
ziehen. Es handle sich dabei um das Urteil des Bundesgerichts vom 26. Mai 2011,
das Urteil des Bezirksgerichtes Imboden betreffend Vollzug eines Amtsbefehls
gemäss Art. 145 ZPO-GR vom 22. August 2011 sowie das Protokoll über die Zu-
sammenkunft der Anleger A. (A.) vom 7. März 1994. Zur Begründung führte der
Rechtsvertreter der Beschwerdegegner insbesondere aus, dass es sich bei der
Beschwerdeführerin um eine Anzeigeerstatterin und nicht um eine Privatkläger-
schaft handle. Als solche müsse sie, um beschwerdelegitimiert zu sein, durch den
anzufechtenden Entscheid direkt geschädigt kostenbelastet sein. Die Be-
schwerdeführerin sei im vorliegenden Verfahren jedoch weder geschädigt noch
kostenbelastet. Aufgrund dessen habe sie im vorliegenden Verfahren weder eine
Stellung als Privatklägerin als Geschädigte noch könne sie geltend machen,
ihr sei durch die Handlung der Beschwerdegegner unmittelbar ein Nachteil zuge-
fügt worden. Auf die Beschwerde könne somit mangels Aktivlegitimation nicht ein-
getreten werden. Im Weiteren wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin von
Beginn an Kenntnis über die Tatsache gehabt habe, dass an besagter „Ausbuch-
tung“ keine Dienstbarkeit und damit auch keine Freihaltungspflicht bestanden ha-
be. Das Urteil des Bundesgerichts vom 26. Mai 2011 lasse keinen Zweifel offen,
dass sich die Beschwerdeführerin weder auf ein Kehrplatzrecht noch auf ein Fuss-
und Fahrwegrecht an der von ihr als „Kehrplatz“ bezeichneten Fläche berufen
könne und schütze damit die Entscheide des Kantonsgerichts von Graubünden
sowie des Bezirksgerichts Imboden, welche zur selben Überzeugung gelangt sei-
en. Schliesslich hätten die Beschwerdegegner gestützt auf das Urteil des Bezirks-
gerichtausschusses Imboden vom 4. März 2008 davon ausgehen dürfen, dass die
Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 gänzlich sistiert worden seien und nicht nur
die Vollzugsanordnung.
K.
Mit Eingabe vom 30. September 2011 nahm die Beschwerdeführerin zu den
von den Beschwerdegegnern mit Stellungnahme vom 15. September 2011 bean-
tragten Beweisergänzungen Stellung und verlangte die Abweisung der gestellten
Beweisergänzungsanträge.
Auf die weiteren Ausführungen in den Rechtsschriften sowie in der ange-
fochtenen Verfügung wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen
eingegangen.
II. Erwägungen
Seite 7 — 22
1.a)
Die angefochtene Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubün-
den wurde am 20. Juli 2011 und somit nach der per 1. Januar 2011 in Kraft getre-
tenen Schweizerischen Strafprozessordnung erlassen, so dass die dagegen erho-
bene Beschwerde nach neuem Recht zu beurteilen ist.
b)
Gemäss Art. 322 Abs. 2 StPO und Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO in Verbindung
mit Art. 22 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung
(EGzStPO; BR 350.100) kann gegen Verfügungen der Staatsanwaltschaft beim
Kantonsgericht von Graubünden Beschwerde geführt werden. Die Beschwerde ist
innert 10 Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO).
Diesen Anforderungen vermag die im Übrigen fristund formgerecht eingereichte
Beschwerde von X. vom 12. August 2011 zu genügen, weshalb darauf einzutreten
ist.
c)
Mit der Beschwerde können gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO Rechtsverlet-
zungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechts-
verweigerung und Rechtsverzögerung (lit. a), die unvollständige unrichtige
Feststellung des Sachverhaltes (lit. b) sowie Unangemessenheit (lit. c) gerügt
werden. Die Beschwerde ist somit ein umfassendes Rechtsmittel mit voller Kogni-
tion. Die Beschwerdeinstanz kann die angefochtene Verfügung vollständig in allen
Rechtsund Tatfragen überprüfen (vgl. Franz Riklin, Schweizerische Strafpro-
zessordnung, Kommentar, 1. Auflage, Zürich 2010, N 2 zu Art. 394).
d)
Gemäss Art. 22 EGzStPO amtet das Kantonsgericht als Berufungsgericht
und als Beschwerdeinstanz in Strafund Jugendstrafsachen. Ist die Beschwer-
deinstanz ein Kollegialgericht wie es vorliegend der Fall ist (vgl. Art. 18 Abs. 1
des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG; BR 173.000)) so beurteilt deren Ver-
fahrensleitung die Beschwerde allein, wenn diese ausschliesslich eine Übertretung
zum Gegenstand hat (vgl. Art. 395 lit. a StPO). Von dieser Bestimmung erfasst
werden unter anderem auch Beschwerden, mit welchen die Einstellung des Ver-
fahrens wegen einer Übertretung angefochten wird (vgl. Schmid, Schweizerische
Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009, N 2 zu Art. 395).
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet der Tatbestand des Ungehorsams
gegen amtliche Verfügungen im Sinne von Art. 292 StGB. Gemäss dieser Be-
stimmung wird mit Busse bestraft, wer der von einer zuständigen Behörde
einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an
ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet. Bei diesem Tatbestand handelt es
sich somit um eine Übertretung im Sinne von Art. 103 StGB, wonach Übertretun-
gen Taten sind, die mit Busse bedroht sind. Die Zuständigkeit für die Beurteilung
Seite 8 — 22
der vorliegenden Beschwerde liegt folglich bei der Verfahrensleitung gleichsam als
Einzelrichter.
2.a)
Gemäss Art. 322 Abs. 2 StPO kann die Einstellungsverfügung von den Par-
teien angefochten werden. Beschwerdeberechtigt sind hingegen nicht nur die Par-
teien, sondern auch andere Verfahrensbeteiligte, welche im Sinne von Art. 105
Abs. 2 StPO in ihren Rechten unmittelbar betroffen sind. Nicht zur Beschwerde
legitimiert sind hingegen der Geschädigte und das Opfer, die sich nicht als Privat-
klägerschaft im Strafpunkt konstituierten. Zwar hängt die Zivilklage nach Art. 122
ff. StPO von der Behandlung der Strafsache ab, doch erscheint die Privatkläger-
schaft, die sich nur als Zivilklägerin konstituierte, nicht zur Beschwerde gegen Ein-
stellungsverfügungen legitimiert (vgl. Schmid, a.a.O., N 6 zu Art. 322). Das Be-
schwerderecht ergibt sich indessen aus den allgemeinen Beschwerderegeln ge-
mäss Art. 382 StPO (vgl. Franz Riklin, a.a.O., N 3 zu Art. 322). Art. 382 StPO stellt
für die Legitimation der Parteien nach Art. 104 StPO wie auch der übrigen Verfah-
rensbeteiligten nach Art. 105 StPO nicht deren prozessuale Rolle in den Vorder-
grund, sondern knüpft als allgemeine Voraussetzung daran an, dass die betref-
fende Person ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Ände-
rung des betreffenden Entscheides hat (vgl. Franz Riklin, a.a.O., N 3 zu Art. 382).
Entscheidend ist somit eine Beschwer durch die fragliche Verfahrenshandlung.
Der Rechtsmittelkläger muss selbst und unmittelbar in seinen Interessen tangiert
sein, und im Regelfall muss die Beschwer im Zeitpunkt des Rechtsmittels noch
vorhanden sein. Die Privatklägerschaft kann gemäss Art. 382 Abs. 2 StPO Ent-
scheide in den Schranken ihrer Konstituierung (Art. 119 Abs. 2 StPO) nur im
Schuldund/oder im Zivilpunkt anfechten; eine Anfechtung hinsichtlich der ausge-
sprochenen Sanktion ist nicht möglich (vgl. Schmid, a.a.O., N 1 ff. zu Art. 382).
b)
Die Beschwerdegegner führen in ihrer Stellungnahme an das Kantonsge-
richt von Graubünden vom 15. September 2011 aus, dass die Beschwerdeführerin
im vorliegenden Verfahren weder eine Stellung als Privatklägerin als Ge-
schädigte habe, noch könne sie geltend machen, ihr sei durch die Handlung der
Beschwerdegegner unmittelbar ein Nachteil zugefügt worden. Auf die Beschwerde
könne somit mangels Aktivlegitimation nicht eingetreten werden. Diesen Ausfüh-
rungen kann, wie nachfolgend aufzuzeigen ist, so nicht gefolgt werden. Gemäss
Art. 118 Abs. 1 StPO gilt als Privatklägerschaft die geschädigte Person, die aus-
drücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Strafoder Zivilklägerin -kläger
zu beteiligen (vgl. Riklin, a.a.O., N 1 zu Art. 118). Vorliegend erstattete X., Eigen-
tümerin der Parzelle Nr. D. an der A. in L., am 31. Dezember 2010 die „vierte
Strafanzeige“ gegen die Eheleute R. und Z., Eigentümer der Parzelle Nr. C., we-
Seite 9 — 22
gen wiederholten Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen. Ebenfalls am 31.
Dezember 2010 erstattete die Beschwerdeführerin die „sechste Strafanzeige“ we-
gen derselben Übertretung gegen sieben Eigentümer der Parzelle Nr. B., darunter
Y.. Diese Strafklage (Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO) beinhaltet dasselbe wie ein Straf-
antrag (vgl. Franz Riklin, a.a.O., N 3 zu Art. 119). Die Beschwerdeführerin war
demnach im vorliegenden Verfahren grundsätzlich als Privatklägerin im Sinne von
Art. 118 StPO zu behandeln. Dies hat denn die Staatsanwaltschaft in der Einstel-
lungsverfügung vom 20. Juli 2011 auch getan.
Den vorangehenden Erwägungen entsprechend wird gemäss Art. 382 StPO
hinsichtlich der Legitimation zur Beschwerde nicht die prozessuale Rolle der Partei
der anderen Verfahrensbeteiligten in den Vordergrund gestellt, sondern es
wird als allgemeine Voraussetzung daran angeknüpft, dass die betreffende Person
ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung des betref-
fenden Entscheides haben muss. Nachfolgend soll demnach geprüft werden, ob
die Beschwerdeführerin über ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhe-
bung der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft von Graubünden vom 20.
Juli 2011 verfügt.
c)
Eine Bestrafung nach Art. 292 StGB setzt voraus, dass einer bestimmten
Person in einer rechtsgültig erlassenen und zugestellten Verfügung unter Andro-
hung einer Sanktionierung nach dieser Bestimmung für den Fall des Nicht-Folge-
Leistens eine genau umschriebene Verhaltensweise auferlegt wird (vgl. Nig-
gli/Heer/Wiprächtiger, Strafrecht II, Art. 111-392 StGB, Basler Kommentar, 2. Auf-
lage, Basel 2007, N 35 zu Art. 292). Der Ungehorsamstatbestand (Art. 292 StGB)
soll demnach unmittelbar die mit der entsprechenden Strafandrohung verbundene
Verfügung, mithin einen Ausdruck rechtmässig ausgeübter staatlicher Autorität
schützten. Das strafbare Verhalten wird dabei erst durch den Inhalt der Verfügung,
deren Durchsetzung mit Art. 292 StGB erzwungen werden soll, genau definiert.
Mithin dient der Ungehorsamstatbestand (Art. 292 StGB) mittelbar auch der
Durchsetzung jener öffentlichen privaten Interessen, um deretwillen die Ver-
fügung erlassen wurde (vgl. Niggli/Heer/Wiprächtiger, a.a.O., N 15 zu Art. 292).
Demzufolge kann auch nicht allein aufgrund von Art. 292 StGB bestimmt werden,
ob auch der Schutz privater Interessen bezweckt wird. Dies lässt sich erst unter
Beizug des Inhalts der entsprechenden Verfügung ermitteln (vgl. auch PKG 2000
Nr. 35).
d)
Beim Erlass des Amtsbefehls vom 7. Dezember 2006 ging der Kreispräsi-
dent des Kreises Trins offenbar davon aus, dass die „Ausbuchtung“, welche hälftig
Seite 10 — 22
auf den Parzellen Nr. B. und C. liegt, zur Dienstbarkeitsanlage gehört, auf welcher
gemäss Auszügen aus dem Grundbuch F. auf den Parzellen Nr. D., B., C. und P.
sowie E. ein gegenseitiges Fussund Fahrwegrecht eingetragen sei. Aufgrund
dessen verfügte er, dass die Eigentümer der Parzellen Nr. B. und C. nichts vor-
nehmen dürften, was die Ausübung der Dienstbarkeit durch X. erschwere. Der
Ungehorsamstatbestand (Art. 292 StGB) diente folglich mittelbar der Durchset-
zung der privaten Interessen der Beschwerdeführerin im Sinne der ungestörten
Ausübung der Dienstbarkeit gemäss Art. 737 ZGB. Daraus erhellt, dass die Be-
schwerdeführerin für den Zeitpunkt, als die behaupteten Übertretungen erfolgt sein
sollen (November 2010 und Dezember 2010), durchaus ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung der Einstellungsverfügung im Sinne von Art. 382
StPO hat und damit grundsätzlich zur Beschwerde legitimiert ist.
3.a)
Grundsätzlich beruht das Rechtsmittelverfahren auf den Beweisen, die im
Vorverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren erhoben worden sind (Art. 389
Abs. 1 StPO). Dennoch können im Interesse der materiellen Wahrheit neue Be-
weise erhoben werden früherer Beweisabnahmen wiederholt werden. Die
Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts werden jedoch nur dann wieder-
holt, wenn die Beweisvorschriften verletzt worden sind, die Beweiserhebungen
unvollständig waren die Akten über die Beweiserhebungen unzuverlässig
erscheinen (Abs. 2). Allfällige zusätzlich erforderliche Beweise erhebt die Rechts-
mittelinstanz von Amtes wegen auf Antrag einer Partei (vgl. Franz Riklin,
a.a.O., N 1 ff. zu Art. 389).
b)
Die Beschwerdegegner beantragten in ihrer Stellungnahme vom 15. Sep-
tember 2011 an das Kantonsgericht von Graubünden, es seien neue Beweismittel
gemäss Art. 389 Abs. 3 StPO beizuziehen. Dabei handelt es sich um das Urteil
des Bundesgerichts vom 26. Mai 2011, das Urteil des Bezirksgerichtes Imboden
betreffend den Vollzug eines Amtsbefehls gemäss Art. 145 ZPO-GR vom 22. Au-
gust 2011 sowie ein Protokoll über die Zusammenkunft der Anleger A. (neu A.)
vom 7. März 1994. Das Urteil des Bundesgerichts vom 26. Mai 2011 liegt bereits
bei den Akten, weshalb sich der Beizug dieses Beweismittels erübrigt. Das Urteil
des Bezirksgerichtes Imboden betreffend den Vollzug eines Amtsbefehls gemäss
Art. 145 ZPO-GR vom 22. August 2011, wird wie aus den nachfolgenden Erwä-
gungen ersichtlich wird im Interesse der materiellen Wahrheit als neues Beweis-
mittel zugelassen. Gegenstand dieses Urteils ist die Abschreibung der Verfahren
(Prozess-Nummer 135-2011-52 und Prozess-Nummer 135-2011-53) betreffend
Vollzug der Amtsbefehle des Kreisamtes Trins vom 7. Dezember 2006 infolge Ge-
genstandslosigkeit, mithin betrifft dieses Urteil auch die Entscheide des Kreisprä-
Seite 11 — 22
sidiums Trins vom 25. Oktober 2007 beziehungsweise vom 30. November 2007.
Das Protokoll über die Zusammenkunft der Anleger A. (neu A.) vom 7. März 1994
erweist sich indessen als zur materiellen Wahrheitsfindung irrelevant. Dieses Be-
weismittel kann demnach unberücksichtigt bleiben.
4.a)
Die Beschwerdeführerin führte in ihrer Beschwerde vom 12. August 2011
an das Kantonsgericht von Graubünden aus, dass aus dem Beiurteil des Bezirks-
gerichtsausschusses Imboden vom 4. März 2008 klar und unmissverständlich her-
vorgehe, dass nicht die Amtsbefehle des Kreispräsidenten Trins vom 7. Dezember
2006 als solche sistiert worden seien, sondern lediglich der Vollzug der Amtsbe-
fehle, das heisst, die gestützt auf Art. 252 ff. ZPO-GR ergangenen Verfügungen
des Kreispräsidenten Trins vom 25. Oktober 2007 und 30. November 2007, wel-
che die bauliche Wiederherstellung der Dienstbarkeitsanlage betreffen würden.
Dass nur das Vollzugsverfahren sistiert worden sei, nicht aber die jederzeitige
Freihaltungspflicht gemäss Art. 737 Abs. 3 ZGB gehe eindeutig aus den Erwägun-
gen des Beiurteils vom 4. März 2008 hervor. Die Verpflichteten hätten demnach
innerhalb des Zeitraums, in dem die unter Androhung gemäss Art. 292 StGB er-
gangenen Verfügungen Geltung gehabt hätten, gegen die darin enthaltene richter-
liche Anordnung gehandelt, womit ein Verstoss gegen Art. 292 StGB vorliege; dies
selbst dann, wenn die Verfügung im Nachhinein aufgehoben worden wäre.
Nachfolgend gilt es zu prüfen, ob die mit dem Beiurteil des Bezirksgerichts-
ausschusses Imboden verfügte und mit Bundesgerichtsurteil vom 12. März 2009
bestätigte Sistierung die ganzen Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 betrifft,
- der Ansicht der Beschwerdeführerin entsprechend mit diesen Urteilen lediglich
der Vollzug der Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 und damit die Verfügungen
des Kreispräsidenten Trins vom 25. Oktober 2007 beziehungsweise 30. November
2007 sistiert worden sind. Mithin ist zu prüfen, ob die unter Androhung gemäss
Art. 292 StGB ergangenen Verfügungen des Kreispräsidenten Trins vom 7. De-
zember 2006 auch Ende 2010 Geltung hatten und die Beschwerdegegner indem
sie ihre Fahrzeuge am 30. November 2010 sowie am 1., 3., 27., 30. und 31. De-
zember 2010 auf der Dienstbarkeitsanlage der Parzellen Nr. B. und C. abgestellt
haben - überhaupt gegen die in den Verfügungen vom 7. Dezember 2006 enthal-
tenen richterlichen Anordnungen verstossen konnten.
b/1)
Mit den Amtsbefehlen vom 7. Dezember 2006 verfügte der Kreispräsident
des Kreises Trins, dass die Eigentümer der Parzelle Nr. C. - R. und Z. sowie die
Eigentümer der Parzelle Nr. B. - Stockwerkeigentümergemeinschaft G. angehal-
ten würden, die ganze Dienstbarkeitsanlage auf ihren Grundstücken jederzeit frei-
Seite 12 — 22
zuhalten, damit diese von den Dienstbarkeitsberechtigten ungehindert befahren
und begangen werden könne. Im Weiteren wurde verfügt, dass zu diesem Zwecke
der Kehrplatz, welcher je hälftig auf den Grundstücken Nr. C. und Nr. B. liege,
wiederherzustellen sei (einbetonierte Eisenabsperrungspfosten und Kettenspan-
nung seien zu entfernen), so dass er für Wendemanöver benutzt werden könne,
und es sei der am östlichen Ende der Dienstbarkeitsanlage angelegte Pflanzgar-
ten auf der Parzelle Nr. C. zu entfernen und der Untergrund auf der Parzelle Nr. B.
wiederherzustellen, so dass die Anlage jederzeit benutzt werden könne. Daraufhin
(26. Februar 2007) reichten sowohl die Eigentümer der Parzelle Nr. B. als auch
die Eigentümer der Parzelle Nr. C. eine Klage gegen X. ein, gemäss welcher die
Kläger die Feststellung des Nichtbestehens eines Fussund Fahrwegrechts be-
ziehungsweise eines Kehrplatzrechts zu Lasten ihrer Grundstücke und zu Guns-
ten des Grundstückes von X. beantragten.
b/2)
Mit den Entscheiden vom 25. Oktober 2007 verfügte der Kreispräsident des
Kreises Trins, dass gestützt auf die rechtskräftigen Entscheide des Kreispräsidi-
ums Trins vom 7. Dezember 2006 betreffend Amtsbefehl die Stockwerkeigentü-
mergemeinschaft G. sowie Z. und Z. angewiesen würden, den darin enthaltenen
Weisungen nachzukommen. Diese Vorkehrungen seien jedoch bis zum in der Ver-
fügung genannten Datum nicht vorgenommen worden, weshalb die Gesuchsgeg-
ner unter Androhung der Straffolge nach Art. 292 StGB angehalten würden, die im
Amtsbefehl angeordneten Massnahmen bis zum 15. November 2007 in vollem
Umfang auszuführen. Dieser Aufforderung sind die Gesuchsgegner nicht nachge-
kommen, weshalb das Kreispräsidium Trins in weiteren Entscheiden (30. Novem-
ber 2007) verfügte, dass unter Vorbehalt der Leistung des nachstehend festge-
setzten Kostenvorschusses zur Erfüllung der in den Entscheiden vom 7. Dezem-
ber 2006 genannten Massnahmen auf der Parzelle Nr. B. und C., M., dipl. Bauin-
genieur HTL/STV, N., O. als Ingenieur mit der Projektierung, Ausschreibung und
Realisierung, gemäss Ordnung SIA 103, der Ersatzvornahme beauftragt werde,
um die baulichen Massnahmen im Frühjahr 2008 auf Kosten der Gesuchsgegner
auszuführen.
b/3)
Daraufhin gelangten Z. und Z. sowie die Stockwerkeigentümergemeinschaft
G. an das Bezirksgerichtspräsidium Imboden und verlangten im Sinne einer vor-
sorglichen Massnahme die vorläufige Sistierung des Vollzuges der Amtsbefehle
des Kreisamtes Trins vom 7. Dezember 2006 beziehungsweise 25. Oktober 2007
bis zur rechtskräftigen Erledigung der vor Bezirksgericht Imboden pendenten Zivil-
streitsache betreffend Grunddienstbarkeit (Feststellung Dienstbarkeitsfläche,
„Wendeplatz“, Ablösung etc.). Der Bezirksgerichtsausschuss Imboden kam in sei-
Seite 13 — 22
nem Beiurteil vom 4. März 2008 diesem Begehren im Sinne eines Erlasses um
vorsorgliche Massnahmen nach und verfügte die Sistierung des Vollzuges der
Amtsbefehle des Kreisamtes Trins vom 7. Dezember 2006 bis zur rechtskräftigen
Erledigung der Zivilstreitsache betreffend Grunddienstbarkeit. Die rechtskräftige
Erledigung der Zivilstreitsache erfolgte mit Urteil des Bundesgerichts vom 26. Mai
2011, gemäss welchem das Bundesgericht bestätigte, dass dem jeweiligen Eigen-
tümer der Parzelle Nr. D. im Bereich der Ausbuchtung weder ein Fussnoch ein
Fahrwegrecht noch ein Kehrplatzrecht zustehe (Bestätigung der Ziffer 1 des Dis-
positivs des Urteils des Bezirksgerichtes Imboden vom 12. Mai 2009).
c)
Eine Bestrafung nach Art. 292 StGB setzt voraus, dass einer bestimmten
Person in einer rechtsgültig erlassenen und zugestellten Verfügung unter Andro-
hung einer Sanktionierung nach dieser Bestimmung für den Fall des Nicht-Folge-
Leistens eine genau umschriebene Verhaltensweise auferlegt wird. Dies setzt un-
ter anderem voraus, dass die Verfügung auch vollstreckbar ist. Denn bei fehlender
Vollstreckbarkeit fehlt es an einem Verbot Gebot, an das sich der Adressat
der Verfügung zu halten hätte. So fehlt es unter anderem dann an der Vollstreck-
barkeit, solange noch ein Rechtsmittel mit Suspensivwirkung ergriffen werden
kann; bis zum Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfrist fällt eine Sanktionie-
rung wegen Ungehorsams ausser Betracht. Sodann liegt strafbarer Ungehorsam
nicht (mehr) vor, wenn die Verfügung ihre Wirksamkeit verloren hat, namentlich
wenn sie von einer Rechtsmittelinstanz aufgehoben wurde (vgl. Niggli/Heer/
Wiprächtiger, a.a.O., N 62 f. zu Art. 292). Letztgenanntes schliesst jedoch nicht
aus, dass auch dann ein Verstoss im Sinne von Art. 292 StGB vorliegen kann,
wenn die Verfügung erst im Nachhinein aufgehoben worden ist (vgl. BK 08 5 und
BK 08 6 vom 15. April 2008 E. 5).
d)
Mit einer Sistierung wird ein Verfahren, wenn dies zweckmässig erscheint,
einstweilig eingestellt (vgl. Markus Affentranger in: Baker McKenzie [Hrsg.],
Schweizerische Zivilprozessordnung, Bern 2010, N 1 zu Art. 126). Die Sistierung
hemmt den weiteren Ablauf des Verfahrens; richterliche Fristansetzungen und
Durchführung von Verhandlungen entfallen (vgl. Adrian Staehelin in: Thomas Sut-
ter-Somm (Hrsg.); Franz Hasenböhler (Hrsg.); Christoph Leuenberger (Hrsg.);
Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2010, N 7 zu Art.
126). Mithin bewirkt die Sistierung eines Verfahrens, dass allfällige bereits ergan-
gene Entscheide nicht vollzogen beziehungsweise nicht vollstreckt werden. Die
Sistierung bewirkt allerdings nie das Ende des Verfahrens. Es ist in jedem Fall
wieder aufzunehmen. Dabei ist zwischen einer befristeten Sistierung, bei welcher
die Sistierung automatisch mit Zeitablauf Eintritt des in der Sistierungsverfü-
Seite 14 — 22
gung umschriebenen Ereignisses dahinfällt, und einer unbefristeten Sistierung,
welche durch eine neue Verfügung aufgehoben werden muss, zu unterscheiden.
In umstrittenen Fällen wird das Gericht gut daran tun, eine erneute prozessleiten-
de Verfügung zu erlassen, womit es die Sistierung aufhebt. Im Hinblick auf die
Rechtssicherheit und -klarheit muss die „bis zum Ablauf“ eines bestimmten (Straf)
Verfahrens gewährte Sistierung als unbefristet gelten, da ein solcher Endtermin für
die Parteien nicht eindeutig und ihnen auch nicht ohne Weiteres bekannt ist (vgl.
Adrian Staehelin, a.a.O., N 6 zu Art. 126; Martin Kaufmann in: Alexander Brun-
ner/Dominik Gasser/Ivo Schwander (Hrsg.), Schweizerische Zivilprozessordnung
(ZPO), Kommentar, Zürich/St.Gallen 2011, N 18 ff. zu Art. 126).
e)
Vorliegend wurde der Vollzug der Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 mit
Beiurteil vom 4. März 2008 des Bezirksgerichtsausschusses Imboden im Rahmen
einer vorsorglichen Massnahme bis zur rechtskräftigen Erledigung der Zivilstreit-
sache betreffend Grunddienstbarkeit sistiert (vgl. Ziffer 1 des Dispositivs). Gemäss
dem Dispositiv des genannten Beiurteils wurde einerseits der Vollzug der Amtsbe-
fehle vom 7. Dezember 2006 an sich sistiert (vgl. Ziffer 1). Im Weiteren wurde in
Ziffer 2 und 3 des Dispositivs verfügt, dass es sowohl dem Kreisamt Trins als auch
X. untersagt werde, den Streitgegenstand zu verändern beziehungsweise durch
Dritte verändern zu lassen. Diese beiden Ziffern beziehen sich demnach unwei-
gerlich auf die Entscheide des Kreispräsidiums Trins vom 25. Oktober 2007 be-
ziehungsweise vom 30. November 2007; diese Entscheide beinhalten die entspre-
chenden Vollzugsmassnahmen in Bezug auf die Entscheide des Kreispräsidenten
Trins vom 7. Dezember 2006 beziehungsweise deren einschlägige Ersatzvornah-
men. Daraus erhellt, dass mit dem Sistierungsentscheid sowohl die Amtsbefehle
vom 7. Dezember 2006 an sich als auch deren Vollzug einstweilen sistiert worden
sind. Dass die Sistierung auch die Strafandrohung des Amtsbefehls vom 7. De-
zember 2006 umfasst, ergibt sich dabei von selbst, zumal die Strafandrohung ge-
mäss Art. 292 StGB integrierender Bestandteil der Entscheide beziehungsweise
der jeweiligen Dispositive des Kreispräsidiums Trins vom 7. Dezember 2006 ist.
Die vorliegende Sistierung ist dabei nicht mit dem Tatbestand vergleichbar, wo-
nach ein Amtsbefehl im Nachhinein aufgehoben wird wie es in BK 08 5 bezie-
hungsweise BK 08 6 der Fall war - , wo ein fortwährendes Bestehen eines Amts-
befehls bis zu dessen Aufhebung vorausgesetzt wird. Vielmehr wurden mit dem
vorliegenden Sistierungsentscheid vom 4. März 2008 sowohl der Vollzug bezie-
hungsweise die Vollstreckbarkeit der Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 als
auch die damit zusammenhängenden Verfügungen vom 25. Oktober 2007 sowie
vom 30. November 2007 (vgl. Ziffer 2 und 3 des Beiurteils vom 4. März 2008) für
Seite 15 — 22
einen bestimmten Zeitraum einstweilen ausgesetzt. Da die Vollstreckbarkeit einer
Verfügung - den vorangehenden Erwägungen entsprechend - Voraussetzung für
eine Bestrafung nach Art. 292 StGB ist, fällt eine Sanktionierung wegen Ungehor-
sams gegen die Verfügungen des Kreispräsidenten vom 7. Dezember 2006 zu-
mindest für den Zeitraum der Sistierung mithin vom 4. März 2008 bis zum 26.
Mai 2011 ausser Betracht; folglich konnten die Beschwerdegegner, indem sie
ihre Fahrzeuge Ende November 2010 beziehungsweise Ende Dezember 2010 auf
dem Kehrplatz, welcher je hälftig auf den Grundstücken Nr. C. und Nr. B. liegt,
parkiert haben sollten, nicht gegen die genannten Amtsbefehle verstossen haben.
Die Staatsanwaltschaft Graubünden verfügte damit zu Recht die Einstellung des
Verfahrens wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung. Aufgrund dieser
Erwägungen kann insbesondere nicht die Rede davon sein, dass die Sachver-
haltsfeststellungen der Staatsanwaltschaft Graubünden in ihrer Einstellungsverfü-
gung unrichtig unvollständig seien dass der Entscheid gar unangemes-
sen im Sinne von Art. 393 Abs. 2 StPO sei. Die Beschwerde erweist sich in die-
sem Punkt folglich als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist.
5.a)
Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde an das Kantonsgericht
von Graubünden vom 12. August 2011 im Weiteren geltend, dass das Bezirksge-
richt Imboden mit Urteil vom 12. Mai 2009 die Klage der Eigentümer der Parzellen
Nr. B. und C. in Bezug auf die Feststellung der Grunddienstbarkeitsfläche, soweit
sich diese auf die eigentliche Strassenfläche der A. beziehe, abgewiesen habe;
mithin habe sich dieses Urteil lediglich auf die je hälftig auf den Parzellen Nr. B.
und C. liegende Ausbuchtung bezogen. Die vom Bezirksgerichtsausschuss Imbo-
den mit Beiurteil vom 4. März 2008 verfügte Sistierung des Vollzugs der Amtsbe-
fehle vom 7. Dezember 2006 sei für die eigentliche Strassenfläche der A. seit dem
12. Mai 2009 demnach wieder hinfällig geworden, da die Feststellung der Grund-
dienstbarkeitsfläche soweit sich diese auf die eigentliche Strassenfläche der A.
beziehe - unangefochten in Rechtskraft erwachsen sei. Nachfolgend gilt es zu prü-
fen, ob die Beschwerdegegner, indem sie ihre Fahrzeuge auf der eigentlichen
Strassenfläche der A. parkiert haben sollen, gegen die jeweiligen Amtsbefehle
vom 7. Dezember 2006 verstossen haben und damit wegen Ungehorsam gegen
eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB hätten bestraft werden müs-
sen, womit die Staatsanwaltschaft Graubünden zu Unrecht die Einstellung des
Verfahrens verfügt hätte.
b/1
Gemäss den Amtsbefehlen vom 7. Dezember 2006 werden die Eigentümer
der Parzellen Nr. C. beziehungsweise Nr. B. angehalten, die ganze Dienstbar-
keitsfläche auf ihrem Grundstück jederzeit freizuhalten, damit diese von den
Seite 16 — 22
Dienstbarkeitsberechtigten ungehindert befahren und begangenen werden könne.
Die Dispositive der jeweiligen Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 enthalten im
Weiteren explizite Vorkehrungen, welche in Bezug auf den Kehrplatz, welcher je
hälftig auf dem Grundstück Nr. C. beziehungsweise Nr. B. liegt, zu treffen sind.
Aufgrund dieser Ausführungen ist wohl davon auszugehen, dass die Amtsbefehle
sowohl die eigentliche Strassenfläche der A. als auch die Ausbuchtung umfassen.
Mit Beiurteil vom 4. März 2008 erkannte der Bezirksgerichtsausschuss Imboden,
dass der Vollzug der Amtsbefehle des Kreisamtes Trins vom 7. Dezember 2006
(Prozess-Nummer 097/2006 und Prozess-Nummer 099/2006) bis zur rechtskräfti-
gen Erledigung der vor Bezirksgericht Imboden pendenten Zivilstreitsache betref-
fend Grunddienstbarkeit (Feststellung Dienstbarkeitsfläche, „Wendeplatz“, Ablö-
sung etc.; Prozess-Nummer 110-2007-45) sistiert werde. Bei diesem Sistierungs-
entscheid handelt es sich um eine vorsorgliche Massnahme, deren Zweck darin
besteht, einer Partei vor während eines ordentlichen Prozesses vorläufigen
Rechtsschutz zu gewähren und damit die Vollstreckbarkeit eines die Klage gut-
heissenden Urteils zu sichern (vgl. Oscar Vogel/Karl Spühler, Grundriss des Zivil-
prozessrechts, 8. Auflage, Bern 2006, N 190 zu §61). In diesem Zusammenhang
führte der Bezirksgerichtsausschuss Imboden in seinem Beiurteil vom 4. März
2008 insbesondere aus, was die Nachteile im Zusammenhang mit den vom Krei-
samt Trins auferlegten Rückbaumassnahmen sind und kam zum Schluss, dass
die vorgenommene Nachteilsprognose eindeutig zugunsten der Gesuchsteller -
der Stockwerkeigentümergemeinschaft G. sowie Z. und Z. ausfalle und die Sis-
tierung demnach zu gewähren sei; mithin konzentrierte sich der Bezirksgerichts-
ausschuss im Rahmen seiner Ausführungen im Beiurteil vom 4. März 2008 insbe-
sondere auf die beim Kehrplatz anfallenden Rückbaumassnahmen. Dies soll je-
doch nicht darüber hinweg täuschen, dass die mit dem Beiurteil verfügte Sistie-
rung die ganze Dienstbarkeitsanlage mithin auch die Strassenfläche an sich -
umfasst, was von der Beschwerdeführerin denn auch nicht bestritten wird.
b/2
Gemäss den Ausführungen im Dispositiv des Beiurteils des Bezirksge-
richtsausschusses Imboden vom 4. März 2008 sollte die Sistierung bis zum
rechtskräftigen Entscheid in der vor Bezirksgericht Imboden hängigen Zivilstreitsa-
che betreffend Grunddienstbarkeit andauern. In diesem Zusammenhang wurde
der Gegenstand der Zivilstreitsache in einer Klammerbemerkung näher umschrie-
ben; er bezog sich dieser Anmerkung entsprechend unter anderem auf die Fest-
stellung Dienstbarkeitsfläche, den „Wendeplatz“, die Ablösung etc.. Gegenstand
der Zivilstreitsache war folglich insbesondere der Umfang der Dienstbarkeitsanla-
ge beziehungsweise des auf den Parzellen Nr. D., B., C., P. sowie E. eingetrage-
Seite 17 — 22
nen Fussund Fahrwegrechts; mithin umfasste die Zivilstreitsache sowohl die
Strassenfläche an sich als auch die Ausbuchtung. Aufgrund dieser Umschreibung
im Beiurteil des Bezirksgerichtsausschusses Imboden muss davon ausgegangen
werden, dass erst dann von einer rechtskräftigen Erledigung der Zivilstreitsache
gesprochen werden kann, wenn der Umfang der Dienstbarkeitsanlage sowohl in
Bezug auf die Strassenfläche an sich als auch bezüglich der Ausbuchtung rechts-
kräftig entschieden ist.
Gemäss dem Urteil des Bezirksgerichtes Imboden vom 12. Mai 2009 wurde
die Klage der Stockwerkeigentümergemeinschaft G. sowie R. und Z. in Bezug auf
die Ausbuchtung, welche je hälftig auf dem Grundstück Nr. C. beziehungsweise
Nr. B. liegt, gutgeheissen; mithin erkannte das Bezirksgericht Imboden, dass auf
dieser Fläche weder ein Fussund Fahrwegrecht noch ein Kehrplatzrecht beste-
he. Soweit sich die Klage auf den Umfang der Dienstbarkeit bezüglich des eigent-
lichen Strassenbereichs bezog, wurde diese abgewiesen beziehungsweise es
wurde sinngemäss festgehalten, dass dort ein Fussund Fahrwegrecht bestehe.
Das Bestehen des Fussund Fahrwegrechts auf der Strasse an sich wurde in der
Folge nicht angefochten und bildete demnach im Berufungsbeziehungsweise
Beschwerdeverfahren an die entsprechenden Instanzen keinen Streitpunkt mehr.
Entsprechend befassten sich denn auch sowohl das darauf folgende Urteil des
Kantonsgerichts von Graubünden vom 7. Juni 2010 als auch das Urteil des Bun-
desgerichts vom 26. Mai 2011 lediglich mit der Ermittlung des Inhalts beziehungs-
weise des Bestehens einer Dienstbarkeit in Bezug auf die Ausbuchtung. Aufgrund
dieser Tatsache kann jedoch - den Ausführungen der Beschwerdeführerin ent-
sprechend - nicht davon ausgegangen werden, dass die Sistierung des Amtsbe-
fehls, soweit sich diese auf die eigentliche Strassenfläche bezieht, bereits mit dem
Urteil des Bezirksgerichtes Imboden vom 12. Mai 2009 aufgehoben worden sei.
Es ist vielmehr davon auszugehen, dass in Übereinstimmung mit dem Wortlaut
des Dispositivs des Beiurteils des Bezirksgerichtsausschusses Imboden vom 4.
März 2008 die Sistierung erst mit rechtskräftiger Erledigung der gesamten Zivil-
streitigkeit mithin mit der Klärung des Umfangs der Dienstbarkeit sowohl bezüg-
lich der eigentlichen Strassenfläche als auch bezüglich der Ausbuchtung - dahin
fällt. Insofern erfolgte die rechtskräftige Erledigung der Zivilstreitsache im Sinne
der vorangehenden Erwägungen frühestens mit Urteil des Bundesgerichts vom
26. Mai 2011, gemäss welchem es bezüglich der Ausbuchtung an einer dienstbar-
keitsmässigen Belastung fehle.
b/3
Dem Beiurteil des Bezirksgerichtsausschusses Imboden vom 4. März 2008
entsprechend sollte die Sistierung bis zum rechtskräftigen Entscheid in der vor
Seite 18 — 22
Bezirksgericht Imboden hängigen Zivilstreitsache betreffend Grunddienstbarkeit
andauern. Das Ende der Sistierung ist aufgrund des Wortlautes des Sistierungs-
entscheides für die Parteien nicht eindeutig und ihnen auch nicht ohne Weiteres
bekannt; mithin handelt es sich bei der vorliegenden Sistierung um eine unbefris-
tete. Im Sinne der Rechtssicherheit und -klarheit drängt es sich daher auf, eine
erneute prozessleitende Verfügung zu erlassen, womit die Sistierung aufgehoben
wird (vgl. Adrian Staehelin, a.a.O., N 6 zu Art. 126).
Mit Entscheid des Einzelrichters in Zivilsachen des Bezirksgerichtes Imbo-
den vom 22. August 2011 wurde der Vollzug der Amtsbefehle als gegenstandslos
geworden abgeschrieben. Zur Begründung führte der Einzelrichter in Zivilsachen
aus, dass der Beschwerdeführerin aufgrund der rechtskräftigen Erledigung der
Zivilstreitsache und insbesondere nachdem das Bundesgericht letztinstanzlich
erkannt habe, dass dem jeweiligen Eigentümer von Parzelle Nr. D. auf der je ca.
hälftig auf den Parzellen Nr. B. und Nr. C. gelegenen Fläche weder ein Fussund
Fahrwegrecht noch ein Kehrplatzrecht zustehe, das Rechtsschutzinteresse am
Vollzug der beiden Amtsbefehle vom 25. Oktober 2007 beziehungsweise vom 30.
November 2007 somit fehle. Sowohl die Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 als
auch die entsprechenden Vollzugsentscheide vom 25. Oktober 2007 beziehungs-
weise vom 30. November 2007 haben die jederzeitige Freihaltungspflicht der gan-
zen Dienstbarkeitsanlage mithin die Pflicht zur Freihaltung der Strassenfläche an
sich als auch der Ausbuchtung sowie die Wiederherstellung des ursprünglichen
Zustandes in Bezug auf die Strassenausbuchtung zum Inhalt (vgl. auch die Aus-
führungen unter Erwägung 4.e). Es drängt sich damit zu Recht die Frage auf, ob
die Aufhebung der Sistierung nicht gar erst mit dem Entscheid des Einzelrichters
in Zivilsachen des Bezirksgerichtes Imboden vom 22. August 2011 erfolgt ist. Die-
se Frage kann jedoch offen gelassen werden, zumal die Amtsbefehle den voran-
gehenden Erwägungen entsprechend zumindest bis zum Urteil des Bundesge-
richts vom 26. Mai 2011 sistiert waren und damit zum Zeitpunkt, als die behaupte-
ten Übertretungen erfolgt sein sollen (November 2010 und Dezember 2010), oh-
nehin sistiert waren.
c)
Aufgrund des Gesagten bleibt festzuhalten, dass die Amtsbefehle vom 7.
Dezember 2006 die gesamte Dienstbarkeitsfläche und damit sowohl die eigentli-
che Strassenfläche als auch die Ausbuchtung umfassen. Mit dem Sistierungsent-
scheid des Bezirksgerichtsausschusses Imboden vom 04. März 2008 wurden im
Übrigen sowohl die Amtsbefehle vom 7. Dezember 2006 als auch deren Vollzugs-
entscheide vom 25. Oktober 2007 sowie vom 30. November 2007 vollständig sis-
tiert, wobei der Endzeitpunkt auf die rechtskräftige Erledigung der Zivilstreitsache
Seite 19 — 22
festgelegt wurde. Die Zivilstreitsache hatte die Klärung der gesamten Dienstbar-
keitsfläche zum Gegenstand, was heisst, dass der Umfang der Dienstbarkeitsan-
lage sowohl in Bezug auf die eigentliche Strassenfläche als auch auf die Ausbuch-
tung zu klären war. Mithin erfolgte die rechtskräftige Erledigung der Zivilstreitsache
erst mit Urteil des Bundesgerichts vom 26. Mai 2011 in vollständiger Art und Wei-
se. Dabei ist es unerheblich, dass ein Teil der Zivilstreitsache, nämlich der Umfang
der Dienstbarkeit in Bezug auf die eigentliche Strassenfläche, bereits vor dem ge-
nannten Bundesgerichtsurteil rechtskräftig entschieden worden ist. Kann festge-
halten werden, dass sich die Sistierung der Amtsbefehle sowohl auf die eigentli-
che Strassenfläche als auch auf die Ausbuchtung bezogen hat und die Sistierung
erst mit der rechtskräftigen Erledigung der Zivilstreitsache, mithin mit dem Urteil
des Bundesgerichts vom 26. Mai 2011 im Interesse der Rechtssicherheit und
-klarheit allenfalls gar erst mit dem Entscheid des Einzelrichters in Zivilsachen des
Bezirksgerichtes Imboden vom 22. August 2011 vollständig aufgehoben worden
ist, konnten die Beschwerdegegner im genannten Zeitraum der Sistierung (4. März
2008 bis 26. Mai 2011, allenfalls bis 22. August 2011) auch nicht gegen die in den
Amtsbefehlen enthaltenen richterlichen Anordnungen verstossen haben, indem sie
ihre Fahrzeuge im November 2010 und Dezember 2010 auf der eigentlichen
Strassenfläche der A. parkiert haben sollten.
6.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft Graubünden
das Strafverfahren wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung gemäss
Art. 292 StGB zu Recht eingestellt hat. Zum Zeitpunkt der geltend gemachten Wi-
derhandlungen waren die genannten Amtsbefehle gemäss Beiurteil vom 4. März
2008 bestätigt mit Bundesgerichtsurteil vom 12. März 2009 sistiert. Den voran-
gehenden Erwägungen entsprechend waren dabei sowohl die Amtsbefehle an
sich als auch deren Vollzug bis zu einem rechtskräftigen Entscheid in der Zivil-
streitsache eingestellt. Demzufolge konnten die Beschwerdegegner während des
Zeitraums der Suspendierung auch nicht gegen die in den Amtsbefehlen vorge-
schriebene Verhaltensweise verstossen, womit auch eine Sanktionierung nach
Art. 292 StGB ausser Betracht fällt. Im Übrigen betreffen die Amtsbefehle vom 7.
Dezember 2006 sowie deren Vollzugsentscheide vom 25. Oktober 2007 und vom
30. November 2007 sowohl die Freihaltung der eigentlichen Strassenfläche der A.
als auch die Ausbuchtung. Die vollständige rechtskräftige Erledigung der Zivil-
streitsache im Sinne der Ausführungen des Dispositivs des Sistierungsentschei-
des vom 4. März 2008 erfolgte erst mit Urteil des Bundesgerichts vom 26. Mai
2011; allenfalls endete die Sistierung gar erst mit dem Entscheid des Einzelrich-
ters in Zivilsachen des Bezirksgerichtes Imboden vom 22. August 2011, gemäss
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welchem die Verfahren um Vollzug der Amtsbefehle des Kreisamtes Trins vom 7.
Dezember 2006 infolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben wurden. Wann ge-
nau die Sistierung aufgehoben worden ist, kann vorliegend jedoch offen gelassen
werden, zumal die behaupteten Übertretungen, angeblich begangen im November
2010 und Dezember 2010, ohnehin in den Zeitraum der Sistierung (4. März 2008
bis 26. Mai 2011, allenfalls bis 22. August 2011) fallen, womit ein Verstoss gegen
die genannten Amtsbefehle ausser Betracht fällt. Nach dem Gesagten erweist sich
die Beschwerde als unbegründet und ist demnach vollumfänglich abzuweisen.
7.a)
Gemäss Art. 428 StPO tragen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens die
Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens. Soweit die Staats-
anwaltschaft Partei ist, fallen die sie betreffenden Kosten an den Staat (vgl. Franz
Riklin, a.a.O., N 1 zu Art. 428). Vorliegend ist die Beschwerdeführerin mit ihren
Anträgen nicht durchgedrungen und die Beschwerde wurde im Sinne der Erwä-
gungen vollumfänglich abgewiesen. Demnach gehen die Kosten des Beschwer-
deverfahrens zu Lasten der Beschwerdeführerin. Für Entscheide im Rechtsmittel-
verfahren wird gemäss Art. 8 der Verordnung über die Gerichtsgebühren in Straf-
verfahren VGS; BR 350.210) eine Gerichtsgebühr von Fr. 1‘000.-bis Fr. 5‘000.--
erhoben. Die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens werden auf Fr.
1‘500.-festgelegt.
b)
Wird die beschuldigte Person ganz teilweise freigesprochen wird
das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
unter anderem Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die ange-
messene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Dies betrifft namentlich die Kosten
einer Wahlverteidigung. Das Gesetz spricht von einer „angemessenen Ausübung
der Verfahrensrechte“. Damit wird auf die Praxis Bezug genommen, Anwaltskos-
ten nur zu übernehmen, wenn ein Beistand angesichts der tatsächlichen
rechtlichen Komplexität notwendig war und Arbeitsaufwand und Honorar gerecht-
fertigt erscheinen (vgl. Riklin, a.a.O., N 3 zu Art. 429). Der Rechtsvertreter der Be-
schwerdegegner hat vorliegend keine Honorarnote eingereicht. Für die eingereich-
te Stellungnahme erscheint der Beschwerdeinstanz ein Aufwand von acht Stun-
den als der Schwierigkeit und Bedeutung der Streitsache angemessen, was bei
einem Stundenansatz von Fr. 240.-zuzüglich 8% Mehrwertsteuer und Spesen ein
Betrag in der Höhe von rund Fr. 2‘000.-ergibt.
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III. Demnach wird erkannt
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'500.-gehen zu Lasten
der Beschwerdeführerin, welche die Beschwerdegegner für das Beschwer-
deverfahren mit Fr. 2‘000.-- (inkl. MwSt.) zu entschädigen hat.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 des Bundesgerichtsgeset-
zes (BGG) Beschwerde in Strafsachen an das Schweizerische Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundes-
gericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausferti-
gung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen
Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die
weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die
Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
4.
Mitteilung an:
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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