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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SF-05-33: Kantonsgericht Graubünden

Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich betrifft einen Beschuldigten, der wegen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes angeklagt war. Die Vorinstanz sprach den Beschuldigten frei und ordnete die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel an. Der Beschuldigte erhob Berufung gegen die Einziehung, jedoch wurde diese abgewiesen. Die Gerichtskosten wurden dem Beschuldigten auferlegt, und er erhielt keine Prozessentschädigung. Das Gericht entschied, dass die Betäubungsmittel eingezogen und zur Vernichtung überlassen werden. Der Richter war Oberrichter lic. iur. Spiess.

Urteilsdetails des Kantongerichts SF-05-33

Kanton:GR
Fallnummer:SF-05-33
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SF-05-33 vom 05.12.2005 (GR)
Datum:05.12.2005
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter : Aussage; Aussagen; Beweis; Angeklagte; Recht; Zeuge; Opfer; Zimmer; Zeugen; Fahrer; Freiheit; Gericht; Verteidigung; Gewalt; Vergewaltigung; Kanton; Gesicht; F-Club; „F-Club“; Angeklagten; Willen
Rechtsnorm:Art. 105 StPO ;Art. 125 StPO ;Art. 144 StPO ;Art. 158 StPO ;Art. 183 StGB ;Art. 188 StPO ;Art. 189 StGB ;Art. 190 StGB ;Art. 47 OR ;Art. 63 StGB ;Art. 69 StGB ;Art. 83 StPO ;
Referenz BGE:112 II 131; 118 IV 115; 124 IV 44; 124 IV 86; 125 I 127; 127 I 38; 128 IV 97;
Kommentar:
Roland Brehm, Berner Kommentar Art. 41-61 OR, Art. 47 OR mi, 1998
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SF-05-33

Kantonsgericht von Graubünden

Tribunale cantonale dei Grigioni

Dretgira chantunala dal Grischun
_____

Ref.:
Chur, 05./06. Dezember 2005
Schriftlich mitgeteilt am:
SF 05 33
(mündlich eröffnet)

Urteil
Strafkammer
Vorsitz Präsident
Brunner
RichterInnen Rehli,
Sutter-Ambühl, Tomaschett-Murer und Hubert
Aktuarin Thöny
——————
In der Strafsache
des X., Angeklagter, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. Hans Peter
Eugster, Postfach 203, Hinterm Bach 40, 7002 Chur,
mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 12. Oktober 2005,
wegen sexueller Nötigung, Freiheitsberaubung und Vergewaltigung,
in Anklagezustand versetzt,
hat sich ergeben:



2


A.
X. wurde am 26. Mai 1970 in AA. geboren und wuchs zusammen mit
vier Geschwistern bei seiner Mutter in BB. auf. Die Primarschule absolvierte er in
CC., die Realschule in BB.. Nach der Schulentlassung begann er bei den Firmen
A. AG in HH. sowie B. AG In AA. eine Lehre als Reprograph, welche er nach drei
Jahren erfolgreich abschloss. In der Folge arbeitete er für zwei weitere Jahre für
die Firma B. AG Im Januar 1992 eröffnete er zusammen mit C. ein Autohaus in
BB.. Er blieb jedoch nur für etwa ein halbes Jahr in diesem Geschäft tätig. Von
1993 bis 1995 übte X. sodann verschiedene Tätigkeiten bei diversen Firmen in der
Schweiz aus, wobei er zeitweise auch arbeitslos war. Von März bis September
1996 war er Geschäftsführer des D. in DD.. Nach einer erneuten Arbeitslosigkeit
von zwei Monaten konnte er bei der Firma E. in AA. ein Praktikum als Grafiker
absolvieren und wurde in der Folge auch für kurze Zeit eingestellt. Da er jedoch
eine 70-tägige Gefängnisstrafe in der Strafanstalt Realta verbüssen musste, verlor
er diese Arbeitsstelle und war nach seiner Entlassung bis ca. Mitte Mai 1999 ar-
beitslos. Anschliessend war er im Sauna Club „F.-Club“ in AA. als Geschäftsführer
und gleichzeitig im Lokal „G.“ als Barman tätig. Mitte August 1999 setzte sich X. in
die Dominikanische Republik ab, woraufhin er international zur Verhaftung ausge-
schrieben wurde. In der Dominikanischen Republik war er gemäss eigenen Aus-
sagen zunächst im Baugewerbe tätig. Danach verkaufte er selbstständig und
hauptberuflich Reinigungsmittel und war sodann bis zu seiner Rückkehr in die
Schweiz Anfang Mai 2005 Geschäftsführer einer Fabrik mit 80 Angestellten. Am 2.
Mai 2005 wurde X. vorläufig festgenommen und umgehend in Untersuchungshaft
versetzt, welche bis zum 25. Juli 2005 andauerte. Im Anschluss daran war er
kurzzeitig bei der Firma H. AG in EE. beschäftigt. Danach verbüsste er eine drei-
monatige Gefängnisstrafe aus dem Jahr 1999. Seine Schulden schätzt X. auf ca.
Fr. 50'000.-bis Fr. 70'000.--. Im Betreibungsregister des Kreises Fünf Dörfer figu-
rierte er vom 1. Januar 1991 bis 30. August 1999 mit 84 Betreibungen im Gesamt-
betrag von Fr. 171'842.55, wobei 30 offene Verlustscheine im Betrag von
Fr. 73'460.65 vorlagen.
Im Schweizerischen Zentralstrafregister ist X. mit den folgenden fünf Ein-
tragungen verzeichnet: Mit Strafmandat vom 3. Dezember 1992 wurde er vom
Kreispräsidenten Chur wegen Begünstigung und falscher Zeugenaussage zu 30
Tagen Gefängnis, bedingt auf 2 Jahre, verurteilt. Am 25. August 1994 auferlegte
ihm der Kreispräsident Chur wegen vorsätzlichen Fahrens in angetrunkenem Zu-
stand und Verletzung von Verkehrsregeln eine Busse von Fr. 800.--. Mit Urteil vom
17. April 1997 wurde er vom Kreisgerichtsausschuss Chur wegen Vereitelung der



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Blutprobe und Verletzung von Verkehrsregeln mit einer unbedingten Gefängnis-
strafe von 70 Tagen und einer Busse von Fr. 200.-bestraft. Mit Strafmandat vom
20. November 1998 wurde X. vom Kreispräsidenten Chur wegen Drohung und
Hausfriedensbruchs mit einer Busse von Fr. 700.-bestraft. Am 6. Mai 1999 wurde
er vom Kreisgerichtsausschuss Chur wegen Vereitelung der Blutprobe und Nicht-
meldung der Adressänderung beim Strassenverkehrsamt zu 3 Monaten Gefängnis
verurteilt.
Der Leumund von X. muss nicht nur aufgrund der erwähnten Vorstrafen als
erheblich getrübt bezeichnet werden. So geht aus dem Leumundsbericht der Kan-
tonspolizei Graubünden vom 7. September 1999 hervor, dass X. bereits damals
immer wieder negativ aufgefallen war. Insbesondere nach dem Konsum von Alko-
hol neige er zu aggressivem Verhalten.
X. wurde am 2. Mai 2005 in AA. festgenommen. Der Haftrichter des Be-
zirksgerichts Plessur ordnete mit Entscheid vom 4. Mai 2005, gleichentags mitge-
teilt, die Untersuchungshaft an. Am 26. Juli 2005 wurde X. aus der Untersu-
chungshaft entlassen.
B.
Die Staatsanwaltschaft Graubünden eröffnete mit Verfügung vom
18. August 1999 gegen X. eine Strafuntersuchung wegen Vergewaltigung etc.. Mit
der Durchführung der Untersuchung wurde das Untersuchungsrichteramt Chur
beauftragt. Die Schlussverfügung erging am 23. August 2005.
C.
Mit Datum vom 13. September 2005 reichte die Rechtsvertreterin
des Opfers eine Adhäsionsklage ein, in welcher sie beantragte, X. sei unter ge-
setzlicher Kostenund Entschädigungsfolge zu verpflichten, der Adhäsionskläge-
rin eine Genugtuungssumme von Fr. 8'000.-- nebst Zins zu 5% seit 16. August
1999 zu bezahlen.
D.
Mit Verfügung vom 12. Oktober 2005 wurde X. wegen sexueller Nö-
tigung gemäss Art. 189 Abs. 1 StGB, Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1
StGB und Vergewaltigung gemäss Art. 190 Abs. 1 StGB in Anklagezustand ver-
setzt. Dieser Anklage liegt gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Grau-
bünden vom 12. Oktober 2005 folgender Sachverhalt zugrunde:
„Am späteren Abend des 15. August 1999 konsumierte der Angeklagte zu-
sammen mit verschiedenen Kollegen in dem von ihm geführten Sauna-
Club „F.-Club“ in AA. grössere Mengen Alkohol. Nach Mitternacht liess er
sich von I., welcher als Chauffeur fungierte, nach FF. an das Fürstenfest
fahren. Dort wollte er O. treffen, welche er wenige Tage zuvor in einer Bar




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in Liechtenstein kennen gelernt hatte. Der Angeklagte traf O. vorerst nicht
an. Aufgrund seines anhaltenden Alkoholismus verärgerte der Angeklagte
durch sein aggressives und aufdringliches Verhalten diverse insbesonde-
re weibliche - Gäste. Es kam auch zu einer Auseinandersetzung mit mut-
masslich türkischen Staatsangehörigen, wobei die Landespolizei eingreifen
musste.

Nach einiger Zeit traf der Angeklagte O. bei einem Feststand an. Auch sie
war zu diesem Zeitpunkt stark alkoholisiert. In der Folge führte der Ange-
klagte O. vom Festgelände weg. Sie gingen auf einem Weg einen Kanal
entlang, als der Angeklagte seine Begleiterin ohne ersichtlichen Anlass
mehrfach mit der Hand massiv ins Gesicht schlug. Dann packte er sie und
führte sie den Weg dem Kanal entlang, wobei er ihren Kopf in einer Art
Würgegriff mit einem Arm fest umschloss. O. versuchte erfolglos, sich bei
Passanten bemerkbar zu machen. Nachdem die Passanten vorbeigegan-
gen waren, schlug der Angeklagte O. erneut massiv ins Gesicht. Zudem
drohte er ihr, sie umzubringen, falls sie sich nochmals bei Dritten bemerk-
bar machen würde. Nachdem der Angeklagte und O. ein Stück weit weiter
dem Kanal in Richtung Hauptstrasse gegangen waren, forderte der Ange-
klagte O. auf, ihn oral zu befriedigen. Als sie sich weigerte, schlug der An-
geklagte sie erneut ins Gesicht. O. befriedigte den Angeklagten nun notge-
drungen oral. In der Folge folgte sie dem Angeklagten ohne Widerstand zur
Hauptstrasse. Dorthin hatte der Angeklagte seinen Chauffeur bestellt. Die-
ser traf nach einiger Zeit ein. O. stieg dann mit dem Angeklagten ins Fahr-
zeug und nahm zusammen mit ihm auf dem Rücksitz Platz. Sie bat den
Fahrer mehrfach eindringlich, sie nach GG. nach Hause zu fahren. Der An-
geklagte bedrohte nun aber auch den Fahrer und forderte diesen unmiss-
verständlich auf, nach AA. zu fahren. I. fuhr nun zum Club „F.-Club“. O. hat-
te während der Fahrt geweint, resignierte aber vom Moment an, als sie
merken musste, dass sie auch vom Fahrer keinerlei Hilfe zu erwarten hatte.

In AA. vor dem Club „F.-Club“ musste O. aussteigen und wurde vom Ange-
klagten in ein Zimmer des Clubs geführt. Dort nötigte der Angeklagte das
durch die vorangegangenen Drohungen, Gewalttätigkeiten, Nötigungen
und die Freiheitsberaubung völlig eingeschüchterte und resignierte Opfer,
welches jeglichen Widerstand aufgegeben hatte, zweimal zur Duldung des
Geschlechtsverkehrs. Dabei schlug der Angeklagte O. mehrfach aufs Ge-
säss, worauf diese ihn bat, ihr nicht weitere Schmerzen zu bereiten. An-
schliessend waren der Angeklagte und das völlig erschöpfte Opfer einge-
schlafen. Einige Stunden später erwachte O., konnte sich unbemerkt aus
dem Zimmer entfernen und den Sauna-Club verlassen. In der Folge melde-
te sie den Vorfall der Polizei.

Akten: act. 4.1, 4.4, 4.7, 4.10, 4.14, 5.1-3, 5.5, 5.7, 5.8, 5.10, 5.12-17, 5.22,
5.24, 5.25
Die in Auftrag gegebene DNA-Vergleichsanalyse hat ergeben, dass am
Slip von O. eine Spermaspur nachweisbar ist, deren DNA-Profil mit demje-
nigen des Angeklagten übereinstimmt.

Akten: act. 4.16
Der Angeklagte will sich an keine sexuellen Handlungen erinnern können,
schliesst diese jedoch nicht aus. Er bestreitet jedoch, sexuelle Handlungen
gegen den Willen von O. ausgeführt zu haben.

Akten: act. 5.15, 5.22, 5.25



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Am 13. September 2005 reichte die Rechtsvertreterin der Geschädigten ei-
ne Adhäsionsklage über Fr. 8'000.-- Genugtuung zuzüglich 5% Zins seit
dem 16. August 1999 ein.

Akten: act. 1.67“
E.
An der Hauptverhandlung vom 5./6. Dezember 2005 vor der Straf-
kammer des Kantonsgerichts waren der Angeklagte und sein amtlicher Verteidiger
Rechtsanwalt lic. iur. Hans Peter Eugster, Staatsanwalt Dr. iur. Alex Zindel sowie
die Rechtsvertreterin des Opfers, Rechtsanwältin lic. iur. Diana Honegger Droll,
anwesend. Gegen die Zuständigkeit und die Zusammensetzung des Gerichts
wurden keine Einwände erhoben, so dass sich das Kantonsgericht als in der Sa-
che legitimiert erklärte.
Im Rahmen des Beweisverfahrens zur Person bestätigte der Angeklagte
auf richterliches Befragen die Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen ge-
mäss Anklageschrift. Im Anschluss daran wurde das Beweisverfahren zur Sache
durchgeführt. Der Angeklagte führte auf Befragen hin aus, dass er sich schon am
Tag nach der Tat nicht mehr an die Vorfälle des Vorabends habe erinnern können.
Er habe jedoch gewusst, dass etwas vorgefallen sei und habe sich deshalb be-
droht gefühlt. Er sei sich jedoch sicher, dass er nichts gegen den Willen von O.
getan habe, da er gegenüber Frauen noch nie gewalttätig geworden sei.
Nach Abschluss des Beweisverfahrens stellte und begründete der Staats-
anwalt in seinem Plädoyer, das er zu den Akten reichte, folgende Anträge:
„1. X. sei im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen.
2. Dafür sei er mit fünf Jahren Zuchthaus, unter Abzug der Untersu-
chungshaft, zu bestrafen.
3. Im Falle einer Verurteilung zu einer unbedingten Strafe sei der Ange-
klagte in Sicherheitshaft zu nehmen (Fluchtgefahr).
4. Gesetzliche Kostenfolge.“
Der amtliche Verteidiger Rechtsanwalt lic. iur. Hans Peter Eugster stellte
und begründete im Rahmen seines Plädoyers, welches er zusammen mit diversen
Nachweisen über die Arbeitsbemühungen seines Mandanten zu den Akten reich-
te, die folgenden Anträge:
„1. X. sei von Schuld und Strafe freizusprechen.

Eventualiter: X. sei mit einer Freiheitsstrafe von höchstens solcher
Dauer zu bestrafen, dass die Gewährung des bedingten Strafvollzugs
objektiv noch möglich ist und es sei ihm der bedingte Strafvollzug mit
einer Probezeit von 2 Jahren auch zu gewähren. Dies als Zusatzstrafe




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zum Urteil des Militärgerichts 5 vom 23.08.2005 und unter Anrechnung
der gesamten Untersuchungshaft.

2.
Die Adhäsionsklage sei abzuweisen.
3.
Alles unter gesetzlicher Kostenund Entschädigungsfolge.
Subeventualiter:
1. Betreffend X. sei ein Gutachten zu erstellen, das sich zur Schuldfähig-
keit ausspricht und ganz allgemein darüber, inwieweit ein Mensch in
dem Alkoholisierungsgrad, wie es X. im fraglichen Zeitpunkt war, über-
haupt noch zu solchem Verhalten, wie im vorgeworfen wird, fähig war.

2. Es sei davon abzusehen, X. in Sicherheitshaft zu nehmen, er sei auf
freiem Fuss zu belassen.
3. Das Verfahren sei auszusetzen und es seien die beantragten Zeugen
einzuvernehmen. Andernfalls sei ein Gerichtsentscheid im Sinne von
Art. 103 Abs. 3 und Art. 105 StPO zu erlassen.“

Die Rechtsvertreterin von O., Rechtsanwältin lic. iur. Diana Honegger Droll,
stellte und begründete im Rahmen ihres Plädoyers, welches auch sie zu den Ak-
ten reichte, die folgenden Anträge:
„1. Es sei X. zu verpflichten, O. eine Genugtuung von Fr. 8'000.-zuzüg-
lich Zins zu 5% seit 16.08.1999 zu bezahlen.
2.
Unter gesetzlicher Kostenund Entschädigungsfolge.“
In ihrer Replik beziehungsweise Duplik hielten sowohl der Staatsanwalt und
die Rechtsvertreterin der Adhäsionsklägerin als auch der amtliche Verteidiger an
ihren Anträgen und deren Begründung fest.
In seinem Schlusswort beteuerte der Angeklagte nochmals, dass sich die
Ereignisse nicht so zugetragen hätten, wie in der Anklageschrift dargelegt. Dies
zeige sich bereits daran, dass O. schon kurz nach den angeblichen Vorfällen wie-
der in den Ausgang gegangen sei und mit Männern geflirtet habe. Er könne sich
nicht vorstellen, weshalb O. solche Vorwürfe gegen ihn erhebe. Im Militär sei er
aufgrund seiner Vertrauenswürdigkeit zum Munitionschef ernannt worden. Im
Zeitpunkt der Flucht habe er nicht gewusst, dass ihm eine Vergewaltigung vorge-
worfen werde. Nach seiner Rückkehr habe er einen seriösen Weg gewählt und
sich der Polizei gestellt. Er müsse heute wieder ganz unten anfangen.
Auf die weiteren mündlichen Ausführungen des Staatsanwalts, des amtli-
chen Verteidigers und der Rechtsvertreterin der Adhäsionsklägerin sowie die rich-
terliche Befragung des Angeklagten anlässlich der Hauptverhandlung wird, soweit
erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.



7


Die Strafkammer zieht in Erwägung :
1.
Die Zuständigkeit des Kantonsgerichts von Graubünden zur Beurtei-
lung der vorliegenden Strafsache ergibt sich aus Art. 45 Abs. 1 lit. a StPO, nach
welchem das Kantonsgericht alle Verbrechen beurteilt, die mit Zuchthaus über fünf
Jahre bedroht sind. X. wurde unter anderem der Vergewaltigung gemäss Art. 190
Abs. 1 StGB angeklagt, ein Delikt, welches einer Strafdrohung von Zuchthaus bis
zu zehn Jahren unterliegt.
2.
Das Kantonsgericht hat vorweg über die vom Angeklagten gestellten
Beweisergänzungsanträge zu entscheiden. Lehre und Rechtsprechung anerken-
nen, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht alle möglichen Beweise zusammen-
zutragen haben. Vielmehr kann auf die Erhebung weiterer Beweise dann verzich-
tet werden, wenn die für die Beurteilung der Sache erforderlichen Tatsachen be-
reits aufgrund der vorhandenen Beweismittel feststehen und nicht zu erwarten ist,
dass neue Beweismittel das Ergebnis der freien Würdigung der vorhandenen Be-
weismittel zu erschüttern vermögen (sog. antizipierte Beweiswürdigung, vgl. BGE
122 V 157 E. 1d S. 162; PKG 1993 Nr. 27; Hauser/Schweri/Hartmann, Schweize-
risches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel 2005, § 54 N 1, § 55 N 10).
a)
Der Angeklagte beantragte zunächst, es seien die Zeugen O., I., K.
und L. direkt vom Kantonsgericht anzuhören. Insbesondere im Falle von I. sei es
wichtig, dessen Glaubhaftigkeit aufgrund seines gesamten Auftretens und nicht
lediglich anhand der schriftlich festgehaltenen Aussagen zu überprüfen. Wie in
den meisten Kantonen ist auch die bündnerische Strafprozessordnung vom Prin-
zip der beschränkten Unmittelbarkeit geprägt. Das bedeutet, dass das urteilende
Gericht nicht sämtliche Beweise selbst zu erheben hat, sondern grundsätzlich auf
das in den Akten dokumentierte Beweisergebnis der Strafuntersuchung abstützt
und dieses würdigt. Die unmittelbare Beweisaufnahme am Gericht bildet demnach
die Ausnahme (vgl. Martin Schmid, Das Gerichtsverfahren im bündnerischen
Strafprozess, Diss. Zürich 1990, S. 140 f. und S. 228 f; PKG 1997 Nr. 28). Das
Gericht hat jedoch die Möglichkeit, von Amtes wegen auf Antrag einer pro-
zessbeteiligten Partei zusätzliche Beweise zu erheben, insbesondere auch Zeu-
gen und Sachverständige zu befragen. Diese sind jedoch nur dann zur Hauptver-
handlung aufzubieten, wenn deren Aussagen für die Beurteilung bestrittener
noch nicht abgeklärter Tatfragen wesentlich sind. Auch das Bundesgericht hat
diesbezüglich ausdrücklich festgehalten, dass weder die Bundesverfassung noch
die Menschenrechtskonvention einen Anspruch auf schrankenlose Geltung des



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Unmittelbarkeitsprinzips im Beweisverfahren einräumen und daher kein Anspruch
auf Einvernahme von Zeugen vor dem Richter in der Hauptverhandlung bestehe.
Wesentlich in diesem Zusammenhang sei einzig die Wahrung der Verteidigungs-
rechte und die Möglichkeit des Beschuldigten, in angemessener und tatsächlich
wirksamer Weise Fragen an die Zeugen zu stellen (vgl. BGE 125 I 127 E. 6c/aa S.
134 mit Hinweisen). Im Verlauf der Strafuntersuchung wurde das Opfer O. dreimal
untersuchungsrichterlich einvernommen, davon zweimal im Konfront. Im Rahmen
des Konfrontverhörs vom 8. Juni 2005 (act. 5.22) wurde dem Angeklagten und
dessen amtlichem Verteidiger die Möglichkeit eingeräumt, Ergänzungsfragen an
O. zu richten, wovon sie denn auch in grossem Umfang Gebrauch machten. Glei-
ches gilt auch in Bezug auf den Zeugen I.. Dieser wurde im Vorfeld der Hauptver-
handlung sogar fünfmal einvernommen, wobei einmal polizeilich, zweimal unter-
suchungsrichterlich und zweimal im Konfront. Auch anlässlich des Konfronts mit
dem Angeklagten nahm die Verteidigung die Gelegenheit wahr, Ergänzungsfragen
zu stellen. Somit besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Anlass, die beiden
Zeugen vor Gericht erneut zu befragen. Aber auch aus beweisrechtlichen Grün-
den drängt sich eine neuerliche Einvernahme vorliegend nicht auf. Die beiden
Zeugen wurden zu den entscheidrelevanten Punkten bereits mehrfach eingehend
befragt. Dass diesbezüglich eine Ergänzung erforderlich wäre, ist nicht ersichtlich
und wird vom Angeklagten auch nicht geltend gemacht. Von einer zusätzlichen
Befragung sind daher mit Bezug auf den Sachverhalt keine neuen Erkenntnisse zu
erwarten, welche den Ausgang des Prozesses zu beeinflussen vermöchten. Auch
eine Würdigung der Aussagen unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftigkeit lässt
sich mithilfe der vorliegenden Befragungsprotokolle ohne weiteres vornehmen.
Ebenfalls verzichtet werden kann auf eine neuerliche Einvernahme von K.
und L.. Auch sie wurden bereits polizeilich zum Vorfall befragt, konnten jedoch nur
über die Geschehnisse rund um das Fürstenfest, nicht aber über die Zeit ab dem
Besteigen des Personenwagens von I. Auskunft geben (act. 5.7; 5.10; 5.17). So-
mit ist nicht einzusehen, welchen zusätzlichen Beweiswert eine nochmalige Ein-
vernahme bringen würde, zumal sich K. und L. bereits anlässlich ihrer polizeilichen
Einvernahmen zum Zustand und Verhalten von O. und X. am fraglichen Abend
äusserten und somit auch in dieser Hinsicht keine neuen Erkenntnisse zu erwar-
ten sind. Der Beweisantrag der Verteidigung auf neuerliche Befragung der ge-
nannten Zeugen ist daher abzuweisen.
b)
X. beantragt des Weiteren, es sei ein Gutachten zu erstellen, wel-
ches sich zu seiner Schuldfähigkeit im fraglichen Zeitpunkt ausspreche und ganz



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allgemein die Frage kläre, inwieweit ein Mensch in einem solchen Alkoholisie-
rungsgrad überhaupt noch zu einem Verhalten wie dem vorgeworfenen fähig sei.
Grundlage für die Durchführung eines derartigen Gutachtens wäre die Kenntnis
des exakten Blutalkoholgehalts von X. zur Tatzeit. Dieser konnte jedoch nicht eru-
iert werden. Allein gestützt auf die Äusserungen einiger Zeugen, X. sei am fragli-
chen Abend stark angetrunken gewesen, lässt sich kein sachdienliches, für die
Beurteilung der Schuldfähigkeit geeignetes Gutachten erstellen. Die verfügbaren
Entscheidgrundlagen gestatten jedoch eine zuverlässige Beurteilung dieser Frage,
so dass in vorweggenommener Beweiswürdigung die Überzeugung des Gerichts
durch ein einzig auf Mutmassungen basierendes Gutachten nicht geändert würde.
Daher ist auch dieser Beweisantrag der Verteidigung abzuweisen.
3.
X. wurde wegen sexueller Nötigung gemäss Art. 189 Abs. 1 StGB,
wegen Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 StGB und wegen Vergewalti-
gung gemäss Art. 190 Abs. 1 StGB in Anklagezustand versetzt. Die ihm zur Last
gelegten Taten werden vom Angeklagten in allen drei Anklagepunkten bestritten.
Es ist daher zunächst zu beurteilen, ob der dem Angeklagten zur Last gelegte
Sachverhalt rechtsgenüglich erstellt ist. Hierzu ist festzuhalten, dass die Beweis-
last grundsätzlich beim Staat liegt (Willy Padrutt, Kommentar zur Strafprozessord-
nung des Kantons Graubünden, 2. Auflage, Chur 1996, S. 306).
a)
Bei der Würdigung der Beweismittel entscheidet das Gericht gemäss
Art. 144 Abs. 2 StPO in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StPO nach freier, in der
Hauptverhandlung gewonnener Überzeugung (vgl. Schmid, Strafprozessrecht,
3. Auflage, Zürich 1997, N 286, S. 82 f.). Dieser Grundsatz der freien Beweiswür-
digung ergibt sich bereits aus Art. 249 BStP. Das Gericht hat von Bundesrechts
wegen frei von gesetzlichen Beweisregeln und nur nach seiner persönlichen
Überzeugung aufgrund gewissenhafter Prüfung der vorliegenden Beweise darüber
zu entscheiden, ob es eine Tatsache für bewiesen hält nicht (vgl. BGE 127 IV
46 E. 1c S. 47). Ist für die Urteilsfindung wie im vorliegenden Fall die materielle
Wahrheit wegleitend, so kann für diese Beurteilung nur die freie Meinung des Ge-
richts massgebend sein (vgl. Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O., § 54 N 2, S. 244).
Allein auf diese Weise kann das Gericht ein für jeden Einzelfall zutreffendes Urteil
fällen.
b)
Neben der Würdigung der Beweise stellt sich dem Gericht die Frage,
wann es eine bestimmte Tatsache als erwiesen betrachten darf und wann nicht.
Nach Lehre und Rechtsprechung darf blosse Wahrscheinlichkeit für eine Verurtei-



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lung nicht genügen, absolute Sicherheit ist für eine solche aber auch nicht erfor-
derlich und eine theoretisch entfernte Möglichkeit, dass der Sachverhalt anders
sein könnte, rechtfertigt keinen Freispruch (vgl. Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O.,
§ 54 N 11, S. 247). Trotzdem sind an den Beweis der zur Last gelegten Tat hohe
Anforderungen zu stellen. Verlangt wird mehr als eine blosse Wahrscheinlichkeit,
nicht aber ein absoluter Beweis der Täterschaft. Aufgabe des Gerichts ist es, ohne
Bindung an Beweisregeln die an sich möglichen Zweifel zu überwinden und sich
mit Überzeugung für einen bestimmten Sachverhalt zu entscheiden, wobei die
Bildung der Überzeugung objektivierund nachvollziehbar sein muss. Die Schuld
des Angeklagten muss sich dabei aufgrund der vorgelegten Beweise und Indizien
ergeben, die vernünftige Zweifel in ausschliesslicher Weise zu beseitigen vermö-
gen (vgl. PKG 1987 Nr. 12; Schmid, a.a.O., N 289, S. 83). Nach der aus Art. 32
Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK fliessenden Beweiswürdigungsregel „in dubio
pro reo“ darf sich der Strafrichter jedoch nicht von der Existenz eines für den An-
geklagten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklären, wenn bei objektiver Be-
trachtung Zweifel an den tatsächlichen Voraussetzungen für ein verurteilendes
Erkenntnis bestehen (BGE 124 IV 86 E. 2a S. 88). Bloss theoretische und abstrak-
te Zweifel sind indessen nicht massgebend, weil solche immer möglich sind und
absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Es muss sich vielmehr um erheb-
liche und nicht zu unterdrückende Zweifel handeln, das heisst um solche, die sich
nach der objektiven Sachlage aufdrängen (BGE 127 I 38 E. 2a S. 42). Die ge-
nannte allgemeine Rechtsregel kommt nicht schon dann zur Anwendung, wenn
Aussage gegen Aussage steht. Es ist vielmehr anhand sämtlicher sich aus den
Akten ergebenden Umstände zu untersuchen, ob die Darstellung der Anklage o-
der jene des Angeklagten das Gericht zu überzeugen vermag. Erst wenn eine sol-
che Überzeugung weder in der einen noch in der anderen Richtung zu gewinnen
ist, muss gemäss dem Grundsatz „in dubio pro reo“ der für den Angeklagten güns-
tigere Sachverhalt angenommen werden (Padrutt, a.a.O., S. 307).
c)
Zu den verschiedenen Beweismitteln ist auszuführen, dass der
Grundsatz der freien Beweiswürdigung eine Rangordnung verbietet, was bedeu-
tet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind. Insbesondere sind die
Aussagen von Zeugen, Auskunftspersonen und sogar Angeschuldigten vollgültige
Beweismittel mit derselben Beweiseignung. Wesentlich können auch sogenannte
Indizien sein (vgl. Schmid, a.a.O., N 290, S. 97). Ein Indiz weist immer nur mit ei-
ner gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Täterschaft die Tat hin, und lässt
daher, einzeln betrachtet, die Möglichkeit des Andersseins offen, enthält daher
auch den Zweifel. Alle Indizien zusammen können aber vollen Beweis und volle



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Überzeugung bringen und jeden vernünftigen Zweifel ausschliessen. In diesem
Fall sind sie nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. den Ent-
scheid des Bundesgerichts vom 17. Juni 2002, 1P.87/2002 E. 3.4 mit Hinweisen).
Bei der Würdigung der Beweise ist weniger die Form, sondern vielmehr der Ge-
samteindruck, das heisst die Art und Weise der Bekundung sowie die Überzeu-
gungskraft entscheidend. Massgebend ist mit anderen Worten allein die Beweis-
kraft der konkreten Beweismittel im Einzelfall (ZR 91/92 Nr. 35; Schmid, a.a.O., N
290, S. 97.; Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O., S. 244 ff.; Vogel, Die Auskunfts-
person im Zürcher Strafprozessrecht, Diss. Zürich 1999, S. 2).
d)
Bei der Würdigung von Zeugenaussagen im Rahmen des Gerichts-
verfahrens interessiert nicht in erster Linie die persönliche Glaubwürdigkeit eines
Zeugen, sondern vielmehr die sachliche Glaubhaftigkeit seiner konkreten Aussage
(vgl. Robert Hauser, Der Zeugenbeweis im Strafprozess mit Berücksichtigung des
Zivilprozesses, Zürich 1974, S. 311 ff.). Als Kennzeichen wahrheitsgetreuer Aus-
sagen sind dabei die innere Geschlossenheit und Folgerichtigkeit in der Darstel-
lung des Geschehens sowie die konkrete und anschauliche Wiedergabe des Er-
lebten zu werten. Die Schilderung des Vorfalles in so charakteristischer Weise,
wie sie nur von demjenigen zu erwarten ist, der den Vorfall selbst erlebt hat, ist ein
weiteres Indiz für die Richtigkeit der Deposition. Für die Korrektheit einer Aussage
sprechen im weiteren die Kenntlichmachung der psychischen Situation von Täter,
Opfer und Zeuge, die Selbstbelastung unvorteilhafte Darstellung der eigenen
Rolle, Entlastungsbemerkungen zu Gunsten des Beschuldigten und die Konstanz
in der Aussage bei verschiedenen Befragungen. Bei wahrheitswidrigen Bekun-
dungen fehlen diese Kennzeichen regelmässig. Indizien für bewusst unbe-
wusst falsche Aussagen sind Unstimmigkeiten grobe Widersprüche in den
eigenen Aussagen, Zurücknahme, erhebliche Abschwächungen Übersteige-
rungen im Verlaufe mehrerer Einvernahmen, unklare, verschwommene aus-
weichende Antworten und gleichförmige, eingeübt wirkende Aussagen. Die Rich-
tigkeit einer Deposition muss alsdann auf ihre Übereinstimmung mit den Le-
benserfahrungen und dem Ergebnis der übrigen Beweiserhebungen geprüft wer-
den. Auch im System der Glaubwürdigkeitskriterien von Arntzen
(Arntzen/Michaelis-Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, System der Glaub-
würdigkeitsmerkmale, 3. Auflage, München 1993) steht an erster Stelle die Aus-
sage selbst. Sie ist vor dem Hintergrund allgemein bekannter im Einzelfall zu
erkundender psychischer Eigenarten zu betrachten, wobei bestimmte Aussageei-
genarten als Glaubwürdigkeitsmerkmale anzusehen sind. Unterschieden wird da-
bei zwischen Glaubwürdigkeitskriterien, die sich aus dem Aussageinhalt, der Aus-



12


sageentwicklung, der Aussageweise sowie dem Motivationsumfeld der Aussage
ergeben. Kriterien des glaubhaften Aussageinhalts sind der Grad der Detaillierung
und der inhaltlichen Besonderheit sowie die Homogenität der Aussage. Die
Glaubwürdigkeit aus dem Verlauf der Aussageentwicklung ergibt sich aus der rela-
tiven Konstanz einer Aussage in zeitlich auseinander liegenden Befragungen so-
wie aus der Ergänzbarkeit der Deposition bei nachfolgenden Befragungen. Nach-
erlebende Gefühlsbeteiligung und ungesteuerte Aussageweise sprechen im Be-
reich der Aussageweise für einen hohen Wahrheitsgehalt. Der Grad der Objektivi-
tät ist schliesslich massgebend für den Grad der Glaubwürdigkeit, der sich aus
dem Motivationsumfeld ergibt (vgl. Arntzen/Michaelis-Arntzen, a.a.O., S. 15 ff.). Im
vorliegenden Fall drängt sich zudem eine Zweiteilung der Zeugenaussagen auf,
und zwar ist zu unterscheiden zwischen den Aussagen, welche unmittelbar nach
der Tat noch im August 1999 erfolgten und jenen Depositionen, welche aufgrund
der Flucht von X. erst im Jahre 2005, somit rund sechs Jahre nach den Vorfällen,
als Beweismittel erhoben werden konnten. Angesichts der zeitlichen Nähe zu den
Geschehnissen ist den ersten Aussagen ein grösseres Gewicht beizumessen.
Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass bei einem derart grossen zeitlichen Abstand
zwischen zwei Einvernahmen ein natürlicher Erinnerungsverlust einsetzt, weshalb
Ungenauigkeiten in den Aussagen nicht zu Zweifeln an der Glaubhaftigkeit Anlass
geben müssen. Umgekehrt liegt eine Steigerungsform der Konstanz vor, wenn
Aussagen bei zeitlich sehr weit auseinander liegenden Befragungen gleich bleiben
(vgl. Arntzen/Michaelis-Arntzen, a.a.O., S. 55 ff.).
4.a) O. erstattete am 16. August 1999 gegen X. Strafanzeige. Sie wurde
noch gleichentags untersuchungsrichterlich einvernommen (act. 5.1). Dabei gab
sie zu Protokoll, am Vorabend am Fürstenfest in FF. gewesen zu sein. Sie habe
dort ziemlich viel getrunken und könne sich daher nicht mehr an alles, was auf
dem Fest passiert sei, erinnern. Die erste Szene, an die sie sich erinnern könne,
sei jene, als X. sie ins Gesicht geschlagen und ihr gesagt habe, sie solle nicht
frech sein. Er habe sie mit der flachen Hand auf die linke Wangenseite geschla-
gen. Auf ihre Frage hin, was das solle, habe er sie erneut auf die gleiche Weise
geschlagen, woraufhin sie dann nichts mehr gesagt habe. Anschliessend habe er
sie mit seinem linken Arm umfasst, wobei er hinter ihr gestanden sei und den lin-
ken Arm um ihren Hals gelegt habe. Er habe fest zugedrückt und sie mitgezogen.
Sie habe jedoch noch atmen können. Es seien dann Leute entgegen gekommen
und sie habe diese um Hilfe gebeten. Daraufhin habe X. mit seinem Arm fester auf
ihren Hals gedrückt, so dass sie nicht mehr habe sprechen können. Die Leute hät-
ten nicht reagiert. Diese Szene habe sich in FF. am dortigen Kanal abgespielt.



13


Nach dem Versuch, mit den Leuten zu sprechen, habe X. ihr gesagt, dass sie dies
nicht mehr tun solle, ansonsten er sie umbringen werde. Er habe sie noch einmal
auf die gleiche Weise geschlagen. Auch habe er zu ihr gesagt, sie solle aufhören
zu weinen. In der Folge habe er sie aufgefordert, ihm „eins zu blasen“. Sie habe
sich zunächst geweigert, worauf er sie wieder ins Gesicht geschlagen habe, sei
dann aber seinem Wunsch nachgekommen. Er sei dabei gestanden, während sie
gekniet sei. Sie habe es getan, weil sie Angst gehabt hätte, denn jedes Mal, wenn
sie sich widersetzt habe, habe er sie ins Gesicht geschlagen. Sie seien sodann
auf dem Weg in Richtung Hauptstrasse weitergegangen, wobei er sie wiederum
mit dem Arm um den Hals festgehalten habe. Er habe per Natel seinen Kollegen
angerufen und diesen gebeten, sie an der Hauptstrasse abzuholen. Nach etwa 15
Minuten sei dieser Kollege dann auch gekommen und sie hätte zusammen mit X.
hinten im Fahrzeug Platz genommen. Sie habe dem Fahrer ca. dreimal gesagt, er
solle sie nach GG. bringen. Dieser habe jedoch nicht darauf reagiert. Sie habe
geweint und der Fahrer habe daher sicher merken müssen, dass etwas nicht
stimme. Sie seien dann nach AA. zum Club gefahren. Auf der Fahrt habe er ihr
erzählt, dass er bereits drei Leben auf dem Gewissen habe und sie umbringen
werde, wenn sie etwas sagen würde. Auch habe er betont, dass er der Chef von
AA. sei und alle vor ihm Angst hätten. In AA. angekommen seien sie sodann in
den Club hineingegangen. Im Parterre befinde sich eine Bar. Als sie hineingegan-
gen seien, sei ausser ihnen niemand dort gewesen. Sie seien sodann in den obe-
ren Stock gegangen, wo es mehrere Zimmer habe. X. sei dann in eines dieser
Zimmer hineingegangen und sie habe jemanden im Bett liegen sehen. Sie seien
sodann in ein anderes Zimmer gegangen. Darin hätten sich ein breites Bett und
daneben ein Nachttisch befunden. Im Zimmer habe es auch eine Türe zu einem
separaten Toilettenraum gegeben und sie glaube, sich an ein grosses Fenster
erinnern zu können, bei dem die Rollladen heruntergelassen gewesen seien. Das
Zimmer habe keinen Teppichboden gehabt und die Wände seien weiss gewesen.
X. habe ihr dann gesagt, sie solle sich ausziehen, was sie auch getan habe. Auch
er habe sich ausgezogen. Sie habe ihm noch gesagt, dass sie ihre Tage hätte und
deshalb einen Tampon trage, was ihm aber egal gewesen sei. Er sei dann mit
dem Penis in sie eingedrungen, was ihr Schmerzen bereitet habe. Später sei sie
zur Toilette gegangen und habe den Tampon entfernen können, obwohl die
Schnur nicht mehr hervorgeschaut habe. Einmal habe er ihr auch gesagt, sie solle
sich auf den Bauch drehen und er sei sodann in dieser Position von hinten in sie
eingedrungen. Er habe sie auch auf den Po geschlagen, woraufhin sie ihm mehr-
fach gesagt habe, dass er ihr nicht wehtun solle. Nachdem alles vorüber gewesen
sei, habe er sie gefragt, ob sie ihn gerne habe. Sie habe mit „ja“ geantwortet und



14


ihm gesagt, er solle ihr aber nicht wehtun. Ob er einen Samenerguss gehabt habe,
könne sich nicht sagen. Ihrer Meinung nach habe er Erektionsprobleme gehabt.
Nach den sexuellen Handlungen habe er ihr gesagt, sie wisse ja schon, dass sie
für ihn arbeiten müsse. Sie habe dadurch das Gefühl bekommen, nicht mehr aus
dem Club herauszukommen. Sie habe sich ihm gegenüber lieb verhalten, damit er
sie auch sicher wieder gehen lassen würde. Sie habe richtig „geschleimt“, könne
sich aber nicht mehr erinnern, was sie genau gesagt habe. Sie seien dann beide
wahrscheinlich etwa gleichzeitig eingeschlafen. Irgendwann später sei sie wieder
aufgewacht, habe sich angezogen und das Zimmer verlassen, während X. noch
geschlafen habe. An der Bar hätten sich zwei Frauen aufgehalten. Sie habe die
eine nach einer Zigarette gefragt, hätte aber nicht weiter mit ihr gesprochen. Da-
nach habe sie den Club so schnell als möglich verlassen. Draussen sei es bereits
wieder hell gewesen. Sie habe sodann einen Lastwagenchauffeur der Transport-
firma M. angesprochen, welcher ihr erlaubt habe, zu telefonieren. Sie habe ihre
Schwester angerufen und diese gebeten, nach AA. zu kommen. Der Lastwa-
genchauffeur habe sie an den Kreisel verwiesen, wo sie versucht habe, mittels
Autostopp weiterzukommen. Sie habe geweint und sich an den Strassenrand ge-
setzt. Irgendwann sei dann die Polizei vorbeigekommen. Am Ende der Einver-
nahme fügte O. noch hinzu, dass der Reissverschluss ihrer Hose sowie der Knopf
am Bund kaputtgegangen seien. Wahrscheinlich befinde sich ihre Uhr noch im
Club.
Am 12. November 1999 wurde O. im Rahmen einer Kon-fronteinvernahme
mit dem Fahrer I. erneut zum Ablauf der Geschehnisse, insbesondere auf der
Fahrt von FF. nach AA., befragt (act. 5.12). Dabei hielt sie an ihren Äusserungen
anlässlich der ersten untersuchungsrichterlichen Einvernahme fest. Sie führte zu-
sätzlich aus, X. habe sie angewiesen, mit seinem Chauffeur via Natel zu sprechen
und ihm den genauen Standort bekannt zu geben. Sie sei damals mit X. allein ge-
wesen und habe gehofft, dass der Chauffeur möglichst schnell erscheinen würde.
Am Telefon habe sie ihm lediglich den Weg zum Standort erklären, ihn aber nicht
um Hilfe bitten können, da X. direkt neben ihr gestanden sei. X. habe ihr gesagt,
dass sie nach AA. fahren würden. Sie sei zwar damit nicht einverstanden gewe-
sen, sei aber trotzdem freiwillig ins Fahrzeug eingestiegen, da sie auf die Hilfe des
Chauffeurs gehofft habe. Daher habe sie diesem auch gesagt, dass sie nach GG.
gefahren werden möchte. Der Fahrer habe jedoch auf ihre Bitten nicht reagiert.
Dies sei auch der Grund gewesen, weshalb sie ihren Widerstand aufgegeben ha-
be.



15


Am 8. Juni 2005 fand eine Konfronteinvernahme zwischen O. und X. statt
(act. 5.22). O. schilderte wiederum, dass sie am fraglichen Abend stark alkoholi-
siert gewesen sei und sich daher nicht mehr an die Vorfälle anlässlich des Festes
erinnern könne. Sie könne sich jedoch noch daran erinnern, einen Schlag ins Ge-
sicht erhalten zu haben. Sie habe nachgefragt, was das solle, worauf sie einen
zweiten Schlag wiederum ins Gesicht erhalten habe. X. habe sodann ihren Kopf in
seinen Arm genommen und sie mitgezogen. Sie seien auf einem Weg neben dem
Kanal in Richtung Hauptstrasse gelaufen. Sie habe die vorbeigehenden Passan-
ten unter Tränen gebeten, ihr zu helfen. Es habe jedoch keiner der Passanten re-
agiert. Als die Personen aus dem Blickfeld verschwunden gewesen seien, habe ihr
X. erneut einen Schlag ins Gesicht versetzt. Er habe ihr gedroht, sie umzubringen,
falls sie nochmals versuchen würde, sich bei anderen Personen bemerkbar zu
machen. Sie seien dann irgendwie weiter gegangen. Beim nächsten Halt habe er
sie gezwungen, seinen Penis in den Mund zu nehmen. Als sie sich geweigert ha-
be, habe er sie erneut ins Gesicht geschlagen, woraufhin sie seiner Forderung
nachgekommen sei. Bei ihm sei es jedoch in der Folge nicht zu einer Ejakulation
gekommen. Das Ganze habe auch nicht sehr lange gedauert. Sie seien dann wei-
ter in Richtung Hauptstrasse gelaufen, wo X. sodann einen Kollegen angerufen
habe. Sie habe dem Fahrer am Telefon noch den Weg erklärt, ihm aber sonst
nichts gesagt. Sie habe gehofft, dass diese Person ihr helfen könne. Sie sei wei-
nend ins Fahrzeug eingestiegen und habe den Fahrer gebeten, sie nach GG. zu
fahren. Er habe aber nicht darauf reagiert und sei nach AA. gefahren. Auf der
Fahrt habe X. gross angegeben, dass er der Chef von AA. sei und sowieso ma-
chen könne, was er wolle. Er habe sie während der ganzen Fahrt gehalten und sie
habe geweint. Sie glaube nicht, dass sie sich im Fahrzeug geküsst hätten. Nach-
dem sie gemerkt habe, dass sie auch vom Fahrer keine Hilfe bekommen würde,
habe sie wie „abgestellt“. In AA. seien sie in den Saunaclub gegangen und hätten
dort ein Zimmer betreten, wo es zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Weil X.
sehr stark alkoholisiert gewesen sei, habe er keine vollständige Erektion mehr ge-
habt. Sie könne sich noch daran erinnern, dass sie sich auf dem Bett auf die Knie
habe begeben müssen und er ihr von hinten auf das Gesäss geschlagen habe.
Sie habe nicht genau gemerkt, wie er mit seinem Glied eingedrungen sei, wisse
aber, dass er es getan habe. Sie habe zur fraglichen Zeit ihre Tage gehabt und
deshalb einen Tampon getragen. Diesen habe sie am nächsten Morgen entfernen
können, obwohl die Schnur bereits in die Scheide gerutscht gewesen sei. Sie kön-
ne sich auch daran erinnern, dass X. sie nach dem Geschlechtsverkehr gefragt
habe, ob sie ihn gern habe. Sie habe bejaht, ihm aber auch gesagt, dass er ihr
nicht wehtun solle. Ausserdem habe er ihr mitgeteilt, dass sie ab jetzt bei ihm im



16


Saunaclub arbeiten müsse. Sie könne sich jedoch nicht mehr daran erinnern, was
sie darauf erwidert habe. Nachdem sie am Morgen den Tampon entfernt habe,
habe sie das Zimmer verlassen. An der Bar habe sie dann noch eine Frau nach
einer Zigarette gefragt, welche sie dann auch bekommen habe. Sie habe aber
sonst nicht mit den zwei Frauen an der Bar gesprochen. Auch habe sie noch be-
merkt, dass ihr ein Knopf an der Hose gefehlt habe.
b)
X. selbst schilderte eine andere Sicht der Geschehnisse. Er wurde
am 3. Mai 2005 zum Vorfall erstmals untersuchungsrichterlich einvernommen (act.
5.14). Hierbei gab er zu Protokoll, mit O. am Fest in FF. abgemacht zu haben. Als
er dort angekommen sei, sei sie noch nicht dort gewesen. Er sei dann an den
Stand der Hells gegangen, wo er Alkohol getrunken und mit einer Person Streit
bekommen habe. Als er am nächsten Morgen im „F.-Club“ aufgewacht sei, habe
er, da er eine Gedächtnislücke gehabt habe, N. angerufen und ihn gefragt, was
am Stand in FF. vorgefallen sei. N. habe ihm geantwortet, dass ihm Leute gesagt
hätten, es würde X. schlecht ergehen, wenn sie ihn finden würden. Er (X.) habe
das als Drohung gegen sein Leben aufgefasst. N. habe ihm zudem geraten, sofort
zu verschwinden. Dies sei der Grund gewesen, weshalb er die Schweiz verlassen
habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er aber nicht gewusst, dass ihn die Polizei suche.
Am 11. Mai 2005 wurde X. erneut untersuchungsrichterlich einvernommen
(act. 5.15). Er sagte aus, er habe am fraglichen Abend mit Kollegen Alkohol kon-
sumiert, bevor er sich von seinem Fahrer nach FF. ans Fürstenfest habe fahren
lassen. Dort habe er O. gesucht, sie aber zunächst nicht gefunden. Deshalb sei er
zusammen mit seinem Fahrer an die Bar von den Hells Angels gegangen, wo er
eine Auseinandersetzung mit einem Gast gehabt habe. Er könne sich aber nicht
mehr erinnern, um was es gegangen sei. Nachher sei er an die Bar gegangen,
habe etwas getrunken und sei dann eingeschlafen. Danach verschwimme seine
Erinnerung. Es sei noch irgendetwas vorgefallen und er habe Probleme mit der
Polizei der Securitas gehabt. Er gehe davon aus, dass er danach O. getrof-
fen habe. Er wisse noch, dass er sodann in einer Tiefgarage gewesen sei und ei-
ne Auseinandersetzung gehabt habe, an deren Grund er sich aber nicht mehr er-
innern könne. Weiter wisse er noch, dass er zusammen mit O. auf einer Neben-
strasse gewesen sei und eine Meinungsverschiedenheit gehabt habe. Er sei so-
dann mit O. an eine befahrene Strasse gegangen und habe per Handy seinen
Fahrer angefordert. Zusammen mit O. habe er hinten im Auto Platz genommen.
Sie habe ihn gebeten, sie nach Hause zu fahren, worauf er erwidert habe, dass
sie abgemacht hätten, nach AA. zu fahren. Er wisse noch, dass O. während der



17


Fahrt mit ihm „geknutscht“ habe. Weitere Erinnerungen an die Fahrt habe er nicht,
da er wohl in einen Halbschlaf Schlaf gefallen sei. Vor dem „F.-Club“ ange-
kommen, sei er ausgestiegen und habe die Türe geöffnet. Er glaube, O. sei ihm
gefolgt. Es könne sein, dass sie zuerst an der Bar etwas getrunken hätten. Es sei
aber auch möglich, dass sie zuerst in den Whirlpool und erst dann ins Zimmer o-
der sofort ins Zimmer gegangen seien. Da O. ihn im Auto sexuell „angemacht“
habe, sei es nicht auszuschliessen, dass im „F.-Club“ eine sexuelle Handlung er-
folgt sei. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass eine Vergewaltigung stattgefun-
den habe. Als er dann am Morgen aufgewacht sei, habe er starke Kopfschmerzen
verspürt. O. sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Zimmer gewesen. Sie müsse
aber geduscht haben, bevor sie gegangen sei, da der Boden der Dusche nass
gewesen sei. Er habe sodann N. angerufen und gefragt, was am Abend gewesen
sei, da er sich an eine Schlägerei habe erinnern können. N. habe ihm keine ge-
naue Auskunft geben können, sondern nur gesagt, es seien Leute aufgetaucht,
die ihm (X.) an den Kragen wollten und es besser wäre, wenn sie ihn nicht finden
würden. Er habe das so aufgefasst, als ob es etwas Schlimmes passiert sei und
habe einfach weit weg gehen wollen. Nach dem Telefongespräch mit N. habe er
sich in den „Kabisgärten“ von AA. versteckt. Am nächsten Morgen habe er den
Lenker eines Fahrzeugs mit deutschem Kennzeichen gebeten, ihn gegen Bezah-
lung nach München mitzunehmen. In München habe er in einem kleinen Reisebü-
ro einen Flug in die Dominikanische Republik gebucht. Dort habe er nach unge-
fähr zwei Jahren von Drittpersonen erfahren, was ihm vorgeworfen werde. Er sei
nicht früher zurückgekommen, weil er gedacht habe, dass ein Komplott gegen ihn
im Gange sei.
Anlässlich der nachfolgenden Konfronteinvernahmen mit verschiedenen
Zeugen sowie mit O. (act. 5.16-5.22) hielt X. im Wesentlichen an seinen Aussagen
fest, konnte sich jedoch nicht an weitere Einzelheiten erinnern.
c)
Die Aussagen von O., die sie vor der Untersuchungsrichterin unter
ausdrücklichem Hinweis auf ihre Wahrheitspflicht als Zeugin machte, präsentieren
sich aufgrund des Gesagten ohne nennenswerte Widersprüche, insbesondere
was den eigentlichen Tathergang betrifft. O. schilderte klar, detailliert und folge-
richtig, was ihr in der Nacht vom 15. auf den 16. August 1999 widerfahren war,
insbesondere das Festgehaltenwerden durch den Angeklagten, dessen Drohun-
gen, die er mit Schlägen ins Gesicht untermauerte, die gegen ihren Willen vorge-
nommene orale Befriedigung des Angeklagten, die Fahrt mit diesem nach AA. in
den Club „F.-Club“ und die dort ebenfalls gegen ihren Willen vorgenommen sexu-



18


ellen Handlungen. Die Darstellung des Ablaufs wirkt in sich logisch und nicht frei
erfunden. Ihre Schilderungen ergänzte sie zudem mit vielen Details, beispielswei-
se mit Aussagen von X. während der Fahrt nach AA. und nach dem vollzogenen
Geschlechtsverkehr. Auch schilderte sie ausführlich ihre Empfindungen während
und nach den Ereignissen, ohne sich dabei in ein günstigeres Licht rücken zu wol-
len. Nach Ansicht des Gerichts können derartige Vorfälle von jemandem nicht
mehrmals in derselben Weise und ohne nennenswerte Widersprüche geschildert
werden, der dies nicht tatsächlich auch selbst erlebt hat. Die Aussagen von O. zu
den Begleitumständen der Tat und dem eigentlichen Tatgeschehen selbst sofern
hierfür überhaupt Zeugenaussagen zur Verfügung stehen - decken sich zudem mit
denjenigen verschiedener anderer Personen. I., der Fahrer von X. bestätigte an-
lässlich seiner polizeilichen Befragung vom 17. August 1999 (act. 5.3) deren
Schilderung, dass er am fraglichen Morgen von X. angerufen und aufgefordert
worden sei, diesen in FF. abzuholen. X. habe aber nicht gewusst, wo er sich be-
fand, deshalb sei es zu mehreren Telefongesprächen gekommen, wobei auch
einmal eine Frau zu erklären versucht habe, wohin er (I.) fahren müsse. X. und O.
seien zusammen ins Fahrzeug eingestiegen und hätten hinten Platz genommen.
X. habe ihm mitgeteilt, dass er nach AA. in den Club fahren solle. Das Mädchen
habe jedoch darum gebeten, nach Hause nach GG. gefahren zu werden. Dies
habe X. aber ignoriert und ihm erneut gesagt, er solle sie nach AA. bringen. Das
Mädchen habe daraufhin zu weinen begonnen, worauf X. sie mit Küssen abzulen-
ken versuchte. Dabei habe dieser das Mädchen festgehalten. Er glaube nicht,
dass sie ganz freiwillig mitgefahren sei. Sie habe ihm auch mehrmals beim Küs-
sen auf die Schulter geklopft, um ihr möglicherweise etwas zu sagen. Da er der
Sache nicht getraut habe, habe er X. vorgeschlagen, das Mädchen nach GG. zu
bringen. Daraufhin sei X. jedoch aggressiv geworden und habe ihm mit Schlägen
gedroht, sollte er ihn nicht nach AA. fahren. Er habe die beiden dann nach AA. in
den Saunaclub gefahren und sei danach sofort nach Hause gegangen. Diese
Schilderung deckt sich in allen wesentlichen Punkten mit derjenigen von O.. Ins-
besondere bestätigte I. auch die Aussage von O., wonach diese mehrfach darum
gebeten habe, nach GG. gebracht zu werden, schliesslich jedoch gegen ihren Wil-
len nach AA. gefahren wurde. Bezüglich seiner Aussagen ist zudem hervorzuhe-
ben, dass er sich dabei selbst erheblich belastete, was später auch zu einer Verur-
teilung durch den Kreispräsidenten Chur wegen Gehilfenschaft zur Freiheitsbe-
raubung führte (act. 1.8). Auch rund sechs Jahre später machte er im Kern die
gleichen Äusserungen wie zu Beginn des Verfahrens, obwohl er befürchtete, dass
dadurch auch das Verfahren gegen ihn nochmals aufgerollt würde (vgl. act. 5.16).



19


Die Kollegin von O., J., sagte anlässlich der untersuchungsrichterlichen
Einvernahme vom 16. August 1999 (act. 5.2) aus, O. habe ihr erzählt, dass sie am
Vorabend mit dem Angeklagten auf einem Fussweg etwas abseits gelaufen sei,
wo sie sodann von diesem ins Gesicht geschlagen worden sie. Irgendwann habe
dieser von ihr auch verlangt, dass sie ihm „einen blasen“ solle. Weiter habe O.
erzählt, der Mann habe sie dann am Genick gepackt und sei mit ihr durch die
Hauptstrasse gegangen. Auf diesem Weg habe sie nach Hilfe geschrieen, doch
keiner der Passanten habe ihr beigestanden. Dabei habe ihr der Typ gedroht, sie
umzubringen. Schliesslich habe er einen Kollegen angerufen, welcher dann mit
dem Auto erschienen sei. O. und der Angeklagte seien ins Fahrzeug eingestiegen
und O. habe ihm gesagt, sie wolle nach Hause nach GG. gefahren werden. Dies
habe sie vielfach wiederholt, aber sie sei dennoch nach AA. gebracht worden. Da-
bei habe der Fahrer genau gewusst, was später dort in AA. mit ihr passieren wür-
de. O. habe schliesslich noch erklärt, sie sei von dem Typen in ein Zimmer ge-
bracht worden. Diese ihrer Kollegin gegenüber erwähnte Schilderung der Ge-
schehnisse entspricht exakt jener, die O. auch bei der Untersuchungsrichterin de-
ponierte, was ebenfalls für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen spricht.
P., die stellvertretende Geschäftsführerin des Clubs „F.-Club“ bestätigte
schliesslich gegenüber der Kantonspolizei (act. 5.4), dass ein Mädchen am Mor-
gen des 16. August 1999 von der Sauna zur Bar im „F.-Club“ gekommen sei. Sie
sei wahrscheinlich vom oberen Stock herunter gekommen und habe einen sehr
verschlafenen müden Eindruck gemacht. Das Mädchen habe sich vermutlich nur
„schnell schnell“ angezogen. An der Bar habe sie nach einer Zigarette gefragt und
habe dann ohne etwas zu sagen den Club wieder verlassen.
Schliesslich spricht auch noch die Zeugenaussage von Q. vom 19. August
1999 (act. 5.9) für die Richtigkeit der Aussagen von O.. Q. gab zu Protokoll, am
Morgen des 16. August 1999 mit dem Auto von der Kasernenstrasse in Richtung
Sportplatz gefahren zu sein. Einige Meter nach dem dortigen Kreisel habe sie ein
Mädchen gesehen, dass Autostopp gemacht habe. Schon in diesem Zeitpunkt
habe sie geglaubt, dass dieses Mädchen unter Alkohol Drogen stehe, denn
ihr Gesichtsausdruck sei schrecklich gewesen. Als sie wenig später nochmals
denselben Kreisel passiert habe, sei das Mädchen mit angezogenen Beinen auf
dem Trottoir gesessen, habe geweint und einfach geradeaus geschaut. Aufgrund
dieser Situation habe sie sich entschlossen, die Polizei zu benachrichtigen.



20


d)
Die Verteidigung erblickt in den Schilderungen von O. verschiedene
Ungereimtheiten und schliesst daraus, dass deren Aussagen nicht glaubhaft seien
und sich der Sachverhalt auch nicht wie von ihr dargestellt zugetragen haben kön-
ne. Insbesondere stehe fest, dass O. im Tatzeitpunkt unter starkem Alkoholein-
fluss gestanden habe. Unter diesen Umständen erscheine es als sehr wahrschein-
lich, dass O. Dinge gemacht habe, derer sie sich offenbar in einigermassen nüch-
ternem Zustand wohl geschämt habe. Dieser Darstellung kann sich das Gericht
nicht anschliessen. Zwar steht fest, dass O. am fraglichen Abend Alkohol konsu-
miert hatte. Dies ergibt sich auch aus dem Gutachten des Instituts für Rechtsme-
dizin des Kantonsspitals St. Gallen, wonach O. zum Zeitpunkt des Ereignisses
eine minimale Blutalkoholkonzentration von 1.6 Gewichtspromille und eine maxi-
male von 2.77 Gewichtspromille aufwies. Es ergeben sich aber keine Hinweise
darauf, dass sich O., wie von der Verteidigung vorgebracht, in einem solchen
Rauschzustand befunden hatte, dass sie das Geschehene nicht mehr richtig hätte
erfassen können. So war sie wie die entsprechenden Einvernahmeprotokolle
zeigen - durchaus in der Lage, die Geschehnisse des Abends detailliert und klar
zu schildern, wobei auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist, dass
sich ihre Aussagen in den wesentlichen Punkten mit denjenigen von I. decken.
Des Weiteren antwortete I. anlässlich seiner polizeilichen Einvernahme vom 17.
August 1999 (act. 5.3) auf eine entsprechende Frage hin, dass O. vermutlich nur
angetrunken gewesen sei. Auf ihn hatte sie somit nicht den Eindruck gemacht,
dass sie nicht mehr in der Lage war, die Situation richtig zu erfassen. Auch R. sag-
te gegenüber der Polizei aus (act. 5.11), X. sei ihr ein wenig angetrunken vorge-
kommen, das Mädchen nicht. Nach dem Gesagten ist daher entgegen der Auffas-
sung der Verteidigung davon auszugehen, dass O. trotz vorgängigen Alkoholkon-
sums immer noch fähig war, die fraglichen Geschehnisse korrekt beurteilen zu
können. Was den Alkoholkonsum von X. betrifft, so ist dieser allenfalls im Rahmen
der Schuldfähigkeit respektive der Strafzumessung zu berücksichtigen.
Im Weiteren macht der amtliche Verteidiger auf Differenzen hinsichtlich der
verschiedenen Aussagen von O. und auch J. aufmerksam. So habe O. am Tag
nach den Vorfällen ihrer Freundin J. gegenüber erklärt, sie habe Sex gehabt, den
sie nicht gewollt habe, woraus J. ohne weiteres Nachfragen auf eine Vergewalti-
gung geschlossen habe. Später habe sich O. gegenüber ihrer Freundin jedoch
dahingehend geäussert, dass sie sich nicht mehr genau erinnern könne, was in
dem Zimmer in AA. passiert sei. Auch bezüglich der Geschichte mit dem abgeris-
senen Reissverschluss habe O. widersprüchliche Aussagen gemacht. Wie bereits
ausgeführt wurde, ist den Aussagen, welche unmittelbar nach der Tat gemacht



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wurden, eine grössere Bedeutung zuzumessen. Anlässlich ihrer untersuchungs-
richterlichen Einvernahme vom 16. August 1999 (act. 5.2) gab J. wie vorgängig
beschrieben zu Protokoll, was ihr O. von den Geschehnissen des Vorabends
erzählt hatte. Bezüglich der Vorfälle im Club „F.-Club“ in AA. führte sie aus, O. ha-
be ihr lediglich erklärt, sie sei in AA. von diesem Typen mit dem gelben Hemd in
ein Zimmer gebracht worden. Mehr habe sie auf der Fahrt vom Spital zur Polizei
nicht gesagt. Ihren Freundinnen und der Schwester von J. habe sie im Spital je-
doch erzählt, sie sei vergewaltigt worden. Rund sechs Jahre später wurde J. er-
neut untersuchungsrichterlich befragt (act. 5.24). Sie sagte aus, O. habe ihr er-
zählt, sie sei zusammen mit X. mit dem Auto nach AA. gefahren. In AA. seien sie
in ein Zimmer gegangen, wo sie am nachfolgenden Tag aufgewacht sei. Sie habe
zum Ausdruck gebracht, dass es in dem Zimmer zu sexuellen Handlungen gegen
ihren Willen gekommen sei. Auf entsprechende Ergänzungsfrage der Verteidigung
hin erklärte J., O. habe zu allen Personen, die im Kantonsspital gewesen seien,
gesagt, dass sie Sex gehabt habe, den sie nicht gewollt habe. Genaueres über
diesen Sex habe sie jedoch nicht erzählt. Auf eine entsprechende Nachfrage hin
habe sie nur geantwortet, dass sie sich nicht mehr genau erinnern könne, was in
dem Zimmer in AA. passiert sei und wie sie überhaupt in dieses Zimmer gekom-
men sei. Aufgrund des Umstandes, dass O. bei der untersuchungsrichterlichen
Befragung genau angeben konnte, was auf dem Weg nach AA. passierte und sich
diese Aussagen wie bereits ausgeführt wurde zudem mit denjenigen des Fah-
rers I. übereinstimmen, ist entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht davon
auszugehen, dass sich O. tatsächlich nicht mehr erinnerte, sondern vielmehr da-
von, dass sie mit J. nicht darüber sprechen wollte. Dies geht auch aus dem
Schreiben von O. vom 21. Juni 2001 (act. 3.48) hervor, in welchem sie darlegte,
dass sie vorgängig mit niemandem richtig über die Ereignisse gesprochen habe.
Vielmehr habe sie über ein Jahr lang die ganze Angst und Wut für sich behalten.
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass auch die Aussagen von J. trotz des
grossen zeitlichen Abstandes zur ersten Befragung in den wesentlichen Punkten
konstant blieben und keine Widersprüche auftraten. Gleiches gilt auch in Bezug
auf die von O. geschilderte Geschichte mit dem abgerissenen Reissverschluss.
Bei ihrer ersten Befragung (act. 5.1) fügte O. als Schlussbemerkung hinzu, dass
ihre Hose beziehungsweise der Reissverschluss sowie der Knopf im Bund kaputt
sei. Dass sie sich sechs Jahre später in der Konfronteinvernahme vom 8. Juni
2005 (act. 5.22) nicht mehr an dieses - überdies nicht entscheidrelevante - Detail
erinnern konnte, lässt vielmehr auf eine natürliche Erinnerungslücke als auf eine
widersprüchliche Aussage schliessen, welche an der Glaubhaftigkeit der Aussa-
gen von O. nichts zu ändern vermag.



22


Eine weitere Ungereimtheit erblickt die Verteidigung darin, dass O., wie sie
selbst ausgesagt habe, freiwillig in das Auto eingestiegen sei. Sie hätte somit ge-
mäss Auffassung der Verteidigung auch genügend Möglichkeiten gehabt, um
wegzulaufen ein anderes Fahrzeug aufzuhalten. Von einer Verschleppung
könne daher keine Rede sein. Auch der Zeuge K. habe bestätigt, dass keine An-
zeichen von Gewalt Drohung ersichtlich gewesen seien. Es trifft zwar zu,
dass O. gemäss eigenen Aussagen freiwillig ins Auto eingestiegen ist (vgl. act.
5.1). Dies jedoch deshalb, weil sie sich erhoffte, dass ihr der Fahrer I. helfen wür-
de. So sagte sie anlässlich der Konfronteinvernahme mit I. (act. 5.12) aus, sie ha-
be gehofft, dass der Chauffeur möglichst schnell erscheinen würde, weil sie alleine
gegen X. nicht ankommen konnte und daher gehofft habe, vom Chauffeur Bei-
stand zu erhalten. Daher habe sie diesem auch gesagt, sie möchte nach Hause
nach GG. gefahren werden. Diese Aussage deckt sich insoweit auch mit der Aus-
sage des Zeugen K. (act. 5.7), welcher beobachten konnte, wie X. telefonierte,
während O. ungefähr zwei Meter von ihm entfernt gestanden und nicht den Ein-
druck erweckt habe, dass sie Hilfe benötigte. Dass sich O. zu diesem Zeitpunkt -
entgegen der Auffassung der Verteidigung jedoch von X. bedroht fühlte, ergibt
sich aus ihrer Schilderung vom 16. August 1999 (act. 5.1). Damals sagte sie aus,
dass sie Angst gehabt habe, da X. sie jedes Mal ins Gesicht geschlagen habe,
wenn sie sich seinen Wünschen widersetzt habe. Ausserdem habe er ihr gedroht,
sie umzubringen, sollte sie nochmals jemanden um Hilfe bitten. Auch I. gab wie-
derholt zu Protokoll (act. 5.3, 5.5 und 5.12), dass X. auf seinen Vorschlag hin, das
Mädchen doch nach GG. zu fahren, aggressiv geworden sei und ihn bedroht ha-
be. Er habe es nicht gewagt, sich den Weisungen von X. zu widersetzen, da er
gewusst habe, wie gewalttätig dieser gegenüber Männern sein konnte. Dass X.
nach übermässigem Konsum von Alkohol sehr aggressiv werden konnte, geht ei-
nerseits aus den Aussagen der Zeugen L. (act. 5.10) und S. (act. 5.21), anderer-
seits auch aus dem Umstand, dass X. am fraglichen Abend bereits vor seinem
Zusammentreffen mit O. in eine Schlägerei verwickelt war (vgl. act. 5.7), hervor.
Es besteht daher kein Zweifel daran, dass sich O. zu diesem Zeitpunkt nur des-
halb nicht zur Wehr setzte, weil sie aufgrund der vorgängigen Schläge und Dro-
hungen Angst vor weiteren Gewalttätigkeiten seitens von X. hatte und darauf ver-
traute, dass sie wenigstens vom angeforderten Fahrer I. Beistand erhalten würde.
In Bezug auf das Verhalten nach der Tat wendet die Verteidigung ein, O.
habe sich sehr auffällig und nicht wie eine vergewaltigte Person verhalten. So ha-
be sie am Morgen nach den Vorfällen den Club „F.-Club“, nicht ohne sich zu du-
schen, verlassen und habe an der Bar eine Zigarette verlangt, ohne in irgendeiner



23


Weise aufzufallen. Auch sei sie bereits in den ersten Tagen von Zeugen beobach-
tet worden, wie sie wieder Männer „angemacht“, angesprochen und auch geküsst
habe. Ebenfalls erstaunlich sei, dass O. mit ihrer Psychologin nicht über den Vor-
fall habe sprechen wollen. Das Verhalten einer Frau nach einer Vergewaltigung
lässt keine Rückschlüsse auf ihre Glaubwürdigkeit zu. Jede Frau reagiert individu-
ell. Manche sind völlig verzweifelt und aufgelöst, andere wirken ruhig und gelas-
sen aggressiv. Es gibt kein typisches Opferverhalten. Die wenigsten Frauen
reden über die Vergewaltigung. Scham, Angst sowie die Angst vor Schuldzuwei-
sungen hindern sie daran, sich nahe stehenden fremden Personen anzuver-
trauen gar eine Anzeige zu erstatten. Während einigen Opfern nur langfristig
durch eine Psychotherapie geholfen werden kann, die Vergewaltigung zu verarbei-
ten, gelingt es anderen auch ohne spezielle Betreuung, zu einem normalen Leben
zurückzufinden (vgl. auch Jörg Schuh, Martin Killias, Sexualdelinquenz, Schweize-
rische Arbeitsgruppe für Kriminologie, Chur/Zürich 1991, S. 131). Das Verhalten
von O. nach den Vorfällen ist nach dem Gesagten nicht geeignet, ihre Glaubwür-
digkeit die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen als Ganzes in Frage zu stellen.
Ausserdem schilderte sie in ihrem Schreiben vom 21. Juni 2001 an ihre Rechts-
vertreterin (act. 1.48), dass sie es sich nach aussen hin nicht habe nehmen las-
sen, sich mit Männern zu unterhalten und in den Ausgang zu gehen, sie habe sich
aber vorgängig schon sehr stark betrinken müssen, um nicht ständig in negative
Gedanken zu versinken. Die Einwände der Verteidigung, O. habe sich nach den
Vorfällen sehr auffällig verhalten, werden somit zudem durch diese Aussagen
stark relativiert.
e)
Betrachtet man die Aussagen des Angeklagten, so wird ersichtlich,
dass X. sich ebenfalls nicht in grobe Widersprüche verstrickt. Jedoch kann er sich
gemäss eigenen Angaben an die konkreten Vorfälle am fraglichen Abend nicht
mehr erinnern, weshalb seine Aussagen nur sehr allgemein ausfallen. Zu den An-
schuldigungen von O. sagte er lediglich aus, er könne sich nicht vorstellen, dass
diese zutreffen würden. Auch könne er sich nicht daran erinnern, I. mit Schlägen
gedroht zu haben. Es sei zwar möglich, dass es im „F.-Club“ zu Geschlechtsver-
kehr gekommen sei, dies jedoch sicherlich nur auf Wunsch von O.. Bei der Ge-
genüberstellung seiner Aussagen mit denjenigen der Zeugen sind jedoch Wider-
sprüche erkennbar.
So gab X. zu Protokoll (act. 5.15), O. habe auf der Fahrt nach AA. mit ihm
„geknutscht“. Da sie ihn im Auto sexuell angemacht habe, sei nicht auszuschlies-
sen, dass es im Club F.-Club zu einer sexuellen Handlung gekommen sei. Er habe



24


jedoch nichts gegen den Willen von O. unternommen. I. jedoch führte in seiner
polizeilichen Befragung aus (act. 5.3), O. habe auf der Autobahn in Richtung AA.
zu weinen begonnen. X. habe ihr dann mehrmals Küsse auf den Mund gedrückt,
vermutlich um sie abzulenken. Er habe das Mädchen auch festgehalten. O. habe
ihm (I.) dann auch beim Küssen mehrmals auf die Schultern geschlagen, weil sie
ihm möglicherweise etwas sagen wollte.
Die Zeugin R. gab sowohl in der Befragung vom 21. September 1999 (act.
5.11) wie auch in der Konfronteinvernahme vom 26. Mai 2005 (act. 5.19) zu Pro-
tokoll, sie habe in der fraglichen Nacht in einem Zimmer im „F.-Club“ geschlafen
als X. angeklopft habe. Sie habe gesehen, dass er mit einer Frau zusammen ge-
wesen sei. Er habe ihr dann gesagt, dass sie weiterschlafen solle und habe die
Türe zugemacht. In der ersten Einvernahme (act. 5.11) führte sie zudem aus, dass
das Bett von X. bereits abgezogen gewesen sei, als sie am Nachmittag das fragli-
che Zimmer betreten habe. Anscheinend habe X. dies selbst gemacht. Anlässlich
der späteren Befragung (act. 5.19) relativierte sie diese Aussage dahingehend,
dass sie zwar nicht gesehen habe, wie X. das Bett abgezogen habe, jedoch habe
sie ihn gesehen, wie er Frottéeoder Bettwäsche in die Waschküche getragen
habe. X. hingegen sagte in der Einvernahme vom 11. Mai 2005 (act. 5.15) aus, er
habe das Bett im „F.-Club“ am Morgen nach dem Vorfall nicht abgezogen und er
wisse auch nicht, wer dies getan habe. Er habe das Bett nie abgezogen. Auch
konnte er sich nicht daran erinnern, R. in der Nacht am Morgen gesehen zu
haben. Die Aussage von R. erscheint insbesondere auch deshalb als glaubhaft,
weil sie sich bezüglich des Zusammentreffens mit X. in der fraglichen Nacht mit
derjenigen von O. deckt. Diese führte aus (act. 5.1), dass X. mit ihr in den oberen
Stock des „F.-Club“ gegangen sei, wo es mehrere Zimmer gehabt habe. In zwei
dieser Zimmer hätten Frauen geschlafen. Dies wisse sie, weil X. hineingegangen
sei und nachgeschaut habe. Bei einem Zimmer sei die Türe offen gewesen und
sie habe eine Person mit langen Haaren im Bett liegen sehen und angenommen,
dass es sich um eine Frau gehandelt habe.
Auch bei der Gegenüberstellung mit den Aussagen von N. (act. 5.8) sind
Widersprüche erkennbar. So sagte N. aus, er habe von L. erfahren, dass X. an-
geblich ein Mädchen namens O. vergewaltigt habe. Daraufhin habe er (N.) ver-
sucht, X. zu erreichen. Dieser habe jedoch am Telefon von nichts wissen wollen.
Da habe er ihn gefragt, ob er nicht ein Mädchen „gepackt“ habe. X. sei am Telefon
ein wenig benommen gewesen, deshalb habe er ihm geraten, kalt zu duschen und
sodann zu einem Treffen zu erscheinen, um den Vorfall zu diskutieren. X. führte



25


diesbezüglich in der Einvernahme vom 11. Mai 2005 (act. 5.15) aus, er habe am
Morgen nach den Vorfällen mit N. telefoniert und ihn gefragt, was am Vorabend
geschehen sei. Dieser habe ihm jedoch nicht genau angeben können, was vorge-
fallen war. Er habe nur gesagt, es seien anscheinend Leute aufgetaucht, die ihm
(X.) „an den Kragen“ wollten und es besser sei, wenn ihn diese Leute nicht finden
würden. Er habe dies so verstanden, dass ihm diese Leute nichts Gutes wollten
und er sich davonmachen solle. Da er nicht genau gewusst habe, was vorgefallen
war, habe er einfach nur verschwinden wollen, damit ihn niemand finden könne. Er
habe das Land aus Angst vor Repressalien verlassen. Er habe gedacht, dass ein
Komplott gegen ihn im Gange sei. Die Aussagen von X. über ein angebliches
Komplott erscheinen jedoch nicht nur aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit zu den
Aussagen von N. als wenig glaubhaft. So ist auch in allgemeiner Art festzuhalten,
dass die Theorie eines Komplotts, wie sie X. vorbringt, nicht sehr wirklichkeitsnah
erscheint und die Vermutung, dass es sich um reine Schutzbehauptungen handelt,
daher nahe liegt. So antwortete er auf eine entsprechende Frage des Untersu-
chungsrichters, dass er nicht wisse, wer ein Komplott gegen ihn geschmiedet ha-
be, da er auch nicht wisse, wer ihm gedroht habe. Auch ist nicht ersichtlich, wer
ein Motiv dafür gehabt haben sollte respektive weshalb O. die Geschichte über die
Vorfälle vom 15./16. August 1999 einfach hätte erfinden sollen. Nicht zuletzt wei-
sen auch verschiedene Umstände, die durch das Untersuchungsverfahren als er-
wiesen betrachtet werden können, darauf hin, dass sich der Sachverhalt tatsäch-
lich so zugetragen hat, wie ihn O. schilderte. So können die bei O. festgestellten
Verletzungen (Hämatom am Kinn und Schürfung an der Wange) durchaus auf die
von ihr beschriebene Weise durch X. verursacht worden sein. Des Weiteren stellte
das Institut für Rechtsmedizin des Kantonsspitals St. Gallen in seinem Gutachten
vom 22. September 1999 (act. 4.10) fest, dass der Nachweis von einzelnen Sa-
menzellen im Scheidengewölbe sowie im Schrittbereich des Slips einen stattge-
fundenen Geschlechtsverkehr mit Samenerguss belegen. In einem weiteren Gut-
achten vom 21. Juni 2005 (act. 4.16) konnte festgestellt werden, dass die nach-
gewiesene Spermaspur am Slip von O. Heiniger mit dem DNA-Profil von X. über-
einstimmt.
Wesentlich erscheint schliesslich, dass kein Grund ersichtlich ist, weshalb
O. gegen X. derartige falsche Anschuldigungen erheben sollte. Offensichtlich lern-
ten sich beide wenige Tage vor dem fraglichen Abend in einem Restaurant, in
welchem O. arbeitete, kennen und trafen sich am Fürstenfest in FF. wieder. Sie
waren somit weder speziell befreundet noch speziell verfeindet, so dass kein
schlüssiges Motiv für falsche Anschuldigungen ersichtlich ist. Auch X. fand hierfür



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keine Erklärungen. Auf ein allfälliges Motiv von O., ihn wahrheitswidrig zu belas-
ten, angesprochen, gab er einzig an (act. 5.25), er vermute, dass sie von dritter
Seite beeinflusst worden sei, gegen ihn eine Anzeige zu machen. Vielleicht habe
sie damit auch bloss eine Ausrede gesucht, dass sie am Abend nicht nach Hause
zurückgekehrt sei. Ein plausibles Motiv für eine Falschanschuldigung fand also
auch der Angeklagte selbst nicht. Sollten die Handlungen zwischen ihm und O.
tatsächlich im gegenseitigen Einvernehmen erfolgt sein, wäre im Weiteren nicht
nachvollziehbar, weshalb O. am nächsten Tag eine Anzeige gegen X. erstattete.
Gegen ein einvernehmliches Geschehen zwischen X. und O. spricht auch die Tat-
sache, dass letztere ihrer Freundin J. kurz nach dem Vorfall die Geschichte schil-
derte sowie massgeblich auch, dass sie die ganzen Strapazen einer Strafuntersu-
chung, in deren Rahmen sie im Übrigen immer bei ihrer Darstellung blieb, auf sich
nahm. Diese Umstände deuten darauf hin, dass sich die Sache tatsächlich wie
von O. geschildert und damit nicht im gegenseitigen Einvernehmen zugetragen
hat. Nicht zuletzt bestehen aufgrund der Zeugenaussagen, insbesondere aufgrund
derjenigen von I., klare Anzeichen dafür, dass O. nicht freiwillig mit X. nach AA.
fuhr. Somit bestehen in einer gesamthaften Betrachtung aufgrund der vorange-
henden Ausführungen für das Gericht erhebliche Zweifel an den Aussagen von X.,
wonach nichts gegen den Willen von O. geschehen sei.
f)
Nach Prüfung und Würdigung der verschiedenen Aussagen und der
übrigen Beweislage besteht für die Strafkammer des Kantonsgerichts zusammen-
fassend kein Zweifel, dass sich der Sachverhalt wie in der Anklageschrift darge-
stellt zugetragen hat. O. schilderte in sich geschlossen und ohne wesentliche Wi-
dersprüche, dass X. sie in der Nacht vom 15. auf den 16. August 1999 sexuell nö-
tigte, gegen ihren Willen nach AA. brachte und sie dort erneut in sexuelle Hand-
lungen einbezog. Ihre Angaben sind konkret, detailliert und anschaulich und wer-
den durch Indizien und Aussagen von Drittpersonen gestützt. Weder aus den
Aussagen noch der Motivlage von O. ergeben sich sodann Anzeichen dafür, dass
es sich um Falschanschuldigungen handeln könnte. Daran vermögen auch gewis-
se Widersprüche Ungereimtheiten in Nebenpunkten nichts zu ändern. Im
Gegensatz dazu basieren die Aussagen von X. grösstenteils auf Vermutungen
und es treten bei der Gegenüberstellung mit den Aussagen der Zeugen zudem
vermehrt kleinere Widersprüche auf. Zusammenfassend gelangt das Gericht da-
her zum Schluss, dass sich die Geschehnisse in der Nacht vom 15. auf den 16.
August 1999 so abgespielt haben, wie es von O. geschildert wurde und in der An-
klageschrift festgehalten ist.



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5. a) Gemäss Art. 189 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer eine Person
zur Duldung einer beischlafsähnlichen einer anderen sexuellen Handlung
nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen
Druck setzt zum Widerstand unfähig macht.
b)
Im vorliegenden Fall führte X. O. am fraglichen Abend vom Festge-
lände weg und ging mit ihr auf einem Weg dem dortigen Kanal entlang, als er sie
ohne ersichtlichen Anlass mehrfach mit der Hand massiv ins Gesicht schlug. So-
dann packte er sie, wobei er ihren Kopf in einer Art Würgegriff mit einem Arm fest
umschloss. O. versuchte erfolglos, sich bei Passanten bemerkbar zu machen, wo-
raufhin sie der Angeklagte erneut massiv ins Gesicht schlug. Zudem drohte er ihr,
sie umzubringen, falls sie sich nochmals bei Dritten bemerkbar machen würde.
Nachdem X. und O. ein Stück weit weiter dem Kanal entlang gegangen waren,
forderte der Angeklagte O. auf, ihn oral zu befriedigen. Als sie sich weigerte,
schlug er sie erneut ins Gesicht, woraufhin sie sodann seiner Aufforderung nach-
kam und ihn notgedrungen oral befriedigte.
X. hielt O. am Hals fest und schlug sie mehrmals ins Gesicht. Er schlug er-
neut zu, als sie sich weigerte, ihn oral zu befriedigen. Damit wendete er diejenige
Gewalt an, die ausreichte, um O.s Widerstand zu brechen und klarzustellen, dass
er der Stärkere ist. Aus Angst vor weiteren Schlägen verzichtete sie in der Folge
auf eine weitere Abwehr. Des Weiteren drohte X. ihr an, sie umzubringen, sollte
sie sich weiterhin widersetzen. Die erwähnte Anwendung von Gewalt sowie die
Drohung von X. bezweckten, O. zur Vornahme einer beischlafähnlichen Handlung
zu nötigen. X. verlangte nämlich sodann von ihr, ihn oral zu befriedigen, was sie
denn auch tat. Dass ihr Widerstand durch den vorgängigen Alkoholkonsum mög-
licherweise leichter zu brechen war, ist irrelevant, zumal diejenige Gewalt aus-
reicht, die nötig ist, das konkrete Opfer gefügig zu machen. Durch das geschilder-
te Verhalten erfüllte X. den Tatbestand der sexuellen Nötigung im Sinne von Art.
189 Abs. 1 StGB. Die sexuelle Nötigung geschah jedoch in FF., somit im Fürsten-
tum Liechtenstein. Auch dort ist das geschilderte Verhalten strafbar und zwar nach
dem im Jahre 1999 geltenden liechtensteinischen Recht unter dem Titel „Zwang
zur Unzucht“. Gemäss § 202 ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf
Jahren zu bestrafen, wer ausser dem Fall der Notzucht eine Person mit Gewalt
gegen ihre Person durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärti-
ger Gefahr für Leib und Leben widerstandsunfähig macht und in diesem Zustand
zur Unzucht missbraucht. Diesen Tatbestand hat X. gemäss den obigen Ausfüh-
rungen zweifellos verwirklicht. Da das liechtensteinische Recht dafür lediglich eine



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Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, ist es im Vergleich
zum schweizerischen StGB mit einer Strafandrohung von Zuchthaus bis zu zehn
Jahren mit Gefängnis das mildere, weshalb gemäss Art. 6 Ziff. 1 StGB dieses
zur Anwendung gelangt.
6. a) Nach Art. 183 Ziff. 1 StGB wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren
mit Gefängnis bestraft, wer jemanden unrechtmässig festnimmt gefangen
hält jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht. Ge-
schütztes Rechtsgut ist die körperliche Fortbewegungsfreiheit einer Person, das
heisst die Freiheit des Individuums, sich von dem Ort, an dem es sich befindet, an
einen anderen Ort seiner Wahl zu begeben. Aufgehoben werden kann diese Frei-
heit unter anderem durch das im Gesetz erwähnte unrechtmässige Festnehmen,
das heisst durch Eingrenzung des Opfers an einem Ort (Vera Delnon/Bernhard
Rüdy, Basler Kommentar zum StGB, Band II, Basel 2003, N 6 und N 21 f. zu
Art. 183 StGB). Als Freiheitsentzug wird auch der erzwungene Transport betrach-
tet, wenn während einer Fahrt das Aussteigen unmöglich ist. Allerdings muss die
Einschränkung in der Bewegungsfreiheit eine gewisse Erheblichkeit aufweisen,
welche beim erzwungenen Transport naturgemäss in der Distanz Dauer der
Fahrt liegen kann (Trechsel, a.a.O., N 2 ff. zu Art. 183 mit Verweis auf BGE 99 IV
220; PKG 1990 Nr. 17). Als Tatmittel sind beispielsweise Gewalt Drohung
denkbar. In Bezug auf den subjektiven Tatbestand ist Vorsatz bzw. Eventualvor-
satz erforderlich (Delnon/Rüdy, a.a.O., N 39 zu Art. 183 StGB).
b)
Nachdem X. O. sexuell genötigt hatte, folgte sie ihm ohne Wider-
stand zur Hauptstrasse. Dorthin hatte der Angeklagte seinen Chauffeur bestellt.
Dieser traf nach einiger Zeit ein. O. stieg dann mit X. ins Fahrzeug und nahm zu-
sammen mit ihm auf dem Rücksitz Platz. Sie bat den Fahrer mehrfach eindring-
lich, sie nach GG. nach Hause zu fahren. X. bedrohte nun aber auch den Fahrer
und forderte diesen unmissverständlich auf, nach AA. zu fahren. I. fuhr nun zum
Club „F.-Club“. O. hatte während der Fahrt geweint, resignierte aber vom Moment
an, als sie merken musste, dass sie auch vom Fahrer keinerlei Hilfe zu erwarten
hatte.
Noch immer unter dem Einfluss der Gewaltanwendung und der Drohung
stehend, wartete O. zusammen mit X. auf das Eintreffen des Fahrers I., weil sie
sich von diesem Hilfestellung erhoffte. So stieg sie dann auch freiwillig in das
Fahrzeug ein, jedoch nicht ohne den Fahrer mehrfach zu bitten, sie nach Hause
nach GG. zu bringen. X. forderte diesen jedoch unter Androhung von Schlägen



29


auf, nach AA. zu fahren. O. hatte von diesem Zeitpunkt an keine Möglichkeit mehr,
sich aus eigenem Willen zu entfernen. Sie war dadurch zweifellos über eine länge-
re und ununterbrochene Dauer erheblich in ihrer Freiheit, sich frei zu bewegen,
beschränkt. Da sie ihren Unwillen, nach AA. zu fahren, sowohl gegenüber dem
Fahrer als auch gegenüber X. ausdrücklich und konkludent geäussert hatte und
damit dem Vorgehen von X. keineswegs zustimmte, erweist sich dessen Verhalten
als unrechtmässig. Zweifellos handelte X. wissentlich und willentlich, weshalb er
sich damit der Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 StGB schuldig machte.
c)
Zum Verhältnis zwischen Art. 189 StGB und Art. 183 StGB ist anzu-
merken, dass diejenige Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit, die als notwendi-
ges Minimum des sexuellen Angriffs erscheint, von Art. 189 StGB umfasst wird.
Echte Konkurrenz liegt nur dann vor, wenn der Täter das Opfer vor der Tat, das
heisst der sexuellen Nötigung, entführt nach der Tat noch festhält (Maier,
a.a.O., N 54 zu Art. 189 StGB mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall erfolgte die
vorgängig beschriebene Freiheitsberaubung erst nach vollendeter sexueller Nöti-
gung. Es liegt nach dem Gesagten somit echte Konkurrenz vor.
7. a) Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs
nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen
Druck setzt zum Widerstand unfähig macht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn
Jahren bestraft (Art. 190 Abs. 1 StGB). Die im Gesetz aufgezählten Nötigungsmit-
tel stimmen mit den in Art. 189 StGB aufgeführten überein. Gewalt liegt dann vor,
wenn auf das Opfer mit chemisch physikalisch fassbaren Mitteln eingewirkt
physisch in seine Rechtssphäre eingegriffen wird. Dabei schaltet der Täter
entweder den Widerstand des Opfers aus (Einwirkung auf die Willensbetätigung)
verhindert eine allfällige Gegenwehr, bevor das Opfer reagieren kann (Ein-
wirken auf die Willensbildung). Eine gewisse Einwirkung auf den Körper des Op-
fers ist erforderlich, wobei die notwendige Intensität nach relativen Kriterien zu
bestimmen ist. Es genügt aber grundsätzlich diejenige Gewalt, die nötig war, das
konkrete Opfer gefügig zu machen. Nicht notwendig ist, dass sich das Opfer an-
dauernd wehrt widerstandsunfähig wird (Philipp Maier, Basler Kommentar
zum StGB, Band II, Basel 2003, N 1 und 13 f. zu Art. 189; Stefan Trechsel,
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Auflage, Zürich 1997, N 4
zu Art. 189 StGB; vgl. BGE 128 IV 97 E. 2b S. 99). Der Täter muss sich im Mo-
ment des Gewaltausübens zudem bewusst sein, dass sein gewaltsames Handeln
dem Brechen des Widerstands des Opfers dient (Maier, a.a.O., N 14 zu Art. 189
StGB; Trechsel, a.a.O., N 5 zu Art. 189). Durch das angewendete Nötigungsmittel



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muss der Täter den Beischlaf erzwingen. Ob es dabei zur Ejakulation kommt
nicht, spielt rechtlich keine Rolle (Maier, a.a.O, N 9 zu Art. 190). Der subjektive
Tatbestand erfordert ein vorsätzliches Handeln, das sich auf die drei Tatbestand-
selemente der Nötigung, des Beischlafs sowie der Kausalität zwischen den Nöti-
gungsmitteln und dem Beischlaf beziehen muss. Eventualvorsatz genügt. Wer es
für möglich hält und in Kauf nimmt, dass das Opfer mit dem Beischlaf nicht einver-
standen ist, handelt eventualvorsätzlich (Maier, a.a.O., N 13 zu Art. 190 StGB).
b)
Im Club „F.-Club“ in AA. führte X. O. in ein Zimmer des Clubs. Dort
wurde sie von ihm zweimal zur Duldung des Geschlechtsverkehrs genötigt. Dabei
schlug er sie mehrfach aufs Gesäss, woraufhin sie ihn bat, ihr nicht weitere
Schmerzen zu bereiten. Die im Rahmen der Strafuntersuchung in Auftrag gege-
bene DNA-Vergleichsanalyse hat ergeben, dass am Slip von O. eine Spermaspur
nachweisbar ist, deren DNA-Profil mit demjenigen von X. übereinstimmt.
Nach den vorausgegangenen Gewalttätigkeiten sowie der sexuellen Nöti-
gung und der Freiheitsberaubung war der Widerstand von O. soweit gebrochen,
dass sie jede weitere Abwehr für zwecklos hielt und alles machte, was X. von ihr
verlangte. Aufgrund der Aussagen von O. steht fest, dass X. in sie eindrang und
sie während des Geschlechtsverkehrs auch schlug. Die Verteidigung macht dem-
gegenüber geltend, es ergebe sich aus den Akten zur Genüge, dass X. aufgrund
seiner Müdigkeit und des übermässigen Alkoholkonsums nicht einmal mehr eine
richtige Erektion zu Stande gebracht habe. Auch habe O. nicht einmal gemerkt, ob
er überhaupt mit seinem Glied in sie eingedrungen sei. Diese Aussage decke sich
auch mit dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin vom 21. Juni 2005. Darin
werde klar festgehalten, dass aus dem Vaginainhalt keine Spermaspur X. habe
zugeordnet werden können. Es sei somit auch medizinisch nicht bewiesen, dass
es zu einem Samenerguss in der Scheide gekommen sei. Für die Erfüllung des
Tatbestandes genügt es, wenn das Glied so weit eindringt, dass die Scheide den
Samen aufnehmen könnte. Vollständiges Eindringen ist nicht erforderlich, schon
gar nicht ein Samenerguss (Maier, a.a.O. N. 9 zu Art. 190; Trechsel, a.a.O. N. 4
zu Art. 190). Die Frage, ob es zu einem Samenerguss gekommen ist, ist damit aus
rechtlicher Sicht irrelevant. Dennoch ist der Vollständigkeit halber darauf hinzu-
weisen, dass das Institut für Rechtsmedizin des Kantonsspitals St. Gallen in sei-
nem Gutachten vom 22. September 1999 entgegen der Behauptung der Verteidi-
gung feststellte (act. 4.10), dass der Nachweis einzelner Samenzellen im Schei-
dengewölbe sowie im Schrittbereich des Slips einen stattgefundenen Ge-
schlechtsverkehr mit Samenerguss belege. In dem von der Verteidigung zitierten



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Gutachten vom 21. Juni 2005 (act. 4.16) wurde zwar festgestellt, dass aus dem
Vaginalinhalt kein verwertbares Resultat zu erhalten war, es wurde jedoch gleich-
zeitig festgehalten, dass daraus nicht abgeleitet werden dürfe, dass im vaginalen
Inhalt keine Sperma vorhanden gewesen seien, sondern dass nur ganz vereinzel-
te Spermien darin enthalten waren. Auch was die Aussage von O. angeht, ist die
Darstellung der Verteidigung nur unvollständig. O. gab nämlich am 16. August
1999, somit unmittelbar nach den Vorfällen zu Protokoll (act. 5.1), dass er mit dem
Penis in sie eingedrungen sei, was ihr Schmerzen bereitet habe, da sie zu diesem
Zeitpunkt noch einen Tampon getragen habe. Aufgrund der vorstehend erwähnten
Gutachten und der Aussagen von O. steht zweifellos fest, dass es zum Beischlaf
im Sinne der Strafnorm gekommen ist.
Bezüglich des subjektiven Tatbestands machte die Verteidigung geltend, O.
habe sich offenkundig in der Situation nicht wohl gefühlt und sich vermutlich inner-
lich für ihre sexuellen Handlungen geschämt. Letztlich habe sie einen Schuldigen
gesucht, weil sie die Verantwortung für ihr Handeln nicht selber übernehmen woll-
te. Entscheidend sei aber, dass alles aus freiem Willen geschehen sei. Sie habe
sodann auch in ihrer Einvernahme auf die Frage hin, ob sie X. zu verstehen gege-
ben habe, dass sie die Handlung nicht wolle, geantwortet, er habe dies sicher be-
merkt. An die Begründung des Eventualvorsatzes dürfen keine höheren Anforde-
rungen als bei anderen Delikten gestellt werden. Wer es für möglich hält und in
Kauf nimmt, dass das Opfer mit dem Beischlaf nicht einverstanden ist, handelt
bereits eventualvorsätzlich (Maier, a.a.O., N. 13 zu Art. 190). Wie vorstehend be-
reits dargelegt wurde, war O. nicht damit einverstanden, zusammen mit X. nach
AA. zu fahren. Wie auch der Zeuge I. bestätigte (act. 5.3), bat sie mehrfach da-
rum, nach Hause nach GG. gebracht zu werden. Des Weiteren sagte I. aus, O.
habe auf der Autobahn in Richtung AA. schliesslich zu Weinen begonnen. Auch O.
selbst sagte anlässlich ihrer Einvernahme (act. 5.1) aus, sie habe sowohl auf der
Fahrt nach AA. als auch zu Beginn des Geschlechtsverkehrs geweint. Des Weite-
ren habe sie X. während des Geschlechtsverkehrs mehrfach gebeten, ihr nicht
wehzutun. Selbst wenn O. nicht ausdrücklich darauf hingewiesen haben sollte,
dass sie den Geschlechtsverkehr mit X. nicht wollte, so war für ihn aus den ge-
samten Umständen heraus ohne weiteres erkennbar, dass er gegen ihren Willen
handelte. Indem er dies jedoch ignorierte, handelte er zumindest eventualvorsätz-
lich, was für die Erfüllung des Tatbestandes der Vergewaltigung ausreicht. Somit
steht fest, dass sich X. der Vergewaltigung gemäss Art. 190 Abs. 1 StGB schuldig
machte. Zum Tatbestand der Freiheitsberaubung liegt Realkonkurrenz vor, zumal
diese zweifellos über das hinausging, was unmittelbar der Vergewaltigung diente.



32


8.a) Bei der Strafzumessung hat der Richter gemäss Art. 63 StGB vom
Verschulden des Täters auszugehen und insbesondere die Beweggründe, das
Vorleben und die persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. In BGE 117 IV
113 E. 1 S. 114. hat das Bundesgericht grundsätzliche Bemerkungen zur Frage
der Strafzumessung angebracht. Demnach muss sich der Begriff des Verschul-
dens auf den gesamten Unrechtsund Schuldgehalt der konkreten Straftat bezie-
hen. Bei der Tatkomponente sind insbesondere das Ausmass des verschuldeten
Erfolgs, die Art und Weise seiner Herbeiführung, die Willensrichtung, mit welcher
der Täter gehandelt hat, und die Beweggründe gemäss Art. 63 StGB zu beachten.
Die Täterkomponente erfasst demgegenüber das Vorleben, insbesondere auch
allfällige Vorstrafen, die persönlichen Verhältnisse, das Verhalten nach der Tat
und im Strafverfahren, wie zum Beispiel Reue, Einsicht und die Strafempfindlich-
keit (vgl. auch BGE 124 IV 44 E.2 S.45 f.; BGE 118 IV 115 E.2 S. 118). Innerhalb
des gesetzlichen Strafrahmens ist ohne Bindung an feste Regeln die verschul-
densgerechte Strafe zu finden.
Wenn jemand durch eine mehrere Handlungen mehrere Freiheits-
strafen verwirkt hat, so verurteilt ihn das Gericht nach dem Asperationsprinzip zu
der Strafe der schwersten Tat und erhöht deren Dauer angemessen. Es kann je-
doch das höchste Mass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte über-
schreiten und ist dabei zudem an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebun-
den (Art. 68 Ziff. 1 StGB). Schwerste Tat ist diejenige, welche unter den mit der
höchsten Strafe bedrohten Tatbestand fällt, im vorliegenden Fall die Vergewalti-
gung. Grundlage für die Strafzumessung ist daher der in Art. 190 Abs. 1 StGB
vorgesehene Strafrahmen von Zuchthaus bis zu zehn Jahren.
b)
Das Verschulden von X. wiegt unter dem Gesichtspunkt der Tatkom-
ponente schwer. Jeder gewaltsame Angriff auf das sexuelle Selbstbestimmungs-
recht einer Frau stellt ein schweres Verbrechen dar, was aus der strengen Straf-
androhung des Art. 190 StGB deutlich hervorgeht. Wer nun wie X. sein Opfer zu-
nächst mittels Schlägen ins Gesicht und Drohungen einschüchtert und dessen
Widerstand bricht, um es sodann zu sexuellen Handlungen zu nötigen, zeigt einen
erheblichen kriminellen Willen. Seine Vorgehensweise zeugt von wenig Achtung
vor der sexuellen Selbstbestimmung einer Frau. O. war in dieser Nacht einfach
nur das Objekt seiner Begierde. Auf den von ihr immer wieder klar geäusserten
Willen nahm er die ganze Zeit über keinerlei Rücksicht. Im Gegenteil, er bedrohte
sogar seinen Fahrer I., sollte sich dieser seinen Anweisungen widersetzen und O.
helfen. Daran vermag auch der Umstand, dass die sexuelle Nötigung im Fürsten-



33


tum Liechtenstein im Jahre 1999 milder bestraft worden wäre, wenig zu ändern.
Neben die Tatbestände der sexuellen Nötigung respektive Zwang zur Unzucht
nach liechtensteinischem Recht und der Vergewaltigung trat zudem noch die Frei-
heitsberaubung, welche das Gesetz ebenfalls mit einer hohen Strafe bedroht. Zu
Gunsten von X. spricht höchstens, dass er sich nicht zu extremer Gewalt gegen-
über seinem Opfer hinreissen liess. Strafschärfend wirkt sich das Zusammentref-
fen mehrerer strafbarer Handlungen aus (Art. 68 Ziff. 1 StGB). Straferhöhend wir-
ken sich die verschiedenen Vorstrafen und der angeschlagene Leumund des An-
geklagten aus. Strafmildernd ist zu berücksichtigen, dass X. offensichtlich stark
angetrunken war, aber wie auch seine sonstigen Handlungen zeigen - nicht der-
art, dass er überhaupt keine Einsicht in das Unrecht der Tat gehabt hätte
nicht mehr danach hätte handeln können. Ebenfalls anzurechnen ist die Tatsache,
dass X. in die Schweiz zurückgekehrt ist und sich den Strafbehörden gestellt hat.
Aufgrund der beiden genannten Strafmilderungsgründe rechtfertigt es sich auch
unter Berücksichtigung aller anderen Strafzumessungsgründe, den Strafantrag der
Staatsanwaltschaft zu unterschreiten und die Strafe auf 2 ½ Jahre Zuchthaus fest-
zusetzen. Dieses Strafmass erscheint als dem Verschulden und der Verhaltens-
weise von X. angemessen und gerechtfertigt.
c)
Die Verteidigung macht geltend, X. sei bereits durch das Militärge-
richt 5 wegen mehrfachen Militärdienstversäumnisses mit Strafmandat vom 23.
August 2005 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 30 Tagen Gefängnis bestraft
worden. Gemäss Art. 68 Ziff. 2 StGB sei eine allfällige Freiheitsstrafe im vorlie-
genden Verfahren als Zusatzstrafe zum militärgerichtlichen Urteil auszusprechen.
Der Umstand, dass sich X. auch wegen militärischen Versäumnissen vor Gericht
zu verantworten hat, war der Strafuntersuchungsbehörde bereits vor Anklageer-
hebung bekannt. Es liegt somit keine retrospektive Konkurrenz gemäss Art. 68
Ziff. 2 StGB vor. Vielmehr wurde seitens des Untersuchungsrichteramtes Chur die
Vereinigung der beiden Verfahren für nicht sinnvoll erachtet, zumal die Beurteilung
von Militärstraftatbeständen durch zivile Gerichtsbehörden mit Schwierigkeiten
verbunden sind und ausserdem der Abschluss des zivilen Verfahrens zum gege-
benen Zeitpunkt noch nicht absehbar war (vgl. act. 1.43). Die Ausgestaltung der
vorstehend ausgefällten Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe zum früheren militärge-
richtlichen Urteil fällt daher ausser Betracht.
d)
Nach Art. 69 StGB rechnet das Gericht dem Verurteilten die Unter-
suchungshaft auf die Freiheitsstrafe an, soweit der Täter diese nicht durch sein
Verhalten nach der Tat herbeigeführt verlängert hat. Ein solches Verhalten



34


kann X. nicht zur Last gelegt werden, so dass einer Anrechnung der erstandenen
Untersuchungshaft von insgesamt 86 Tagen an die Strafe gestützt auf Art. 69
StGB nichts entgegensteht.
e)
Das ausgefällte Strafmass von 2 ½ Jahren steht der Gewährung des
bedingten Strafvollzugs bereits in objektiver Hinsicht entgegen (Art. 41 Ziff. 1
StGB), weshalb auf eine Prüfung der subjektiven Voraussetzungen verzichtet
werden kann.
9.
Die Staatsanwaltschaft beantragte für den Fall, dass X. zu einer un-
bedingten Freiheitsstrafe verurteilt werde, wegen möglicher Fluchtgefahr die An-
ordnung von Sicherheitshaft.
a)
Nach Art. 83 Abs. 1 StPO darf die Untersuchungshaft angeordnet
werden, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte ernsthaft angenommen werden
muss, dass der eines Verbrechens Vergehens dringend verdächtigte Ange-
schuldigte sich durch Flucht der Strafverfolgung der zu erwartenden Sanktion
entziehen werde (lit. a), Spuren Beweismittel gefährden beseitigen wer-
de, Dritte zu falschen Aussagen zu verleiten versuche die Abklärung des
Sachverhaltes auf andere Weise vereiteln gefährden werde (lit. b), weitere
Verbrechen Vergehen begehen die Sicherheit anderer in schwerwie-
gender Weise ernsthaft gefährden werde (lit. c). Für die Anordnung der Sicher-
heitshaft nach der Urteilsfällung gelten mit Ausnahme der Kollusionsgefahr die
üblichen Haftgründe gemäss Art. 83 StPO (vgl. Willy Padrutt, Kommentar zur
Strafprozessordnung des Kantons Graubünden, Chur 1996, Ziff. 5 zu Art. 101
StPO, mit weiteren Hinweisen).
b)
Im vorliegenden Fall fällt die Vereitelungsgefahr zum Vornherein
ausser Betracht. Auch von einer Fortsetzungsgefahr ist nicht auszugehen, zumal
keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass X. erneut eine ähnlich gelagerte Tat
begeht. Im Bezug auf die Fluchtgefahr gilt es zu berücksichtigen, dass sich X.
zwar unmittelbar nach der Tat in ein anderes Land abgesetzt hat und auch über
mehrere Jahre dort geblieben ist. Jedoch ist er aus eigenem Antrieb in die
Schweiz zurückgekehrt und hat sich freiwillig den Strafverfolgungsbehörden ge-
stellt. Auch betonte er anlässlich seiner untersuchungsrichterlichen Einvernahme
vom 3. Mai 2005 (act. 5.14), er sei in die Schweiz zurückgekehrt, um die ganze
Sache zu regeln. Er habe sich korrekt in BB. angemeldet und möchte sobald wie
möglich beginnen, in der Schweiz zu arbeiten. Im Anschluss an die Untersu-



35


chungshaft war er denn auch bereits kurzzeitig für eine Firma in EE.beschäftigt.
Wie aus den Einlagen der Verteidigung hervorgeht, ist X. auch weiterhin bemüht,
eine Erwerbstätigkeit zu finden. Es muss somit nicht davon ausgegangen werden,
dass sich X. nach Eröffnung des Urteils wiederum ins Ausland absetzt, zumal sich
der Mittelpunkt seiner Beziehungen offensichtlich in der Schweiz befindet. Auf die
Anordnung einer Sicherheitshaft wird daher verzichtet.
10.a) Am 13. September 2005 (act. 1.67) reichte die Rechtsvertreterin der
Geschädigten O., Rechtsanwältin lic. iur. Diana Honegger Droll, gegen X. eine
Adhäsionsklage mit folgenden Rechtsbegehren ein:
„1. Es sei X. zu verpflichten, der Adhäsionsklägerin eine Genugtuungs-
summe von Fr. 8'000.-- nebst Zins zu 5% seit 16.08.1999 zu bezahlen.
2.
Unter gesetzlicher Kostenund Entschädigungsfolge.“
Zur Begründung wird geltend gemacht, X. habe O. unter Anwendung von
körperlicher Gewalt zum oralen Geschlechtsverkehr genötigt, sie nachher weiter
unter Anwendung von Gewalt gegen ihren Willen nach AA. gebracht und sie hie-
rauf gegen ihren Willen mehrfach zum Geschlechtsverkehr gezwungen. O. habe
sich in einem unermesslichen Zustand der Angst befunden. Dieser sei noch
dadurch verstärkt worden, dass ihr X. nach den Vergewaltigungen mitgeteilt habe,
dass sie nun für ihn arbeiten müsse. Dies habe bei O. das Gefühl ausgelöst, nie
mehr aus dem Club entkommen zu können. Daraufhin habe sie sich ihm gegen-
über lieb verhalten, damit er sie auch sicher wieder gehen lassen würde. Sie habe
somit das Gegenteil von dem machen müssen, was sie empfunden habe, was
eine zusätzliche Demütigung gewesen sei. Bei der Bemessung der Genugtuung
sei ferner zu gewichten, dass ihr X. während den Vergewaltigungen Schmerzen
zugefügt habe. Durch die Vorfälle sei die Gesuchstellerin in ihrer psychischen,
sexuellen und körperlichen Integrität schwer verletzt worden. Das während und
nach der Tat erlittene psychische Traumata und die Angsterfahrungen würden
äusserst schwer wiegen. Sie sei erstmals mit reeller Gewalt konfrontiert worden
und habe erkennen müssen, dass jeder Fluchtweg abgeschnitten sei, weshalb sie
gefügig den Widerstand gegen die sexuelle Erniedrigung aufgegeben habe. Sie
habe endlos erscheinende Qualen über sich ergehen lassen müssen, unter denen
sie noch lange stark gelitten habe. Sie habe Mühe gehabt, das vorgefallene psy-
chisch zu bewältigen und dadurch einen enormen Verlust an Lebensfreude erlit-
ten. Zwecks Wahrung der Verwirkungsfrist gemäss Art. 16 Abs. 3 OHG habe O.
am 9. August 2001 beim Kantonalen Sozialamt ein Gesuch um Ausrichtung einer
Genugtuung von Fr. 20'000.-zuzüglich Zins zu 5% seit 16. August 1999 gestellt.



36


Mit Verfügung vom 12. Dezember 2002 seien ihr Fr. 12'000.-zuzüglich Zins zu-
gesprochen worden. Im Umfang dieser erfolgten Leistung sei der Anspruch von O.
gegenüber X. auf den Kanton übergegangen. Im Umfang des Differenzbetrags
zwischen der beantragten Genugtuung und der vom Kanton subsidiär gewährten
Leistung bleibe O. gegenüber X. unmittelbar anspruchsberechtigt.
Der amtliche Verteidiger von X. macht demgegenüber geltend, dass weiter-
gehende Ansprüche als diejenigen, die beim Sozialamt geltend gemacht worden
seien, gemäss Art. 16 Abs. 3 OHG bereits verwirkt seien. Zudem sei O., wie sich
aus den Akten ergebe, bereits vor dem fraglichen Abend psychisch labil gewesen
und habe massiv Alkohol konsumiert. So seien ihre schulischen Leistungen be-
reits Monate vor den angeblichen Vorfällen stark abgefallen, dass sie die Schule
habe wechseln müssen.
b)
Wie die Rechtsvertreterin der Adhäsionsklägerin ausführte, wurde O.
von der öffentlichen Hand gestützt auf 12 Abs. 2 OHG eine Genugtuung von Fr.
12'000.-ausgerichtet. Entschädigung und Genugtuung nach Opferhilfegesetz
sind öffentlich-rechtliche Ansprüche des Bundesverwaltungsrechts. Davon zu un-
terscheiden sind die zivilrechtlichen Ansprüche des Opfers gegenüber dem Täter,
welche sich nach Art. 41 ff. OR richten (vgl. Windlin, Grundfragen staatlicher Op-
ferentschädigung, Bern 2005, S. 155). Entgegen der Auffassung der Verteidigung
bezieht sich die Verwirkungsfrist von Art. 16 Abs. 3 OHG nur auf die staatliche,
nicht aber auf die zivilrechtliche Opferentschädigung, weshalb im vorliegenden
Fall die von der Adhäsionsklägerin geltend gemachten Ansprüche noch nicht ver-
wirkt sind.
c)
O. ist gemäss Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Hilfe an
Opfer von Straftaten (OHG; SR 312.5) als Opfer zu betrachten und gilt als Ge-
schädigte im Sinne der Art. 129 ff. StPO. Ihr steht die Geltendmachung von Zi-
vilansprüchen im Rahmen einer Adhäsionsklage zu (vgl. Art. 8 und Art. 9 OHG).
Gemäss Art. 47 OR kann das Gericht bei einer Körperverletzung dem Verletzten
unter Würdigung der besonderen Umstände eine angemessene Geldsumme als
Genugtuung zusprechen. Eine Körperverletzung im Sinne des Art. 47 OR ist nicht
nur eine Beeinträchtigung der körperlichen, sondern auch der seelischen Integri-
tät. Eine Störung des psychischen Gleichgewichts ist auch ohne gleichzeitige phy-
sische Verletzung eine Körperverletzung (Roland Brehm, Berner Kommentar zu
Art. 41-61 OR, Bern 1998, N 14 zu Art. 47 OR mit Hinweisen). Der Zweck der Ge-
nugtuungssumme besteht darin, dass durch eine schadenersatzunabhängige



37


Geldleistung ein gewisser Ausgleich geschaffen wird für den erlittenen physischen
und/oder psychischen Schmerz. Das Gericht hat demnach nach Recht und Billig-
keit zu entscheiden, ob eine Genugtuung zuzusprechen ist und wie hoch diese
bejahendenfalls sein soll. Die Bemessung der Genugtuungssumme hängt im We-
sentlichen von der Art und der Schwere der Verletzung, von der Intensität und der
Dauer der Auswirkungen sowie vom Grad des Verschuldens des Schädigers und
des Verletzten ab (BGE 112 II 131 E. 2 S. 133). Zu berücksichtigen ist im konkre-
ten Fall jedoch die bereits erhaltene Entschädigung des Kantonalen Sozialamtes
Graubünden in der Höhe von Fr. 12'000.--.
Durch die Vergewaltigung hat O. zweifellos eine auf die strafbaren Hand-
lungen des Adhäsionsbeklagten zurückzuführende Körperverletzung erlitten. Ihre
körperliche und seelische Integrität wurde beeinträchtigt, so dass ein Anspruch auf
eine Genugtuung insofern zu bejahen ist. Bei der Bemessung der Genugtuung ist
zu berücksichtigen, dass gemäss Rechtsprechung die durchschnittliche Genugtu-
ung bei einer Vergewaltigung in der Höhe von Fr. 10'000.-liegt (Hütte/Ducksch,
Die Genugtuung, 3. Aufl. Zürich 2003, Kapitel I/100, Ziff. 9.8). Die Berücksichti-
gung der Umstände des vorliegend zu beurteilenden Falles ergibt einerseits, dass
die Klägerin in ihren persönlichen Verhältnissen schwer getroffen wurde. Die mit
der Tat verbundene sexuelle Erniedrigung, die Gewalt, die der Täter ausübte, und
die Angst, die das Opfer damals empfunden hat, sind der eine Teil des erlittenen
Unrechts. Nicht weniger gravierend sind die psychischen Folgen der Verletzung.
Gemäss Bericht von dipl.-psych. T. vom 17. Juli 2001 (act. 1.49) befand sich O. zu
diesem Zeitpunkt (Februar/März 2000) in einer sehr labilen psychischen Verfas-
sung. O. selbst schilderte in ihrem Schreiben vom 21. Juni 2001 (act. 1.48), dass
sie anfänglich grosse Schlafschwierigkeiten gehabt habe. Ausserdem hätten es
die Vorfälle für sie in der ersten Zeit unmöglich gemacht, sich normal mit einem
Jungen zu unterhalten, geschweige denn mit ihm zusammen zu sein. Nach aus-
sen habe sie sich zwar nichts anmerken lassen, aber sie habe sehr viel Alkohol zu
sich nehmen müssen, um nicht ständig in negative Gedanken zu versinken. Seit
dem Ereignis sei sie ausserdem sehr nervös und fahrig geworden. X. muss sich
durch sein rücksichtsloses Verhalten ein schweres Verschulden an dieser Ver-
schlechterung des psychischen Zustands von O. anrechnen lassen. Anderseits ist
zu berücksichtigen, dass sich das Verhalten des Adhäsionsbeklagten zwar zwei-
fellos als aggressiv und rücksichtslos bezeichnen lässt, der Vergewaltigungsakt
erweist sich jedoch hinsichtlich Dauer und Intensität der Gewalteinwirkung indes
nicht als äusserst intensiv und besonders brutal. Es handelte sich zudem nicht um
wiederholte Vergewaltigungen, sondern um einen einmaligen Vorfall. Auch bei der



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sexuellen Nötigung und der Freiheitsberaubung ist es nicht zu einer übermässigen
Gewaltanwendung gekommen. Ein Vergleich mit verschiedenen Urteilen, in denen
Genugtuungen von Fr. 20'000.-- (die Adhäsionsklägerin beantragt eine Genugtu-
ung von Fr. 8'000.--, was einschliesslich der staatlichen Entschädigung eine Ge-
samtsumme von Fr. 20'000.-ergeben würde) ausgesprochen wurde, zeigt, dass
es sich hierbei entweder um wiederholte Vergewaltigungen über einen längeren
Zeitraum, um Vergewaltigungen unter Anwendung massiver Gewalt über mehrere
Stunden um sexuelle Handlungen mit Kindern handelte (Hütte/Ducksch,
a.a.O., Kapitel X/33, 1998 - 2000, ab Nr. 25).
In Würdigung aller Umstände sowie unter Berücksichtigung der sich in die-
sem Bereich entwickelten Praxis erachtet die Strafkammer des Kantonsgerichts
eine Genugtuungssumme für die erlittene immaterielle Unbill in der Höhe von
Fr. 12'000.--, wie sie vom Kantonalen Sozialamt Graubünden am 12. Dezember
2002 ausbezahlt wurde, als der Art und der Schwere der Verletzung, der Intensität
und der Dauer der Auswirkungen angemessen. Die Adhäsionsklage ist daher ab-
zuweisen.
11.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen die Untersuchungskos-
ten der Staatsanwaltschaft Graubünden, die Gerichtsgebühr sowie das Honorar
der amtlichen Verteidigung gestützt auf Art. 158 Abs. 1 StPO zu Lasten des Verur-
teilten. Die Kosten der angerechneten Polizeiund Untersuchungshaft sowie des
Strafvollzugs trägt der Kanton Graubünden (Art. 158 Abs. 3 StPO in Verbindung
mit Art. 188 StPO).



39


Demnach erkennt die Strafkammer :
1.
X. ist schuldig der sexuellen Nötigung gemäss Art. 189 Abs. 1 StGB, der
Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 StGB und der Vergewaltigung
gemäss Art. 190 Abs. 1 StGB.
2.
Dafür wird er bestraft mit 2 ½ Jahren Zuchthaus abzüglich der erstandenen
Untersuchungshaft von 86 Tagen.
3.
Die Adhäsionsklage wird abgewiesen.
4.
Die Kosten der Untersuchung von
Fr. 11'328.45
die Gerichtsgebühr von
Fr. 5'000.00
sowie die Kosten der amtlichen Verteidigung von
Fr. 17'999.75
insgesamt Fr.
34'328.20
gehen zu Lasten von X..
Die Kosten der Untersuchungshaft und des Strafvollzugs trägt der Kanton
Graubünden.
5.
Gegen dieses Urteil kann, sofern Verletzung eidgenössischen Rechts gel-
tend gemacht werden will, Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof
des schweizerischen Bundesgerichts geführt werden. Diese ist dem Bun-
desgericht innert 30 Tagen seit Zustellung der vollständigen Ausfertigung
des Entscheides in der in Art. 273 des Bundesgesetzes über die Bundes-
strafrechtspflege (BStP) vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Be-
schwerdelegitimation und die weiteren Voraussetzungen der Nichtigkeits-
beschwerde gelten die Art. 268 ff. BStP.
6. Mitteilung
an:
__
Für die Strafkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Präsident:
Die Aktuarin:


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