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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils BK-03-36: Kantonsgericht Graubünden

Der Beschwerdeführer X. wurde beschuldigt, Bestechungsgelder angenommen zu haben, was zu einer Strafunterbrechung führte. Nach einer Beschwerde vor der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts wurde die Kostenauflage reduziert, aber nicht vollständig aufgehoben. X. reichte daraufhin eine staatsrechtliche Beschwerde beim Schweizerischen Bundesgericht ein, die erfolgreich war. Das Bundesgericht hob die Kostenauflage auf und verpflichtete den Kanton Graubünden, X. für das Verfahren zu entschädigen. Der Richter in diesem Fall war Vizepräsident Bochsler, die Gerichtskosten betrugen insgesamt CHF 23'175.15, und die unterlegene Partei war männlich.

Urteilsdetails des Kantongerichts BK-03-36

Kanton:GR
Fallnummer:BK-03-36
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid BK-03-36 vom 10.09.2003 (GR)
Datum:10.09.2003
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Sich bestechen lassen und Annahme von Geschenken
Schlagwörter : Kanton; Kantons; Graubünden; Beschwerdekammer; Kantonsgericht; Entscheid; Verfahren; Verfahren; Recht; Geschenke; Staatsanwalt; Entschädigung; Bundesgericht; Geschenken; Untersuchung; Kantonsgerichts; Einstellung; Verfahrens; Verhalten; Staatsanwaltschaft; Annahme; Untersuchung; Verfahrens; Einstellungsverfügung; Bestechung; Franken; Verhaltens
Rechtsnorm:Art. 156 StPO ;Art. 315 StGB ;Art. 316 StGB ;Art. 9 BV ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Donatsch, Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich, 1996

Entscheid des Kantongerichts BK-03-36

Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni


Dretgira chantunala dal Grischun

Ref.:
Chur, 10. September 2003
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 03 36

Entscheid
Beschwerdekammer
Vizepräsident Bochsler, Kantonsrichter Heinz-Bommer und Rehli, Aktuar ad hoc Walder.
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
des X., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Schnyder, Hauptstrasse 94,
Schiers,
gegen
die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 1. Juli 2002, in Sachen gegen
den Beschwerdeführer,
betreffend Sich bestechen lassen und Annahme von Geschenken
(Kostenauflage),
hat sich ergeben:



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A. Die Bezirksanwaltschaft III (Wirtschaftsdelikte) für den Kanton Zürich führte ab 1999 ei-
ne Strafuntersuchung gegen den am 29. März 1935 geborenen griechischen Staatsbürger A. we-
gen mehrfachen Betrugs und wegen Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt
und Niederlassung der Ausländer. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden anlässlich einer im Mai
2000 durchgeführten Hausdurchsuchung Dokumente gefunden, aus welchen sich ergab, dass A.
zum Jahreswechsel 1997/98 unter anderem für X. und dessen Partnerin mehrere Übernachtungen
und Essen im „Hotel B.“ in C. bezahlt hatte. Im Laufe der Untersuchung traten weitere Vorteilsge-
währungen seitens A. und von diesem beherrschter Gesellschaften zu Gunsten von X. zutage.
Mit Schreiben vom 29. Juli 2000 unterbreitete die Bezirksanwaltschaft III die ermittelte
Sachlage der Staatsanwaltschaft Graubünden. Es wurde auf die anlässlich der Hausdurchsuchun-
gen aufgefundenen Dokumente hingewiesen, welche die von A. bezahlten Aufenthalte von X. und
Partnerin im „Hotel B.“ in C. vom Jahreswechsel 1997/98 belegten, und die Frage aufgeworfen, ob
auf Grund der Ermittlungsergebnisse gegen den Griechen ein Verfahren wegen des Verdachts auf
Bestechung und gegen X. ein solches wegen des Tatbestandes des Sich-bestechen-lassens ge-
mäss Art. 315 StGB sowie allenfalls wegen Annahme von Geschenken im Sinne von Art. 316
StGB geführt werden sollte. In der Folge fanden verschiedene Besprechungen zwischen der
Staatsanwaltschaft Graubünden und der Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich statt. Am 16. Juli
2001 erhob die letztere Strafanzeige gegen X. und am 20. Juli 2001 überwies die Staatsanwalt-
schaft Graubünden diese zur Durchführung des Ermächtigungsverfahrens an den Standespräsi-
denten zuhanden des Grossen Rates. Am 7. September 2001 beschloss der Grosse Rat, die straf-
rechtliche Immunität von X. wegen passiver Bestechung gemäss alt Art. 315 StGB und Annahme
von Geschenken gemäss alt Art. 316 StGB aufzuheben, worauf am 18. September 2001 eine Stra-
funtersuchung gegen diesen eröffnet wurde. Mit vom ausserordentlichen Staatsanwalt genehmig-
ter Verfügung vom 1. Juli 2002 stellte der ausserordentliche Untersuchungsrichter die Strafunter-
suchung gegen X. wieder ein; die Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 23'175.15 wurden hingegen
dem Angeschuldigten auferlegt. Gegen die in der Einstellungsverfügung enthaltene Kostenauflage
liess X. Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts einlegen mit dem Rechts-
begehren, es seien die amtlichen Kosten des Untersuchungsverfahrens dem Kanton Graubünden
aufzuerlegen, welcher zu verpflichten sei, ihm eine aussergerichtliche Entschädigung von Fr.
42'332.50 zu bezahlen. Mit Entscheid vom 11. September 2002 hiess die Beschwerdekammer des
Kantonsgericht die Beschwerde teilweise gut und reduzierte die dem Angeschuldigten überbunde-
nen Kosten des Untersuchungsverfahrens auf den Betrag von Fr. 18'560.65; im Übrigen wurde die
Beschwerde abgewiesen. Die Beschwerdekammer stellte sich auf den Standpunkt, der Ange-
schuldigte habe mit der Annahme von Geschenken gegen eine ungeschriebene Verhaltensnorm
verstossen. Die Bevölkerung erwarte von einem Regierungsmitglied ein besonders hohes Mass an
Korrektheit und Transparenz. Was auch nur entfernt auf die Möglichkeit hinweise, dass sich eine
Amtsperson Vorteile einräumen lasse, welche mit ihrer Stellung in Zusammenhang stehen könnte,
sei dem Bürger suspekt und erwecke in ihm den Verdacht, es könnte sich jemand durch solche
Zuwendungen ihm nicht zustehende Vorteile erkaufen. Wer dieses Prinzip missachte, riskiere,
dass gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet werde; er verstosse in klarer Weise gegen eine unge-
schriebene Verhaltensnorm der schweizerischen Rechtsordnung und handle folglich widerrecht-
lich. Der Beschwerdeführer habe mit der Entgegennahme von Geschenken in Form von luxuriösen
Diners und Ferienreisen klar gegen diese Norm verstossen und damit durch ein leichtfertiges Be-
nehmen Anlass zur Einleitung der Strafuntersuchung gegeben. Die Staatsanwaltschaft habe ihm



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daher zu Recht trotz Einstellung des Strafverfahrens die Verfahrenskosten auferlegt und ihm eine
Entschädigung für die durch die Untersuchung erlittenen Nachteile versagt.
B. X. reichte am 27. Januar 2003 gegen den Entscheid der Beschwerdekammer des Kan-
tonsgerichts staatsrechtliche Beschwerde beim Schweizerischen Bundesgericht ein. Er beantragte,
der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, soweit ihm die Kosten des Untersuchungsverfahrens
auferlegt und ihm keine Entschädigung zugesprochen worden sei; die Sache sei zur Neubeurtei-
lung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
Mit Urteil vom 14. August 2003 hiess die I. Öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesge-
richts die staatsrechtliche Beschwerde gut und hob den Entscheid der Beschwerdekammer des
Kantonsgerichts Graubünden vom 11. September 2002 auf. Es wurden keine Kosten erhoben,
hingegen wurde der Kanton Graubünden verpflichtet, den Beschwerdeführer für das bundesge-
richtliche Verfahren mit 2'500 Franken zu entschädigen.



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Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1. Das Bundesgericht hat ausgeführt, bei den Bestechungstatbeständen von Art. 315 und
Art. 316 aStGB gehe es um die Wahrung der Sachlichkeit und Objektivität des amtlichen Han-
delns, die in Frage gestellt seien, wenn sich ein Amtsträger als käuflich erweise. Der strafrechtliche
Schutz werde dabei insofern relativ weit vorverlegt, als schon die Annahme von Geschenken durch
den Amtsträger als solche unter Strafe stehe, selbst wenn sie nicht zu sachwidrigen Entscheidun-
gen führe führen soll. Sei aber bereits ein Verhalten unter Strafe gestellt, mit dem der An-
schein der Korruption erweckt werde, so bleibe entgegen der Ansicht des Kantonsgerichts kein
Raum mehr für eine ungeschriebene allgemeine Norm, die ein den Anschein der Bestechlichkeit
erzeugendes Verhalten als rechtswidrig erklären würde. Das Strafgesetz bestimme den Umfang
des rechtlichen Schutzes gegen Bestechlichkeit abschliessend; einen staatlichen Immoralitätsvor-
wurf ausserhalb der die Bestechung betreffenden Straftatbestände dürfe es nicht geben. Die Auf-
fassung des Kantonsgerichts, der Beschwerdeführer habe dadurch, dass er von A. die erwähnten
Leistungen entgegengenommen habe, zivilrechtlich schuldhaft und daher leichtfertig im Sinne von
Art. 156 Abs. 1 StPO gehandelt , sei sachlich nicht vertretbar und verletze Art. 9 BV. Ausserdem
werde in der Begründung des angefochtenen Entscheides zum Ausdruck gebracht, der Beschwer-
deführer habe mit der Entgegennahme der Geschenke gegen die Verhaltensnorm verstossen,
wonach ein Behördemitglied jeglichen Anschein von Bestechlichkeit zu vermeiden habe. Damit
werde zumindest indirekt der Eindruck erweckt, der Beschwerdeführer könnte allenfalls doch im
Sinne des Strafrechts schuldig sein, was mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung unvereinbar
sei. Ob dem Beschwerdeführer unter rein moralischen Gesichtspunkten ein Vorwurf zu machen
wäre, dass er die Geschenke entgegengenommen habe, könne offen bleiben, denn es sei nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichts unzulässig, einem nicht verurteilten Angeschuldigten
wegen eines allein unter ethischen und moralischen Gesichtspunkten vorwerfbaren Verhaltens
Kosten aufzuerlegen. Demnach ergebe sich, dass das Kantonsgericht das Willkürverbot und die
Unschuldsvermutung verletze, indem es angenommen habe, die Staatsanwaltschaft habe die
Überbindung der Kosten der eingestellten Strafuntersuchung an den Beschwerdeführer dem
Grundsatz nach zu Recht bejaht. Sei die Kostenauflage bei Freispruch Einstellung des Ver-
fahrens unzulässig, so gehe es auch nicht an, bei gleichem Verfahrensausgang dem Angeschul-
digten eine Entschädigung zu verweigern, wenn an sich die Voraussetzungen hiefür gegeben sei-
en. Demzufolge sei der Entscheid des Kantonsgerichts auch insoweit verfassungswidrig, als ange-
nommen werde, der Beschwerdeführer habe grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Entschädi-
gung. Zur Frage, ob Voraussetzungen vorliegen, die einem solchen Anspruch ausnahmsweise
entgegenstehen, nimmt das Bundesgericht nicht Stellung und solche sind auch nicht ersichtlich.
2.a) Nach den oben geschilderten Ausführungen des Bundesgerichts hat die Staatsan-
waltschaft dem Beschwerdeführer zu Unrecht die Kosten der eingestellten Strafuntersuchung auf-
erlegt. Die Ziffer 2 der angefochtenen Einstellungsverfügung vom 1. Juli 2002 ist daher aufzuhe-
ben und es sind die Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 23'175.15 dem Kanton Graubünden zu
belasten, der auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.
b) Dem Urteil des Bundesgerichts zufolge darf dem Beschwerdeführer auch keine Ent-
schädigung für die durch das Strafverfahren erlittenen Nachteile verweigert werden. Es ist X. folg-



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lich eine aussergerichtliche Entschädigung zuzusprechen. Der Rechtsvertreter des Beschwerde-
führers hat am 15. April 2002 eine detaillierte Kostennote eingereicht. Der darin aufgelistete Zeit-
aufwand erscheint ausgewiesen und gibt zu keinen Korrekturen Anlass. Der geltend gemachte
Betrag von Fr. 42'332.53 umfasst den Aufwand für das Verfahren bis zum Abschluss der Strafun-
tersuchung. In der Honorarnote hingegen nicht enthalten sind die Bemühungen im Zusammen-
hang mit dem Verfahren vor der Beschwerdekammer. Für die ihm durch das Verfassen der Be-
schwerdeschrift entstandenen Aufwendungen ist X. daher zusätzlich zu entschädigen, wobei der
Zeitaufwand seines Rechtsvertreters für diese Arbeit ungefähr jenem entsprechen dürfte, der für
den Weiterzug des Entscheides der Beschwerdekammer an das Schweizerische Bundesgericht
entstanden ist. Nachdem dieses für die staatsrechtliche Beschwerde eine Entschädigung von
2'500 Franken für angemessen erachtete, dürfte ein Betrag in dieser Grössenordnung auf für das
kantonale Beschwerdeverfahren angebracht sei. Es wird dem Beschwerdeführer daher pauschal
eine Entschädigung von 45'000 Franken zugesprochen.



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Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Ziffer 2 der Einstellungsverfügung vom 1. Juli
2002 aufgehoben.
2. Die Kosten der Strafuntersuchung von Fr. 23'175.15 sowie die Kosten des Beschwerdever-
fahrens von Fr. 1'200.-gehen zu Lasten des Kantons Graubünden.
3. Der Kanton Graubünden hat den Beschwerdeführer zudem aussergerichtlich mit insgesamt
45'000 Franken zu entschädigen.
4. Mitteilung an:
__



Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident

Der Aktuar ad hoc


Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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