ZK 2008 353 - Art. 153 Abs. 4 ZPO, Art. 75 ZGB, Klagefrist
APH 08 353, publiziert März 2009
Urteil der 1. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern,
unter Mitwirkung von Oberrichterin Pfister Hadorn, Oberrichter Kunz und Oberrichterin Lüthy-Colomb sowie Kammerschreiberin Wehren
vom 30. Oktober 2008
in der Streitsache zwischen
A.
vertreten durch Rechtsanwalt Z
Klägerin/Appellantin
und
B.
vertreten durch Fürsprecher X
Beklagte/Appellatin
Regeste:
1) Art. 153 Abs. 4 ZPO, Art. 75 ZGB, Klagefrist
2) Die Fürsorgepflicht des Gerichts kann nicht so weit gehen, dass eine anwaltlich vertretene Partei auf geltende bundesrechtliche Verwirkungsfristen auf allfällige Besonderheiten des bernischen Zivilprozessrechts hingewiesen wird. Die Vorinstanz war daher nicht verpflichtet, den Voranwalt der Klägerin anlässlich des Aussöhnungsversuchs auf die bei der Anfechtung von Vereinsbeschlüssen geltende kürzere einmonatige Frist zur Klageanhebung hinzuweisen. Bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte der Voranwalt der Klägerin mindestens im Sinne einer Grobkontrolle die bernische Zivilprozessordnung und dabei insbesondere Art. 153 Abs. 4 ZPO konsultieren müssen, selbst wenn die Aussöhnungsrichterin anlässlich der Aussöhnungsverhandlung statt der vorliegend geltenden einmonatigen Klagefrist die ordentliche sechsmonatige Klagefrist gemäss Art. 153 Abs. 3 ZPO genannt hätte. Dies gehört zur anwaltlichen Sorgfaltspflicht. Gerade ein ausserkantonal tätiger Anwalt hat ein besonderes Augenmerk auf die im jeweiligen Kanton anwendbare Zivilprozessordnung zu richten. Es ist nicht Sache des Gerichts, die Qualität der Anwälte zu beurteilen.
Da Art. 153 Abs. 4 ZPO sowie Art. 75 ZGB klar und unmissverständlich formuliert sind, hätte der Voranwalt der Klägerin bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit erkennen müssen, dass die Klage innerhalb eines Monats seit Erhalt der Klagebewilligung hätte angehoben werden müssen. Sein Verhalten ist der Klägerin zuzurechnen, welche aus den erwähnten Gründen keinen Vertrauensschutz geniesst. Art. 153 Abs. 4 ZPO ist weder überspitzt formalistisch noch im Vergleich zu anderen kantonalen Zivilprozessordnungen überraschend. Demnach besteht kein Raum für eine Notfrist. Die Klage wurde abgewiesen, da die bundesrechtliche Verwirkungsfrist nicht gewahrt war.
Redaktionelle Vorbemerkungen:
Die Beklagte ist ein Verein, der insbesondere die Wahrung der kynologischen Interessen in der Schweiz sowie die Förderung des Rassehundes bezweckt. Die Beklagte verhängte gegen die Klägerin, welche Hunde züchtet und Mitglied im entsprechenden Rasseklub ist, am 26. Mai 2004 eine Eintragungssperre wegen Zuchtvergehen. Während dieser Eintragungssperre fanden bei der Klägerin zwei Würfe mit insgesamt 13 Hunden statt. Aufgrund der zwei Würfe während der Eintragungssperre verhängte die Beklagte am 10. März 2005 eine zweijährige Eintragungssperre. Der hiergegen erhobene Rekurs der Klägerin wurde vom Verbandsgericht, mithin von der Beklagten, am 17. Oktober 2005 abgewiesen. Daraufhin reichte die Klägerin mit Eingabe vom 17. November 2005 eine schriftlich begründete Klageschrift beim Gerichtskreis VIII Bern-Laupen ein und bezifferte den Schaden auf richterliche Aufforderung hin am 10. März 2006 auf Fr. 137'850.00. Mit Verfügung vom 16. März 2006 wies die Vorrichterin die Seiten 3 bis 8 der Rechtsschrift, d.h. die Klagebegründung, aus den Akten und nahm die Eingabe als Begehren um Ladung zum Aussöhnungsversuch entgegen. Am 11. April 2006 wies die Vorrichterin das von der Klägerin am 10. März 2006 gestellte Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen mangels hinreichender Begründung ab. Anlässlich des Aussöhnungsversuchs vom 7. Juni 2006 wurde der Klägerin die Klagebewilligung erteilt. Die Klägerin, die ab 6. Oktober 2006 nunmehr durch einen anderen Anwalt vertreten war, reichte am 6. Dezember 2006 unter anderem unter Beilage der Klagebewilligung die schriftlich begründete Klage beim Gerichtskreis VIII Bern-Laupen ein. Die Vorrichterin beschränkte das Verfahren mit Verfügung vom 22. Mai 2007 auf die Frage der Verwirkung der Klagefrist. Mit Urteil vom 8. Januar 2008 wurde die Klage abgewiesen.
Auszug aus den Erwägungen:
I.
( )
II.
( )
III.
( )
B. Rechtliches
1. Nachdem das vorliegende Verfahren auf die Frage der Verwirkung der Klagefrist beschränkt wurde, ist vorliegend nicht zu prüfen, ob der Entscheid des Verbandsgerichts vom 17. Oktober 2005 korrekt war nicht. Zu prüfen ist einzig, ob die Klagefrist eingehalten wurde nicht. In rechtlicher Hinsicht kann diesbezüglich auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz ( ) verwiesen werden. Ergänzend ist das Folgende anzufügen:
2. In der Regel ist in ordentlichen Zivilverfahren ein Sühnversuch obligatorisch (vgl. Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Auflage, Bern 2006, § 12 N 9). Es wird ein Sühneausweis ausgestellt, welcher eine beschränkte zeitliche Gültigkeit hat, und somit innert einer bestimmten Frist einzureichen ist, was vor allem für die Einhaltung der bundesrechtlichen Verwirkungsfrist (vgl. hierzu insbesondere die in ZGB 75, 521, 533; OR 273 I-III, 706a I sowie im SchKG erwähnten Klagefristen) von Bedeutung ist (Vogel/Spühler, a.a.O., § 12 N 21, 23 und 27). Die bundesrechtliche Verwirkungsfrist wird falls nach kantonalem Recht eine Sühnverhandlung durchzuführen ist eingehalten, wenn der Kläger die Klage nach kantonalem Recht beim Sühnbeamten eingeleitet hat und wenn er den Streit innert der gesetzlich bestimmten Gültigkeitsdauer des Sühnausweises nach Abschluss des Sühnverfahrens vor den urteilenden Richter gebracht hat (Vogel/Spühler, a.a.O., § 12 N 21, 24a, 26 und 27).
Im Kanton Bern ist im ordentlichen Verfahren vor dem Einreichen der Klage ein Aussöhnungsversuch durch den Gerichtspräsidenten desjenigen Kreises, wo die örtliche Zuständigkeit gegeben ist, abzuhalten (Art. 144 Abs. 1 ZPO). Der Aussöhnungsversuch ist somit der Versuch, die Parteien vor Einreichung der Klage (ausserhalb des eigentlichen Prozessverfahrens) unter richterlicher Leitung gütlich zu einigen (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Auflage, Bern 2000, N 1a zu Art. 144 ZPO). Der Aussöhnungsversuch begründet keine Rechtshängigkeit, denn diese tritt erst mit der Einreichung der Klageschrift ein (vgl. Art. 160 ZPO; Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O., N 1a und 1b zu Art. 144 ZPO). Das Ladungsbegehren zum Aussöhnungsversuch unterbricht die Klagefrist (Art. 144 Abs. 2 ZPO). Ein Ladungsbegehren wahrt eine Verwirkungsfrist somit nur bedingt. Erst wenn nach Erteilung der Klagebewilligung die Klage innert der in Art. 153 Abs. 3 bzw. Abs. 4 ZPO statuierten Frist eingereicht wird, bleibt die Verwirkungsfrist gewahrt (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O., N 3 zu Art. 144 ZPO). Gemäss Art. 153 Abs. 4 ZPO wird die Klagefrist in Streitigkeiten über Ansprüche, für welche eine kürzere als die ordentliche sechsmonatige Verwirkungsfrist gilt, auf die Dauer der entsprechenden Verwirkungsfrist verkürzt. Unter Art. 153 Abs. 4 ZPO fallen somit Verwirkungsfristen, deren Dauer das Gesetz selber festlegt, mithin insbesondere die in Art. 75 ZGB erwähnte einmonatige Klagefrist (vgl. Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O. N 4 zu Art. 153 ZPO).
Nachdem es sich vorliegend um die Anfechtung eines Vereinsbeschlusses gemäss Art. 75 ZGB handelt, gilt die verkürzte, gemäss Art. 75 ZGB einmonatige Klagefrist entsprechend der gesetzlichen Regelung von Art. 153 Abs. 4 ZPO. Die einmonatige Klagefrist von Art. 75 ZGB wird gewahrt, wenn das Ladungsgesuch zum Aussöhnungsversuch innerhalb eines Monats seit Kenntnisnahme des Beschlusses eingereicht wird, sofern die Klage danach innerhalb eines Monats nach Erhalt der Klagebewilligung angehoben wird. Wird die einmonatige Klagefrist nicht eingehalten, muss die Klage abgewiesen werden (Honsell/Vogt/Geiser, Zivilgesetzbuch I, Basler Kommentar, 3. Auflage, Basel 2006, N 22 zu Art. 75 ZGB).
3. Die Vorrichterin hätte die Möglichkeit gehabt, die Klageschrift vom 17. November 2005 als solche entgegenzunehmen, doch hätte dann der Aussöhnungsversuch im Sinne eines verbesserlichen Fehlers nachgeholt werden müssen (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O., N 3 zu Art. 144 ZPO). Dies Variante wäre indessen nur möglich gewesen, wenn die Vorinstanz den Fehler erst nach der Zustellung der Klage an die Beklagte festgestellt hätte. Die Vorinstanz hat den Fehler aber bereits vor der Zustellung der Klage erkannt. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, den Kläger vorerst formlos und sodann unter Ansetzung einer Frist zur Verbesserung der Klage einzuladen (Art. 162 ZPO; Leuch/Marbach/ Kellerhals/Sterchi, a.a.O. N 5a zu Art. 161 ZPO). Gemäss Art. 163 Abs. 1 ZPO wird bei neuer Einreichung der verbesserten Klage innert 30 Tagen seit Rückzug Rückweisung der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit auf den Tag der ersten Klageeinreichung zurückbezogen. Ein fehlender Aussöhnungsversuch führt nur dann zur Rückweisung, wenn der Kläger erfolglos zur Stellung eines Ladungsgesuchs aufgefordert wurde (Art. 145 Abs. 2 ZPO; Leuch/Marbach/ Kellerhals/Sterchi, a.a.O., N 7 zu Art. 145 ZPO; ZBJV 92 30f.). Sodann bestand die Möglichkeit, die Klageschrift als Ladungsbegehren zum Aussöhnungsversuch entgegenzunehmen und die Klagebegründung aus den Akten zu weisen.
Vorliegend entschied sich die Vorrichterin, die den Fehler des Voranwalts der Klägerin bereits vor der Zustellung der Klageschrift an die Beklagte erkannt hatte, für den korrekten und prozessökonomischsten Weg, indem sie die Klägerin in der Verfügung vom 16. März 2006 auf die Notwendigkeit der Durchführung eines Aussöhnungsversuchs hinwies, mitteilte, dass die Klagebewilligung eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klageerhebung darstellt, die Klage vom 17. November 2005 als Ladungsbegehren zum Aussöhnungsversuch entgegen nahm, die Klagebegründung (S. 3 - 8) aus den Akten wies und dies gegenüber dem Voranwalt der Klägerin auch klar kommunizierte. Insbesondere verwies die Vorrichterin in der erwähnten Verfügung auch auf Art. 144 (Pflicht zum Aussöhnungsversuch) und 161 ZPO (Vorgehen bei Fehlen des Aussöhnungsversuchs) sowie auf den bernischen Kommentar zur Zivilprozessordnung von Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi. Der Voranwalt der Klägerin focht diese Verfügung nicht an. Er hätte schliesslich auch im Einverständnis mit der Gegenpartei auf die Durchführung eines Aussöhnungsversuchs verzichten können (Art. 145 Abs. 1 lit. c ZPO). Stattdessen wurde das Aussöhnungsverfahren durchgeführt und die Klagebewilligung am 7. Juni 2006 erteilt. Innert wenigen Tagen hätte die ursprüngliche Klageschrift allenfalls leicht verändert - nunmehr neu eingereicht werden können. Es wäre somit kein Problem gewesen, die Klagefrist von einem Monat einzuhalten. Die Klage wurde indessen erst am 6. Dezember 2006 eingereicht.
Zu erwähnen ist sodann, dass die Vorrichterin auch im Verfahren um Erlass einer einstweiligen Verfügung ( ) im Rubrum der Verfügung vom 11. April 2006 klar festhielt, dass es sich um eine einstweilige Verfügung ausser Prozess handelt. Damit ist klar, dass das Verfahren eben noch nicht rechtshängig war, was die Vorrichterin auf Seite 4 der Verfügung nochmals ausdrücklich ausführte. In der erwähnten Verfügung hielt die Vorrichterin sodann fest, dass das Verfahren des Aussöhnungsversuchs ein rein mündliches Verfahren sei und keine Schriftsätze enthalten könne bzw. die Klageschrift vom 17. November 2005 aus den Akten gewiesen worden sei, weshalb der Verweis der Klägerin auf die Begründung ohne Inhalt bleibe und das Gesuch damit nicht begründet sei ( ). Die fragliche Rechtsschrift befinde sich aus prozessrechtlichen Gründen nicht in den Akten ( ).
Der Voranwalt der Klägerin wurde somit in den Verfügungen vom 16. März 2006 sowie vom 11. April 2006 ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines Aussöhnungsversuchs bzw. einer Klagebewilligung, die Rechtshängigkeit, die Klageeinreichung, die Tatsache, dass sich die Klagebegründung aus prozessrechtlichen Gründen nicht mehr in den Akten befindet sowie auf die anwendbaren Bestimmungen der bernischen Zivilprozessordnung hingewiesen. Zudem zitierte die Vorrichterin die massgeblichen Stellen im bernischen Kommentar zur Zivilprozessordnung.
4. Vertrauensschutz
Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden (Art. 9 BV). Ob eine Rechtsmittelbelehrung begründetes Vertrauen erweckt, bemisst sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (BGE 5A_139/2008). Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Vertrauensschutz bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung ist konstant und unbestritten. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darf dem Rechtssuchenden aus einer unklaren widersprüchlichen gesetzlichen Rechtsmittelordnung bzw. aus einer unrichtigen missverständlichen Rechtsmittelbelehrung der Behörde kein Rechtsnachteil erwachsen (BGE 112 Ia 310, 117 Ia 119, 134 I 202). Vertrauensschutz geniesst nur, wer die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung nicht kennt und auch bei gebührender Aufmerksamkeit nicht hätte erkennen können (BGE 112 Ia 310, 134 I 203). Der Private geniesst gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung somit keinen Vertrauensschutz, wenn er sein Anwalt die Mängel der Belehrung allein schon durch die Konsultierung des massgebenden Gesetzestextes (darunter fallen auch die Verfahrensbestimmungen) hätten erkennen können (BGE 106 Ia 18; 112 Ia 305, 117 Ia 125 mit Hinweis auf BGE 116 Ib 146; 117 Ia 422, 134 I 203; BGE 4A_94/2008; 5A_139/2008; 5A_33/2008; 5P.195/2006). So ist das Bundesgericht insbesondere in BGE 5A_33/2008 auf eine Beschwerde in Zivilsachen zufolge Verspätung nicht eingetreten, obschon die Vorinstanz in ihrer Rechtsmittelbelehrung statt der bei HEntfÜ-Fällen geltenden 10-tägigen Frist die 30-tägige Beschwerdefrist nannte. Nach Auffassung des Bundesgerichts hätte der Anwalt aufgrund von Art. 100 Abs. 2 lit. c BGG erkennen können, dass die 10-tägige Beschwerdefrist galt. In BGE 4P.302/2006 hielt das Bundesgericht fest, die Frage, ob der Obergerichtspräsident eine Auskunft betreffend Notwendigkeit der Durchführung eines Aussöhnungsversuchs erteilt habe, könne offen gelassen werden, da die anwaltlich vertretene Partei die Unrichtigkeit der Auskunft bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Vom Juristen wird demgemäss eine „Grobkontrolle“ der Rechtsmittelbelehrung verlangt (BGE 117 Ia 125). Der Vertrauensschutz greift aber auch bei einer anwaltlich vertretenen Partei - dort, wo neben dem Gesetzestext auch Literatur Rechtssprechung nachgeschlagen werden muss, um den Fehler in der Rechtsmittelbelehrung mit Sicherheit feststellen zu können (BGE 106 Ia 18). Es wird somit (auch von einem Anwalt) nicht verlangt, dass neben den Gesetzestexten auch noch die einschlägige Literatur Rechtsprechung nachgeschlagen wird (BGE 112 Ia 310, 117 Ia 422, 134 I 203).
Von einem (kantonalen ausserkantonalen) Rechtsanwalt kann somit verlangt werden, dass er die entsprechenden Gesetzesbestimmungen konsultiert, insbesondere nachdem er von der Vorrichterin nochmals ausdrücklich auf die anwendbaren Bestimmungen aufmerksam gemacht wurde. Wenngleich Art. 153 Abs. 4 ZPO/BE nicht ausdrücklich auf Art. 75 ZGB verweist, ist doch aus der Formulierung von Art. 153 Abs. 4 ZPO/BE deutlich ersichtlich, dass in Streitigkeiten, welche eine kürzere als die sechsmonatige Klagefrist vorsehen, nicht die ordentliche Klagefrist von sechs Monaten, sondern eben die auf die Dauer der entsprechenden Verwirkungsfrist verkürzte Klagefrist gilt. Art. 75 ZGB sieht gerade eine derartige verkürzte Klagefrist vor, denn Vereinsbeschlüsse (d.h. sämtliche Entscheide aller Vereinsorgane, Honsell/Vogt/Geiser, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 3. Auflage, Basel 2006, N 3 zu Art. 75 ZGB), die das Gesetz die Statuten verletzen, können gemäss der klaren und unmissverständlichen Formulierung des Art. 75 ZGB von einem Mitglied, das dem Beschluss nicht zugestimmt hat, binnen Monatsfrist seit Kenntnisnahme beim Gericht angefochten werden. Bei dieser Frist handelt es sich um eine bundesrechtliche Verwirkungsfrist (BGE 132 III 508), wenngleich Art. 75 ZGB nicht diese Terminologie verwendet. Klagefristen stellen nämlich immer Verwirkungsfristen dar und sind auch nicht verlängerbar.
Da Art. 153 Abs. 4 ZPO sowie Art. 75 ZGB klar und verständlich formuliert - und damit nicht interpretationsbedürftig sind, war ein Blick in die entsprechende Kommentierung (auf welche die Vorrichterin im Übrigen verwiesen hatte) sowie in die Rechtsprechung des Obergerichts des Kantons Bern, welches sich im Übrigen bereits verschiedentlich zur Klagefrist geäussert hat (vgl. Entscheid I. ZK Nr. 246/65 vom 8. Februar 1966 betreffend Verwirkung der Klagefrist beim Bauhandwerkerpfandrecht [veröffentlicht in ZBJV 1968 Nr. 104 S. 484f.]; Nr. A 85/98 vom 11. Mai 1998 betreffend Klagefrist bei der Kollokationsklage; Entscheid II. ZK Nr. 570/II/90 vom 18. Dezember 1990 betreffend 30-tägiger Klagefrist und Vertrauensschutz), nicht erforderlich um die Normen richtig anwenden zu können. Der Voranwalt hätte daher falls die Aussöhnungsrichterin ihn tatsächlich auf eine sechsmonatige Klagefrist hingewiesen hätte bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit bzw. einer Grobkontrolle erkennen müssen, dass im vorliegenden Fall nicht die sechsmonatige Klagefrist gemäss Art. 153 Abs. 3 ZPO, sondern die auf einen Monat verkürzte Klagefrist gemäss Anwendung findet (Art. 153 Abs. 4 ZPO i.V.m. Art. 75 ZGB). Er hätte sich daher nicht einfach auf die „Rechtsbelehrung“ der Vorrichterin verlassen dürfen, sondern die Richtigkeit der Auskunft mittels Konsultation des Gesetzestextes nachprüfen müssen (vgl. ZBJV 1998 Bd 104 S. 486). Demnach kann offen bleiben, ob die Aussöhnungsrichterin anlässlich der Aussöhnungsverhandlung tatsächlich eine sechsmonatige Klagefrist erwähnte (vgl. hierzu insbesondere BGE 4P.302/2006). ( ) Ein Anwalt hat das Gesetz zu kennen.
Beim von der Klägerin zitierten Entscheid der 2. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 18. Dezember 1990 im Verfahren Nr. 570/II/90 handelt es sich um einen Einzelfall. Die 2. Zivilkammer hielt im besagten Entscheid fest, dass der Kläger beim Aussöhnungsversuch vom Gerichtspräsidenten irrtümlich auf die ordentliche Klagefrist von 6 Monaten statt auf die gesetzliche Klagefrist von 30 Tagen (Art. 12 Abs. 3 GLB; BSG 215.124.1) hingewiesen worden sei. Der Kläger hatte den Anwalt erst rund 3,5 Monate nach dem Aussöhnungsversuch aufgesucht, weshalb er den Irrtum nicht bemerkt hatte und - nach damaliger Auffassung der Kammer - nach den Umständen auch nicht hätte erkennen können, da dem Kläger das Nachschauen im entsprechenden Gesetz nichts geholfen hätte, weil auch die Zivilprozessordnung hätte konsultiert werden müssen. Die oben zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung unterscheidet nicht zwischen Bestimmungen des materiellen und des formellen Rechts (vgl. hierzu insbesondere BGE 4A_94/2008, gemäss welchem keinen Vertrauensschutz geniesst, wer den Mangel allein schon durch die Konsultierung der massgeblichen Verfahrensbestimmung hätte erkennen können). Sowohl einem Privaten als auch einem Anwalt wird damit nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung zugemutet, dass der massgebliche Gesetzestext - und damit auch die entsprechende verfahrensrechtliche Bestimmung konsultiert wird (BGE 106 Ia 18; 112 Ia 305, 117 Ia 125 mit Hinweis auf BGE 116 Ib 146; 117 Ia 422, 134 I 203; BGE 4A_94/2008; 5A_139/2008; 5A_33/2008; 5P.195/2006). Aus diesem Grund ist der Entscheid der 2. Zivilkammer vom 18. Dezember 1990 als überholt zu betrachten.
Von einem (kantonalen aber auch ausserkantonalen) Anwalt kann daher verlangt werden, dass er die anwendbaren Bestimmungen, insbesondere die im ZGB ausdrücklich und unmissverständlich erwähnten Klagefristen wie diejenige in Art. 75 ZGB sowie die anwendbaren Bestimmungen der bernischen Zivilprozessordnung, d.h. insbesondere Art. 153 Abs. 4 ZPO, kennt und den klar und verständlich formulierten Art. 153 Abs. 4 ZPO sowie Art. 75 ZGB korrekt anwendet. Dass der Voranwalt der Klägerin Art. 75 ZGB, mithin insbesondere die geltende einmonatige Klagefrist, im Übrigen sogar kannte, ist aus Ziff. 2 seiner Klage vom 17. November 2005 ersichtlich, in welcher er hierzu Ausführungen macht. Dementsprechend geniesst die anwaltlich vertretene Klägerin keinen Vertrauensschutz.
5. Richterliche Fürsorgepflicht
Gemäss Art. 89 Abs. 1 ZPO handelt der Richter von Amtes wegen, soweit er nicht auf den Antrag einer Partei verwiesen ist. Nur was rechtzeitig behauptet worden ist, kann die Grundlage für das Urteil darstellen. Der Richter soll aber auf fehlerhafte und unvollständige Rechtsbegehren, gegebenenfalls auf die Möglichkeit einer Klageänderung aufmerksam machen, wobei die Hilfestellung gegenüber Rechtsunkundigen weiter gehen darf als gegenüber Rechtskundigen anwaltlich vertretenen Parteien. Dabei ist jedoch stets darauf zu achten, dass nicht der Anschein einer Befangenheit entsteht (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O. N 2b zu Art. 89 ZPO). Der Richter ist insbesondere nicht verpflichtet, einen überhaupt nicht substantiierten Anspruch einen einzelnen Standpunkt von Amtes wegen abzuklären. Er soll führen, anregen, fragen und helfen, muss aber nicht die offenkundig mangelnde Sorgfalt einer Partei korrigieren. Eine Unsorgfältige Prozessführung darf deshalb den Verlust des Anspruchs nach sich ziehen (BGE 108 II 340, 115 II 190, Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O. N 2d zu Art. 89 ZPO).
Entgegen der Auffassung der Klägerin war sie in jeder Phase des gerichtlichen Verfahrens und damit insbesondere auch zum Zeitpunkt des Aussöhnungsversuchs anwaltlich vertreten, wenngleich dem Voranwalt einzelne Fehler unterlaufen sind. Es ist nicht Sache des Gerichts, die Qualität der Anwälte zu überprüfen. Die Fürsorgepflicht des Gerichts kann daher nicht so weit gehen, dass eine anwaltlich vertretene Partei auf geltende bundesrechtliche Verwirkungsfristen auf allfällige Besonderheiten des bernischen Zivilprozessrechts hingewiesen wird.
Die Vorrichterin hat dem Voranwalt der Klägerin in ihren Verfügungen vom 16. März 2006 sowie vom 11. April 2006 hinreichende Hilfestellung geleistet, indem sie ihn ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines Aussöhnungsversuchs bzw. einer Klagebewilligung, die Rechtshängigkeit, die Klageeinreichung, die Tatsache, dass sich die Klagebegründung aus prozessrechtlichen Gründen nicht mehr in den Akten befindet sowie auf die anwendbaren Bestimmungen der bernischen Zivilprozessordnung hingewiesen hatte. Eine weitergehende Fürsorgepflicht würde dem Grundsatz der Waffengleichheit und damit Art. 29 Abs. 1 BV widersprechen. Dementsprechend war die Vorrichterin anlässlich des Aussöhnungsversuchs nicht verpflichtet, den Voranwalt der Klägerin auf die vorliegend geltende einmonatige Klagefrist hinzuweisen.
6. Überraschungsklausel
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die bernische Bestimmung in Art. 153 ZPO auch nicht aussergewöhnlich. Ein Sühnausweis bzw. eine Klagebewilligung hat stets eine beschränkte zeitliche Gültigkeit (Vogel, a.a.O., N 21, 23 und 27). Zu erwähnen sind diesbezüglich insbesondere die Zivilprozessordnungen der Kantone Zürich, Thurgau, Aargau, Zug und Solothurn, welche allesamt eine beschränkte und teilweise im Vergleich zum Kanton Bern sogar kürzere Gültigkeitsdauer für die Klagebewilligungen vorsehen (vgl. § 101 ZPO/ZH: generell drei Monate, § 125 ZPO/TG: 30 Tage, § 150 ZPO/AG: drei Monate, § 78 ZPO/ZG: 60 Tage, Art. 82 ZPO/GL: 20 Tage; § 122 Abs. 2 ZPO/SO: 6 Monate, es sei denn, es bestünden kürzere Klagefristen; Art. 26 ZPO/GL: ordentliche Frist 60 Tage, Ausnahme Bauvorhaben 20 Tage; § 90 ZPO/SZ: ordentliche Frist 2 Monate, beschleunigte Verfahren 1 Monat). Unüblich ist sodann ebenso wenig, dass die Gültigkeitsdauer der Klagebewilligungen bzw. Friedensrichterscheine von bundesrechtlichen Klagefristen abhängt. Gerade im Kanton Solothurn wird die Gültigkeitsdauer des Friedensrichterscheines, welche im Normalfall 6 Monate beträgt, auf die allenfalls geltende kürzere Klagefrist verkürzt (vgl. § 122 Abs. 2 ZPO/SO). Diese solothurnische Bestimmung entspricht inhaltlich der Regelung in Art. 153 Abs. 3 und 4 der bernischen Zivilprozessordnung. Auch Art. 26 ZPO/GL (ordentliche Frist 60 Tage, Ausnahme Bauvorhaben 20 Tage) sowie § 90 ZPO/SZ (ordentliche Frist 2 Monate, beschleunigte Verfahren 1 Monat) enthalten eine ähnliche Regelung. Unterschiedliche Klagefristen sind demnach auch ausserhalb der einfachen und raschen bzw. beschleunigten Verfahren keine Seltenheit und somit für einen Anwalt auch nicht überraschend.
Ob die Anwendung von Art. 153 Abs. 4 ZPO Gegenstand der bernischen Fürsprecherprüfungen war nicht, ist nicht von Belang. Die Einhaltung von Fristen ist für Anwälte enorm wichtig, weshalb es nicht erstaunen würde, wenn die Fürsprecherkandidaten mit einem Anwendungsfall von Art. 153 Abs. 4 ZPO konfrontiert worden wären. Dies sagt aber nichts über die Verständlichkeit der fraglichen Bestimmung aus. Ebenso wenig relevant ist die Frage, ob bereits ein bernischer Fürsprecher über die kürzere Klagefrist gestrauchelt ist. Auch einem Anwalt passieren ab und zu Fehler. Das Verpassen von Fristen stellt denn auch geradezu den Standardfall bei Haftpflichtprozessen dar. Das unsorgfältige Handeln eines Anwalts geniesst jedoch keinen Vertrauensschutz.
7. Überspitzter Formalismus
Überspitzter Formalismus ist eine besondere Form der Rechtsverweigerung. Eine solche liegt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (BGE 112 Ia 308 mit Hinweis auf BGE 108 Ia 107). Werden Formvorschriften strikte gehandhabt, ohne dass sie durch schutzwürdige Interessen gerechtfertigt sind und somit zum Selbstzweck werden, und wird dadurch die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert verhindert, so ist ein überspitzter Formalismus zu bejahen (BGE 112 Ia 308). Das Bundesgericht hat das Vorliegen eines überspitzten Formalismus in BGE 112 Ia 309, 310 bejaht und festgehalten, dass das Verwaltungsgericht nach kantonalem Recht verpflichtet gewesen wäre, dem ausserkantonalen Anwalt eine kurze Nachfrist zur Beibringung der bündnerischen Berufsausübungsbewilligung und damit zur Behebung des Formmangels anzusetzen. Dieser Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Art. 153 Abs. 4 ZPO/BE hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Hinderung der Durchsetzung des materiellen Rechts zum Zweck. Durch die Regelung von Art. 153 Abs. 4 ZPO/BE wird die in Art. 75 ZGB vorgesehene einmonatige Klagefrist denn auch nicht verkürzt, sondern sogar verlängert, weshalb nicht von einem überspitzten Formalismus gesprochen werden kann.
8. Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass dem Voranwalt der Klägerin anhand der Verfügungen vom 16. März 2006 und 11. April 2006 bekannt war, dass sich die in der Klageschrift vom 17. November 2005 enthaltene Begründung ( ) nicht mehr in den Akten befand. Spätestens nach Erhalt der erwähnten Verfügungen, in welchen ihn die Vorrichterin über die Notwendigkeit eines Aussöhnungsversuchs bzw. einer Klagebewilligung, die Rechtshängigkeit, die Klageeinreichung, die Tatsache, dass sich die Klagebegründung aus prozessrechtlichen Gründen nicht mehr in den Akten befindet sowie auf die anwendbaren Bestimmungen der bernischen Zivilprozessordnung hingewiesen hatte, war er vorgewarnt und hätte sich zwingend mit den einschlägigen Bestimmungen des bernischen Zivilprozessrechts beschäftigen müssen. Bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte der Voranwalt der Klägerin mindestens im Sinne einer Grobkontrolle die bernische Zivilprozessordnung und dabei insbesondere Art. 153 Abs. 4 ZPO konsultieren müssen, selbst wenn die Aussöhnungsrichterin anlässlich der Aussöhnungsverhandlung eine (sechsmonatige) Klagefrist genannt hätte. Dies gehört zur anwaltlichen Sorgfaltspflicht. Gerade ein ausserkantonal tätiger Anwalt hat ein besonderes Augenmerk auf die im jeweiligen Kanton anwendbare Zivilprozessordnung zu richten.
Da Art. 153 Abs. 4 ZPO sowie Art. 75 ZGB klar und unmissverständlich formuliert sind, hätte der Voranwalt der Klägerin bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit erkennen müssen, dass die Klage innerhalb eines Monats seit Erhalt der Klagebewilligung hätte angehoben werden müssen. Sein Verhalten ist der Klägerin zuzurechnen, welche aus den erwähnten Gründen keinen Vertrauensschutz geniesst. Demnach besteht kein Raum für eine Notfrist.
Nachdem es sich bei der in Art. 75 ZGB statuierten Frist um eine Verwirkungsfrist handelt, bewirkt die Nichteinhaltung dieser Frist, dass die allfällige Gesetzesoder Statutenverletzung heilt und der betreffende Beschluss für die Klägerin und die Beklagte verbindlich wird. Einzig nichtige Beschlüsse können nicht geheilt werden. Eine Nichtigkeit wurde von der Klägerin aber zu Recht nicht geltend gemacht. Die Anfechtungsklage ist daher als verspätet abzuweisen.
Die Vorrichterin hat die Bestimmung von Art. 153 Abs. 4 ZPO, welche keinen Ermessensspielraum zulässt, damit weder falsch noch willkürlich angewandt. Der vorinstanzliche Entscheid ist dementsprechend zu bestätigen.
Hinweis:
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.