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81 Familiennachzug; Recht auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK Verweigerung des Familiennachzuges i.c. gemäss nationalem Recht nicht zu beanstanden (Erw. II./3.4.). Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsgut bejaht, da i.c. von den Betroffenen nicht verlangt werden kann, ihr Familienleben im Ausland zu führen (Erw. II./4.3.). I.c. besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bewilli- gungsverweigerung (Erw. II./4.5. f.). Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR ist der Familiennachzug zu bewilligen (Erw. II./6.).
Aus dem Entscheid des Rekursgerichts im Ausländerrecht vom 12. Septem-
ber 2006 in Sachen J.D. betreffend Familiennachzug (1-BE.2005.67).
Sachverhalt
A. Der Beschwerdeführer reiste am 12. Februar 1993 in die
Schweiz ein. Er ist seit dem 5. Januar 2002 mit einer italienischen
Staatsangehörigen verheiratet. Beide haben die Niederlassungsbewil-
ligung EG/EFTA. Am 11. Oktober 2004 stellte er ein Familiennach-
zugsgesuch für seine aus einer früheren Beziehung stammende, in
der Dominikanischen Republik lebende Tochter, die am 29. Septem-
ber 1992 geboren wurde. Das Migrationsamt, Sektion Einreise und
Arbeit, lehnte das Gesuch mit Verfügung vom 6. Dezember 2004 ab.
B. Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer am
23. Dezember 2004 beim Rechtsdienst des Migrationsamtes (Vorin-
stanz) Einsprache, welche durch die Vorinstanz am 24. November
2005 abgewiesen wurde.
C. Mit Eingabe vom 19. Dezember 2005 erhob der Beschwer-
deführer gegen den vorinstanzlichen Entscheid Beschwerde.
Aus den Erwägungen
II. 3.4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwer-
deführer zwar über das formelle Sorgerecht verfügt, zwischen ihm
und seiner Tochter jedoch faktisch keine vorrangige familiäre Be-
ziehung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht.
Es ist erstellt, dass bisher eine altersadäquate Betreuung der Tochter
des Beschwerdeführers durch die Grossmutter erfolgt ist und der
Gesamteindruck der Tochter und ihrer Lebensumstände vor Ort als
positiv zu bezeichnen ist. Eine Änderung der Betreuungssituation
erscheint nicht notwendig. Unter diesen Umständen sind die Voraus-
setzungen für einen Familiennachzug nach nationalem Recht nicht
erfüllt.
(...)
4.3. Nachfolgend ist zu klären, ob die Verweigerung des Famili-
ennachzugs effektiv zu einem Eingriff in das durch Art. 8 Ziff. 1
EMRK geschützte Familienleben führt, was nicht der Fall wäre,
wenn es den Betroffenen zumutbar ist, das Familienleben im Ausland
zu führen.
Der Beschwerdeführer reiste im Februar 1993 in die Schweiz
ein, wo er seither lebt. Im Januar 2002 heiratete er eine mit Nieder-
lassungsbewilligung EG/EFTA in der Schweiz lebende italienische
Staatsangehörige. Seit dem 2. Juni 2003 ist auch er im Besitz einer
Niederlassungsbewilligung EG/EFTA. Der Beschwerdeführer, der
ausser der nachzuziehenden Tochter keine weiteren Kinder hat, lebt
somit bereits seit über 13 Jahren in der Schweiz. In dieser Zeit hat er
den Akten zufolge zu keinen Beanstandungen Anlass gegeben. Auch
beruflich sind er und seine Ehefrau gut integriert. Ob dem Beschwer-
deführer nach einem derart langen Aufenthalt in der Schweiz eine
Rückkehr in sein Heimatland noch zuzumuten ist, kann vorliegend
aufgrund seiner Heirat offen bleiben. Zwar ist die Ehefrau des Be-
schwerdeführers nicht Schweizerin, sondern Italienerin. Sie lebt je-
doch seit Geburt in der Schweiz und ist hier aufgewachsen. Damit ist
davon auszugehen, dass sie primär die Schweiz als ihre Heimat be-
trachtet. Jedenfalls geht aus den Akten nicht hervor, dass sie eine
nennenswerte Verbindung zum Heimatland des Beschwerdeführers
hätte. Unter diesen Gegebenheiten ist ihr eine Übersiedlung in die
Dominikanische Republik nicht zuzumuten. Bei einer derartigen
Sachlage wäre der Beschwerdeführer faktisch gezwungen, seine Ehe-
frau zu verlassen, um das Familienleben mit seiner Tochter zu füh-
ren. Es kann indessen von ihm nicht verlangt werden, dass er sich
zwischen seiner Tochter und seiner Ehefrau entscheidet. Unter diesen
Umständen ist dem Beschwerdeführer eine Rückkehr ins Heimatland
zwecks Familienzusammenführung nicht zumutbar.
(...)
4.5. Im vorliegenden Fall steht fest, dass dem Beschwerdeführer
nicht zugemutet werden kann, die Schweiz zwecks Familienzusam-
menführung mit seiner Tochter zu verlassen und in sein Herkunfts-
land zurückzukehren. Die Verweigerung des Familiennachzugs
würde somit zu einer (weiter andauernden) Trennung des Beschwer-
deführers und seiner Tochter führen, weshalb von einem sehr grossen
privaten Interesse an der Bewilligung des Familiennachzugsgesuches
auszugehen ist. Das gegenüberstehende öffentliche Interesse an der
Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung resultiert wie in den Fäl-
len en und Tuquabo einzig aus der Sicherstellung des (wirtschaft-
lichen) Wohles des Landes. Zwar ist dieses grundsätzlich zweifellos
erheblich. Als "abstraktes" öffentliches Interesse hat es jedoch gegen-
über konkreten privaten Interessen in den Hintergrund zu treten. Dies
umso mehr, als mit einer geeigneten Migrationspolitik das wirt-
schaftliche Wohl des Landes genauso gut sichergestellt werden kann,
ohne dass damit gegen die EMRK verstossen würde. Nicht in den
Hintergrund treten müsste das öffentliche Interesse dann, wenn die
Bewilligungsverweigerung z.B. aus der Straffälligkeit eines Betroffe-
nen resultierte und es darum ginge, die öffentliche Sicherheit vor ei-
ner konkreten Bedrohung zu schützen. Weitere Umstände, welche
hier auf ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Bewilligungsver-
weigerung hindeuten würden, sind weder ersichtlich noch werden
solche durch die Vorinstanz angeführt.
4.6. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR
besteht damit im vorliegenden Fall kein überwiegendes öffentliches
Interesse an der Bewilligungsverweigerung.
5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Verweigerung
des Familiennachzugs gemäss nationalem Recht nicht zu beanstan-
den ist. Hingegen verstösst sie gegen Art. 8 EMRK. (...)
6. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde im Hinblick auf die
Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK gutzuheissen, da in
casu die Familienzusammenführung ausserhalb der Schweiz
unzumutbar ist und für den mit der Bewilligungsverweigerung ver-
bundenen Eingriff in das Familienleben kein überwiegendes öffentli-
ches Interesse besteht.
Das Migrationsamt ist unter diesen Umständen anzuweisen, das
Familiennachzugsgesuch zu bewilligen und den Aufenthalt der Toch-
ter des Beschwerdeführers zu regeln.