Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-2977/2019 |
Datum: | 30.12.2021 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl (ohne Wegweisungsvollzug) |
Schlagwörter : | Beschwerde; Beschwerdeführer; Instanz; Syrische; Vorinstanz; Behörde; Akten; Sachverhalt; Dokument; Syrischen; Anhörung; Verfahren; Beschwerdeführers; Entscheid; Recht; Person; Aufgebot; Flüchtling; Verfolgung; Reichte; Register; Beweis; Verfügung; Reservedienst; Bundesverwaltungsgericht; Werden; Syrie; Behörden; Quellen; Syrien |
Rechtsnorm: | Art. 12 VwVG ; Art. 29 BV ; Art. 29 VwVG ; Art. 44 BV ; Art. 49 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 AIG ; Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 136 I 184; ; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Abteilung IV D-2977/2019
Besetzung Richterin Nina Spälti Giannakitsas (Vorsitz), Richter Lorenz Noli,
Richter Walter Lang,
Gerichtsschreiberin Martina von Wattenwyl.
Parteien A. , geboren am ( ), Syrien,
vertreten durch lic. iur. Michael Steiner, Rechtsanwalt, ( ),
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl (ohne Wegweisungsvollzug);
Verfügung des SEM vom 13. Mai 2019 / N ( )
Eigenen Angaben zufolge verliess der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger kurdischer Ethnie, am 15. September 2014 sein Heimatland. Am 12. November 2015 reiste er in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch.
Am 1. Dezember 2015 wurde der Beschwerdeführer im Empfangsund
Verfahrenszentrum (EVZ) in B.
zu seiner Person, seinem
Reiseweg und summarisch zu seinen Asylgründen befragt (Befragung zur Person [BzP]). Am 27. November 2017 fand die Anhörung zu den Asylgründen statt.
Hinsichtlich seines Lebenslaufs legte der Beschwerdeführer dar, er sei in C. geboren und aufgewachsen, wo er während sieben Jahren die Schule besucht und danach als ( ) gearbeitet habe. Im Mai 2015 habe er nach Brauch geheiratet und sei kinderlos. Seine Ehefrau halte sich mit deren Familie in Ofra in der Türkei auf.
Zur Begründung seines Asylgesuchs brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe im Quartier D. in C. gelebt, welches zu dieser Zeit unter der Kontrolle der PKK (Partiya Karkerên Kurdistanê [kurdische Arbeiterpartei]), respektive der Apoci gestanden habe. Da diese mit der syrischen Regierung zusammengearbeitet hätten, sei das Quartier selten angegriffen worden. Zudem habe es verschiedene Demonstrationen von Kurden gegen das syrische Regime gegeben, wobei zwei seiner Onkel des Öfteren an solchen Kundgebungen teilgenommen hätten. Er selber habe an sechs oder sieben Demonstrationen teilgenommen. Während seiner letzten Teilnahme habe das syrische Regime die Demonstrierenden beschossen. Danach sei es ruhiger geworden und als die Apoci ein Demonstrationsverbot erlassen hätten, zu gar keinen Kundgebungen mehr gekommen. Einige Monate später habe die Opposition sein Wohnquartier unter deren Kontrolle gebracht, worauf das syrische Militär kurze Zeit später die Gegend schwerwiegend bombardiert habe. Auch seien in der Folge zahlreiche junge Männer verhaftet und für den Militärdienst rekrutiert worden. Am 1. April 2013 habe er C. schliesslich verlassen und sei nach Kobane geflüchtet. Als Anhänger des Islamischen Staates (IS) Kobane angegriffen und unter deren Kontrolle gebracht hätten, hätten die Apoci dazu aufgerufen, zu den Waffen zu greifen und gegen
den IS zu kämpfen. Da er nicht habe kämpfen wollen, sei er in die Türkei geflohen. Später sei einer seiner Cousins in das Haus seiner Familie in C. gezogen. Als das syrische Regime die Kontrolle über die Stadt wiedererlangt habe, sei zu Beginn des Jahres 2017 bei diesem Cousin eine Aufforderung für den Reservedienst für ihn abgegeben worden. Er habe nicht nur befürchtet, vom syrischen Militär eingezogen zu werden, sondern auch von den Apoci.
Der Beschwerdeführer legte seinen Führerschein sowie Kopien seines Familienbüchleins zu den Akten. Weiter reichte er Kopien seiner Einberufung in den Reservedienst, einer schriftlichen Erklärung eines Majors, einer militärischen Entlassungsbestätigung, einer Bestätigung der Militärdienstleistung sowie eine Kopie seines Militärbüchleins ein.
Auf die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers wird, soweit wesentlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Mit Verfügung vom 13. Mai 2019 eröffnet am 14. Mai 2019 stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht und lehnte sein Asylgesuch ab. Der Vollzug der Wegweisung wurde zugunsten einer vorläufigen Aufnahme wegen Unzumutbarkeit aufgeschoben.
Der Beschwerdeführer focht mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom
13. Juni 2019 die Verfügung des SEM beim Bundesverwaltungsgericht an und beantragte, die Verfügung der Vorinstanz sei aufzuheben und die Sache zur vollständigen und richtigen Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Als Eventualantrag wurde das Begehren gestellt, er sei als Flüchtling anzuerkennen und ihm sei Asyl zu gewähren oder er sei als Flüchtling vorläufig aufzunehmen. Weiter beantragte er, es sei vollumfängliche Akteneinsicht in die Akte A3 und in die von der Vorinstanz genutzten Quellen zu gewähren sowie eventualiter dazu eine angemessene Frist zur Beschwerdeergänzung anzusetzen. In prozessualer Hinsicht ersuchte er um die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung sowie um Verzicht auf Erhebung eines Kostenvorschusses. Der Beschwerde wurde eine Bescheinigung über den Erhalt von Sozialhilfe datiert vom 24. Mai 2019 beigelegt.
Mit Zwischenverfügung vom 26. Juni 2019 verzichtete die damals zuständige Instruktionsrichterin einstweilen auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Über das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung werde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Gleichzeitig wurde das SEM zur Vernehmlassung eingeladen sowie aufgefordert, die Akte A3 und die strittigen Quellen offenzulegen.
Die Vorinstanz reichte mit Eingabe vom 15. Juli 2019 eine Vernehmlassung ein.
Mit Zwischenverfügung vom 24. Juli 2019 wurde das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gutgeheissen und dem Beschwerdeführer die Gelegenheit zur Replik gegeben.
Mit Eingabe vom 26. Juli 2019 replizierte der Beschwerdeführer.
Mit Eingabe vom 16. September 2019 reichte der Beschwerdeführer sein Militärbüchlein, einen Auszug aus dem Strafregister (ausgestellt am
27. Juni 2019) inklusive deutscher Übersetzung, ein Originalschreiben des Beschwerdeführers betreffend Erhalt der entsprechenden Unterlagen sowie einen Briefumschlag ein. Zudem stellte er den Antrag, sein Geburtsdatum auf den 2. Januar 1982 anzupassen.
Der Beschwerdeführer wies mit Eingabe vom 28. Oktober 2019 auf die aktuelle Lage in Syrien hin und legte einen Ausdruck der Karte AFP «accord russo-turc sur le nord-est de la Syrie» zu den Akten.
Das vorliegende Verfahren wurde aus organisatorischen Gründen auf die im Rubrum aufgeführte vorsitzende Richterin umgeteilt.
Mit Anfrage vom 21. Mai 2021 wurde das Forensische Institut Zürich gebeten, das Original des Auszugs aus dem Strafregister auf seine Echtheit zu überprüfen.
Mit Zwischenverfügung vom 2. Juni 2021 wurde die Vorinstanz dazu eingeladen, sich im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels zu den neu eingereichten Beweismitteln zu äussern, wozu sie mit Eingabe vom 9. Juni 2021 Stellung nahm.
Mit Zwischenverfügungen vom 15. Juni 2021 und 13. Juli 2021 wurde dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zur Dokumentenanalyse gewährt und Gelegenheit zur Duplik geboten. Der Beschwerdeführer liess mit Eingabe vom 26. Juli 2021 Stellung nehmen.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom
September 2015).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und
aArt. Art. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG.
In der Beschwerde werden verschiedene formelle Rügen erhoben, welche vorab zu behandeln sind, da sie allenfalls geeignet sein könnten, eine Kassation der vorinstanzlichen Verfügung zu bewirken.
Das Verwaltungsrespektive Asylverfahren wird vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Art. 12 VwVG i.V.m. Art. 6 AsylG). Demnach hat die Behörde von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen, die für das Verfahren notwendigen Unterlagen zu beschaffen, die rechtlich relevanten Umstände abzuklären und ordnungsgemäss darüber Beweis zu führen. Dabei beschränken sich die behördlichen Ermittlungen nicht nur auf jene Umstände, welche die Betroffenen belasten, sondern haben auch die sie entlastenden Momente zu erfassen. Die Behörde hat alle sachund entscheidwesentlichen Tatsachen und Ergebnisse in den Akten festzuhalten. Die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts kann nach Art. 49 Bst. b VwVG gerügt werden. Unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung beispielsweise dann, wenn der Verfügung ein aktenwidriger oder nicht weiter belegbarer Sachverhalt zugrunde gelegt wurde. Unvollständig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn die Behörde trotz der geltenden Untersuchungsmaxime (Art. 12 ff. VwVG) den Sachverhalt nicht von Amtes wegen abgeklärt, oder nicht alle für den Entscheid wesentlichen Sachumstände berücksichtigt hat (vgl. BENJAMIN SCHINDLER, in: Kommentar zum VwVG, 2. Aufl. 2019, Art. 49 N. 29). Letzteres ist häufig dann der Fall, wenn die Vorinstanz gleichzeitig den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. BVGE 2015/10 E. 3.2 m.w.H.).
Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien eines Verfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser Grundsatz wird in den Art. 29 ff. VwVG für das Verwaltungsverfahren konkretisiert. Er dient einerseits der Aufklärung des Sachverhalts, andererseits stellt er ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht der Partei dar. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die verfügende Behörde die Vorbringen des Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung
berücksichtigt, was sich entsprechend in der Entscheidbegründung niederschlagen muss (a.a.O. E. 3.3 m.w.H.).
Die Begründungspflicht, welche sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 VwVG ergibt, verlangt, dass die Behörde ihren Entscheid so begründet, dass die betroffene Person ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann und sich sowohl sie als auch die Rechtsmittelinstanz über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können (vgl. BVGE 2007/30 E. 5.6). Dabei kann sich die verfügende Behörde auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränken, hat jedoch wenigstens die Überlegungen kurz anzuführen, von denen sie sich leiten liess und auf welche sie ihren Entscheid stützt (vgl. BVGE 2008/47 E. 3.2). Nicht erforderlich jedoch ist, dass sich die Begründung mit allen Parteipunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (vgl. BGE 136 I 184 E. 2.2.1).
Eng mit dem Äusserungsrecht ist der verfahrensrechtliche Anspruch auf Akteneinsicht (Art. 26 VwVG) ebenfalls Teilgehalt des rechtlichen Gehörs verbunden. So können sich die Betroffenen in einem Verfahren nur dann wirksam zur Sache äussern und geeignet Beweis führen beziehungsweise Beweismittel bezeichnen, wenn ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, die Unterlagen einzusehen, auf welche die Behörde ihren Entscheid stützt. Das Recht auf Akteneinsicht kann eingeschränkt werden, wenn ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse an der Geheimhaltung der betreffenden Akten vorhanden ist (Art. 27 VwVG). Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, muss ihr die Behörde indes von seinem wesentlichen Inhalt Kenntnis sowie die Gelegenheit geben, sich dazu zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen (Art. 28 VwVG). Dabei hat jeder Beschränkung des Einsichtsrechts eine konkrete, sorgfältige und umfassende Abwägung der entgegenstehenden Interessen voranzugehen, wobei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten ist. Je stärker das Verfahrensergebnis von der Stellungnahme der Betroffenen zum konkreten Dokument abhängt und je stärker auf ein Dokument bei der Entscheidfindung (zum Nachteil der Betroffenen) abgestellt wird, desto intensiver ist dem Akteneinsichtsrecht Rechnung zu tragen (BVGE 2015/10 E. 3.3 m.w.H.).
Die Rüge des Beschwerdeführers, das rechtliche Gehör sei verletzt worden, indem ihm die Akteneinsicht im Rahmen der Entscheideröffnung teilweise verweigert worden sei, erweist sich insofern als begründet, als
dem Beschwerdeführer die Einsicht in die Akte A3 zunächst vollständig und mit unzulässiger Begründung verwehrt worden ist. Das entsprechende Vorgehen des SEM war zu beanstanden (vgl. Zwischenverfügung vom
Juni 2019). Die Vorinstanz stellte diesbezüglich folglich in ihrer Vernehmlassung fest, dass es sich bei der Akte A3 um einen Rapport der Grenzwache handle. Der wesentliche Inhalt wurde zusammengefasst: Der Rapport stamme vom ( ) November 2015, wobei der Beschwerdeführer an diesem Tag um 13:35 Uhr angehalten worden sei. Seine Personalien seien erfasst worden, die Namen seiner Eltern hingegen nicht. Er habe sich lediglich mit seinem syrischen Führerschein ausweisen können, welcher in der Folge mit dem gestellten Asylantrag dem SEM übermittelt worden sei. Am Grenzübergang ( ) sei er mündlich zum Sachverhalt befragt worden, wobei er in keiner der zur Verfügung stehenden Fahndungsapplikationen registriert gewesen sei. Weiter sei ein Passierschein erstellt und der Beschwerdeführer aus der Kontrolle entlassen worden, wobei das damalige EVZ B. informiert worden sei. Die gerügte Verletzung konnte damit im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geheilt werden, indem die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung detailliert den wesentlichen Inhalt der beantragten Akte A3 zusammenfasste und der Beschwerdeführer anschliessend auf Replikebene dazu Stellung nehmen konnte. Der erfolgten Heilung auf Beschwerdeebene ist allerdings praxisgemäss im Rahmen der Parteientschädigung Rechnung zu tragen.
Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, die Vorinstanz habe die Wegweisung im Sinne eines Real Risks gemäss von Art. 3 EMRK nicht geprüft, vermag er mit diesem Vorbringen nicht durchzudringen, zumal die Frage des Real Risks im Rahmen der Zulässigkeit des Vollzugs der angeordneten Wegweisung Prüfungsgegenstand ist, der Beschwerdeführer aber bereits wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufgenommen wurde und die Wegweisungsvollzugshindernisse praxisgemäss nur alternativ geprüft werden.
Bezüglich der Rüge, die bisherige Rechtspraxis sei ungerechtfertigt geändert und BVGE 2015/3 sei nicht berücksichtigt worden, weil die Vorinstanz nicht davon ausgehe, dass nicht allen Wehrdienstverweigerer und Deserteuren einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sind, gilt es festzuhalten, dass es sich dabei um die Frage der materiellen Würdigung des Sachverhalts und nicht um mögliche Verfahrensfehler handelt.
Auch die Rüge, das SEM habe sich auf eine ungenügende oder veraltete Quellenlage gestützt, vermag nicht zu verfangen, zumal die Vor-
instanz im Wesentlichen die publizierte und aktuelle Praxis des Bundesverwaltungsgerichts umgesetzt hat. Es entspricht nicht der Praxis der Asylbehörden, sämtliche allgemein bekannten und öffentlich zugängliche Quellen, die eine Länderpraxis beeinflussen in jedem Einzelfall explizit zu nennen. Der Verweis auf die publizierte Praxis oder die wesentlichsten Quellen genügt in aller Regel. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Vorinstanz im Rahmen der Vernehmlassung weitere auch jüngere Quellen angab, um den materiellen Einwänden in der Beschwerde zu begegnen. Im Rahmen der Vernehmlassung wurden sodann sämtliche Quellen genügend offengelegt.
Auch bezüglich der Rüge, die eingereichten Beweismittel seien nicht gewürdigt und eine Dokumentenanalyse sei unterlassen worden, vermengt der Beschwerdeführer die Frage zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts mit derjenigen der rechtlichen Würdigung. Die Vorinstanz hat sich sehr wohl mit der eingereichten Kopie des Aufgebots zum Reservedienst auseinandergesetzt und ist dabei zum Schluss gekommen, dass einer Kopie ein geringer Beweiswert zukommt, weshalb sie auf eine Dokumentenanalyse verzichtete. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer eine andere materielle Würdigung des Sachverhalts anstrebt, kann nicht als Verletzung des rechtlichen Gehörs qualifiziert werden.
Sodann sei die Abklärungspflicht verletzt worden, indem die Anhörung des Beschwerdeführers über zwei Jahre nach Asylgesuchstellung durchgeführt worden sei und zudem erneut rund eineinhalb Jahre zwischen der Anhörung und dem Entscheid liegen würden. Zwar ist ein relativ kurzer Zeitraum zwischen den Anhörungen sowie dem Entscheid durchaus wünschenswert. Es gibt aber keine zwingende, mit Rechtsfolgen versehene gesetzliche Verpflichtung des SEM hierzu. Inwiefern damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder des Untersuchungsgrundsatzes verbunden sein soll mit der Folge einer Rückweisung an die Vorinstanz, ist im Übrigen nicht zu erkennen.
Der Beschwerdeführer erachtete schliesslich die Anhörungsdauer von sechs Stunden als offensichtlich zu lang und die maximale Anhörungsdauer von vier Stunden sei massiv überschritten worden, wobei die Anhörung weit in den Abend hinein gedauert habe. Zudem sei letztmals eine Pause zwei Stunden und zehn Minuten vor Schluss erfolgt. Hierzu ist festzustellen, dass die Anhörung um 13:40 Uhr begann und bis 19:40 Uhr dauerte. Dabei wurden drei Pausen von je 15, 25 und 20 Minuten in einem
regelmässigen Rhythmus durchgeführt. Für die Dauer der Anhörung besteht keine für die Vorinstanz verbindliche Vorgabe. Wie lange eine Anhörung dauern soll, ist nicht anhand von starren zeitlichen Kriterien, sondern im Rahmen der individuellen Situation zu beurteilen. In erster Linie ist massgebend, ob die angehörte Person in der Lage ist, der Anhörung zu folgen. Das Gleiche gilt für die anberaumten Pausen. Dem Protokoll ist nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer Mühe bekundet hätte, sich zu konzentrieren oder das Anhörungsteam überlastet gewesen wäre. Dies wurde an der Anhörung denn auch nicht geltend gemacht. Die Pausen sind vor diesem Hintergrund als genügend zu erachten und auch der Umstand, dass die Anhörung relativ spät am Abend endete, ist nicht zu beanstanden.
Der Beschwerdeführer beantragt in der Eingabe vom 16. September 2019 die Berichtigung seines Geburtsdatums gemäss seinem Militärbüchlein auf den 2. Januar 1982.
Die Vorinstanz führt zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben das ZEMIS, welches der Bearbeitung von Personendaten aus dem Ausländerund dem Asylbereich dient (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländerund den Asylbereich vom
20. Juni 2003 [BGIAA; SR 142.51]) und in der Verordnung über das Zentrale Migrationsinformationssystem vom 12. April 2006 (SR 142.513; ZEMIS-Verordnung) näher geregelt ist. Nach Art. 19 Abs. 2 ZEMIS-Verordnung hat eine betroffene Person, welche daraus Rechte geltend macht, sich über ihre Identität auszuweisen und ein schriftliches Gesuch beim SEM einzureichen. Demzufolge obliegt es dem Beschwerdeführer, einen entsprechenden Antrag beim SEM einzureichen, zumal sich in den Akten kein Eingang eines solchen Gesuchs befindet und die Berichtigung des Geburtsdatums nicht Prozessgegenstand der angefochtenen Verfügung war.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im
Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
Die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG erfüllt eine asylsuchende Person nach Lehre und Rechtsprechung dann, wenn sie Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat beziehungsweise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft begründeter Weise befürchten muss, welche ihr gezielt und aufgrund bestimmter Verfolgungsmotive durch Organe des Heimatstaates oder durch nichtstaatliche Akteure zugefügt worden sind beziehungsweise zugefügt zu werden drohen (vgl. BVGE 2011/51 E. 6.1 m.w.H.). Dabei genügt es nicht, dass diese Furcht lediglich mit Vorkommnissen oder Umständen, die sich früher oder später möglicherweise ereignen könnten, begründet wird. Es müssen hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Bedrohung vorhanden sein, die bei jedem Menschen in vergleichbarer Lage Furcht vor Verfolgung und damit den Entschluss zur Flucht hervorrufen würden. Diese objektivierte Betrachtungsweise ist zusätzlich durch das von der betroffenen Person bereits Erlebte und das Wissen um Konsequenzen in vergleichbaren Fällen zu ergänzen. Wer bereits staatlichen Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt war, hat objektive Gründe für eine ausgeprägtere (subjektive) Furcht (vgl. BVGE 2010/9 E. 5.2; Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2004 Nr. 1 E. 6.a; 2005 Nr. 21
E. 7.1).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
Die Vorinstanz stellte in ihrem ablehnenden Entscheid fest, dass der Beschwerdeführer in erster Linie aufgrund des syrischen Bürgerkrieges und der damit zusammenhängenden Gewalteskalationen sowie wegen der
unhaltbaren Lage für die syrische Bevölkerung ausgereist sei. Diese Vorbringen würden offenkundig keine Asylrelevanz aufweisen. Durch seine mehrmaligen Teilnahmen an kurdischen Demonstrationen seien ihm keine Konsequenzen entstanden und er habe nicht geltend gemacht, deswegen behördlich gesucht worden zu sein. Aus diesen Gründen könne nicht von einer Verfolgungssituation ausgegangen werden.
Das Aufgebot in den Reservedienst sei dem Beschwerdeführer erst nach seiner Ausreise zugestellt und seinem Cousin überbracht worden. Es lasse sich somit nicht überprüfen, ob die syrischen Behörden tatsächlich ein solches Aufgebot überbracht hätten. Zudem sei allgemein bekannt, dass syrische Dokumente aller Art käuflich erworben werden könnten und dementsprechend über eine geringe Beweiskraft verfügten. Ferner würden seine tendenziell vagen Aussagen zum Erhalt der Aufforderung zum Reservedienst zur Annahme führen, dass es sich dabei um eine Gefälligkeit seiner Verwandten handeln könnte. Auch bei Wahrunterstellung würde das Aufgebot keine Asylrelevanz entfalten, zumal er dieses erst nach seiner Ausreise erhalten habe und somit nicht von einer eigentlichen Dienstverweigerung gesprochen werden könne. Zudem führe eine Wehrdienstverweigerung oder eine Desertion nur dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn damit eine Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG verbunden sei. Eine solche Verfolgung sei vorliegend jedoch nicht erkennbar. Überdies ergäben Quellenanalysen im syrischen Kontext, dass die syrischen Behörden nicht allen Dienstverweigerern oder Deserteuren eine regimefeindliche Haltung unterstellen würden. Vorliegend seien keine einzelspezifischen Risikofaktoren zu erkennen, welche ein politisches Profil begründen und demensprechend zur Flüchtlingseigenschaft führen könnten.
In der Beschwerde wurde moniert, es sei falsch zu behaupten, dass das eingereichte Aufgebot für den Reservedienst keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung belegen könne, dies lediglich aus dem Grund, weil sich die Angabe des Beschwerdeführers hinsichtlich des Erhalts des Aufgebots durch den Cousin nicht überprüfen lasse. Dieses Sachverhaltselement hätte abgeklärt werden müssen. Weiter dürfe nicht einzig aufgrund der pauschalen Behauptung der Vorinstanz, alle syrischen Dokumente seien leicht fälschbar, dem Aufgebot die Beweiskraft abgesprochen werden, zumal das Aufgebot offensichtlich ein zentrales Beweismittel seiner Asylvorbringen darstelle. Wäre dieses Beweismittel gewürdigt worden, hätte sich ergeben, dass sich der Inhalt mit seinen Aussagen während der Anhörung decken würde. Weiter sei die von ihm detailliert dargelegte Situation zur relevanten Zeitperiode in C. im Zusammenhang mit
dem Aufgebot nicht berücksichtigt worden. Ausserdem sei es nicht nachvollziehbar, dass deshalb keine Wehrdienstverweigerung vorliege, weil er das Aufgebot erst nach dem Verlassen seines Heimatlandes erhalten habe. Durch seine glaubhaft dargelegte Verweigerung, dem Reservedienst beizutreten, werde ihm durch die syrischen Behörden eine regimekritische Haltung vorgeworfen, woraus eine asylrechtlich relevante Verfolgung resultiere. Grundsätzlich müsse eine Wehrdienstverweigerung oder eine Desertion zu Asyl führen, da zahlreichen Quellen zufolge solche von den syrischen Behörden als Landesverrat oder als Kritik am Regime verstanden würden. Überdies dürfe nicht ausser Acht gelassen werden, dass er bei einer Rückkehr nach Syrien auch Gefahr laufe, von den Apocis rekrutiert zu werden. Insgesamt würden die erwähnten Tatsachen zur Verschärfung seines Profils führen. Ausserdem würde er aufgrund seines spezifischen Profils in Kombination mit seiner illegalen Ausreise die Flüchtlingseigenschaft erfüllen.
Die Vorinstanz führte in ihrer Vernehmlassung aus, der vom Beschwerdeführer ausgeführte Argumentation, wonach die syrischen Behörden Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren grundsätzlich der Opposition beschuldigen und dementsprechend bestrafen würden, könne nicht gefolgt werden. In diesem Zusammenhang könne auf die zitierten und öffentlich abrufbaren Quellen aus dem Internet verwiesen werden. Schliesslich sei festzuhalten, dass seine Ausführungen zur Frage 61 der Akte A20 (Anhörungsprotokoll) nicht bezweifelt würden, jedoch seien seine Teilnahmen an den Demonstrationen nicht asylrelevant.
In der Replik wurde in materieller Hinsicht geltend gemacht, die Einschätzung der Vorinstanz bezüglich Verfolgungssituation von Wehrdienstverweigerern sei deshalb unrichtig, weil sie sich auf veraltete Quellen stütze. Sodann wurde auf verschiedene Internetartikel die aktuelle Lage in Syrien betreffend hingewiesen.
Der Beschwerdeführer reichte in der Eingabe vom 16. September 2019 einen Auszug aus dem Strafregister, welcher am 27. Juni 2019 ausgestellt und am 4. Juli 2019 durch das syrische Aussenministerium beglaubigt worden war, zu den Akten. Daraus geht hervor, dass er am 1. August 2013 wegen Finanzierung terroristischer Banden zu fünf Jahren Haft und einer Geldstrafe respektive Busse, sowie wegen Demonstrationen gegen die Regierung zu neun Jahren Haft und einer Busse verurteilt worden sei. Mit Urteil vom 23. Juli 2018 sei er wegen Verweigerung des Reservedienstes zu weiteren fünf Jahren Haft verurteilt worden.
Gemäss Dokumentenanalyse des forensischen Instituts, würde der Druck des Strafregisters vom dem Institut zugänglichen allerdings nicht mit Sicherheit verifizierten Vergleichsmaterial abweichen, weshalb Anhaltspunkte für eine Fälschung vorlägen. Ausserdem handle es sich bei den Stempeln um Nassstempel, jedoch sei unklar, ob es sich dabei um authentisches Stempelwerkzeug handle.
Im Rahmen der zweiten Vernehmlassung führte das SEM bezüglich dem eingereichten Militärbüchlein im Original aus, der alleinige Umstand, dass der Beschwerdeführer den ordentlichen Militärdienst 2002 abgeschlossen habe, sei flüchtlingsrechtlich nicht relevant. Bezüglich des eingereichten Strafregisterausweises überrasche es, dass die erste Verurteilung wegen Demonstrationen gegen die Regierung und Finanzierung terroristischer Banden zu einer langjährigen Haftstrafe und beträchtlichen Busse bereits am 1. August 2013 und damit noch vor seiner Ausreise erfolgt sein soll, der Beschwerdeführer dies jedoch nie erwähnt habe. Auch eine Identifizierung während der Demonstrationen oder Ermittlungen sei nicht geltend gemacht worden. Es sei fragwürdig, dass er während des Aufenthaltes in Syrien noch über ein Jahr nach der Verurteilung nichts davon erfahren haben will und zudem erst nach Abweisung des Asylgesuches beziehungsweise sechs Jahre nach der ersten Verurteilung darüber informiert worden sein will. Es passe deshalb ins Bild, dass anlässlich der Ausweisprüfung Fälschungshinweise erkannt werden konnten. Die Nachreichung dieses Strafregisterauszugs sei als Versuch zu werten, den im angefochtenen Entscheid gezogenen Schluss, wonach keine zusätzlichen Risikofaktoren vorliegen würden, umzustossen. An der Qualifikation der fehlenden Flüchtlingseigenschaft würden auch die jüngsten Veränderungen vor Ort, die keinen konkreten Bezug zum Beschwerdeführer hätten, schliesslich nichts ändern.
Der Beschwerdeführer führte in seiner Duplik bezüglich der Dokumentenanalyse zum eingereichten Auszug aus dem Strafregister aus, es sei wesentlich, dass anhand der Auswertungen die Authentizität des Dokuments weder dementiert, noch bestätigt werden könne, zumal diese insgesamt wenig aussagekräftig seien. Für die Echtheit des Dokuments spreche jedoch, dass es sich dabei nachweislich um Nassstempel handle. Es wäre anhand der vorhandenen Abklärungen willkürlich zu behaupten, dass das entsprechende Beweismittel gefälscht sei. Weiter werde auf eine bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingereichte Eingabe hinsichtlich des Erhalts des Dokuments verwiesen, in welcher detailliert sowie glaubhaft ausgeführt worden sei, wie der Bruder des Beschwerdeführers den Auszug aus
dem Strafregister erhalten habe. Schliesslich sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer am 1. April 2013 aus C. geflüchtet sei und dementsprechend von einem behördlichen Urteil vom 1. August 2013 nichts gewusst haben könne.
Einleitend ist festzustellen, dass die Schilderungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der allgemeinen Situation und der Belagerung von C. beziehungsweise Kobane sowie seiner daraus resultierenden Flucht nach Kobane und in die Türkei zwar äusserst anschaulich und lebensnah ausgefallen, jedoch ausschliesslich der damaligen allgemeinen Situation denn einer individuellen Verfolgung geschuldet sind (vgl. act. A20/19, F61, F62) und dementsprechend keine Asylrelevanz zu entfalten vermögen.
Auch werden die Vorbringen des Beschwerdeführers zum Leisten seines regulären Militärdienstes nicht in Frage gestellt, zumal diese durch das eingereichte Militärbüchlein sowie das entsprechende Entlassungsschreiben bestätigt werden. Hingegen kann seinen Ausführungen, wonach sein Cousin väterlicherseits, welcher im Haus der Familie des Beschwerdeführers in C. lebt und ein Aufgebot für den Beschwerdeführer zum Reservedienst erhalten haben soll, nicht gänzlich geglaubt werden. Im Vergleich zu seinen ansonsten sehr ausführlichen Schilderungen (vgl. E. 7.1) fiel der Umriss dieses Sachverhaltselements dürftig und vage erläutert aus, dies auch unter Berücksichtigung, dass er nicht persönlich anwesend war und den Erhalt des Aufgebots lediglich durch Dritte erfuhr. Dennoch wäre zu erwarten gewesen, dass ihm der Cousin Näheres über die Umstände des Erhalts des Aufgebots und Informationen zum Überbringer hätte übermitteln können. In Anbetracht dessen, dass er sich am 10. Januar 2017 hätte zum Reservedienst melden müssen, erstaunt es, dass nicht nach ihm gefragt oder nach ihm gesucht worden sein soll (vgl. act. A20/19, F63, F7881). Ausserdem wird die Annahme, dass er in der Folge nicht behördlich gesucht wurde, durch die Tatsache bestätigt, dass der betreffende Cousin mehrere Monate zuwartete, bis er die Familie des Beschwerdeführers über das Aufgebot informierte. Im Zusammenhang mit dem Nichterscheinen in den Reservedienst, wäre zu erwarten gewesen, dass die syrischen Behörden sich zumindest nach dem Verbleib des Beschwerdeführers erkundigt hätten. Des Weiteren erscheint es fragwürdig, weshalb das im Strafregisterauszug erwähnte Urteil vom 23. Juli 2018 wegen Wehrdienstverweigerung trotz der registrierten Adresse des Beschwerdeführers nicht abgegeben wurde und auch noch zum jetzigen Zeitpunkt nicht verfügbar ist.
Weiter bestehen erhebliche Zweifel an der Echtheit des Strafregisterauszugs und damit an den darin erwähnten Verurteilungen. So ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, schlüssig darzulegen, wie sein Bruder an den Auszug aus dem Strafregister gelangte. Aus seiner unsubstanziiert und vage gehaltenen Stellungnahme vom 11. September 2019 respektive
16. September 2019 (auf welche in der Replik vom 26. Juli 2021 verwiesen wird) ist nicht ersichtlich, ob der Bruder persönlich handelte oder eine weitere Person hierzu beauftragte. Auch verbleibt es unklar, welche Schritte zum Erhalt des Dokuments mitsamt der Beglaubigung durch das syrische Aussenministerium unternommen worden waren. Ferner fällt auf, dass keine Quittungen oder Vollmachten erstere etwa von der Kriminalsicherheit C. oder dem syrischen Aussenministerium vorliegen, welche die Ausstellung und den Erhalt derselben dokumentieren respektive legitimieren würden. In diesem Zusammenhang erscheint es überdies äusserst realitätsfremd, dass der Bruder als direkter Angehöriger einer wegen politischen Aktivitäten zu vierzehn Jahren verurteilten Person sich der Gefahr ausgesetzt haben soll, einen Auszug aus dem Strafregister zu organisieren und ihn anschliessend noch beim syrischen Aussenministerium beglaubigen zu lassen.
Den Akten ist weiter zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer letztmals im Herbst 2012 an einer Kundgebung teilnahm und am 1. April 2013
mit zahlreichen anderen Flüchtlingen C. nach den Angriffen durch die syrische Regierung verliess. Dass er wie dem Auszug aus dem Strafregister zu entnehmen ist bereits vier Monate später am 1. August 2013 zu zwei Haftstrafen von insgesamt vierzehn Jahren von einem Antiterror-Gericht verurteilt worden sein soll, erweist sich in keiner Weise als stringent. Aufgrund der zeitlichen Nähe zwischen seinem Aufenthalt in C. , seiner Flucht und dem Ergehen der Urteile wäre zu erwarten gewesen, dass einem solch drastischen Urteil vorgängig, das heisst zwischen den Teilnahmen an den Demonstrationen und der Flucht aus C. , ein Ermittlungsverfahren zugrunde gelegen hätte und der Beschwerdeführer von den Behörden mittels einer gerichtlichen Vorladung oder eines Haftbefehls über ein Ermittlungsverfahren in Kenntnis gesetzt worden wäre. Schliesslich müssten bei einer Verurteilung entsprechende Urteile vorliegen oder zumindest erhältlich gemacht werden können. Angesichts der vorangehenden Erwägungen kann dem Beschwerdeführer nicht geglaubt werden, dass er zu mehreren Jahren Haft von einem AntiterrorGericht in Syrien wegen «Demonstrationen gegen die Regierung» und wegen «Finanzierung terroristischer Banden» verurteilt worden sein soll.
Wie der Beschwerdeführer zutreffend aufführte, kann aufgrund der Ausweisprüfung durch das forensische Institut Zürich die Echtheit des Dokuments weder bejaht noch verneint werden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in Syrien nahezu jedes amtliche Dokument gegen Bezahlung erhältlich gemacht werden kann. Aufgrund der grassierenden Korruption sind nicht nur Fälschungen unterschiedlichster Qualität erhältlich, sondern es können in Syrien gegen Bezahlung auch formell echte amtliche Dokumente beschafft werden. Daher ist selbst einem solch formell echten amtlichen Dokument nur dann eine relevante Beweiskraft beizumessen, wenn dieses im Kontext eines hinreichend schlüssigen Sachverhaltsvortrages eingereicht wird (vgl. Urteil des BVGer D-5750/2017 vom 13. Mai 2019 E. 4.3). Vorliegend ist insgesamt nicht von einem glaubhaften Sachverhalt auszugehen und zu vermuten, dass es sich um ein Gefälligkeitsdokument handelt.
Auch wenn nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer tatsächlich zum Reservedienst aufgeboten wurde, kann ihm nicht geglaubt werden, dass er deswegen zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt wurde, zumal die Elemente, welche gegen die Glaubhaftigkeit sprechen, den Elementen, welche dafür sprechen, überwiegen. Insbesondere ist aufgrund der Akten und den nachfolgenden Erwägungen nicht davon auszugehen, dass er über ein massgebliches Risikoprofil verfügt (vgl. E. 7.5).
Die geltend gemachten Teilnahmen des Beschwerdeführers an den von ihm erwähnten regimekritischen Kundgebungen sind grundsätzlich glaubhaft. Hingegen ist in Anlehnung der vorinstanzlichen Argumentation
nicht erkennbar, dass ihm dadurch negative Konsequenzen entstanden wären. Anhand der Aktenlage ist zudem nicht ersichtlich, inwiefern ihn die syrischen Behörden identifiziert und von seinen Teilnahmen an den Kundgebungen erfahren haben sollen. Seinen Schilderungen zufolge habe er lediglich einige Male im Quartier E. an friedlichen Kundgebungen teilgenommen. Demzufolge ist kaum anzunehmen, dass er sich als einfacher Teilnehmer von anderen Teilnehmenden an den von ihm besuchten Kundgebungen abhob und dadurch den syrischen Behörden aufgefallen sein soll, insbesondere, da er angab, dass die Kundgebungen einerseits nicht in seinem Wohnquartier stattgefunden und anderseits auch «mehrere tausend» Personen teilgenommen hätten. Ferner habe er sich nach den Teilnahmen von sechs bis sieben Kundgebungen im Herbst 2012 entschlossen, nicht mehr teilzunehmen. Auch machte er nicht geltend, dass
seine Onkel, welche öfter an regimekritischen Kundgebungen teilgenommen hätten, von den syrischen Behörden gesucht worden seien oder Probleme erfahren hätten. Sodann geht aus den Akten nicht hervor, dass er aus einer politisch aktiven Familie stammen würde, welche bereits in den Fokus der heimatlichen Behörden gestanden haben könnte und dadurch die Identifikation des Beschwerdeführers erleichtert hätte (vgl. act. A20/19, F61, S.8f.).
Schliesslich führte der Beschwerdeführer aus, er befürchte, auch von den Apocis rekrutiert zu werden. Die Tatsache, dass die kurdischen Streitkräfte in Kobane mittels Mikrofonen versucht hätten, junge Männer für den Kampf zu rekrutieren sowie die Befürchtung des Beschwerdeführers, erneut von ihnen in Syrien rekrutiert zu werden (vgl. act. A20/19, F62, F99), ist zwar nicht in Frage zu stellen. Da er jedoch weder geltend machte, persönlich Rekrutierungsversuchen ausgesetzt worden zu sein, noch von den Apocis gesucht worden war, kann ihm nicht geglaubt werden, dass er in konkret individueller Hinsicht eine Verfolgung durch die kurdischen Streitkräfte zu befürchten hätte. Ausserdem ist darauf hinzuweisen, dass gemäss Rechtsprechung eine drohende Rekrutierung durch die YPG respektive die PKK nicht geeignet ist, Asylrelevanz zu begründen (vgl. Urteil D-5329/2014 vom 23. Juni 2015, E. 5.3., als Referenzurteil publiziert).
Zusammenfassend ergibt sich, dass auch unter Berücksichtigung der teilweise als glaubhaft eingestuften Elemente keine asylrechtlich relevanten Verfolgungsgründe im Sinne von Art. 3 AsylG ersichtlich sind, weshalb die Vorinstanz zu Recht die Flüchtlingseigenschaft verneint und das Asylgesuch abgelehnt hat.
Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).
Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Abschliessend ist festzuhalten, dass sich aus den vorstehenden Erwägungen nicht etwa der Schluss ergibt, der Beschwerdeführer sei zum heutigen Zeitpunkt angesichts der Entwicklung in Syrien nicht gefährdet. Jedoch ist eine solche Gefährdungslage unter dem Aspekt von Art. 83 Abs. 4 AIG einzuordnen, wonach der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein kann, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Der generellen Gefährdung aufgrund der aktuellen Situation in Syrien im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AIG wurde bereits durch die Vorinstanz mit der Anordnung der vorläufigen Aufnahme wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs Rechnung getragen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die reduzierten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG; Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Nachdem jedoch das mit der Beschwerde eingegangene Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege mit Verfügung vom 24. Juli 2019 gutgeheissen wurde, werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Soweit sich die formelle Rüge der Verletzung des Akteneinsichtsrechts als berechtigt erwiesen hat, ist dem Beschwerdeführer eine angemessene (reduzierte) Parteientschädigung für die ihm aus der Beschwerdeführung im Rahmen der festgestellten Verfahrensmängel erwachsenen notwendigen Kosten zuzusprechen (vgl. Teilurteil D-1549/2017 vom 2. Mai 2018
E. 10.2). Eine Kostennote wurde nicht eingereicht. Der diesbezüglich notwendige Vertretungsaufwand lässt sich aber aufgrund der Akten hinreichend zuverlässig abschätzen (Art. 14 Abs. 2 in fine des Reglements vom
21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]; VGKE). In Anwendung der genannten Bestimmung und unter Berücksichtigung der massgeblichen Bemessungsfaktoren (vgl. Art. 813 VGKE) ist das SEM anzuweisen, dem Beschwerdeführer eine Entschädigung für die berechtigte Geltendmachung der formellen Rüge von Fr. 200. auszurichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Das SEM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 200. auszurichten.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Nina Spälti Giannakitsas Martina von Wattenwyl
Versand:
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