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Bundesverwaltungsgericht Urteil F-7043/2018

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts F-7043/2018

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung VI
Dossiernummer:F-7043/2018
Datum:25.05.2020
Leitsatz/Stichwort:Personen des Asylrechts
Schlagwörter : Beschwerdeführende; Beschwerdeführenden; Schweiz; Vorinstanz; Person; Aufenthalt; Integration; Härtefall; Aufenthalts; Bundesverwaltungsgericht; Akten; Recht; Urteil; Verfahren; Zustimmung; Aufenthaltsbewilligung; Verfügung; Verfahrens; Asylverfahren; Erwerb; Nepal; Wiedereingliederung; Erteilung; Erwerbstätigkeit; Möglichkeit; Situation
Rechtsnorm: Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 62 AIG ;Art. 62 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;Art. 99 AIG ;
Referenz BGE:130 II 39; 135 I 153; 138 I 246
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung VI F-7043/2018

U r t e i l  v o m  2 5.  M a i  2 0 2 0

Besetzung Richterin Susanne Genner (Vorsitz), Richterin Jenny De Coulon Scuntaro, Richter Yannick Antoniazza-Hafner, Gerichtsschreiberin Barbara Kradolfer.

Parteien A.X. , seine Ehefrau B.X. und ihr Sohn C.X. ,

alle vertreten durch Christian Wyss, Fürsprecher, Beschwerdeführende,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,

Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (Art. 14 Abs. 2 AsylG).

Sachverhalt:

A.

Die Beschwerdeführenden sind nepalesische Staatsangehörige.

A.X.

(geb. 1983; nachfolgend Beschwerdeführer) und

B.X. (geb. 1989; nachfolgend Beschwerdeführerin) reisten im Juni 2013 in die Schweiz ein und ersuchten um Asyl. Im Dezember desselben Jahres wurde der gemeinsame Sohn geboren. Die Asylgesuche wurden am 8. November 2016 abgewiesen und die Beschwerdeführenden aus der Schweiz weggewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil E-7635/2016 vom 5. April 2018 ab.

B.

    1. Die Beschwerdeführenden wandten sich am 20. April 2018 an den Migrationsdienst des Kantons Bern (MIDI) und ersuchten um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 14 Abs. 2 AsylG (SR 142.31). Am 17. August 2018 unterbreitete der MIDI der Vorinstanz den Antrag auf Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

    2. Nachdem die Vorinstanz den Beschwerdeführenden das rechtliche Gehör gewährt hatte, verweigerte sie mit Verfügung vom 9. November 2018 die Zustimmung.

In ihrer Begründung hielt sie im Wesentlichen fest, die Beschwerdeführenden hielten sich noch nicht besonders lange in der Schweiz auf und aufgrund ihres beruflichen Hintergrundes bestünden Aussichten auf Erwerbsmöglichkeiten in Nepal. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie sich in der kurzen Zeit, seit sie ihr Heimatland verlassen hätten, diesem und ihren dort lebenden Verwandten völlig entfremdet hätten. Es bestünden keine so engen Beziehungen zur Schweiz, dass es den Beschwerdeführenden nicht zugemutet werden könne, die Schweiz zu verlassen und im Ausland zu leben.

C.

Mit Beschwerde vom 11. Dezember 2018 beantragten die Beschwerdeführenden die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und die Erteilung der Zustimmung zur Aufenthaltsbewilligung. In prozessualer Hinsicht ersuchten sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 und Abs. 2 VwVG samt Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Eventuell sei ihnen zu gestatten, bis zum Abschluss des Verfahrens einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Der Beschwerde beigelegt waren unter anderem diverse Empfehlungsschreiben von Privatpersonen, Vereinigungen und der Heilsarmee Flüchtlingshilfe.

D.

Die Vorinstanz beantragte mit Vernehmlassung vom 22. Januar 2019 die Abweisung der Beschwerde.

E.

Mit Zwischenverfügung vom 13. Februar 2019 wurden die prozessualen Anträge (vgl. Bst. C) abgewiesen und ein Kostenvorschuss erhoben, den die Beschwerdeführenden am 4. März 2019 einbezahlt haben.

F.

In ihrer Replik vom 13. März 2019 hielten die Beschwerdeführenden an ihren Anträgen und deren Begründung fest. Sie ersuchten um Edition der Akten des Beschwerdeverfahrens E-7635/2016 und darum, beim MIDI eine Stellungnahme zu den Erwägungen, die dem Antrag an die Vorinstanz zugrunde lagen, einzuholen. Zudem reichten sie weitere Empfehlungsschreiben zu den Akten.

G.

Am 29. April 2019 reichte die Vorinstanz eine Duplik ein.

H.

Per 1. Juli 2019 wurde das Beschwerdeverfahren einer neuen Instruktionsrichterin zugeteilt.

I.

Die Beschwerdeführenden wurden mit Verfügung vom 18. März 2020 eingeladen, den rechtserheblichen Sachverhalt zu aktualisieren. Von dieser Möglichkeit machten sie am 22. April 2020 Gebrauch. Sie reichten Bestätigungen eines möglichen zukünftigen Arbeitgebers, ein Empfehlungsschreiben eines Frauentreffs und eine Bestätigung über den Kindergartenbesuch des Sohnes im Schuljahr 2018/2019 sowie einen Brief des Bruders des Beschwerdeführers und Berichte zur Situation in Nepal ein.

Zudem teilten sie mit, am Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werde festgehalten, da allein schon aufgrund der Verfahrensdauer nicht von der Aussichtslosigkeit der Begehren ausgegangen werden könne.

J.

Neben den Vorakten zog das Bundesverwaltungsgericht die die Beschwerdeführenden betreffenden Asylakten (inkl. Beschwerdeverfahren E-7635/2016) und die Akten des MIDI bei.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 37 VGG richtet sich das Beschwerdeverfahren nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt. Die angefochtene Verfügung wurde gestützt auf das Asylgesetz erlassen. Allerdings weist die Ausnahmebestimmung von Art. 14 Abs. 2 AsyG sowohl inhaltlich als auch verfahrensrechtlich eher ausländerrechtlichen als asylrechtlichen Charakter auf. Deshalb richtet sich das Verfahren nach den Verfahrensbestimmungen, die im Ausländerrecht anwendbar sind, d.h. jenen des AuG bzw. AIG und des VwVG (vgl. zum Ganzen ausführlich: Urteil des BVGer F-6053/2017 vom 13. Februar 2020 E. 4). Die im 8. Kapitel des AsylG niedergelegten Spezialvorschriften betreffend Rechtsschutz, Beschwerdeverfahren, Wiedererwägung und Mehrfachgesuche kommen nicht zur Anwendung.

    2. Verfügungen des SEM betreffend Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach Art. 14 Abs. 2 AsylG sind beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (Art. 112 Abs. 1 AuG [seit 1. Januar 2019: Ausländer- und Integrationsgesetz [AIG, SR 142.20] i.V.m. Art. 31 ff. VGG ).

    3. Die Beschwerdeführenden sind zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Den Kostenvorschuss haben sie fristgerecht bezahlt (Art. 63 Abs. 4 VwVG). Auf die im Übrigen fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).

2.

Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie die Unangemessenheit gerügt werden (vgl. Art. 49 VwVG). Das Gericht wendet das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG nicht an die Begründung der Begehren gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen Gründen

als den geltend gemachten gutheissen oder abweisen (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 m.H.).

3.

    1. Gestützt auf Art. 14 Abs. 2 AsylG kann ein Kanton einer ihm nach dem Asylgesetz zugewiesenen Person mit Zustimmung des SEM eine Aufenthaltsbewilligung erteilen, wenn die betroffene Person sich seit Einreichung des Asylgesuches mindestens fünf Jahre in der Schweiz aufhält (Bst. a), der Aufenthaltsort der betroffenen Person den Behörden immer bekannt war (Bst. b), wegen der fortgeschrittenen Integration ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt (Bst. c) und keine Widerrufsgründe nach Art. 62 Abs. 1 AIG vorliegen (Bst. d). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Gemäss Art. 31 Abs. 2 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) muss die gesuchstellende Person die Identität offenlegen. Anwendbar ist die Härtefallregelung von Art. 14 Abs. 2 AsylG sowohl auf Personen, die ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen haben, als auch auf Personen, die sich noch im Asylverfahren befinden (BGE 138 I 246 E 2.2; BVGE 2009/40 E. 3.1 m.H.).

    2. Die Beschwerdeführenden machen geltend, sie würden sämtliche Kriterien für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 14 Abs. 2 AsylG erfüllen. Insbesondere liege bei ihnen wegen der fortgeschrittenen Integration ein Härtefall vor. Die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, weil sie ihr eigenes Ermessen an die Stelle des kantonalen Ermessens gestellt und Kriterien hervorgehoben habe, die das Gesetz nicht nenne. So habe sie geprüft, ob die Beschwerdeführenden sich in einer persönlichen Notlage befänden. Damit habe sie den Gesetzeswortlaut von Art. 14 Abs. 2 Bst. c AsylG übergangen.

    3. Die Beschwerdeführenden wurden im Rahmen des Asylverfahrens dem Kanton Bern zugewiesen. Ihre Asylverfahren sind abgeschlossen, ohne dass eine Ersatzmassnahme für die Wegweisung angeordnet worden ist. Die Beschwerdeführenden fallen daher in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 2 AsylG. Seit Einleitung des Asylverfahrens halten sie sich länger als fünf Jahre ununterbrochen in der Schweiz auf. Ihr Aufenthaltsort war den Behörden immer bekannt, und ihre Identität haben sie offengelegt (Art. 31 Abs. 2 VZAE, vgl. aber E. 5.1). Die Bewilligungsvoraussetzungen nach Art. 14 Abs. 2 Bst. a und b AsylG sind demnach gegeben. Zu prüfen bleibt, ob die Voraussetzungen nach Art. 14 Abs. 2 Bst. c und d AsylG erfüllt sind.

4.

Zunächst ist zu prüfen, ob die Integration der Beschwerdeführenden so fortgeschritten ist, dass von einem schwerwiegenden persönlichen Härtefall auszugehen ist (Art. 14 Abs. 2 Bst. c AsylG), sollte ihnen der weitere Aufenthalt in der Schweiz verwehrt werden.

5.

    1. Zur Bestimmung des Härtefallbegriffs nach Art. 14 Abs. 2 Bst. c AsylG enthält Art. 31 Abs. 1 VZAE einen (nicht abschliessenden) Kriterienkatalog. Gemäss Art. 31 Abs. 1 VZAE in der hier anwendbaren, bis am 31. Dezember 2018 gültig gewesenen Fassung vom 24. Oktober 2007 (AS 2007 5497 5507) sind bei der Beurteilung insbesondere zu berücksichtigen: die Integration der gesuchstellenden Person (Bst. a), die Respektierung der Rechtsordnung durch die gesuchstellende Person (Bst. b), die Familienverhältnisse, insbesondere der Zeitpunkt der Einschulung und die Dauer des Schulbesuchs der Kinder (Bst. c), die finanziellen Verhältnisse sowie der Wille zur Teilhabe am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung (Bst. d), die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz (Bst. e), der Gesundheitszustand (Bst. f) und die Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung im Herkunftsstaat (Bst. g).

    2. Ein schwerwiegender persönlicher Härtefall darf nicht leichthin angenommen werden (BVGE 2009/40 E. 6.1). Nach der Praxis ist erforderlich, dass sich die ausländische Person in einer persönlichen Notlage befindet. Demgemäss muss die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung für die betroffene Person mit schweren Nachteilen verbunden sein und ihre Lebensund Existenzbedingungen müssen, gemessen am durchschnittlichen Schicksal von ausländischen Personen, bei einer Rückkehr in das Heimatland in gesteigertem Masse in Frage gestellt sein. Die diesbezüglich in aArt. 31 Abs. 1 VZAE formulierten Kriterien stellen weder einen abschliessenden Katalog dar, noch müssen sie kumulativ erfüllt sein. Jeder Fall ist individuell und aufgrund der Gesamtumstände zu prüfen (vgl. BGE 130 II 39 E. 3; 124 II 110 E. 2; BVGE 2009/40 E. 6.2).

    3. Eine langdauernde Anwesenheit und die fortgeschrittene soziale und berufliche Integration sowie ein klagloses Verhalten genügen für sich allein betrachtet nicht, um einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall zu begründen. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass die ausländische Person so enge Beziehungen zur Schweiz unterhält, dass von ihr nicht verlangt werden kann, in einem anderen Land - insbesondere in ihrem Heimatstaat zu leben. Berufliche, freundschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen, welche die betroffene Person während ihres Aufenthaltes in der Schweiz knüpfen konnte, genügen dafür gewöhnlich nicht (vgl. BGE 130 II 39 E. 3; BVGE 2009/40 E. 6.2; 2007/45 E. 4.2).

    4. Bei Härtefallgesuchen von Familien ist den Kindern besonderes Augenmerk zu widmen. Gemäss Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (KRK; SR 0.107) ist das Kindeswohl bei allen Massnahmen, die Minderjährige betreffen, ein Aspekt von vorrangiger Bedeutung (BGE 135 I 153 E. 2.2.2). Ungeachtet der umstrittenen Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist das Kindeswohl zumindest im Rahmen einer völkerrechtskonformen Auslegung des Landesrechts zu berücksichtigen. Dem wird in der Praxis insofern Rechnung getragen, als der fortgeschrittenen sozialen und schulischen Integration von Kindern in der Schweiz regelmässig besonderes Gewicht beigemessen wird (vgl. Urteil des BVGer F-3866/2017 vom 14. März 2019 E. 7.3 m.H.).

6.

Die Rüge der Beschwerdeführenden, die Vorinstanz habe in unzulässiger Weise in den Ermessensspielraum der kantonalen Behörde eingegriffen, ist unbegründet. Gemäss ständiger Rechtsprechung ist das SEM im Rahmen des Zustimmungsverfahrens (vgl. E. 3.1 hiervor) nicht an die Einschätzung der kantonalen Behörde gebunden (vgl. ausdrücklich Art. 99 zweiter Satz AIG in der im Zeitpunkt der streitigen Verfügung anwendbaren, bis am

31. Mai 2019 gültig gewesenen Fassung vom 16. Dezember 2005 [AS

2007 5437 5470], ferner statt vieler Urteil F-5837/2017 vom 22. August

2019 E. 2.3). Der in diesem Zusammenhang mit Replik vom 13. März 2019 (Ziff. 3) eingereichte Antrag, es sei beim MIDI eine Stellungnahme einzuholen, die Auskunft über die Gründe für die Unterbreitung der Angelegenheit zur Zustimmung gibt, erweist sich damit als obsolet.

7.

Die Beschwerdeführenden machen geltend, die Praxis der Vorinstanz und des Bundesverwaltungsgerichts habe sich «vom Wortlaut und Sinne des Gesetzes entfernt». Die Vorinstanz hebe Kriterien hervor, die das Gesetz nicht nenne, wie etwa den Begriff «persönliche Notlage».

Die Praxis zur Auslegung des Begriffs «schwerwiegender persönlicher Härtefall» (vgl. E. 5.2) lässt genug Raum für die Beurteilung des Einzelfalls.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführenden kann beim Element «persönliche Notlage» nicht von einem neuen, gesetzeswidrigen Kriterium gesprochen werden. Der Begriff «Notlage» mag nicht in allen Konstellationen glücklich gewählt erscheinen, weist er doch auf ein akutes Bedürfnis nach Hilfe hin. Die Gerichtspraxis will damit unterstreichen, dass der Gesetzgeber die Hürde, einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall zu bejahen, hoch angesetzt hat. Deshalb genügt es nicht, wenn eine gute Integration vorliegt; vielmehr bedarf es einer derart engen Beziehung zur Schweiz, dass es der betroffenen Person nicht zugemutet werden kann, das Leben in der Schweiz aufzugeben. Im Fall der Beschwerdeführenden besteht zwar eine gute Integration. Sie ist aber nicht derart gefestigt, dass eine Rückkehr nach Nepal eine Entwurzelung der Familie zur Folge hätte (vgl. auch E. 9 hiernach).

8.

    1. Ferner kritisieren die Beschwerdeführenden, die Vorinstanz vermische die «Prüfungsprogramme» von Art. 14 Abs. 2 Bst. c AsylG und Art. 83 Abs. 4 AIG. Die Vorinstanz müsse die Gefährdungssituation bei der Härtefallprüfung unter dem Aspekt der Möglichkeit der Wiedereingliederung berücksichtigen und dürfe nicht allein auf die Prüfung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs im Rahmen des Asylverfahrens verweisen.

    2. Indem die Beschwerdeführenden auf eine Gefährdungssituation im Herkunftsland hinweisen und diese unter dem Aspekt der Wiedereingliederung (Art. 31 Abs. 1 Bst. g VZAE) gewürdigt haben wollen, vermischen sie

  • und nicht die Vorinstanz - die Tatbestände nach Art. 14 Abs. 2 Bst. c AsylG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 Bst. g VZAE einerseits und Art. 83 Abs. 4 AIG andererseits. Diese sind, wie die Vorinstanz zu Recht festhält, zu unterscheiden. Der Hauptunterschied ist der Blickwinkel, von dem auszugehen ist. Bei Art. 83 Abs. 4 AIG steht die Situation, die der Betroffene im Zielstaat zu gewärtigen hat, im Zentrum der Prüfung. Aufgrund dieser Situation, wozu insbesondere die Sicherheitsbzw. Gefährdungslage gehört, wird dann beurteilt, ob der Vollzug der Wegweisung zumutbar ist oder nicht (vgl. BVGE 2013/1 E. 6.3.1, 2009/41 E. 7.1). Bei der Beurteilung der Möglichkeit der Wiedereingliederung im Zielland im Rahmen der Härtefallprüfung von Art. 14 Abs. 2 Bst. c AsylG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 Bst. g VZAE liegt der Schwerpunkt dagegen auf der Situation des Betroffenen in der Schweiz. Die zentrale Frage lautet, ob die betroffene Person aufgrund ihrer persönlichen Möglichkeiten (bzw. Fähigkeiten) oder Schwierigkeiten in der Lage wäre, sich im Herkunftsland wieder einzugliedern. Dies hat weniger mit der Integration in der Schweiz zu tun als damit, ob der betroffenen Person die

    Rückkehr aufgrund ihrer persönlichen Situation (und nicht aufgrund der Lage im Herkunftsland) zugemutet werden kann. Obwohl die beiden Tatbestände klar zu unterscheiden sind, können gewisse persönliche, familiäre und ökonomische Schwierigkeiten, denen die betroffene Person im Heimatland ausgesetzt wäre, sowohl bei der Beurteilung des Wegweisungsvollzugs eine Rolle spielen als auch einen Härtefall (mit-)begründen. Diese Überschneidung ist in Kauf zu nehmen (vgl. Urteil F-3886/2017 vom

    14. März 2019 E. 6.3 m.H.). Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die geltend gemachte Gefährdung durch nichtstaatliche Akteure in Nepal nicht berücksichtigt hat, soweit sie im Zusammenhang mit der Prüfung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs (Art. 83 Abs. 4 AIG) steht.

    9.

    9.1 Die Vorinstanz geht davon aus, dass die Beschwerdeführenden sozial gut integriert sind. Sie schätzt den Grad der Integration jedoch nicht als so fortgeschritten ein, dass ein schwerwiegender persönlicher Härtefall entstehen würde, wenn die Beschwerdeführenden die Schweiz verlassen müssten.

    9.2

        1. Den Akten lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeführenden seit ihrer Ankunft in der Schweiz im Jahr 2013 Deutsch gelernt und sich einen grossen Bekanntenkreis aufgebaut haben. Gemäss den eingereichten Kursbestätigungen und Zertifikaten bewegten sich die Sprachkenntnisse der Beschwerdeführerin 2017 auf Mittelstufenniveau (B1 des Europäischen Referenzrahmens), diejenigen des Beschwerdeführers 2016 auf dem Niveau A2/B1 (Akten SEM 7-15). Aber auch die zahlreichen Schreiben von Bekannten und Freunden, die sich bei den Akten befinden, bestätigen, dass die Beschwerdeführenden im Alltag sprachlich gut zurechtkommen. Es ist davon auszugehen, dass sie seither weitere Fortschritte gemacht haben, auch wenn dazu keine Belege vorliegen.

          Der Beschwerdeführerin wurde am 10. Februar 2017 zunächst eine Erwerbstätigkeit von 8 - 12 Stunden pro Woche als Reinigungsmitarbeiterin und am 26. Juni 2017 eine Vollzeit-Tätigkeit als Küchenhilfe in einem Restaurant bewilligt. Nachdem das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen war, wurde ihr am 20. April 2018 jegliche Erwerbstätigkeit untersagt (Akten BE Beschwerdeführerin S. 120-124). Aus den eingereichten Empfehlungsschreiben geht hervor, dass die Beschwerdeführerin sich stattdessen in der Freiwilligenarbeit engagiert. Für den Beschwerdeführer findet sich in den

          kantonalen Akten ein Gesuch um Bewilligung einer Erwerbstätigkeit vom

          1. April 2018. Es handelte sich um das gleiche Restaurant, in dem bereits die Beschwerdeführerin tätig war. Der Beschwerdeführer sollte dort ebenfalls als Küchenhilfe eingesetzt werden. Auch ihm wurde mit Verfügung vom 20. April 2018 jegliche Erwerbstätigkeit untersagt (Akten BE Beschwerdeführer S. 53-58). Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber seine Zusagen am 7. März 2020 erneuert hat (vgl. Beschwerdebeilagen 23 und 24,

          vgl. Akt. 18).

          Der Sohn der Beschwerdeführenden ist in der Schweiz geboren und mittlerweile sechseinhalb Jahre alt. Er besucht zurzeit das zweite Kindergartenjahr und soll nach den Sommerferien 2020 eingeschult werden. In einer Stellungnahme der Kindergartenlehrerin vom 7. März 2019 stehen die gute Integration des Kindes in der Klasse und seine Lernfreude im Zentrum (Beschwerdebeilage 20, vgl. Akt. 7).

        2. Aufgrund der Akten ist von einer, gemessen an der Aufenthaltsdauer von 7 Jahren, sehr guten sprachlichen und sozialen Integration der Beschwerdeführerin auszugehen. Die Integration des Beschwerdeführers hingegen erscheint weniger ausgeprägt. Insgesamt ist die Integration der Familie daher als gut, jedoch nicht als ausgesprochen weit fortgeschritten anzusehen (vgl. Art. 31 Abs. 1 aBst. a VZAE). Auch der Wille zur Teilhabe am Wirtschaftsleben ist erkennbar, wiederum ausgeprägter bei der Beschwerdeführerin als beim Beschwerdeführer. Da die Beschwerdeführenden seit April 2018 einem Arbeitsverbot unterliegen, darf ihnen unter dem Aspekt von Art. 31 Abs. 1 aBst. d VZAE ihre derzeitige Abhängigkeit von der Nothilfe nicht zugerechnet werden (vgl. Art. 31 aAbs. 5 VZAE). Der Sohn der Beschwerdeführenden hat zwar sein ganzes Leben in der Schweiz verbracht. Angesichts seines Alters ist jedoch davon auszugehen, dass die Beziehung zu seinen Eltern zentral ist und das Kindeswohl, das gemäss Art. 3 KRK vorrangig zu beachten ist, nicht gefährdet ist, so lange er mit seinen Eltern zusammen ist (vgl. Art. 31 Abs. 1 Bst. c VZAE).

      1. Die Beschwerdeführenden haben sich in strafrechtlicher Hinsicht nichts zu Schulden kommen lassen. Allerdings gereicht ihnen mit Blick auf das Kriterium «Respektierung der Rechtsordnung» (Art. 31 Abs. 1 aBst. b VZAE) zum Nachteil, dass sie die ihnen angesetzte Ausreisefrist (10. Mai 2018) nicht eingehalten haben und ihrer (asylrechtlichen) Pflicht zur Offenlegung ihrer Identität (vgl. Art. 8 Abs. 1 Bst. a AsylG) nicht nachgekommen sind, sondern ihre Identität erst im vorliegenden Aufenthaltsverfahren offengelegt haben. Dieser Umstand berührt auch das in Art. 31 Abs. 1 Bst. e

        VZAE genannte Kriterium der Aufenthaltsdauer. Die Dauer der Anwesenheit seit Ablauf der Ausreisefrist ist auf dieses Fehlverhalten der Beschwerdeführenden zurückzuführen, weshalb dieses Element nicht zugunsten der Beschwerdeführenden gewertet werden kann.

      2. Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführenden (vgl. Art. 31 Abs. 1 Bst. f VZAE) gibt keinen Anlass zu Bemerkungen.

      3. Im Zusammenhang mit dem Kriterium von Art. 31 Abs. 1 Bst. g VZAE (Möglichkeiten der Wiedereingliederung im Heimatland) machen die Beschwerdeführenden geltend, einer Wiedereingliederung in Nepal stünden die Gründe entgegen, die sie zur Flucht bewogen hätten. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-7635/2016 vom 5. April 2018 betreffend Asyl ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführenden geltend gemacht haben, Nepal verlassen zu haben, weil sie von einer kriminellen Organisation bedroht worden seien. Die staatlichen Organe seien nicht in der Lage gewesen, sie zu schützen. Das Bundesverwaltungsgericht ist zum Schluss gekommen, dass die Ausführungen zur geltend gemachten Bedrohung durch die kriminelle Organisation insgesamt nicht glaubhaft seien (Urteil des BVGer E-7635/2016 vom 5. April 2018 E. 6.1).

    Die Beschwerdeführenden bringen im vorliegenden Verfahren nichts vor, was die geltend gemachten Schwierigkeiten, die im Asylverfahren als unglaubhaft beurteilt wurden, unter dem hier zu beurteilenden Aspekt (vgl.

    E. 8.2) in einem anderen Licht erscheinen liesse. Daran vermag auch der Brief des Vaters des Beschwerdeführers nichts zu ändern (Beschwerdebeilage 28 und 29, vgl. Akt. 18). Andere Umstände, die auf eine Gefährdung der Wiedereingliederung hindeuten würden, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist auf die Feststellungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-7635/2018 vom 5. April 2018 E. 8.3 hinzuweisen, wonach die Beschwerdeführenden über eine gute Ausbildung und ein intaktes familiäres Beziehungsnetz verfügen. Soweit die Beschwerdeführenden auf die allgemeine Menschenrechtslage und die besondere Situation in Nepal angesichts der Corona-Pandemie hinweisen (Beschwerdebeilagen 30 und 31; vgl. Akt. 18), so sind diese Umstände bei der Beurteilung des Kriteriums von Art. 31 Abs. 1 Bst. g VZAE nicht relevant (vgl. E. 8.2 zur Abgrenzung zu Art. 83 Abs. 4 AIG).

    10.

    Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Beschwerdeführenden zwar gut integriert sind, jedoch nicht in einem Ausmass, dass ihnen die

    Beendigung des Aufenthalts in der Schweiz unzumutbar wäre. Es kann daher nicht auf einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall i.S. von Art. 14 Abs. 2 AsylG geschlossen werden für den Fall, dass sie die Schweiz verlassen müssten. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine Prüfung von Art. 14 Abs. 2 Bst. d AsylG.

    11.

    Die Verfügung der Vorinstanz ist somit im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist abzuweisen.

    12.

      1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführenden kostenpflichtig (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

      2. Die Beschwerdeführenden ersuchen allerdings in ihrer Eingabe vom

    22. April 2020 auf dem Weg der Wiedererwägung um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege mit der Begründung, allein die Verfahrensdauer von mehr als einem Jahr zeige, dass die Begehren nicht aussichtslos seien.

    Entgegen der Annahme der Beschwerdeführenden ist die Verfahrensdauer nicht auf den Inhalt des Verfahrens, sondern auf die Geschäftslast des Gerichts zurückzuführen. Vielmehr bestätigen die vorstehenden Erwägungen die Beurteilung der Aussichten, wie sie der damals zuständige Instruktionsrichter in der Zwischenverfügung vom 13. Februar 2019 vorgenommen hat. Das Gesuch um Wiedererwägung des Entscheids betreffend Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist daher abzuweisen.

    13.

    Das vorliegende Urteil ist endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 2 BGG). (Dispositiv nächste Seite)

    Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

    1.

    Die Beschwerde wird abgewiesen.

    2.

    Das Wiedererwägungsgesuch betreffend unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

    3.

    Die Verfahrenskosten von Fr. 1'000.- werden den Beschwerdeführenden auferlegt. Sie sind durch den einbezahlten Kostenvorschuss gedeckt.

    4.

    Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführenden (Einschreiben)

  • die Vorinstanz (Beilagen: Akten Ref-Nr. [ ], [ ] und [ ] und N [ ]; Doppel von Akt. 18 zur Kenntnis)

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Susanne Genner Barbara Kradolfer

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