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Bundesverwaltungsgericht Urteil B-4720/2019

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung II
Dossiernummer:B-4720/2019
Datum:14.07.2020
Leitsatz/Stichwort:Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
Schlagwörter : Verfügung; Beschwerde; Sekretariat; Recht; Verfahren; Beschwerdeführerin; Bundes; Anträge; Sekretariats; Verfahrens; Urteil; Swatch; Entscheid; Group; Verfahren; Vorinstanz; Nivarox; Materiell; Untersuchung; Nichtigkeit; Behörde; Nichteintreten; Nichtig; Entscheide; UHLMANN; Verfügungen; Partei
Rechtsnorm: Art. 18 KG ; Art. 23 KG ; Art. 25 VwVG ; Art. 27 KG ; Art. 30 KG ; Art. 34 VwVG ; Art. 35 VwVG ; Art. 45 VwVG ; Art. 46 VwVG ; Art. 48 BGG ; Art. 57 KG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:103 Ib 350; 130 I 369; 132 II 342; 132 V 74; 134 I 83; 134 II 137; 134 III 426; 135 II 60; 135 III 212; 136 II 165; 137 III 217; 138 I 6; 138 V 106; 139 II 243; 139 V 72; 140 III 651; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Felix Uhlmann; Felix Uhlmann;
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung II B-4720/2019

U r t e i l  v o m  1 4.  J u l i  2 0 2 0

Besetzung Richter Daniel Willisegger (Vorsitz),

Richterin Vera Marantelli, Richter David Aschmann, Gerichtsschreiberin Hanna Marti Adji.

Parteien X. S.A.,

vertreten durch die Rechtsanwälte

Dr. Mani Reinert und Dr. Vera Naegeli, Beschwerdeführerin,

gegen

Wettbewerbskommission WEKO,

Sekretariat, Vorinstanz.

Gegenstand Beschwerde gegen Nichteintreten auf Anträge

im Verfahren 32-0224 gegen The Swatch Group AG.

Sachverhalt:

A.

Die Wettbewerbskommission WEKO (nachfolgend: Vorinstanz oder WEKO) hatte mit Verfügung vom 21. Oktober 2013 eine in Sachen "32-0224: Swatch Group Lieferstopp" zwischen dem Sekretariat der WEKO (nachfolgend: Sekretariat) und der The Swatch Group AG (nachfolgend: Swatch Group) abgeschlossene einvernehmliche Regelung vom

9. September 2013 (Dispositiv-Ziff. 3) genehmigt. Gleichzeitig stellte sie fest, dass die ETA SA Manufacture Horlogère Suisse (nachfolgend: ETA) auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Swiss Made Uhrwerke (Dispositiv-Ziff. 1) und die Nivarox-FAR S.A. (nachfolgend: Nivarox) auf dem Markt für mechanische, in der Schweiz hergestellte Assortiments (Dispositiv-Ziff. 2) eine marktbeherrschende Stellung innehaben.

B.

Mit Schreiben vom 13. November 2018 zeigte das Sekretariat im Einvernehmen mit dem Präsidenten der Vorinstanz die Eröffnung eines Verfahrens nach Art. 30 Abs. 3 KG an. Es publizierte die Verfahrenseröffnung im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) und im Bundesblatt (BBl) vom

  1. November 2019 (vgl. auch BBl 2018 7147 f.) mit der Begründung, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass ab dem Jahr 2020 nicht in ausreichendem Masse alternative Bezugsquellen vorhanden sein könnten, um die Nachfrage der Uhrenhersteller nach mechanischen Uhrwerken bedienen zu können. In diesem (neuen) Verfahren würden die aktuellen Marktund Wettbewerbsverhältnisse geprüft, um beurteilen zu können, ob sich die Anhaltspunkte erhärteten und allenfalls ein Widerruf oder eine Änderung des WEKO-Entscheids in Erwägung zu ziehen sei.

    C.

    Wie bereits im ersten Untersuchungsverfahren wurde der Beschwerdeführerin auch in diesem neuen, unter der alten Verfahrensnummer 32-0224 laufenden Verfahren "Swatch Group Lieferstopp / Ablauf Lieferverpflichtung" Parteistellung im Sinne von Art. 6 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG, SR 172.021) gewährt.

    D.

    Mit der Eingabe vom 22. März 2019 stellte die Beschwerdeführerin u.a. die folgenden Anträge (Anträge 1.1., 1.3. - 1.5.):

    "1. Die einvernehmliche Regelung mit The Swatch Group AG sei auf unbestimmte Zeit zu verlängern und es seien darin folgende zusätzliche Verpflichtungen aufzunehmen:

    1.1. Nivarox-FAR SA sei zu verpflichten, X.

    uneingeschränkt mit

    Assortiments jeder Referenz und Technologie zu beliefern; dies beinhaltet insbesondere auch die Annahme und Durchführung neuer Entwicklungsaufträge von X. sowie die Belieferung von X._ mit Assortiments bzw. deren Bestandteilen aller neuen Technologien (wie z.B. Spiralfedern aus Silizium oder Titan/Nivachron)."

    "1.3. Nivarox-FAR S.A., The Swatch Group AG sowie allen mit The Swatch Group AG im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VKU verbundenen Gesellschaften sei zu

    verbieten, X.

    gegenüber Dritten und gegenüber mit The Swatch

    Group AG im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VKU verbundenen Gesellschaften zu diskriminieren. Als diskriminierend gilt dabei insbesondere jede der folgenden Verhaltensweisen: Verweigerung der Belieferung mit Produkten, die an andere Dritte oder an mit The Swatch Group AG im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VKU verbundene Gesellschaften geliefert werden, Anwendung unterschiedlicher Geschäftsbedingungen oder Preise im Verhältnis zu Dritten oder zu mit The Swatch Group AG im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VKU verbundenen Gesellschaften.

      1. Nivarox-FAR S.A., The Swatch Group AG sowie allen mit The Swatch Group AG im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VKU verbundenen Gesellschaften sei zu verbieten, die Lieferung von Assortiments oder mechanischen Uhrwerken an Dritte an den Bezug anderer Produkte zu koppeln.

      2. Nivarox-FAR S.A., The Swatch Group AG sowie allen mit The Swatch Group AG im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VKU verbundenen Gesellschaften sei zu

    verbieten, von X. Preise zu verlangen."

    unangemessene Geschäftsbedingungen und

    Sie wiederholte diese mit Eingabe vom 19. Juni 2019 unter Antrag 2 als Eventualbegehren (als Anträge 2.1., 2.3. - 2.5.):

    "2. [ ] The Swatch Group AG und den mit ihr im Sinne von Art. 5 Abs.1 VKU verbundenen Gesellschaften seien auf unbestimmte Zeit folgende Verpflichtungen aufzuerlegen:

    [ ]"

    und mit Eingabe vom 16. Juli 2019 ergänzte die Beschwerdeführerin diese Anträge mit einem zusätzlichen Hauptantrag unter Ziff. 1 (Antrag 1.5a) und wiederholte diesen zusätzlichen Antrag als Eventualantrag unter Ziff. 2 (als Antrag 2.5a.):

    "1.5a. Ohne die Geltung der übrigen Bestimmungen einzuschränken gilt im Bereich Nachverkaufsservice (Service Après-Vente) Folgendes: Zur Erfüllung des Nachverkaufsservice bieten ETA SA Manufacture Horlogère Suisse und Nivarox-FAR S.A. zusätzlich Verschleissteile mechanischer Uhrwerke und

    Assortiments im Umfang von jährlich bis zu 10% der durchschnittlich pro Jahr in den Jahren 2009-2011 effektiv gelieferten Menge an."

    E.

    Mit Schreiben vom 9. August 2019 bestätigte das Sekretariat der Beschwerdeführerin, dass ein Teil ihrer gestellten Anträge betreffend Nivarox resp. die Lieferung von Assortiments vom Gegenstand des laufenden Verfahrens nach Art. 30 Abs. 3 KG nicht erfasst würden und auf diese in Bezug auf Nivarox nicht eingetreten würde (Anträge 1.1 und 2.1 sowie 1.3, 1.4, 1.5., 1.5a, 2.3, 2.4, 2.5a). Darüber hinaus werde auf die Anträge der Beschwerdeführerin nur insoweit eingetreten, als sie die ETA und die Lieferung von mechanischen Uhrwerken beträfen.

    F.

    Mit Eingabe vom 16. September 2019 hat die Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde mit folgenden Rechtsbegehren erhoben:

    "1. Es sei festzustellen, dass die Verfügung des Sekretariats vom 9. August 2019 nichtig ist.

    1. Eventualiter: Die Verfügung des Sekretariats sei aufzuheben und das Sekretariat sei anzuweisen, auf die in den Eingaben vom 22. März 2019, 19. Juni 2019 und 16. Juli 2019 der Beschwerdeführerin gestellten Anträge 1.1 und 2.1

      sowie auf die Anträge 1.3, 1.4, 1.5, 1.5a, 2.3, 2.4, 2.5 und 2.5a auch in Bezug auf Nivarox-FAR SA einzutreten und diesbezüglich an die Wettbewerbskommission in der Sache materiell Antrag gemäss Art. 30 Abs. 1 KG zu stellen.

    2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen."

G.

Mit Vernehmlassung vom 4. Dezember 2019 hat die Vorinstanz folgende Anträge gestellt:

"1. Auf die Beschwerde sei nicht einzutreten.

2. Eventualiter: Soweit Antrag 1 abgelehnt wird, sei die Beschwerde abzuweisen.

- unter Kostenfolgen zu Lasten der Beschwerdeführerin -".

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

Das Bundesverwaltungsgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und ob auf eine Beschwerde einzutreten ist (BVGE 2007/6 E. 1 m.H.).

    1. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde grundsätzlich sachlich zuständig (Art. 39 des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 1995 [KG, SR 251] i.V.m. Art. 33 Bst. f des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32] und Art. 1 Abs. 1 und

      2 Bst. d des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968

      [VwVG, SR 172.021]).

    2. Nach Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG (vgl. auch Art. 44 VwVG). Art. 33 VGG bezeichnet weitere Beschwerdemöglichkeiten in vorliegend nicht einschlägigen Spezialfällen. Das für das Bundesverwaltungsgericht nach Art. 37 VGG und Art. 2 Abs. 4 VwVG massgebende Verwaltungsverfahrensgesetz findet im Kartellrecht Anwendung, soweit das Kartellgesetz nicht davon abweicht (Art. 39 KG).

Anfechtungsgegenstand ist das Schreiben des Sekretariats vom 9. August 2019, mit dem dieses auf einen Teil der Anträge der Beschwerdeführerin nicht eingetreten ist. Vorliegend ist umstritten, ob überhaupt ein taugliches Anfechtungsobjekt vorliegt. Als erstes stellt sich die Frage, ob es sich beim Schreiben des Sekretariats vom 9. August 2019 um eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG handelt (nachfolgend, E. 2).

2.

Die Beschwerdeführerin erklärt, das Schreiben des Sekretariats vom

9. August 2019 erfülle alle materiellen Merkmale einer Verfügung nach Art. 5 VwVG. Es handle sich um eine verbindliche behördliche Anordnung, die individuell-konkret gegenüber der Beschwerdeführerin ergangen sei und mit der gestützt auf öffentliches Recht des Bundes, namentlich das Kartellgesetz, ein Rechtsverhältnis geregelt werden solle, indem das Sekretariat auf Begehren der Beschwerdeführerin nicht eintrete.

    1. Die Vorinstanz bestreitet, dass es sich beim Schreiben des Sekretariats vom 9. August 2019 um eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG handelt. Mit dem Schreiben habe die Vorinstanz - mit Blick auf den Verfahrensgegenstand des laufenden Verfahrens - einzig ihre Sichtweise bekundet, wonach sie sich im Rahmen des laufenden Verfahrens nicht inhaltlich mit den Vorwürfen betreffend Assortiments und Nivarox zu befassen habe. Das Schreiben des Sekretariats sei mithin nicht auf die Regelung eines Rechtsverhältnisses gerichtet gewesen, sondern habe der Information gedient, dass das Sekretariat als Untersuchungsbehörde davon ausgehe, dass die Vorwürfe der Beschwerdeführerin betreffend den Bereich Assortiments/Nivarox nicht vom Untersuchungsgegenstand des laufenden Verfahrens erfasst seien. Es handle sich also um eine blosse Mitteilung, der ein Regelungscharakter weder innewohne noch innewohnen solle.

    2. Als Verfügungen gelten gemäss Art. 5 Abs. 1 VwVG Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben: Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten (Bst. a); Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten und Pflichten (Bst. b); Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten und Pflichten oder das Nichteintreten auf ein solches Begehren (Bst. c). Als Verfügungen gelten mithin autoritative, einseitige, individuellkonkrete Anordnungen der Behörde, die in Anwendung von Bundesverwaltungsrecht ergangen, auf Rechtswirkungen ausgerichtet sowie verbindlich und erzwingbar sind (BGE 139 V 72 E. 2.2.1; 135 II 38 E. 4.3 m.H.; BVGE 2009/43 E. 1.1.4; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl., 2016, Rz. 849 ff.). Diese vorgenannten Strukturmerkmale bzw. Elemente des Verfügungsbegriffs müssen kumulativ erfüllt sein (BENOÎT BOVAY, Procédure administrative, 2. Aufl. 2015, S. 329 f.; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014, § 28 Rz. 17; FELIX UHLMANN, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar VwVG [nachfolgend: Praxiskommentar VwVG], 2. Aufl. 2016, Art. 5 N 17). Allerdings ist einer Verfügung die Rechtswirksamkeit inhärent, weshalb den Merkmalen der Verbindlichkeit und Erzwingbarkeit regelmässig keine selbstständige Bedeutung zukommt (Urteil des BGer 2C_1184/2013 vom 17. Juli 2014 E. 2.1 m.H.). Das Verfahrensstadium, in welchem ein Verwaltungsakt ergeht, präjudiziert dessen rechtliche Einordnung nicht (Urteil des BGer 2C_1097/2014 vom 6. Oktober 2015 E. 3.1 m.H.). Art. 5 Abs. 2 VwVG dehnt den Verfügungsbegriff aus auf Vollstreckungsverfügungen (Art. 41 Abs. 1 Bst. a und b VwVG), Zwischenverfügungen (Art. 45 und Art. 46 VwVG), Einspracheentscheide (Art. 30 Abs. 2 Bst. b und Art. 74 VwVG), Beschwerdeentscheide (Art. 61 VwVG), Entscheide im Rahmen einer Revision (Art. 68 VwVG) und die Erläuterung (Art. 69 VwVG). Ferner

      gelten Wiedererwägungen bzw. Abweisungen von Wiedererwägungsgesuchen, Verfügungen über einen Realakt (Art. 25a Abs. 2 VwVG) sowie Disziplinarentscheide nach Art. 60 VwVG als Verfügungen. Vom Verfügungsbegriff erfasst sind naturgemäss auch Teilverfügungen, die ein Verfahren für einen bestimmten Teil abschliessen. Nicht als Verfügungen gelten namentlich Erklärungen von Behörden über die Ablehnung oder Erhebung von Ansprüchen, die auf dem Klageweg zu verfolgen sind (Art. 5 Abs. 3 VwVG).

      Vom Verfügungsbegriff zu trennen ist die Frage nach der Form der Verfügung. Art. 34 f. VwVG schreiben den in Anwendung von Bundesverwaltungsrecht handelnden Behörden vor, dass Verfügungen als solche zu bezeichnen und den Adressaten schriftlich, begründet und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen zu eröffnen sind. Formfehler führen grundsätzlich nicht zum Wegfall des Verfügungscharakters; die Formvorschriften sind nicht Voraussetzung, sondern Folge der Verfügung. Massgebend ist ein materieller Verfügungsbegriff, d.h. der tatsächliche rechtliche Gehalt (BGE 132 V 74 E. 2 m.H.; BVGE 2015/15 E. 2.1.2.1 in fine; HÄFELIN/MÜL-

      LER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 872; FELIX UHLMANN, in: Praxiskommentar VwVG, Art. 5 N. 17, 131 f.). Eine Verfügung liegt folglich vor, wenn eine Verwaltungshandlung die vom Verfügungsbegriff geforderten Strukturmerkmale (vgl. oben) aufweist (BVGE 2016/20 E. 1.2.1 m.H.; Urteil des BVGer B-198/2014 vom 5. November 2014 E. 2.3.2 m.H., bestätigt in Urteil des BGer 2C_1097/2014 vom 6. Oktober 2015, vgl. insb. E. 3.1).

    3. Zu prüfen ist somit, ob das angefochtene Schreiben des Sekretariats an die Beschwerdeführerin die Elemente bzw. Strukturmerkmale des Verfügungsbegriffs erfüllt.

      Vorliegend kann nicht bezweifelt werden, dass das Sekretariat hoheitlich, einseitig, individuell-konkret - d.h. auf die Beschwerdeführerin bezogen - und in Anwendung von Bundesverwaltungsrecht gehandelt hat. Indem das Sekretariat mit seinem Schreiben vom 9. August 2019 bestätigte, dass auf gewisse Anträge der Beschwerdeführerin nicht eingetreten werde, traf es als Behörde eine einseitige Anordnung im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützt.

      Für die Qualifikation des Schreibens des Sekretariats als Verfügung ist folglich ausschlaggebend, ob es sich dabei um einen verbindlichen und erzwingbaren, mithin auf das Erzielen von Rechtswirkungen ausgerichteten Akt handelt.

      Ein Rechtsverhältnis liegt vor, wenn die Anordnung einer Behörde auf die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolgs im Verhältnis zwischen Staat und Bürger gerichtet ist (vgl. TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 28 Rz. 16 f. und 19 ff.). Die Ausrichtung auf Rechtswirksamkeit unterscheidet die Verfügung einerseits von solchem tatsächlichem oder informellem Verwaltungshandeln, das nicht auf einen rechtlichen, sondern auf einen tatsächlichen Erfolg abzielt (BGE 130 I 369 E. 6.1), indessen ausnahmsweise gleichwohl die Rechtsstellung von Privaten beeinträchtigen kann (BGE 138 I 6 E. 1.2; 130 I 369 E. 6.1; Urteil des BGer 2C_1097/2014 vom

      6. Oktober 2015 E. 3.1 m.w.H.). Mangels autoritativer Anordnung ebenfalls nicht auf Rechtswirksamkeit ausgerichtet und damit keine Verfügung ist andererseits das rechtsunverbindliche Handeln einer Behörde (FELIX UHLMANN, in: Praxiskommentar VwVG, Art. 5 N. 97 f.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 847, 868 ff. und 873 ff.; MÜLLER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2. Aufl. 2019, Art. 5 N. 28 sowie DERS., in: 1. Aufl. 2008, Art. 5

      N. 13), wobei aber auch dieses unter Umständen eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Betroffenen zur Folge haben kann (BGE 103 Ib 350

      E. 2)

      Die Regelung eines Rechtsverhältnisses ist darin zu sehen, dass das Sekretariat im Schreiben vom 9. August 2019 durch die Darstellung seiner Rechtsauffassung die Zulässigkeit der Anträge im laufenden Verfahren verneinte. Verbindlich ist das Schreiben insofern, als das Sekretariat damit festlegte, auf die Anträge der Beschwerdeführerin im laufenden Verfahren nicht einzutreten. Sie hat damit der Beschwerdeführerin das Recht abgesprochen, die gestellten Anträge im laufenden Verfahren prüfen zu lassen. Dabei ist für die Qualifizierung als Verfügung unerheblich, wie nach Auffassung des Sekretariats oder nach Auffassung der Vorinstanz mit den Anträgen zu verfahren wäre. Dass gemäss Rechtsprechung kein Anspruch auf Eröffnung einer Untersuchung besteht, die Eröffnung oder Nichteröffnung einer Untersuchung unmittelbar keine Rechte und Pflichten begründet, sondern nur eine Vorstufe zum Entscheid der WEKO darstellt und daher keine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG bildet, ist ebenfalls irrelevant (vgl. dazu BGE 135 II 60 E. 3.1.2; ZIRLICK/TAGMANN, in: Amstutz/Reinert [Hrsg.], Basler Kommentar, Kartellgesetz [nachfolgend: BSK-KG], 2010, Art. 27 N. 66 ff. und 72 ff. m.w.H.; JOACHIM FRICK, in: Baker & McKenzie [Hrsg.], Kartellgesetz, 2007, Art. 27 N. 2 ff.; IZUMI/BAUR, in: Zäch et al. [Hrsg.], Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, Kommentar [nachfolgend: DIKE-KG], 2018, Art. 27 N. 30 f.). Denn darum geht es - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - vorliegend

      nicht. Mit Schreiben vom 9. August 2019 hat das Sekretariat in einem laufenden Verfahren in Bezug auf materielle Anträge einer Partei ein Nichteintreten verfügt. Somit sind die Strukturmerkmale des Verfügungsbegriffs erfüllt.

    4. Wie bereits erwähnt, ist die Frage nach der Form der Verfügung vom Verfügungsbegriff zu trennen. Nach Art. 34 Abs. 1 VwVG hat die Verfügungseröffnung grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Daneben sind Verfügungen gemäss Art. 35 Abs. 1 VwVG als solche zu bezeichnen, zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Dazu kommt schliesslich die Bezeichnung der verfügenden Behörde und des Adressaten sowie die Formulierung eines Dispositivs (vgl. TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 29 Rz. 10; BENOÎT BOVAY, Procédure administrative, 2. Aufl. 2015, S. 362 ff.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 871).

      Werden die Formvorschriften des VwVG nicht eingehalten, so liegt ein Eröffnungsmangel vor. Aus einer mangelhaften Eröffnung darf den Parteien kein Nachteil erwachsen (Art. 38 VwVG). Formfehlerhafte Verfügungen sind anfechtbar, in seltenen Fällen gar nichtig. Eine mit formellen Mängeln behaftete Verfügung bleibt aber - abgesehen vom seltenen Fall der Nichtigkeit - eine Verfügung (BVGE 2015/15 E. 2.1.2.1 in fine; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 28 Rz. 18; FELIX UHLMANN, in: Praxiskommentar VwVG, Art. 5 N. 132). Hat die Verfügung trotz ihres Mangels den Zweck erfüllt - das heisst dem Betroffenen ist kein Nachteil aufgrund des Formfehlers entstanden - so bleiben die Formfehler folgenlos, da sich der Sinn des Formzwanges im Schutz des Betroffenen gemäss Art. 38 VwVG erschöpft (Urteil des BVGer A-3766/2012 vom 5. August 2013 E. 1.4.3; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 29 Rz. 2 und 20).

      Beim vorliegenden Schreiben fehlen die Bezeichnung als Verfügung und eine Rechtsmittelbelehrung. Hingegen beinhaltet das Schreiben, wenn auch nicht als solches benannt, ein Dispositiv, worin das Nichteintreten auf Anträge im laufenden Verfahren unmissverständlich bestätigt wird. Zudem hat das Sekretariat seine Rechtsauffassung betreffend Begründung des Nichteintretens relativ ausführlich dargelegt. Damit weist das Schreiben des Sekretariats in Verletzung von Art. 35 VwVG als Verfügung zwar klare formelle Mängel auf. Diese sind indessen nicht als gravierend zu erachten. Es ist davon auszugehen, dass die formellen Mängel keinen Nachteil für die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin bewirkten. Sie hat das Schreiben trotz Mangelhaftigkeit rechtzeitig als Verfügung angefochten.

      Aufgrund der Begründung waren ihr zudem die Argumente des Sekretariats ausreichend bekannt, so dass sie diesen in der Beschwerde entgegnen konnte.

    5. Nachdem zu bejahen ist, dass das Schreiben vom 9. August 2019 grundsätzlich eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG darstellt, wird nachfolgend festzustellen sein, um welche Art von Verfügung es sich handelt, (E. 3) bevor zu prüfen ist, ob diese rechtswirksam erlassen wurde (E. 4).

3.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Verfügung des Sekretariats sei nichtig. Diese sei von einer funktionell unzuständigen Behörde erlassen worden. Negative Entscheide, mit denen ein Begehren definitiv abgelehnt werden solle, seien als Endentscheide zu qualifizieren, die gemäss Art. 44 VwVG der Beschwerde unterliegen würden. Mit einem Teilentscheid werde über eines oder mehrere Rechtbegehren abschliessend befunden. Mit der angefochtenen Verfügung entscheide das Sekretariat abschliessend, nämlich mit einem Nichteintretensentscheid, über Anträge der Beschwerdeführerin betreffend Nivarox und Assortiments. Es liege somit ein anfechtbarer Teilentscheid vor.

    1. Die Vorinstanz erklärt, die Voraussetzungen von Art. 46 VwVG seien nicht erfüllt, selbst wenn das Schreiben vom 9. August 2019 als «Verfügung» zu qualifizieren wäre. Sie erklärt, das Schreiben sei als Zwischenverfügung im Sinne von Art. 46 VwVG und nicht als Teilentscheid zu qualifizieren. Denn mit der vorliegenden «Verfügung» würde nicht ein «Verfahren beendet», sondern es würde abgelehnt, das laufende Verfahren auszudehnen.

    2. Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG) nennt Verfügungen (Art. 44 VwVG) und Zwischenverfügungen (Art. 46 VwVG) ohne die möglichen Arten von Entscheiden zu definieren. Für die Bestimmung der Art einer Verfügung, die einen Einfluss auf die Zuständigkeit wie auch die Anfechtbarkeit hat, ist das Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110), analog beizuziehen, das zwischen End-, Teilsowie Vorund Zwischenentscheiden unterscheidet (Art. 90 bis 93 BGG; vgl. auch BGE 138 V 106 E. 1.1).

      1. Endentscheide bzw. Endverfügungen schliessen ein Verfahren - vorbehältlich des Weiterzugs an eine höhere Instanz - ganz ab, indem in der

        Sache oder über eine prozessuale Frage (Nichteintreten, Abschreibung) abschliessend entschieden wird (UHLMANN/WÄLLE-BÄR, in: Praxiskommentar VwVG, Art. 44 N 19; vgl. zu Art. 90 BGG: BGE 134 I 83 E. 3.1; 133 V 477 E. 4.1.1 m.H.; NICOLAS VON WERDT, in: Seiler et al. [Hrsg.], Bun-

        desgerichtsgesetz [BGG], Handkommentar [nachfolgend: SHK-BGG],

        2. Aufl. 2015, Art. 90 N. 4 m.H.; BERNARD CORBOZ, in: Corboz et al. [Hrsg.], Commentaire de la LTF [nachfolgend C-LTF], 2. Aufl. 2014, Art. 90 N. 9).

      2. Wird bloss über einen Teil der gestellten materiellrechtlichen Begehren oder des Streitgegenstands entschieden oder wird das Verfahren lediglich für einen Teil der Verfahrensbeteiligten abgeschlossen, liegt ein Teilentscheid bzw. eine Teilverfügung vor (UHLMANN/WÄLLE-BÄR, in: Praxiskommentar VwVG, Art. 44 N. 21; vgl. auch Art. 91 BGG). Der Teilentscheid bzw. die Teilverfügung ist eine Variante des Endentscheids (vgl. zu Art. 91 BGG: BGE 134 III 426 E. 1.1; 133 V 477 E. 4.1.2 m.w.H.; FELIX UHLMANN,

        in: Niggli et al. [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz [nachfolgend: BSK-BGG], 3. Aufl. 2018, Art. 91 N. 1, 3 und 7; BERNARD CORBOZ, in: C-LTF, Art. 91 N. 9 ff. und N. 20 ff.; NICOLAS VON WERDT, in: SHK-BGG, Art. 91 N. 3 f. m.H.).

        In einer Teilverfügung wird - vorbehältlich des Weiterzugs an eine höhere Instanz - abschliessend über die behandelten Rechte und Pflichten entschieden (BENOÎT BOVAY, Procédure administrative, 2. Aufl. 2015, S. 357 f.; KIENER ET AL., Öffentliches Verfahrensrecht, 2. Aufl. 2015, N. 449). Ein Teilentscheid bzw. eine Teilverfügung erwächst mithin in materielle Rechtskraft. Diese kann und muss sofort angefochten werden; eine spätere Anfechtung ist ausgeschlossen. Negative Entscheide, mit denen ein Begehren definitiv abgelehnt wird, sind im Allgemeinen als Endentscheide bzw. Endverfügungen zu qualifizieren (vgl. zu Art. 91 BGG: BGE 135 III 212

        E. 1.2.3; BERNARD CORBOZ, in: C-LTF, Art. 91 N. 17).

      3. Zwischenentscheide bzw. Zwischenverfügungen werden demgegenüber als Zwischenschritt im Verfahren auf dem Weg zu einem Endentscheid erlassen; sie dienen als organisatorisches Instrument lediglich der Verfahrensführung (BENOÎT BOVAY, Procédure administrative, 2. Aufl. 2015,

        S. 358 ff.; KAYSER/PAPADOPOULOS/ALTMANN, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren,

        2. Aufl. 2019, Art. 45 N. 5). Zwischenentscheide bzw. Zwischenverfügungen schliessen das Verfahren nicht ab und qualifizieren weder als Teilnoch als Endentscheid i.S.v. Art. 90 f. BGG. Sie können prozessuale Anordnungen enthalten oder materiell-rechtlicher Natur sein. Materiell-rechtliche Grundsatzentscheide, die einen Teilaspekt einer Streitsache,

        z.B. eine von mehreren materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen, beantworten und früher in der verwaltungsrechtlichen Praxis des Bundesgerichts als (Teil-)Endentscheide betrachtet wurden, gelten nach der gesetzlichen Systematik nicht als Teil-, sondern als materiell-rechtliche Zwischenentscheide bzw. Zwischenverfügungen. Sie brauchen nicht bereits nach ihrem Erlass, sondern können nach Art. 46 Abs. 2 VwVG noch mit Beschwerde gegen den Endentscheid angefochten werden, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Urteil des BVGer A-3505/2011, A-3516/2011 vom 26. März 2012 E. 7.2 m.w.H.; UHLMANN/WÄLLE-BÄR, in: Praxiskommentar VwVG, Art. 44 N. 22; zu Art. 93 BGG vgl. auch: BGE 136 II 165

        E. 1.1; 133 V 477 E. 4.1.3 m.H. auf teilweise abweichende Lehrmeinungen; FELIX UHLMANN, in: Niggli et al. [Hrsg.], in: BSK-BGG, Art. 92 N. 3 ff. und Art. 93 N. 27; NICOLAS VON WERDT, in: SHK-BGG, Art. 93 N. 2 ff.).

        In einem materiellen Zwischenentscheid bzw. einer Zwischenverfügung wird vorweg bloss eine Teilfrage beantwortet, ohne dass bereits materielle Rechte oder Pflichten abgeurteilt würden (vgl. zu Art. 93 BGG: BGE 134 II 137 E. 1.3.2; KIENER ET AL., Öffentliches Verfahrensrecht, 2. Aufl. 2015,

        N. 452; BERNARD CORBOZ, in: C-LTF, Art. 93 N. 11a ff.).

    3. Vorliegend hat das Sekretariat in seinem Schreiben vom 9. August 2019 klar und unmissverständlich festgehalten, dass es auf Anträge der Beschwerdeführerin im laufenden Verfahren nicht eintrete. Das Nichteintreten betrifft namentlich Anträge zu Handlungsverpflichtungen der Nivarox gegenüber der Beschwerdeführerin. Unbesehen dessen, ob die Anträge der Beschwerdeführerin als Partei des vorinstanzlichen Verfahrens zulässig sind oder nicht und wie damit zu verfahren ist, hat das Sekretariat mit dem Schreiben im hängigen Verfahren definitiv bzw. abschliessend über diese materiellen Begehren entschieden. Folglich ist das Schreiben ohne weiteres als Teilentscheid bzw. Teilverfügung im Sinne von Art. 44 VwVG und Art. 91 BGG zu qualifizieren und nicht - wie von der Vorinstanz geltend gemacht - als Zwischenverfügung im Sinne von Art. 46 VwVG und Art. 93 BGG.

4.

Die Beschwerdeführerin führt aus, einen Nichteintretensentscheid im Rahmen eines Untersuchungsverfahrens hätte gemäss dem Kartellgesetz die Wettbewerbskommission fällen müssen. Nur diese sei Entscheidungsorgan und kompetent, eine eröffnete Untersuchung mit Verfügung ganz oder

teilweise förmlich zu beenden. Mangels Zuständigkeit und allgemeiner Entscheidungsgewalt des Sekretariats erweise sich dessen Verfügung vom

9. August 2019 bezüglich des Nichteintretens auf bestimmte Anträge der Beschwerdeführerin betreffend Nivarox und Assortiments als nichtig. Die Nichtigkeit gefährde die Rechtssicherheit nicht, insbesondere, weil die Verfügung innerhalb der Beschwerdefrist angefochten worden sei. Die fehlende Zuständigkeit des Sekretariats sei angesichts des klaren Gesetzeswortlauts auch leicht erkennbar.

    1. Die Vorinstanz bringt vor, falls das Schreiben des Sekretariats vom

      9. August 2019 tatsächlich eine anfechtbare «Nichteröffnungsverfügung» sei, mit der die Ausdehnung eines Verfahrens bzw. die Eröffnung einer Untersuchung abgelehnt würde, so sei allenfalls Art. 27 Abs. 1 KG verletzt, weil es an einer lnvolvierung eines Präsidiumsmitglieds der WEKO fehlen würde. An einer Beteiligung eines Präsidiumsmitglieds würde es auch mit Blick auf Art. 23 Abs. 1 KG fehlen, wenn das Schreiben des Sekretariats als Zwischenverfügung qualifiziert würde, mit der die Durchführung konkreter Untersuchungsmassnahmen im Rahmen eines Verfahrens abgelehnt würden. Die Verletzung dieser Zuständigkeitsvorschriften würde aber keinen schwerwiegenden Rechtsverstoss gemäss der Evidenztheorie darstellen. Entsprechend sei das Schreiben vom 9. August 2019 nicht nichtig, selbst wenn es als Verfügung qualifiziert würde.

    2. Gemäss Rechtsprechung ist für die Abgrenzung zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit einer Verfügung der Evidenztheorie zu folgen. Demnach ist eine Verfügung nichtig, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgrund kommen namentlich die sachliche oder funktionelle Unzuständigkeit der verfügenden Behörde sowie schwerwiegende Verfahrensfehler in Betracht (BGE 139 II 243 E. 11.2 m.H.; 138 II

      501 E. 3.1; 137 I 273 E. 3.1; 137 III 217 E. 2.4.3; 129 V 485 E. 2.3; Urteil

      des BGer 2C_657/2014 vom 12. November 2014 E. 2.2; BVGE 2015/15 E. 2.5.2; BVGE 2008/59 E. 4.2 f.; Urteil des BVGer B-5290/2014 vom

      13. April 2016 E. 3; THIERRY TANQUEREL, Manuel de droit administratif,

      2. Aufl. 2018, § 11 Rz. 913 f.; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 31

      Rz. 15 f.).

      Die Nichtigkeit ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu beachten; sie kann auch im Rechtmittelverfahren festgestellt werden (BGE 140 III 651 E. 3; 139 II 243 E. 11.2; 138 II 501 E. 3.1;

      137 III 217 E. 2.4.3; 132 II 342 E. 2.1 m.H. und 127 II 32 E. 3 g) f.;

      BVGE 2015/15 E. 2.5.1 m.w.H.). Die Nichtigkeit kann von jedermann jederzeit geltend gemacht werden (Urteil des BVGer B-5290/2014 vom 13. April 2016 E. 3; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., § 15 Rz. 1096). Entgegen

      der Ansicht der Vorinstanz ist somit kein schutzwürdiges Interesse nötig, um die Feststellung der Nichtigkeit einer Verfügung zu verlangen. Einer nichtigen Verfügung geht jede Verbindlichkeit und Rechtswirkung ab (BGE 132 II 342 E. 2.1. m.w.H; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., § 15

      Rz. 1096).

    3. Sollte sich das Schreiben vom 9. August 2019 als nichtige Verfügung erweisen, so wäre - mangels Anfechtungsobjekt - auf die Beschwerde nicht einzutreten; rechtlich gälte die Verfügung als inexistent. Die Nichtigkeit wäre im Beschwerdeverfahren im Urteilsdispositiv festzustellen (BGE 132 II 342 E. 2.3; BVGE 2015/15 E. 2.5.1; Urteil des BVGer

      B-1286/2016 vom 15. August 2017 E. 1.5 m.w.H.).

    4. Zu prüfen ist, welche Behörde zum Erlass eines Nichteintretensentscheids betreffend materielle Begehren in einem laufenden Verfahren zuständig ist.

      1. Die Aufgabenteilung des Sekretariats und der WEKO folgt dem Grundsatz der Trennung von Untersuchungsund Entscheidbehörde (Botschaft zu einem Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen vom 23. November 1994, BBl 1995 I 468 ff., 525, 599 f.).

        Nach Art. 18 Abs. 3 KG trifft die Wettbewerbskommission die Entscheide und erlässt die Verfügungen, die nicht ausdrücklich einer anderen Behörde vorbehalten sind. Namentlich entscheidet die Wettbewerbskommission auf Antrag des Sekretariats mit Verfügung über die zu treffenden Massnahmen oder die Genehmigung einer einvernehmlichen Regelung (Art. 30 Abs. 1 KG). Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung steht die Entscheidkompetenz eindeutig der Wettbewerbskommission zu (vgl. auch Art. 53 und Art. 57 Abs. 2 KG sowie Art. 10 Abs. 1 des Geschäftsreglements der Wettbewerbskommission vom 15. Juni 2015 [GR-WEKO, SR 251.1]). Eine gemäss Art. 27 Abs. 1 KG vom Sekretariat im Einvernehmen mit einem Mitglied des Präsidiums eröffnete Untersuchung wird mit einem Entscheid der WEKO, d.h. einer Verfügung, abgeschlossen. Für Teilverfügungen ist die Kammer für Teilverfügungen zuständig (Art. 19 Abs. 1 und 2 GR-WEKO).

        Demgegenüber ist das Sekretariat zuständig für Marktbeobachtungen, Vorabklärungen und die Durchführung von Untersuchungen. Es ist weiter zuständig für die Untersuchungseröffnung im Einvernehmen mit einem Mitglied des Präsidiums sowie für den Erlass verfahrensleitender Verfügungen zusammen mit einem Mitglied des Präsidiums (Art. 23 Abs.1, Art. 27 Abs. 1, Art. 53 und Art. 57 Abs. 2 KG sowie Art. 31 Abs. 1 GR-WEKO). Eine eigene Verfügungskompetenz, d.h. ohne Mitwirkung eines Mitglieds des Präsidiums, kommt dem Sekretariat nicht zu.

      2. Die Zuständigkeit zum Erlass eines Nichteintretensentscheids betreffend materielle Begehren in einem laufenden Kartellverfahren liegt somit nicht beim Sekretariat alleine oder beim Sekretariat zusammen mit einem Mitglied des Präsidiums der WEKO, sondern bei der WEKO als Gremium (Art. 30 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 18 Abs. 3 KG und Art. 19 Abs. 1 i.V.m.

Art. 10 Abs.1 GR-WEKO; Art. 23 Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 KG e contrario).

Mit Schreiben vom 9. August 2019 hat das Sekretariat in einem laufenden Untersuchungsverfahren einen Nichteintretensentscheid in Bezug auf einen Teil der materiellen Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin gefällt. Zuständig für den Erlass einer solchen Teilverfügung wäre jedoch klarerweise die WEKO. Damit war das Sekretariat zum Erlass des Nichteintretensentscheids funktionell nicht zuständig.

    1. Nach der Rechtsprechung leidet ein Entscheid einer sachlich oder funktionell unzuständigen Behörde an einem schwerwiegenden Mangel, der nach der Praxis ein Nichtigkeitsgrund darstellt, es sei denn, der verfügenden Behörde komme auf dem betreffenden Gebiet allgemeine Entscheidungsgewalt zu oder die Rechtssicherheit stehe einer Feststellung der Nichtigkeit entgegen (BGE 137 III 217 E.2.4.3 m.H.; BVGE 2015/15 E. 2.5.1; Urteil des BVGer B-5290/2014 vom 13. April 2016 E. 5.8 m.w.H.).

    2. Dem Sekretariat der WEKO kommt auf dem Gebiet des Kartellrechts offensichtlich keine allgemeine Entscheidungsgewalt zu (Art. 18 Abs. 3 KG e contrario) und die Unzuständigkeit des Sekretariats für einen Teilentscheid ist leicht erkennbar. Damit erweist sich die vom Sekretariat erlassene Verfügung als nichtig. Die Beschwerdeführerin hat das Schreiben vom 9. August 2019 innert der Beschwerdefrist und damit zeitnah angefochten. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Nichtigkeitsfolge vorliegend die Rechtssicherheit gefährden sollte, weshalb diese einer Feststellung der Nichtigkeit nicht entgegensteht.

Damit mangelt es an einem Anfechtungsobjekt, weshalb auf die Beschwerde vom 16. September 2019 nicht einzutreten ist. Die Nichtigkeit der Verfügung des Sekretariats ist jedoch im Urteilsdispositiv festzustellen.

5.

    1. Tritt das Bundesverwaltungsgericht auf eine Beschwerde nicht ein, weil sich die angefochtene Verfügung als nichtig erwiesen hat, berücksichtigt es dies bei der Festlegung der Verfahrenskosten (Art. 63 VwVG; vgl. auch Urteil des BVGer B-5290/2014 vom 13. April 2016 E. 8 m.w.H.).

      Beim vorliegenden Ausgang des Verfahrens ist die Beschwerdeführerin als obsiegend zu erachten, weshalb ihr keine Kosten aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Vorinstanz hat den Erlass der nichtigen Verfügung ihres Sekretariats zu vertreten, weshalb auf die Erhebung von Verfahrenskosten zu verzichten ist (Art. 63 Abs. 2 VwVG).

      Nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils ist der Beschwerdeführerin ihr Kostenvorschuss von Fr. 20'000.- zurückzuerstatten.

    2. Als obsiegende Partei hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihr erwachsenen notwendigen Kosten (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Diese umfasst die Kosten der Vertretung sowie allfällige weitere notwendige Auslagen der Parteien (Art. 8 ff. VGKE). Da keine Kostennote eingereicht wurde, setzt das Gericht die Entschädigung auf Grund der Akten fest. Unter den vorliegenden Umständen erscheint eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 2'000.- als angemessen.

Die Entschädigung ist der im Sinne der Erwägungen im Ergebnis unterliegenden Vorinstanz aufzuerlegen (Art. 64 Abs. 2 VwVG), da diese für den Erlass der nichtigen Verfügung verantwortlich ist und die Beschwerdeführerin damit zum Beschreiten des Rechtsweges veranlasst hat.

1.

Es wird festgestellt, dass die Verfügung des Sekretariats vom 9. August 2019 in der Untersuchung 32-0224 "Swatch Group Lieferstopp / Ablauf Lieferverpflichtung" nichtig ist.

2.

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

3.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Der Beschwerdeführerin wird der geleistete Kostenvorschuss von CHF 20'000.- nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückerstattet.

4.

Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 2'000.- zu bezahlen.

5.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde; Beilage: Rückerstattungsformular)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. 32-0224; Gerichtsurkunde)

  • das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (Gerichtsurkunde)

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Daniel Willisegger Hanna Marti Adji

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

Versand: 16. Juli 2020

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