E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Bundesverwaltungsgericht Urteil E-4474/2014

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-4474/2014

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-4474/2014
Datum:24.01.2017
Leitsatz/Stichwort:Asyl (ohne Wegweisungsvollzug)
Schlagwörter : Beschwerde; Vorinstanz; Militär; Bundesverwaltungsgericht; Beschwerdeführers; Syrien; Wegweisung; Reservedienst; Recht; Haftbefehl; Verfügung; Ausreise; Flüchtling; Asylgesuch; Zeitpunkt; Verfahren; Behörde; Wegweisungsvollzug; Person; Behörden; Flüchtlingseigenschaft; Replik; Vollzug; Polizist
Rechtsnorm: Art. 165 BV ;Art. 44 BV ;Art. 48 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-4474/2014

U r t e i l  v o m  2 4.  J a n u a r  2 0 1 7

Besetzung Richterin Esther Marti (Vorsitz),

Richterin Christa Luterbacher, Richter Jean-Pierre Monnet, Gerichtsschreiberin Sibylle Dischler.

Parteien A. , geboren am ( ), Syrien,

vertreten durch Tarig Hassan, Advokatur Kanonengasse, Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung (ohne Wegweisungsvollzug); Verfügung des BFM vom 8. Juli 2014 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

    1. Der Beschwerdeführer, ein ethnischer Kurde mit letztem Wohnsitz in B. _, verliess Syrien nach eigenen Angaben am ( ) oder ( ) in Richtung C. . Von dort aus sei er teilweise mit Unterstützung von Schleppern auf dem Schiffund Landweg über D. am 5. Juni 2012 in die Schweiz eingereist. Am darauffolgenden Tag suchte er im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) in Altstätten um Asyl nach, wo am 19. Juni 2012 die summarische Befragung zur Person (BzP; Protokoll in den SEMAkten: A3) stattfand. Am 15. Oktober 2013 wurde der Beschwerdeführer vertieft zu seinen Asylgründen angehört (Protokoll in den SEM-Akten: A12).

    2. Zu seinen Asylgründen brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, vom ( ) bis am ( ) den obligatorischen Militärdienst für die staatliche syrische Armee geleistet zu haben. Dort habe er anfangs ein paar Monate eine ( ) absolviert. Danach sei er als ( ) zuständig gewesen und habe (...) entgegengenommen und registriert. Die letzten ( ) Monate des Militärdiensts habe er in einem ( ) gearbeitet.

Im ( ), nachdem in Syrien die Unruhen ausgebrochen seien, habe es Gerüchte gegeben, wonach sein Jahrgang für den Reservedienst einberufen werde. Kurze Zeit darauf seien einige seiner Freunde mit demselben Jahrgang wie er in das Militär eingezogen worden. Die Behörden hätten die Personen damals nicht wie üblich vorgeladen, weil sie in der Region keine Schwierigkeiten hätten provozieren wollen. Wenn man jedoch auf der Strasse erwischt worden sei, dann sei man einberufen worden. Von einem Polizisten aus B. namens E. , dem er dafür Geschenke gegeben habe, habe er im ( ) oder ( ) in Erfahrung bringen können, dass er ebenfalls für den Reservedienst vorgesehen sei. Daraufhin habe er sich vorbereitet und sei zwei Monate später ausgereist. Er habe Syrien über den offiziellen Grenzposten bei F. verlassen. Er sei mit seinem authentischen Pass ausgereist, den er dem Grenzwächter habe zeigen müssen. Da er diesen bezahlt habe beziehungsweise ihm E. bei der Organisation der Ausreise behilflich gewesen sei, habe er passieren können.

Zu seinen Lebensverhältnissen führte der Beschwerdeführer namentlich aus, als ( ) ausgebildet zu sein. In diesem Bereich habe er zwischen ( )

und ( ) verschiedentlich in G. , im H.

und in der

C. gearbeitet. Vor seiner Ausreise aus Syrien habe er zuletzt als ( ) in I. gearbeitet.

B.

Mit Verfügung vom 8. Juli 2014 stellte die Vorinstanz fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte sein Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz an. Gleichzeitig ordnete sie wegen des unzumutbaren Wegweisungsvollzugs seine vorläufige Aufnahme an. Mit der Umsetzung wurde der Kanton J. beauftragt.

Die Vorinstanz führte zur Begründung des abweisenden Entscheids im Wesentlichen aus, den Vorbringen des Beschwerdeführers fehle es an Asylrelevanz. Gewisse Aussagen seien auch unglaubhaft.

C.

Mit Eingabe vom 11. August 2014 liess der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht gegen die vorinstanzliche Verfügung Beschwerde erheben und beantragen, die Dispositivziffern 1-3 der Verfügung seien aufzuheben, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers sei anzuerkennen und es sei ihm Asyl zu gewähren.

In prozessualer Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung sowie um Beiordnung des rubrizierten Rechtsvertreters als amtlichen Rechtsbeistand.

Zur Begründung der Rechtsmitteleingabe brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, aufgrund der sehr wohl glaubhaft gemachten Wehrdienstverweigerung würden dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien asylrelevante Nachteile drohen.

Zur Untermauerung seiner Vorbringen reichte der Beschwerdeführer zusammen mit der Rechtsmitteleingabe unter anderem ein Militärbüchlein sowie einen Haftbefehl vom ( ), beides im Original, samt deutscher Übersetzung und Zustellcouverts, ein.

D.

Mit Zwischenverfügung vom 1. September 2014 hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, der Beschwerdeführer könne den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten und forderte ihn auf, seine Bedürftigkeit zu belegen.

E.

Mit Eingabe vom 9. September 2014 reichte der Beschwerdeführer diverse Unterlagen zu seinen finanziellen Verhältnissen zu den Akten.

F.

Mit Zwischenverfügung vom 12. September 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung mangels Bedürftigkeit ab und forderte den Beschwerdeführer auf, einen Kostenvorschuss einzubezahlen. Gleichzeitig lehnte es das Gesuch um Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ab.

G.

Der Beschwerdeführer zahlte den Kostenvorschuss am 24. September 2014 fristgerecht ein.

H.

    1. Mit Zwischenverfügung vom 22. Juni 2016 forderte das Bundesverwaltungsgericht die Vorinstanz auf, eine Vernehmlassung zur Beschwerde vom 11. August 2014 sowie den eingereichten Beweismitteln einzureichen.

    2. Am 15. Juli 2016 liess sich das SEM vernehmen.

    3. Mit Replik vom 3. August 2016 nahm der Beschwerdeführer zur vorinstanzlichen Vernehmlassung vom 15. Juli 2016 Stellung.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - so auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur

Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG).

Die Beschwerdeanträge richten sich ausschliesslich gegen die Ablehnung des Asylgesuchs, die Feststellung des SEM, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, sowie die Anordnung der Wegweisung. Soweit unter Ziffer 4.3 geltend gemacht wird, der Vollzug der Wegweisung erweise sich als unzulässig, ist darauf nicht weiter einzugehen. Da die Vorinstanz den Beschwerdeführer wegen unzumutbaren Wegweisungsvollzugs vorläufig aufgenommen hat und die Vollzugshindernisse alternativer Natur sind (vgl. BVGE 2009/51 E. 5.4), besteht kein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs.

Im Übrigen ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.

Mit Beschwerde vor Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

3.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz grundsätzlich Flüchtlingen Asyl. Als Flüchtling wird eine Person anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, wo sie zuletzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG).

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

    3. Gemäss Art. 3 Abs. 3 AsylG sind keine Flüchtlinge Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30).

Art. 3 Abs. 3 AsylG ist - im Rahmen der Gesetzesänderung auf dem Weg der Dringlichkeit gemäss Art. 165 Abs. 1 BV - am 29. September 2012 und demnach nach der Asylgesuchstellung des Beschwerdeführers vom

6. Juni 2012 in Kraft getreten. Die vorinstanzliche Verfügung vom

8. Juli 2014 erging indessen nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung. Die sich damit ergebende Frage der intertemporalen Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 3 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht in BVGE 2013/20 dahingehend beantwortet, dass auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung abzustellen ist. Art. 3 Abs. 3 AsylG ist folglich in Beschwerdeverfahren betreffend Verfügungen, die die Vorinstanz vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm am 29. September 2012 erliess, nicht anzuwenden. Hingegen findet Art. 3 Abs. 3 AsylG in jenen Fällen Anwendung, die - ungeachtet des Zeitpunkts der Asylgesuchstellung - seit dem 29. September 2012 vom BFM beziehungsweise dem SEM entschieden wurden beziehungsweise werden. Art. 3 Abs. 3 AsylG findet im vorliegenden Verfahren demnach Anwendung.

4.

Vorab ist auf den als Referenzurteil publizierten Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts D-5779/2013 vom 25. Februar 2015 hinzuweisen, in welchem das Gericht festhielt, dass die Unübersichtlichkeit und Volatilität der Lage in Syrien und die damit verbundene Ungewissheit der künftigen Entwicklung zu Erschwernissen bei der Behandlung entsprechender Asylverfahren führt. Eine Schwierigkeit ist darin zu sehen, dass jede Beurteilung der Fluchtgründe von Asylsuchenden syrischer Herkunft, die eine Gefährdung aufgrund von Ereignissen seit dem Ausbruch des derzeitigen Konflikts geltend machen, lediglich auf einer momentanen Faktenlage beruht, deren Gültigkeit bereits innert vergleichsweise kurzer Zeit wieder hinfällig sein kann. Trotz der bestehenden Unklarheiten bezüglich der weiteren Entwicklung der relevanten Situation in Syrien ist es dem Bundesverwaltungsgericht als zuständige Instanz aufgetragen, die Fluchtgründe von Asylsuchenden syrischer Herkunft im Rahmen hängiger Beschwerdeverfahren zu beurteilen. Dabei ist auf die zum Zeitpunkt des Entscheides gegebene Faktenlage abzustellen (Referenzurteil D-5579/2013, a.a.O., E. 5.3.1 ff.).

5.

    1. Der Beschwerdeführer machte zur Begründung seines Asylgesuchs im Wesentlichen geltend, er habe Syrien ( ) verlassen, weil er in Erfahrung gebracht habe, dass er demnächst in den Reservedienst der syrischen Armee aufgeboten werde.

    2. Die Vorinstanz lehnte das Asylgesuch des Beschwerdeführers insbesondere mit der Begründung ab, es sei zwar möglich, dass die syrischen Behörden Listen mit Namen von Personen führten, die möglichweise in den Reservedienst eingezogen werden sollten. Dabei seien die Behörden aber nach gesicherten Erkenntnissen der Vorinstanz eher an Personen interessiert, die sich im Laufe ihrer militärischen Karriere Spezialkenntnisse angeeignet hätten. Die Aufgaben und Ausbildungen des Beschwerdeführers im Militärdienst seien nicht als Spezialkenntnisse zu qualifizieren. Selbst wenn sein Name also auf einer solchen Liste aufgetaucht wäre, bedeute dies noch lange nicht, dass er auch tatsächlich aufgeboten worden wäre, zumal angesichts seines allgemeinen Militärprofils. Gemäss eigenen Aussagen habe er vor seiner Ausreise sodann nie Probleme mit den syrischen Behörden gehabt. Zudem habe der Beschwerdeführer - auch nach seiner Ausreise - keinen konkret an ihn gerichteten Aufruf für den Reservedienst erhalten, und auch seine Familienmitglieder hätten nachgehend keine Probleme gehabt. Eine begründete Furcht vor einer Einberufung in den Reservedienst sei unter diesen Umständen nicht gegeben.

      Die Vorinstanz führte sodann aus, die Aussagen des Beschwerdeführers hätten in Bezug auf gewisse zentrale Punkte der Fluchtgeschichte nicht zu überzeugen vermocht. So habe er etwa keine detaillierte Auskunft geben können auf die Frage, wie es seinem Kollegen als einem einfachen Polizisten gelungen sei, an die geheimen, das Militär betreffenden Informationen zu gelangen. Die Antwort, dass mit Geld alles möglich sei, vermöge in diesem Zusammenhang nicht zu befriedigen. Es sei sodann nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer bis anhin sein Militärbüchlein nicht habe beibringen können. Der Beschwerdeführer habe demnach nicht glaubhaft machen können, dass er gezielt gefährdet sei, in den Reservedienst eingezogen zu werden.

    3. Der Beschwerdeführer hielt den Ausführungen der Vorinstanz unter anderem entgegen, es sei zwar richtig, dass das syrische Regime „eher“ an Personen interessiert sei, die sich Spezialkenntnisse angeeignet hätten, allerdings hätten die Behörden nach drei Jahren Bürgerkrieg keine „Auswahlmöglichkeiten“ mehr. Somit sei davon auszugehen, dass auch ein Reservist mit den Kenntnissen des Beschwerdeführers vom syrischen Militär benötigt werde, zumal seine guten ( ) für die Armee wichtig erscheinen würden. Dass Männer von den Behörden direkt auf der Strasse aufgegriffen oder zu Hause kontrolliert und direkt mitgenommen würden, ohne dass eine schriftliche Vorladung ausgehändigt werde, entspreche durchaus der seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs veränderten Rekrutierungspraxis der syrischen Armee. Den Zweifeln der Vorinstanz an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers sei sodann zu widersprechen, zumal er den Militärdienst, die Aufforderung zum Reservedienst sowie die behördliche Suche mittels Einreichen des Militärbüchleins sowie eines Haftbefehls (beides im Original) nun auch belegen könne.

    4. Im Rahmen des Schriftenwechsels wies das SEM daraufhin, dass es sich beim Haftbefehl um ein Beweismittel handle, das leicht fälschbar sei und demzufolge wenig Beweiswert habe. Sodann scheine es sich um eine Kopie zu handeln, die mit einem Farbdrucker ausgedruckt worden sei, wie der Stempel und die Unterschrift zeigen würden. Die fehlenden Nassstempel sowie die gedruckten Unterschriften seien ein weiteres Indiz für die Unechtheit des Haftbefehls, wobei insbesondere auffällig sei, dass das Datum offenbar von Hand mit Kugelschreiber eingetragen worden sei. Schliesslich datiere der Haftbefehl auf einen Zeitpunkt, an dem der Beschwerdeführer noch in Syrien gewesen sei, womit erstaune, dass er diesen weder bei der Befragung noch bei der Anhörung erwähnt habe. Das eingereichte Militärbüchlein vermöge schliesslich nichts an der Einschätzung des SEM zu ändern, belege dieses doch lediglich, dass der Beschwerdeführer von ( ) den Militärdienst absolviert habe, was nie bestritten worden sei.

Dem hielt der Beschwerdeführer im Rahmen der Replik insbesondere entgegen, dass es sich beim eingereichten Haftbefehl um ein seitens der ( ) an die ( ) gerichtetes behördeninternes Dokument handle und der Farbdruck darauf zurückzuführen sei. Als solches sei es auch nicht möglich das Original zu beschaffen. Der Umstand, dass das Datum später mit einem Kugelschreiber eingefügt worden sei, entspreche der dortigen Praxis und spreche nicht gegen die Echtheit des Dokuments. Schliesslich könne es nicht dem Beschwerdeführer angelastet werden, dass die Verhaftung nicht erfolgt sei, obwohl er sich zum Zeitpunkt der Ausstellung des Haftbefehls noch im Heimatland aufgehalten habe. Nachdem er in Erfahrung gebracht habe, dass er für den Reservedienst vorgesehen sei, habe er sich versteckt gehalten. Bezüglich dem Einwand des SEM, der Beschwerdeführer habe

den Haftbefehl nicht bereits bei den Befragungen erwähnt, sei anzumerken, dass er mehrmals zu Protokoll gegeben habe, der Polizist E. habe ihm die Information weitergeleitet, dass er als Reservist vorgesehen sei. Welche Form die Information gehabt habe, sei ihm nicht bekannt gewesen, E. habe sie aber offenbar dem vorliegenden Haftbefehl entnommen. Was schliesslich das Militärbüchlein betreffe, so habe das SEM dessen Fehlen in der Verfügung vom 8. Juli 2014 als Argument gegen die Vorbringen des Beschwerdeführers benützt. Dass er dieses nun nachreichen könne, sei entsprechend für deren Glaubhaftigkeit zu werten.

6.

    1. Nach Prüfung der Akten kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass das SEM das Asylgesuch des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen hat.

    2. Die Vorinstanz hat insbesondere zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer keinen konkreten Einberufungsbefehl in den Reservedienst erhalten hatte und die Ausführungen, wonach die Einberufung kurz bevorgestanden habe, Ungereimtheiten aufweisen. Ein wesentlicher Widerspruch in der Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers zeigt sich namentlich bezüglich dem Polizisten E. , der ihm mitgeteilt habe, dass er für den Reservedienst vorgesehen sei. Diesbezüglich gab der Beschwerdeführer in der Anhörung zu Protokoll, E. sei ein

      „normaler ziviler Polizist“ (A12/11 F 28 ff.) gewesen, wohingegen er gemäss Aussage in der Befragung bei der Sektion des Militärischen Sicherheitsdienstes gearbeitet habe (A3/13 S. 9), was der Beschwerdeführer in der Rechtsmitteleingabe wiederholte. Auf Beschwerdeebene fällt zudem auf, dass er zunächst ausführte, E. habe ihm anfangs ( ) mitgeteilt, dass sein Name auf einer Liste für den Reservedienst bei der Polizei aufgetaucht sei (Beschwerde vom 11. August 2014 S. 4). Im Rahmen der Replik hielt er hingegen fest, der Beschwerdeführer habe nicht gewusst, welche Form die Information gehabt habe, der Polizist habe die Erkenntnis aber offenbar dem - auf Beschwerdeebene nachgereichten - Haftbefehl entnommen (Replik vom 3. August 2016 S. 2).

      Im vorliegenden Zusammenhang ist sodann zu berücksichtigen, dass die syrisch-kurdische Partei PYD (Partiya Yekitîya Demokrat; Demokratische Einheitspartei) und deren bewaffneten Organisation YPG (Yekîneyên Parastina Gel; Volksverteidigungseinheiten) in der Region K. _, so auch in der Stadt B. , nach Erkenntnissen des Gerichts ab Mitte

      2012 sukzessive die Kontrolle übernahm, was die Rekrutierungsbemühungen durch die syrische Armee, insbesondere Staatsangehöriger der kurdischen Ethnie, sowie die tatsächliche Durchsetzung von Einberufungen in dieser Region vermehrt einschränkte (vgl. dazu Danish Immigration Service (DIS)/Danish Refugee Council (DRC), Syria: Update on Military Service, Mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, September 2015, https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/D2CD3A2F-402C - 439C-9CD3-62EA255ED546/0/SyrienFFMrapport2 015.pdf; The New York Times, Kurdish Struggle Blurs Syria's Battle Lines, 1. August 2013, http://www.nytimes.com/2013/08/02/world/middleeast/syria.html; Aljazeera, Kurds in Syria triumph over al-Assad's regime, 20. November 2012, http://www.aljazeera.com/indepth/inpictures/2012/11/20121119 1 32652603960.html; Links abgerufen am 14. Dezember 2016; siehe auch BVGE 2015/3 E. 6.7.5.3 sowie das länderspezifische Referenzurteil D-5779/2013 vom 25. Februar 2015 E. 5.9.3).

      Ein starkes Indiz, dass der Beschwerdeführer vom syrischen Regime im Zeitpunkt seiner Ausreise nicht gesucht worden ist, bedeutet der Umstand, dass er offenbar legal aus Syrien ausreisen konnte, befinden sich in seinem Reisepass doch sowohl ein Ausreisestempel der Grenzbehörde in

      F.

      als auch ein ( ) Einreisestempel der Grenzbehörde

      L. , beide vom ( ). Seine diesbezügliche Aussage, die Ausreise sei nur deshalb gelungen, weil er den dortigen Grenzwächter bezahlt habe, fiel unglaubhaft aus. So gab er bei der BzP an, er habe den dortigen Grenzwächter gekannt, es sei eine Sache zwischen ihm und diesem Grenzwächter gewesen und sonst habe davon niemand gewusst (A3 S. 8 f.). Bei der Anhörung gab er dem widersprechend an, er habe den Grenzübergang dank der Hilfe von anderen Leuten, unter anderem dem Polizisten E. , überqueren können (A12 F 21).

      Unter diesen Umständen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die angeblich vor der Ausreise drohende Einberufung in den Reservedienst mit der nötigen Wahrscheinlichkeit darzutun. Eine asylrelevante Verfolgung aufgrund einer Dienstverweigerung konnte demnach nicht glaubhaft gemacht werden.

      An dieser Einschätzung vermag weder das eingereichte Militärbüchlein noch der Haftbefehl vom 15. Februar 2012 etwas zu ändern. Was den Haftbefehl betrifft, so fällt zunächst auf, dass sich das Datum des Verhaftungserlasses nicht mit der Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers in Übereinstimmung bringen lässt, wonach er im ( ) in Erfahrung habe bringen können, dass er auf einer Liste zur Einberufung in den Reservedienst stehe. Seine Ausführungen im Rahmen der Replik vermögen die vom SEM anlässlich der Vernehmlassung aufgezeigten Fälschungsmerkmale sodann nicht zu entkräften. Vielmehr verstrickt sich der Beschwerdeführer noch in weitere Ungereimtheiten, indem er darauf hinweist, dass es sich beim entsprechenden Beweismittel um ein behördeninternes Dokument handle und es ihm deswegen nicht möglich gewesen sei, das Originaldokument einzureichen (vgl. Replik vom 3. August 2016, S. 1), wohingegen er in der Beschwerde noch behauptet hatte, es sei das Original (vgl. Beschwerde vom 11. August 2014, S. 5). Weshalb sich auf dem, offenbar nicht originalen, Dokument dennoch ein mit Kugelschreiber eingetragenes Datum befindet, erhellt sich dem Gericht nicht, wobei der Hinweis des Beschwerdeführers in der Replik, das Vorgehen entspreche der syrischen Praxis, nicht überzeugt. Der Beschwerdeführer kann aus dem eingereichten Beweismittel im Ergebnis nichts zu seinen Gunsten ableiten.

      Insgesamt liegen damit keine hinreichenden Gründe vor um anzunehmen, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit die Aufmerksamkeit der staatlichen syrischen Sicherheitskräfte in asylrelevanter Weise auf sich gezogen hat, zumal er auch angab, sich nie politisch betätigt zu haben (vgl. A3 S. 8 f.).

    3. Für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 3 AsylG ist, wie vorangehend unter E. 4 festgestellt, nicht allein die Situation im Zeitpunkt der Ausreise, sondern insbesondere auch jene im Zeitpunkt des Asylentscheides massgeblich. Vorliegend sind jedoch weder subjektive noch objektive Nachfluchtgründe ersichtlich. Zwar hat sich die politische und menschenrechtliche Lage seit der Ausreise des Beschwerdeführers im ( ) sukzessive verschlechtert (dazu siehe ausführlich BVGE 2015/3 E. 6.2 sowie Urteil D-5779/2013 E. 5.3 und 5.7.2, jeweils mit weiteren Nachweisen), indes sind konkrete Indizien für die Annahme einer begründeten Furcht vor künftiger Verfolgung im Sinne der Rechtsprechung (vgl. BVGE 2011/51 E.

6.2 sowie BVGE 2011/50 E. 3.1.1) auch aus heutiger Sicht zu verneinen. So ist allein aufgrund der Ausreise - zumal diese legal erfolgte - und des Stellens eines Asylgesuchs im Ausland gemäss Praxis nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer heutigen (hypothetischen)

Rückkehr in sein Heimatland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine menschenrechtswidrige Behandlung zu befürchten hätte, zumal der Beschwerdeführer kein politisches Profil aufweist (vgl. das Referenzurteil des Bundesverwaltungsgerichts D-3839/2013 vom 28. Oktober 2015 E. 6.4.3).

6.4 Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Vorinstanz zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint und sein Asylgesuch abgewiesen hat.

7.

    1. Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

    2. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

8.

Der Vollzug der Wegweisung wurde zugunsten einer vorläufigen Aufnahme aufgeschoben. Da die Wegweisungsvollzugshindernisse alternativer Natur sind (vgl. BVGE 2009/51 E. 5.4 S. 748), besteht kein schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung, aus welchen Gründen die Vorinstanz den Vollzug aufgeschoben hat (Art. 48 Abs. 1 Bst. c VwVG). Das Vorliegen von Vollzugshindernissen ist bei einer allfälligen Aufhebung der vorläufigen Aufnahme erneut zu prüfen. Daher ist, wie bereits ausgeführt, auf das implizit gestellte Rechtsbegehren, es sei die Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen, nicht einzutreten.

9.

Im Sinne einer Klarstellung wird abschliessend festgehalten, dass sich aus den vorstehenden Erwägungen nicht der Schluss ergibt, der Beschwerdeführer sei zum heutigen Zeitpunkt angesichts der Entwicklung in Syrien in seinem Heimatstaat nicht gefährdet. Indessen ist eine solche Gefährdungslage ausschliesslich unter dem Aspekt von Art. 83 Abs. 4 AuG einzuordnen, wonach der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein kann, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Der generellen Gefährdung aufgrund der aktuellen Situation in Syrien im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG wurde durch das SEM mit der Anordnung der vorläufigen Aufnahme wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs Rechnung getragen.

10.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.

11.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten von 600.- dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG; Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der am 24. September 2014 eingegangene Kostenvorschuss in gleicher Höhe wird zur Deckung der Verfahrenskosten verwendet.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der in gleicher Höhe einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Esther Marti Sibylle Dischler

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.