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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-1956/2014

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-1956/2014
Datum:02.10.2014
Leitsatz/Stichwort:Eidgenössische Technische Hochschule (Ohne Personal)
Schlagwörter : Beschwerde; Bundes; Studien; Zulassung; Bundesverwaltungsgericht; Verordnung; Zulassungsverordnung; Recht; Verwaltung; Liegenden; Beschwerdegegner; Urteil; Physik; Studiengang; Verfügung; Ausschluss; Beschwerdeführer; Hochschule; Vorinstanz; Entscheid; Vorliegenden; Prüfung; Zweimal; Studium; Regel; Weisung; Bundesgericht; Technische; Eidgenössische; Beschwerdeführerin
Rechtsnorm: Art. 164 BV ; Art. 19 BV ; Art. 48 VwVG ; Art. 50 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 63a BV ; Art. 64 VwVG ;
Referenz BGE:101 I 22; 109 Ib 205; 125 V 273; 128 I 167; 131 II 162; 131 II 562; 134 I 322; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

A-1956/2014

U r t e i l  v o m  2.  O k t o b e r  2 0 1 4

Besetzung Richter Jürg Steiger (Vorsitz),

Richterin Claudia Pasqualetto Péquignot, Richterin Marie-Chantal May Canellas, Gerichtsschreiberin Laura Bucher.

Parteien Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich),

c/o Studienadministration, HG FO 22.1, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Beschwerdeführerin,

gegen

A. , ( )

Beschwerdegegner,

ETH-Beschwerdekommission, Postfach 6061, 3001 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Zulassung zum Bachelor-Studiengang Physik.

Sachverhalt:

A.

A.

bewarb sich im am 26. April 2013 an der Eidgenössischen

Technischen Hochschule (ETH) Zürich für die Zulassung zum BachelorStudiengang Physik. Mit Verfügung vom 24. Mai 2013 verweigerte die ETH Zürich A. die Zulassung, weil er im Jahr 1970 das Vordiplom Physik zweimal nicht bestanden hatte. Gegen diese Verfügung erhob

A.

am 29. Mai 2013 Beschwerde bei der ETH-

Beschwerdekommission.

B.

Mit Entscheid vom 4. März 2014 hiess die ETH-Beschwerdekommission (nachfolgend: Vorinstanz) die Beschwerde gut und hob die Verfügung der ETH Zürich auf. A. sei zum Bachelor-Studiengang Physik zuzulassen. Der Beschwerdeführer verfüge über die notwendige Studierfähigkeit und sei qualifiziert, ein Studium in Angriff zu nehmen. Es bestehe keine Gefahr, dass er ein Langzeitstudierender werde. Der zweimalige Misserfolg liege bereits Jahrzehnte zurück und es stelle sich die Frage, ob der Ausschluss verjährt sei. Dies umso mehr, als sich die Studiengänge seit der Einführung des Bologna-Systems massgeblich verändert hätten. Die Vergleichbarkeit der Studiengänge sei deshalb fraglich. Vorliegend würden triftige Gründe bestehen, vom Wortlaut der Zulassungsverordnung abzuweichen und den Beschwerdeführer mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Bestimmung zum Bachelor-Studiengang Physik zuzulassen.

C.

Gegen diesen Entscheid erhebt die ETH Zürich (nachfolgend: Beschwerdeführerin) am 10. April 2014 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerdeführerin beantragt, den Entscheid der Vorinstanz aufzuheben und die Verfügung vom 24. März 2013 zu bestätigen. An der ETH Zürich gelte das Grundprinzip, dass jeder Studierende pro Studienrichtung eine Möglichkeit habe, den Studienabschluss zu erreichen. Bestehe man eine Prüfung zweimal nicht, bleibe man von der Immatrikulation in ein Bacheloroder Masterstudium derselben oder einer vergleichbaren Studienrichtung ausgeschlossen. Eine Verjährung des Ausschlusses sei nicht vorgesehen. Dieses Prinzip gelte grundsätzlich auch an jeder anderen Universität der Schweiz. A. sei auch an der Universität Zürich infolge zweimaligen Nichtbestehens ausgeschlossen worden. Zudem habe er kein abgeschlossenes Studium, welches eine Zulassungsgrundlage bilden könnte. Die abgelegte Aufnahmeprüfung, welche aufgrund seines französischen Baccalaureats Zulassungsvoraussetzung wäre, sei abgelaufen. Die Nichtzulassung zum Studium sei im vorliegenden Fall nicht mit einem beruflichen Nachteil verbunden.

D.

In seiner Stellungnahme vom 7. Mai 2014 beantragt A. (nachfolgend: Beschwerdegegner), die Beschwerde abzuweisen. Er macht geltend, er habe nie bestritten, dass er keinen Studienabschluss im Sinne des Schweizer Systems habe, dies sei jedoch für die Anmeldung zum Bachelorstudium auch nicht verlangt. Er habe in Frankreich parallel zur Berufstätigkeit den Titel "docteur d'Université sciences mathématiques" erworben, was jedoch nicht mit dem "doctorat d'état" zu verwechseln sei. Die Universität Montpellier habe ihm mündlich zugesichert, dass der Titel für ganz Europa gelte. Es bestehe wohl kaum die Gefahr, dass die ETH mit "Scharen von Greisen", die vor 40 Jahren eine nicht mehr existierende Prüfung zweimal nicht bestanden hätten, überschwemmt werde. Mit Schreiben vom 13. Mai 2014 beantragt die Vorinstanz unter Verzicht auf weitere Erwägungen ebenfalls, die Beschwerde abzuweisen.

E.

Auf die weiteren Ausführungen wird - soweit entscheidrelevant - in den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Entscheide der ETH-Beschwerdekommission sind beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (Art. 37 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Eidgenössischen Technischen Hochschulen vom 4. Oktober 1991 [ETH-Gesetz, SR 414.110] i.V.m. Art. 33 Bst. f VGG). Eine Ausnahme, was das Sachgebiet angeht, ist nicht gegeben (Art. 32 VGG). Das Bundesverwaltungsgericht ist daher für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).

    2. Zur Beschwerde ist nach Art. 48 Abs. 1 VwVG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Beschwerdebefugt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt (Art. 48 Abs. 2 VwVG). Nach Art. 37 Abs. 2 des Bundesgesetz über die Eidgenössischen Technischen Hochschulen vom 4. Oktober 1991 (SR 414.110, nachfolgend: ETHG) sind der ETH-Rat, die ETH und die Forschungsanstalten berechtigt, gegen Beschwerdeentscheide Beschwerde zu führen, wenn sie in der gleichen Sache als erste Instanz verfügt haben. Die Beschwerdeführerin, die vorliegend als erste Instanz entschieden hat, ist somit zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde legitimiert.

    3. Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 50 und 52 VwVG) ist folglich einzutreten.

2.

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet grundsätzlich mit uneingeschränkter Kognition. Es überprüft die angefochtene Verfügung oder das angefochtene Urteil auf Rechtsverletzungen - einschliesslich unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens - sowie auf Angemessenheit (Art. 49 VwVG).

3.

    1. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, ein Wiedereintritt des Beschwerdegegners in das Bachelor-Studium Physik sei gestützt auf Art. 40 Abs. 1 Bst. a der Verordnung der ETH Zürich über die Zulassung zu den Studien an der ETH Zürich vom 30. November 2010 (SR 414.131.52; nachfolgend: Zulassungsverordnung) sowie auf die Weisung "Einschränkung der Studienwahl, Studiengangwechsel, Wiedereintritt in die ETH Zürich und Anrechnung von Studienleistungen" der Schulleitung der ETH Zürich vom 18. Februar 2011 (nachfolgend: Weisung) nicht möglich. Mit dem zweimaligen Nichtbestehen einer Prüfung habe der Beschwerdeführer sein Recht, zu diesem oder einem vergleichbaren Studiengang zugelassen zu werden, verwirkt. Falls das Gericht im unbefristeten Ausschluss einen Verstoss gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit erkennen würde, müsste die ETH Zürich eine Befristung in der Verordnung vorsehen. Die Vorinstanz pflichtet dem insoweit bei, als sie in

      ihrem Entscheid ausführt, dass wenn man einzig auf den Wortlaut von Art. 40 Abs. 1 Bst. a Zulassungsverordnung abstellen würde, der Beschwerdegegner zu Recht nicht zum Bachelor-Studiengang Physik zugelassen worden sei. Der Wortlaut sei jedoch auszulegen und zu prüfen, ob er mit Sinn und Zweck der Bestimmung übereinstimme. Im vorliegenden Fall würden triftige Gründe für die Abweichung vom Wortlaut der Bestimmung bestehen, die Frage der Verjährung könne deshalb offen bleiben. Der Beschwerdegegner macht geltend, die Prüfung, die vor 40 Jahren zum Ausschluss von der ETH Zürich geführt habe, existiere nicht mehr. Man solle bei ihm eine Ausnahme machen und ihn zum BachelorStudium Physik zulassen.

    2. Nachdem im vorliegenden Beschwerdeverfahren die Anwendung von Art. 40 Abs. 1 Bst. a Zulassungsverordnung sowie der erwähnten, sich auf diese Bestimmung stützende Praxis und insbesondere die Zulässigkeit der Unverjährbarkeit eines Ausschlusses sowie das Fehlen einer Ausnahmebestimmung in Frage stehen, sind im Folgenden die entsprechenden Regelungen vorfrageweise auf ihre Gesetzund Verfassungsmässigkeit zu prüfen.

4.

    1. Nach dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit bedarf jedes staatliche Handeln einer gesetzlichen Grundlage (Art. 5 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]). Inhaltlich gebietet das Gesetzmässigkeitsprinzip, dass staatliches Handeln insbesondere auf einem Rechtssatz (generell-abstrakter Struktur) von genügender Normstufe und genügender Bestimmtheit zu beruhen hat (BVGE 2011/13 E. 15.4, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3479/2012 vom 8. Januar 2013 E. 2.1.1; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 381 ff.). Werden Rechtssetzungskompetenzen des Gesetzgebers auf den Verordnungsgeber übertragen, spricht man von Gesetzesdelegation. Der Gesetzgeber ermächtigt damit im (formellen) Gesetz die Exekutive zum Erlass von gesetzesvertretenden Verordnungen. Die Gesetzesdelegation gilt als zulässig, wenn sie nicht durch die Verfassung ausgeschlossen ist, in einem Gesetz im formellen Sinn enthalten ist, sich auf ein bestimmtes, genau umschriebenes Sachgebiet beschränkt und die Grundzüge der delegierten Materie, d.h. die wichtigen Regelungen, im delegierenden Gesetz selbst enthalten sind (Art. 164 Abs. 1 BV; BGE 134 I 322 E. 2.4 und 2.6.3, 133 II 347 E. 7.2.1, 128 I 113 E. 3c; Urteil

      des Bundesverwaltungsgerichts A-3950/2011 vom 12. April 2012 E. 4.4; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 407 mit weiteren Hinweisen).

    2. Das Bundesverwaltungsgericht kann auf Beschwerde hin vorfrageweise Verordnungen auf ihre Gesetzund Verfassungsmässigkeit prüfen (konkrete Normenkontrolle). Der Umfang der Kognition hängt dabei davon ab, ob es sich um eine unselbständige oder aber um eine selbständige Verordnung handelt (MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 2.177 f.). Bei unselbständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft das Bundesverwaltungsgericht, ob sich der Verordnungsgeber an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnis gehalten hat. Wird dem Verordnungsgeber durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Bereich des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsstufe eingeräumt, so ist dieser Spielraum nach Art. 190 BV für das Bundesverwaltungsgericht verbindlich. Es darf in diesem Fall bei der Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Verordnungsgebers setzen, sondern hat seine Prüfung darauf zu beschränken, ob die Verordnung den Rahmen der im Gesetz delegierten Kompetenz offensichtlich sprengt oder aus andern Gründen gesetzoder verfassungswidrig ist (BGE 131 II 562 E. 3.2, 130 I 26 E. 2.2.1, 128 IV

      177 E. 2.1; Urteil des Bundesgerichts 2C_735/2007 vom 25. Juni 2008

      E. 4.2; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3043/2011 vom 15. März 2012 E. 5.3). Dabei kann es namentlich prüfen, ob sich eine Verordnungsbestimmung auf ernsthafte Gründe stützt oder Art. 9 BV widerspricht, weil sie sinnoder zwecklos ist, rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen fehlt, oder Unterscheidungen unterlässt, die richtigerweise hätten getroffen werden sollen. Die Zweckmässigkeit hat es hingegen nicht zu beurteilen (BGE 131 II 162 E. 2.3, 131 V 256 E. 5.4; Urteil des Bundesgerichts 6P.62/2007 vom 27. Oktober 2007 E. 3.1; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-142/2013 vom 27. Mai 2013 E. 2.3).

    3. Innerhalb der unselbständigen Verordnungen werden zwei Kategorien unterschieden: Die gesetzesvertretenden Verordnungen ergänzen oder ändern die gesetzliche Regelung und übernehmen damit Gesetzesfunktion. Solche dürfen gemäss Art. 164 Abs. 1 BV nur gestützt auf eine besondere Ermächtigung des Gesetzgebers erlassen, d.h. es braucht eine genügende Delegationsnorm im Gesetz (im vorstehenden Sinn: E. 4.1 f.). Vollziehungsverordnungen hingegen vermögen Gesetzesbestimmungen nur zu verdeutlichen. Sie dürfen im Vergleich zum Gesetz nicht zusätzliche Pflichten auferlegen, selbst wenn diese mit dem Gesetzeszweck im Einklang stehen. Ebenso wenig dürfen sie Ansprüche, die aus dem Gesetz hervorgehen, beseitigen (zum Ganzen: BGE 125 V 273 E. 6b; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2014, § 14 Rz. 26 f.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 136 ff.).

    4. Verwaltungsverordnungen (auch Weisungen, Richtlinien etc.) dienen einer einheitlichen und rechtsgleichen Rechtsanwendung durch die Verwaltung. Sie stellen Meinungsäusserungen der Verwaltung über die Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen dar (BGE 128 I 167 E. 4.3; 121 II 473 E. 2b). Abgesehen vom Fall der (echten) Lücke dürfen sie nichts anderes vorsehen, als was sich aus dem Gesetz und der Rechtsprechung ergibt (Urteil des Bundesgerichts vom 15. Mai 2000, ASA 70 589 E. 5a). Sie dürfen die gesetzlichen Vorschriften bloss konkretisieren (BGE 109 Ib 205 E. 2; 106 Ib 252 E. 1). Die Befugnis zum Erlass einer Verwaltungsverordnung ergibt sich, wenn die rechtsanwendende Verwaltungseinheit sie selbst erlässt, aus einer Kompetenz zum Gesetzesvollzug, und wenn eine übergeordnete Verwaltungseinheit sich darin an die untergeordnete richtet, (zudem) aus der Aufsichtsbefugnis (TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 41 Rz. 11, § 14 Rz. 10 f.). In der

Regel ist keine direkte Anfechtung einer Verwaltungsverordnung, sondern nur die vorfrageweise (akzessorische) Überprüfung anlässlich der Anfechtung einer Verfügung möglich (BGE 128 I 167E. 4.3; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 41 Rz. 21 ff., 27; HÄFE-

LIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 129). Gerichte sind an Verwaltungsverordnungen nicht gebunden. Im Fall der Anfechtung einer Verfügung prüft das Gericht im Prinzip nur, ob die Verfügung mit dem übergeordneten Recht übereinstimmt. Allerdings soll das Gericht auch eine Verwaltungsverordnung bei seiner Entscheidung mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulässt und nicht über eine blosse Konkretisierung des übergeordneten Rechts hinausgeht (zum Ganzen BGE 109 Ib 205 E. 2; 121 II 473 E. 2b; Urteil des Bundesgerichts vom

26. Juli 2001, ASA 71 496 E. 2a; BVGE 2007/41 E. 3.3; 2008/22 E. 3.1.1

mit Hinweisen; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 128; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 2.173 f. mit Hinweisen). Von Verfügungen, die in Übereinstimmung mit einer Verwaltungsverordnung ergangen sind, weicht das Bundesverwaltungsgericht nicht "ohne Not" ab, da eine einheitliche und rechtsgleiche Handhabung der Verwaltungspraxis sichergestellt werden soll (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-8728/ 2007 vom 8. April 2008, E. 3.1; BENJAMIN SCHINDLER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar VwVG, Zürich/St.Gallen 2008, Art. 49 Rz. 14 mit Hinweisen; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 41 Rz. 16).

5.

    1. Gemäss Art. 63a Abs. 1 BV betreibt der Bund die Eidgenössischen Technischen Hochschulen. Der ETH-Bereich wird im Bundesgesetz über die Eidgenössischen Technischen Hochschulen vom 4. Oktober 1991 (SR 414.110, nachfolgend: ETHG) geregelt. Die Eidgenössischen Technischen Hochschulen Zürich (ETHZ) und Lausanne sind autonome öffentlich-rechtliche Anstalten des Bundes mit Rechtspersönlichkeit, welche ihre Angelegenheiten selbständig regeln und verwalten (Art. 5 ETHG). Art. 16 und Art. 16a ETHG regeln die Zulassungsbedingungen für das erste Semester des Bachelorstudiums für Studierende mit einem eidgenössisch anerkannten Maturitätsausweis sowie für Studierende mit einem ausländischen Vorbildungsausweis. Der Erlass von Zulassungsbedingungen für den Eintritt in ein höheres Semester des Bachelorstudiums sowie für weitere Studiengänge an den Eidgenössischen Technischen Hochschulen wird an die jeweilige Schulleitung delegiert (Art. 16 Abs. 2, Art. 16a Abs. 5 ETHG). Gestützt auf diese Gesetzesdelegation hat die Schulleitung der ETHZ die Zulassungsverordnung erlassen. Gemäss Art. 42 Zulassungsverordnung können sich Studierende, die aus der ETHZ ausgetreten sind oder von der ETHZ exmatrikuliert wurden, erneut immatrikulieren, sofern sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen. Die Einschränkung der Studienwahl bleibt allerdings bei jedem Wiedereintritt vorbehalten (Art. 42 Abs. 2 Zulassungsverordnung). Gemäss Art. 40 Abs. 1 Bst. a Zulassungsverordnung werden Personen, die an der ETHZ nach Nichtbestehen von Leistungskontrollen endgültig vom Weiterstudium in einem bestimmten Studiengang ausgeschlossen wurden, von einer Immatrikulation ins Bachelorstudium derselben oder einen vergleichbaren Studienrichtung an der ETHZ ausgeschlossen.

      Die Zulassungsverordnung stellt eine unselbständige Verordnung dar, die auf eine Gesetzesdelegation beruht (vgl. E. 4.2). Aus dem Wortlaut der Zulassungsverordnung selbst geht nicht eindeutig hervor, ob der Ausschluss von der Immatrikulation in den gleichen oder vergleichbaren Studiengang unbefristet ist.

    2. Gemäss Art. 40 Abs. 4 Zulassungsverordnung kann die Schulleitung auf Antrag des Rektors Einzelheiten zu den Einschränkungen der Studienwahl regeln. In der entsprechenden Weisung der ETHZ wird Art. 40 Zulassungsverordnung präzisiert. Diese Weisung stellt eine Verwaltungsverordnung dar (vgl. E. 4.4). Gemäss Art. 1 Abs. 4 der Weisung gilt der Ausschluss unbefristet und auch für Personen, die nach dem Ausschluss an einer anderen Hochschule einen Studienabschluss in der derselben oder einer vergleichbaren Studienrichtung erworben haben und sich erneut an der ETHZ immatrikulieren möchten. Gemäss Art. 11 der Weisung sind zudem bei jedem Wiedereintritt in die ETHZ die Einschränkungen der Studienwahl vorbehalten. Ausnahmen von dieser Regelung sind weder in der Zulassungsverordnung noch in den Weisungen vorgesehen.

    3. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdegegner 1970 das 1. Vordiplom in Physik zweimal nicht bestanden, was offenbar zum Ausschluss von der ETHZ führte und von ihm auch nicht bestritten wird. Zudem hat der Beschwerdegegner gemäss von der Beschwerdeführerin eingeholten Bestätigung der Universität Zürich vom 7. April 2014 im Jahr 1979 dort die 2. Vordiplomprüfung in Mathematik zweimal nicht bestanden und ist von allen Studiengängen der Philosophischen Fakultät II (Mathematischnaturwissenschaftliche Fakultät) ausgeschlossen. Weil der Beschwerdegegner in den Jahren 1970 und 1979 sowohl für das Weiterstudium im Studiengang Physik an der ETHZ als auch für das Fach Mathematik bzw. für alle mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer an der Universität Zürich ausgeschlossen wurde, kann er sich gemäss der geltenden Praxis der ETHZ nicht (erneut) für die vergleichbare bzw. identische Studienrichtung Physik an der ETHZ einschreiben, obwohl die Ausschlüsse über 30 Jahre zurück liegen.

Nachfolgend ist vorfrageweise zu prüfen, ob diese Praxis gesetzesund verfassungskonform ist. Dabei sind die genannten Einschränkungen der Überprüfungsbefugnis zu beachten (vgl. E. 4.2 und 4.4).

6.

    1. Die personellen und materiellen Ressourcen einer Hochschule sind begrenzt. Deshalb besteht ein öffentliches Interesse daran, dass Studierende, welche den Anforderungen eines Studiums nicht genügen und nicht über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen, nicht weiterhin an ihrer Hochschule oder an einer anderen Schweizer Universität den gleichen Studiengang belegen und staatliche (Ausbildungs-)Gelder in Anspruch nehmen können (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3113/2013 vom

      16. April 2014 E. 12.3). Ziel eines Ausschlusses nach zweimaligem Nichtbestehen einer Prüfung ist, dass Studierende baldmöglichst erkennen, ob sie für diese Ausbildung geeignet sind (Urteil des Bundesgerichts 2P.203/2001 vom 12. Oktober 2001 E. 5b). Die Festlegung einer Verjährung des Ausschlusses bzw. der Berücksichtigung von nichtbestandenen Prüfungen würde diesen Interessen zuwiderlaufen und wäre damit nicht mehr geeignet, die im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu erreichen. Dasselbe gilt für den Erlass einer Ausnahmeregelung für Härtefälle. Die Einführung einer solchen Verjährungsfrist bei der Immatrikulation in einen Studiengang, aus dem man vor längerer Zeit ausgeschlossen wurde, würde zudem weitere Fragen aufwerfen und Schwierigkeiten mit sich bringen. Insbesondere erscheint es fraglich, ob es überhaupt möglich wäre, eine beliebige Verjährungsfrist festzulegen, welche mit dem Gebot der Rechtsgleichheit vereinbar wäre. Auch die Einführung einer Ausnahmebestimmung bei den Zulassungsbedingungen würde der ETHZ eine konsequent rechtsgleiche Behandlung aller Studierenden und damit die Durchsetzung der im öffentlichen Interesse liegenden Ziele erschweren. Deshalb decken sich der praxisgemässe Verzicht auf eine Verjährung des Ausschlusses (vgl. Art. 1 Abs. 4 Weisung) sowie auf eine Ausnahmeregelung mit dem Sinn und Zweck der Regelung in der Zulassungsverordnung. Diesbezüglich ist die Praxis nicht zu beanstanden. Sie stützt sich auf ernsthafte Gründe und ist damit nicht als willkürlich zu beurteilen.

    2. Auch angewendet auf den vorliegenden Fall erweist sich die Praxis als gesetzesund verfassungskonform. Wie das Bundesgericht festgestellt hat, verletzen Zulassungsbeschränkungen zu staatlichen Bildungseinrichtungen sowie die Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeit einer Prüfung die Berufswahlfreiheit nicht (Urteil des Bundesgerichts 2P.203/2001 vom 12. Oktober 2011 E. 3). Zudem bestehen kein verfassungsmässiges Recht auf Bildung und kein Anspruch auf freien Zugang zu einer Universität bzw. auf einen gewünschten Studienplatz (BGE 101 I 22 E. 2; 125 I 173 E. 3c). Weil darüber hinaus der Beschwerdegegner im vorliegenden Fall das Pensionsalter bereits erreicht hat, dürfte er durch die Nichtzulassung zum Bachelor-Studium Physik kaum in seinem beruflichen Fortkommen eingeschränkt sein, was er auch nicht bestreitet. Zudem ist an dieser Stelle festzuhalten, dass der Beschwerdegegner grundsätzlich die Möglichkeit hat, an den Vorlesungen des gewünschten Studiengangs als Hörer teilzunehmen (vgl. Art. 39 Zulassungsverordnung).

    3. Aus dem Gesagten folgt, dass sich Art. 40 Abs. 1 Bst. a Zulassungsverordnung und die dazu bestehende Praxis auf ernsthafte Gründe stützen und auf einer gesetzlichen Grundlage bzw. auf einer zulässigen Gesetzesdelegation beruhen. Auch unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber gewollten weiten Ermessensspielraums des Verordnungsgebers und der damit verbundenen eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts erscheint die Regelung sinnvoll und zweckmässig. Ihre Anwendbarkeit ist im vorliegenden Fall deshalb nicht in Frage zu stellen.

      Weil die Zulassungsbestimmungen keine Ausnahmeregelung vorsehen, muss im vorliegenden Fall auch nicht geprüft werden, ob der Beschwerdegegner gestützt auf eine alternative Zulassungsgrundlage - konkret aufgrund der von der Vorinstanz geltend gemachten Studierfähigkeit sowie dem an der Universität Montpellier erworbenen Abschluss - zum Studium zugelassen werden könne.

    4. Zusammenfassend ergibt sich, dass die ETHZ den Beschwerdegegner gestützt auf die nicht in Frage zu stellenden Bestimmungen der Zulassungsverordnung sowie der entsprechenden Praxis zu Recht nicht zum Bachelor-Studium Physik zugelassen hat. Bei diesem Ergebnis ist die Beschwerde gutzuheissen, der Entscheid der Vorinstanz aufzuheben und die Verfügung der Zulassungsstelle vom 24. Mai 2013 zu bestätigen.

7.

    1. Kostenpflichtig wird in der Regel die unterliegende Partei, wobei unterliegenden Vorinstanzen keine Verfahrenskosten auferlegt werden dürfen (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG). Vorliegend rechtfertigt es sich, dem ebenfalls unterliegenden Beschwerdegegner die Verfahrenskosten zu erlassen (Art. 6 Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

    2. Weder der obsiegenden Beschwerdeführerin noch dem unterliegenden Beschwerdegegner steht ein Anspruch auf Parteientschädigung zu (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 7 Abs. 3 VGKE).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid der ETHBeschwerdekommission vom 4. März 2014 wird in Bestätigung der Verfügung der ETH Zürich vom 24. Mai 2013 aufgehoben.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Es werden keine Parteikosten zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

  • den Beschwerdegegner (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. Verf.-Nr. 2013; Einschreiben)

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Jürg Steiger Laura Bucher

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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