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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BB.2020.86 vom 09.09.2020

Hier finden Sie das Urteil BB.2020.86 vom 09.09.2020 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BB.2020.86

Der Bundesstrafgericht BB.2019.278 entschied im Rahmen der wegen Geldwäscherei gegen unbekannte Täter, dass die Staatsanwaltschaft des Bundes nicht ausreichend befasst hatte und daher das Ausstandsgesuch der A. Ltd. abgewiesen werden sollte. Die Beschwerdekammer verlangte von der Staatsanwaltschaft des Bundes, den Gesuchsgegner 1 zu beschuldigen, an einem Treffen zwischen dem damaligen Bundesanwalt F. und dem Präsidenten der FIFA G. teilgenommen zu haben. Der Gesuchsgegner 1 bestreitet dies. Die Beschwerdekammer sah in den Zeitungsberichten vom 19. April 2020 und vom 27. April 2020 Hinweise auf eine mögliche Befangenheit des Gesuchsgegners 1, aber nicht ausreichende Beweise dafür, dass er tatsächlich an dem Treffen teilgenommen hatte. Der Bundesstrafgericht BB.2019.278 entschied, dass die Staatsanwaltschaft des Bundes nicht ausreichend befasst hatte und daher das Ausstandsgesuch der A. Ltd. abgewiesen werden sollte. Die Beschwerdekammer erklärte, dass das Gesuch als unbegründet war und dass die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.- für die Verfahrenskosten des Bundesstrafgerichts aufgetragen wurde.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BB.2020.86

Datum:

09.09.2020

Leitsatz/Stichwort:

Ausstand der Bundesanwaltschaft (Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 56 StPO).

Schlagwörter

Bundes; Verfahren; Gesuch; Ausstand; Gesuchs; Gesuchsgegner; Verfahrens; Person; Befangenheit; Bundesanwalt; Staatsanwalt; Bundesanwaltschaft; Bundesstrafgericht; Umstände; Bundesstrafgerichts; Zeitung; Behörde; Richter; Kammer; Beschwerdekammer; Ausstandsgesuch; Bundesgerichts; Urteil; Zeitungsartikel; Beschluss; Assistenz-Staatsanwältin

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 105 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 30 BV ;Art. 5 StPO ;Art. 56 StPO ;Art. 58 StPO ;Art. 59 StPO ;Art. 6 EMRK ;Art. 6 StPO ;Art. 61 StPO ;Art. 62 StPO ;

Referenz BGE:

138 IV 142; 141 IV 178; 143 IV 69; 144 I 234; ;

Kommentar:

-

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2020.86

Beschluss vom 9. September 2020
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Patrick Robert-Nicoud und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

A. LTD, vertreten durch Rechtsanwältin Bettina

Aciman,

Gesuchstellerin

gegen

1. B. , Staatsanwalt des Bundes,

2. C. , Assistenz-Staatsanwältin des Bundes,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Ausstand der Bundesanwaltschaft

(Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 56 StPO)


Sachverhalt:

A. Im Rahmen der wegen des Verdachts der Geldwäscherei gegen unbekannte Täterschaft geführten Strafuntersuchung Nr. SV.15.0736 sperrte die Bundesanwaltschaft am 24. Juni 2015 bei der Bank D. SA die auf die A. Ltd lautende Geschäftsbeziehung Nr. 1 und beschlagnahmte die darauf liegenden Vermögenswerte (vgl. act. 2, Rz. 4 f.). Am 20. Juli 2017 verfügte die Bundesanwaltschaft, diese Vermögenswerte würden im Verfahren Nr. SV.15.0902 beschlagnahmt (Akten SV.17.1581, pag. 07.105-0003 ff.). Am 29. August 2018 teilte die Bundesanwaltschaft dem Vertreter der A. Ltd mit, die entsprechenden Vermögenswerte würden neu auch im Verfahren Nr. SV.17.1581 beschlagnahmt (Akten SV.17.1581, pag. 16.103-0070 ff.). Unter dieser Verfahrensnummer wird ein am 15. September 2017 vom Verfahren Nr. SV.15.0902 abgetrennter Teil weitergeführt (vgl. hierzu den Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2019.278 vom 13. August 2020, Sachverhalt, lit. B). De facto wurde damit die im (soweit bekannt mittlerweile abgeschlossenen) Verfahren Nr. SV.15.0902 verfügte Beschlagnahme nur noch im Verfahren Nr. SV.17.1581 weitergeführt. Im letztgenannten Verfahren verfügte die Bundesanwaltschaft am 21. November 2018 die Zulassung der Fédération Internationale de Football Association (nachfolgend «FIFA») als Privatklägerin im Straf- sowie im Zivilpunkt (Akten SV.17.1581, pag. 15.107-0089 ff.). Der A. Ltd kommt bzw. kam im Rahmen all dieser Verfahren die Rolle einer durch Verfahrenshandlungen beschwerten Dritten im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO zu.

B. Bezug nehmend auf zwei Artikel der Zeitung E. vom 19. April 2020 (act. 1, Beilage 1) bzw. vom 27. April 2020 (act. 1, Beilage 4) gelangte die A. Ltd mit Eingabe vom 29. April 2020 an den Staatsanwalt des Bundes B., den Verfahrensleiter der Untersuchung Nr. SV.17.1581 (act. 1). Darin beantragt sie u.a. Folgendes:

B. Au fond

2. Prononcer votre récusation immédiate.

3. Prononcer la récusation immédiate de l'intégralité de votre cabinet, soit notamment mais pas exclusivement, de Madame C., Procureur fédéral assistante.

4. Annuler tous les actes de procédure effectués, les décisions rendues et/ou autres mesures prises dans la présente procédure, ainsi que dans toute autre procédure liée, soit notamment la procédure n° SV.15.0736.

5. Sous suite de frais et dépens.

In seiner Stellungnahme vom 14. Mai 2020 schliesst B. auf kostenfällige Abweisung der Anträge der A. Ltd, sofern darauf einzutreten sei (act. 2). In ihrer Stellungnahme vom selben Tag stellt die Assistenz-Staatsanwältin des Bundes C. entsprechende Anträge (act. 4). Mit Replik vom 2. Juni 2020 hält die A. Ltd an ihren mit Eingabe vom 29. April 2020 gestellten Anträgen fest (act. 6). Die Replik wurde B. und C. am 4. Juni 2020 zur Kenntnis gebracht (act. 7).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Die Gesuchstellerin bedient sich im vorliegenden Verfahren der französischen Sprache. Die von der Bundesanwaltschaft gestützt auf Art. 3 Abs. 2 StBOG bestimmte Verfahrenssprache im Verfahren Nr. SV.17.1581 ist Deutsch. Nach konstanter Praxis der Beschwerdekammer definiert die Sprache des angefochtenen Entscheids bzw. die Verfahrenssprache der diesem zu Grunde liegenden Untersuchung die Sprache im Beschwerdeverfahren (vgl. hierzu beispielsweise den Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2018.171 vom 15. Januar 2019 E. 2). Für ein ausnahmsweises Abweichen besteht vorliegend kein Anlass. Die in einer anderen Amtssprache gehaltenen Eingaben der Parteien werden jedoch ohne Weiteres entgegengenommen (Art. 6 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 2007 über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften [Sprachengesetz, SpG; SR 441.1]; vgl. hierzu auch TPF 2014 161 ).

2.

2.1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind dabei glaubhaft zu machen. Die betroffene Person nimmt zum Gesuch Stellung (Art. 58 StPO ). Wird ein Ausstandsgrund nach Art. 56 lit. a oder f StPO geltend gemacht oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Ausstandsgesuch einer Partei, das sich auf Art. 56 lit. b -e StPO abstützt, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren und endgültig die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, wenn die Bundesanwaltschaft betroffen ist (Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Der Entscheid ergeht schriftlich und ist zu begründen (Art. 59 Abs. 2 StPO ). Bis zum Entscheid übt die betroffene Person ihr Amt weiter aus (Art. 59 Abs. 3 StPO).

2.2 Die Gesuchstellerin ist im Rahmen der eingangs erwähnten Strafuntersuchungen eine durch eine Verfahrenshandlung in Form einer Einziehungsbeschlagnahme beschwerte Dritte im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO (siehe oben Sachverhalt, lit. A). Wird sie in dieser Eigenschaft in ihren Rechten unmittelbar betroffen, so stehen ihr die zur Wahrung ihrer Interessen erforderlichen Verfahrensrechte einer Partei zu (Art. 105 Abs. 2 StPO). Vor diesem Hintergrund ist sie berechtigt, auch gegen Vertreter der Staatsanwaltschaft Ausstandsbegehren zu stellen (vgl. hierzu die Urteile des Bundesgerichts 1B_48/2019 vom 28. Mai 2019 E. 1.2 [wobei die Frage hier mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens offengelassen wurde]; 1B_180/2017 vom 21. Juni 2017 E. 1.2.2 und 1.2.3).

2.3

2.3.1 Pauschale Ausstandsgesuche gegen eine Behörde als Ganzes sind grundsätzlich nicht zulässig. Rekusationsersuchen haben sich auf einzelne Mitglieder der Behörde zu beziehen und der Gesuchsteller hat eine persönliche Befangenheit der betreffenden Personen aufgrund von Tatsachen konkret glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). Ein formal gegen eine Gesamtbehörde gerichtetes Ersuchen kann daher in aller Regel nur entgegengenommen werden, wenn im Ausstandsbegehren Befangenheitsgründe gegen alle Einzelmitglieder ausreichend substanziiert werden. Das Gesetz (vgl. Art. 56 -60 StPO ) spricht denn auch (ausschliesslich und konsequent) von Ausstandsgesuchen gegenüber «einer in einer Strafbehörde tätigen Person» (vgl. hierzu das Urteil des Bundesgerichts 1B_548/2019 vom 31. Januar 2020 E. 3.2 m.w.H.).

2.3.2 Die Gesuchstellerin verlangt in erster Linie den Ausstand des Gesuchsgegners 1. Ihr an diesen adressiertes Gesuch richte sich aber auch gegen «l'intégralité de votre cabinet», wobei lediglich noch die Gesuchsgegnerin 2 als Assistenz-Staatsanwältin des Bundes namentlich erwähnt wird. Sofern sich das Gesuch neben den beiden erwähnten Gesuchsgegnern noch gegen weitere Personen richten sollte, ist darauf nach dem eben Ausgeführten mangels ausreichender Substanziierung nicht einzutreten.

2.4 Sofern sich das Gesuch gegen die Gesuchsgegnerin 2 richtet, ist auf dieses mangels hinreichender Substanziierung ebenfalls nicht einzutreten. Sie betreffend leitet die Gesuchstellerin deren angebliche Befangenheit lediglich aus dem Umstand ab, dass sie in ihrer Funktion dem Gesuchsgegner 1 hierarchisch untergeordnet sei (so ausdrücklich in act. 6, S. 13). Selbst eine allfällige Befangenheit der Führungsverantwortlichen führt jedoch nicht automatisch zur Annahme einer solchen auf Seiten der in den einzelnen Verfahren ermittelnden Staatsanwälte sowie den diesen unterstellten Personen (vgl. hierzu bereits den Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2018.197 vom 17. Juni 2019 E. 3.4). Die Gesuchstellerin macht in ihrem Gesuch keinerlei anderweitige Umstände in der Person der Gesuchsgegnerin 2 geltend, welche deren angebliche Befangenheit begründen könnten.

2.5 Dem Gesuchsgegner 1 wirft die Gesuchstellerin sinngemäss Befangenheit im Sinne von Art. 56 lit. f StPO vor. Ihr Gesuch vom 29. April 2020 erfolgte als unmittelbare Reaktion auf zwei Zeitungsartikel vom 19. bzw. vom 27. April 2020, welche u.a. über verschiedene Vorgänge in vom Gesuchsgegner 1 geführten Strafuntersuchungen berichteten. Auf das gegen den Gesuchsgegner 1 gerichtete Gesuch ist einzutreten.

3.

3.1 Im Rahmen ihres Gesuchs verdächtigt die Gesuchstellerin den Gesuchsgegner 1 mit Bezug auf den Zeitungsartikel vom 19. April 2020, dieser habe am 16. Juni 2017 am dritten persönlichen Treffen zwischen dem damaligen Bundesanwalt F. und dem Präsidenten der FIFA G. teilgenommen. Der Zeitungsartikel vom 27. April 2020 zeige weiter auf, dass der Gesuchsgegner 1 persönlich ebenfalls regelmässige informelle Kontakte mit den Vertretern der FIFA gepflegt habe.

3.2

3.2.1 Gemäss Art. 56 lit. f StPO tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Generalklausel, welche alle Ausstandsgründe erfasst, die in Art. 56 lit. a -e StPO nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Sie entspricht Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK . Danach hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können namentlich in einem bestimmten Verhalten des Richters begründet sein. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 144 I 234 E. 5.2 S. 236 f.; 143 IV 69 E. 3.2 S. 74; 141 IV 178 E. 3.2.1; 140 I 326 E. 5.1 S. 328; 138 IV 142 E. 2.1 S. 144 f.; je mit Hinweisen).

Nach der Rechtsprechung vermögen besondere Gegebenheiten hinsichtlich des Verhältnisses zwischen einem Richter und einer Partei bzw. deren Vertreter den objektiven Anschein der Befangenheit des Ersteren zu begründen und daher dessen Ausstand zu gebieten. In solchen Situationen kann die Voreingenommenheit des Richters indessen nur bei Vorliegen spezieller Umstände angenommen werden. Erforderlich ist, dass die Intensität und Qualität der beanstandeten Beziehung vom Mass des sozial Üblichen abweichen, wie zum Beispiel beim Vorliegen von Kameraderie (Urteil des Bundesgerichts 1B_408/2016 vom 7. Februar 2017 E. 2.1 m.w.H.). Blosse berufliche oder kollegiale Kontakte sind, soweit anderweitige auf eine Befangenheit hindeutende Indizien fehlen, kein Grund zur Annahme eines Ausstandsgrunds im Sinne von Art. 56 lit. f StPO (vgl. hierzu das Urteil des Bundesgerichts 6B_851/2018 vom 7. Dezember 2018 E. 4.2.2 m.w.H.). Anlass zu Misstrauen in die Unparteilichkeit einer Person, namentlich des Richters, entsteht aber dann, wenn sie die zur Verhandlung stehende Angelegenheit ausserhalb des Verfahrens mit einer Partei vorbesprochen oder ihr gar Ratschläge erteilt hat ( Boog , Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 56 StPO N. 51 m.w.H.).

3.2.2 Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK sind bei der Ablehnung eines Staatsanwalts nur anwendbar, wenn er ausnahmsweise in richterlicher Funktion tätig wird, wie das bei Erlass eines Strafbefehls zutrifft. Amtet er jedoch als Strafuntersuchungsbehörde, beurteilt sich die Ausstandspflicht nach Art. 29 Abs. 1 BV . Wohl darf der Gehalt von Art. 30 Abs. 1 BV nicht unbesehen auf nicht richterliche Behörden bzw. auf Art. 29 Abs. 1 BV übertragen werden. Hinsichtlich der Unparteilichkeit des Staatsanwalts im Sinne von Unabhängigkeit und Unbefangenheit kommt Art. 29 Abs. 1 BV allerdings ein mit Art. 30 Abs. 1 BV weitgehend übereinstimmender Gehalt zu. Auch ein Staatsanwalt kann abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die objektiv geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken. Das gilt allerdings nur für das Vorverfahren. Gemäss Art. 61 lit. a StPO leitet die Staatsanwaltschaft das Verfahren bis zur Anklageerhebung. Die Staatsanwaltschaft gewährleistet insoweit eine gesetzmässige und geordnete Durchführung des Verfahrens (Art. 62 Abs. 1 StPO). Sie untersucht die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt (Art. 6 Abs. 2 StPO ). Zwar verfügt sie bei ihren Ermittlungen über eine gewisse Freiheit. Sie ist jedoch zu Zurückhaltung verpflichtet. Sie hat sich jeden unlauteren Vorgehens zu enthalten und sowohl die belastenden als auch die entlastenden Umstände zu untersuchen. Sie darf keine Partei zum Nachteil einer anderen bevorteilen (BGE 141 IV 178 E. 3.2.2 S. 179 f. m.w.H.). Allgemeine Verfahrensmassnahmen, seien sie nun richtig oder falsch, vermögen als solche keine Voreingenommenheit der verfahrensleitenden Justizperson zu begründen (BGE 138 IV 142 E. 2.3) und sind im Rechtsmittelverfahren zu rügen (Urteil des Bundesgerichts 1B_233/2019 vom 25. September 2019 E. 2.1). Anders verhält es sich, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorliegen, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen (BGE 143 IV 69 E. 3.2 S. 74 f.; 141 IV 178 E. 3.2.3; 138 IV 142 E. 2.3) und die sich einseitig zu Lasten einer der Prozessparteien auswirken (Urteil des Bundesgerichts 1B_164/2015 vom 5. August 2015 E. 3.2).

3.3 Im von der Gesuchstellerin vorgelegten Zeitungsartikel vom 19. April 2020 (act. 1, Beilage 1) wird spekuliert, der Gesuchsgegner 1 könnte ebenfalls am dritten geheimen Treffen zwischen F. und G. teilgenommen haben. Der Gesuchsgegner 1 bestreitet, an diesem Treffen anwesend gewesen zu sein. Er sei in Bezug auf die Durchführung dieses Treffens zudem weder konsultiert noch im Anschluss daran über dessen Inhalt informiert worden (act. 2, Rz. 32). Der Gesuchstellerin präsentierte er zuvor bereits einen Auszug seines Zeiterfassungsjournals bei der Bundesanwaltschaft, gemäss welchem er an jenem Tag büroabwesend gewesen sei bzw. nicht gearbeitet habe (act. 1, Beilage 3). Die Gesuchstellerin bringt diesbezüglich keine Elemente vor, welche an den Ausführungen des Gesuchsgegners 1 zweifeln lassen. Das Ausstandsgesuch erweist sich damit mit Bezug auf die im Zeitungsartikel vom 19. April 2020 enthaltenen Spekulationen als unbegründet (vgl. hierzu auch schon den Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2020.60 vom 8. Juli 2020 E. 8.5). An dieser Stelle bleibt lediglich anzufügen, dass die von der Gesuchstellerin angeführten (siehe act. 6, Rz. 11), von der Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft in diesem Zusammenhang an F. persönlich erhobenen Vorwürfe in der Person des Gesuchsgegners 1 keinerlei Gründe für die Annahme einer Befangenheit zu begründen vermögen. Ebenso haben allfällige F. persönlich betreffende Ausstandsentscheide keinerlei Einfluss auf eine mögliche Befangenheit der übrigen Mitarbeitenden der Bundesanwaltschaft (entgegen den Vorbringen in act. 6, S. 9 f.).

3.4 Gemäss dem von der Gesuchstellerin vorgelegten Zeitungsartikel vom 27. April 2020 (act. 1, Beilage 4) wiesen Honorarnoten einer Zürcher Anwaltskanzlei darauf hin, dass es im Zeitraum von Juli bis September 2016 zu über 20 (mutmasslich nicht protokollierten) Telefongesprächen zwischen den Vertretern der FIFA und einzelnen Staatsanwälten des Bundes, insbesondere auch dem Gesuchsgegner 1, gekommen sei, in welchen verschiedene Verfahrensfragen erörtert worden seien. Einem Bericht des J. vom selben Tag (act. 2.1) lassen sich diesbezüglich detailliertere Angaben zum Inhalt der Gespräche und zu den offenbar betroffenen Verfahren entnehmen. So betrafen diese Gespräche die Verfahren betreffend die sog. Diaspora-Zahlung oder den H. Report bzw. die sog. DFB-Verfahren, welche zwischenzeitlich vor der Strafkammer des Bundesstrafgerichts zur Anklage gebracht worden sind (vgl. auch die in den Medienberichten erwähnten Verfahrensnummern SV.15.0088, SV.15.1462, SV.15.1443 [act. 2.1]). Daraus wird ersichtlich, dass diese Gespräche durchwegs andere Sachverhaltskomplexe betreffende Verfahren zum Gegenstand gehabt haben, an welchen die Gesuchstellerin weder als Partei noch als durch Verfahrenshandlungen beschwerte Dritte je beteiligt gewesen ist. In den die Gesuchstellerin betreffenden Verfahren wurde die FIFA am 21. November 2018 allein im Rahmen des Verfahrens Nr. SV.17.1581 als Privatklägerin zugelassen. Im Rahmen dieser Untersuchung steht der Beschuldigte I. im Verdacht, er habe aus Südamerika stammenden und in mehreren Fussballverbänden tätigen Funktionären unrechtmässige Vermögensvorteile zukommen lassen, u.a. um Rechte zur Betreuung und zur Fernsehübertragung von Fussballanlässen zu erhalten (vgl. u.a. Akten SV.17.1581, pag. 01.100-0005 ff.; 04.100-0016 ff.). Fehlt es an einem Zusammenhang zwischen den in den Medienberichten thematisierten und von der Gesuchstellerin kritisierten Gesprächen und dem Gegenstand der die Gesuchstellerin betreffenden Strafuntersuchung, so ist auch nicht erkennbar, inwiefern sich diese Gespräche einseitig zu Lasten der Gesuchstellerin ausgewirkt haben sollten. Eine Befangenheit ihr gegenüber in der Person des Gesuchsgegners 1 ist damit nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

4. Nach dem eben Ausgeführten erweist sich das Gesuch als unbegründet. Es ist abzuweisen, soweit darauf überhaupt einzutreten ist.

5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Gesuchstellerin dessen Kosten zu tragen (Art. 59 Abs. 4 StPO ). Die entsprechende Gerichtsgebühr ist auf Fr. 2'000.- festzusetzen (vgl. Art. 73 StBOG und Art. 5 und 8 Abs. 2 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das Ausstandsgesuch gegen den Staatsanwalt des Bundes B. wird abgewiesen.

2. Auf das Ausstandsgesuch gegen die Assistenz-Staatsanwältin des Bundes C. und einen unbestimmten Kreis weiterer Personen wird nicht eingetreten.

3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.- wird der Gesuchstellerin auferlegt.

Bellinzona, 9. September 2020

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- Rechtsanwältin Bettina Aciman

- B., Staatsanwalt des Bundes

- C., Assistenz-Staatsanwältin des Bundes

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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