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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BE.2009.21
Datum:14.01.2010
Leitsatz/Stichwort:Entsiegelung (Art. 50 Abs. 3 VStrR).
Schlagwörter : Gesuch; Gesuchsgegnerin; Beschwerde; Durchsuchung; Unterlagen; Beschwerdekammer; Entscheid; Recht; Anzeige; Bundesstrafgericht; Datenträger; Papiere; Gelte; Geheim; Bundesstrafgerichts; Sichergestellten; Untersuchung; Person; Sekretariat; Anwalt; Verfahren; Entsiegelung; Behörde; Versiegelt; Anwalts; Akten; Unternehmen; Dokument
Rechtskraft:Kein Weiterzug, rechtskräftig
Rechtsnorm: Art. 10 BGG ; Art. 170 StPO ; Art. 248 StPO ; Art. 264 StPO ; Art. 32 BV ; Art. 42 KG ; Art. 57 KG ; Art. 66 BGG ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BE.2009.21

Entscheid vom 14. Januar 2010
I. Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Tito Ponti, Vorsitz,

Emanuel Hochstrasser und Joséphine Contu ,

Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

Wettbewerbskommission, Sekretariat,

Gesuchstellerin

gegen

A. AG, vertreten durch Rechtsanwalt Mani

Reinert,

Gesuchsgegnerin

Gegenstand

Entsiegelung (Art. 50 Abs. 3 VStrR )


Sachverhalt:

A. Das Sekretariat der Wettbewerbskommission (nachfolgend Sekretariat") führt u. a. gegen die A. AG eine Untersuchung gemäss Art. 27 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) wegen des Verdachts der unzulässigen Wettbewerbsabreden im Sinne von Art. 5 KG (act. 1.4). Im Rahmen dieser Untersuchung fand am 9. Juni 2009 in den Räumlichkeiten der A. AG in Z. sowie (betreffend die Serverdaten) in Y. eine Hausdurchsuchung statt. Anlässlich dieser Hausdurchsuchung wurden verschiedene Unterlagen sichergestellt, in Z. eine elektronische Spiegelung von bestimmten Informatikmitteln durchgeführt und in Y. eine logische Kopie von Serverdaten erstellt (act. 1.1). Auf Einsprache der A. AG hin wurden ein Grossteil der Unterlagen und sämtliche Spiegelungen bzw. logische Kopien versiegelt.

B. Mit Gesuch vom 21. September 2009 gelangte das Sekretariat an die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragte, es sei unter Kostenfolge die Entsiegelung der am 9. Juni 2009 sichergestellten und versiegelten Unterlagen und Datenträger der A. AG anzuordnen und deren Durchsuchung durch die Mitarbeiter des Sekretariats zu gestatten (act. 1).

In ihrer Gesuchsantwort vom 22. Oktober 2009 beantragte die A. AG was folgt (act. 5):

1. Das Gesuch des Sekretariats sei abzuweisen.

2. Eventualiter, falls Antrag Ziff. 1 abgewiesen und die beschlagnahmten Dokumente
und Datenträger entsiegelt werden:

2.1 Die I. Beschwerdekammer solle aus den beschlagnahmten Dokumenten und Datenträgern sämtliche schriftlichen und elektronischen Datenträger aussondern und der Gesuchsgegnerin zurückgeben, die für die Untersuchung keine Bedeutung haben oder die von externen Rechtsanwälten/Anwaltskanzleien erstellt oder an solche
übermittelt oder für sie angefertigt worden seien, namentlich:

- Kanzlei B. Rechtsanwälte,

- Rechtsanwalt C.,

- Kanzlei D. und Partner sowie

- Kanzlei E.

2.2 Der Gesuchsgegnerin sei Akteneinsicht in die beschlagnahmten Dokumente und Datenträger zu gewähren.

Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Gesuchstellerin.

Die I. Beschwerdekammer bat daraufhin das Sekretariat, ihr die von der A. AG auf Seite 21 f. der Gesuchsantwort in Rz. 104 genannten drei Ordner und die entsprechende Dokumentenmappe bzw. die Behältnisse, in denen sich die genannten Unterlagen zu jenem Zeitpunkt befanden, in versiegelter Form einzureichen (act. 6).

Das Sekretariat nahm am 30. Oktober 2009 unaufgefordert zur Gesuchsantwort der A. AG Stellung (act. 7) und reichte der I. Beschwerdekammer am 5. November 2009 die von ihr verlangten Unterlagen in zwei versiegelten Kartons ein (act. 8 und 8.1).

Die versiegelten Kartons mit den fraglichen Akten wurden anschliessend von der I. Beschwerdekammer im Rahmen der Entscheidfindung geöffnet und die enthaltenen Unterlagen gesichtet.

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Für die Verfolgung und die Beurteilung strafbarer Handlungen nach dem KG gelten die Bestimmungen des VStrR (Art. 57 Abs. 1 KG ). Verfolgende Behörde ist hierbei das Sekretariat der Wettbewerbskommission im Einvernehmen mit einem Mitglied von deren Präsidium. Urteilende Behörde ist die Wettbewerbskommission (Art. 57 Abs. 2 KG ). Die Wettbewerbsbehörden können Hausdurchsuchungen anordnen und Beweisgegenstände sicherstellen. Für diese Zwangsmassnahmen sind die Art. 45 - 50 VStrR sinngemäss anwendbar (Art. 42 Abs. 2 KG).

1.2 Werden im Verwaltungsstrafverfahren Papiere und Datenträger durchsucht, so ist dem Inhaber derselben wenn immer möglich vor der Durchsuchung Gelegenheit zu geben, sich über deren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt. Zur Einsprache gegen die Durchsuchung ist nur der Inhaber der Papiere legitimiert (Urteil des Bundesgerichts 1S.28/2005 vom 27. September 2005, E. 2.4.2 u. a. mit Hinweis auf den Entscheid des Bundesstrafgerichts BV.2005.20 vom 23. Juni 2005, E. 2.1.1). Mit der Siegelung entsteht ein suspensiv bedingtes Verwertungsverbot, das besteht bis die zuständige gerichtliche Behörde über die Zulässigkeit der Durchsuchung entschieden hat. Dabei bestimmt sie, ob die Wahrung des Privat- bzw. Geschäftsbereichs oder das öffentliche Interesse an der Wahrheitsforschung höher zu werten ist ( Hauser/Schweri/Hartmann , Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Basel 2005, S. 353 N. 21). Über die Zulässigkeit der Durchsuchung entscheidet die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 50 Abs. 3 VStrR i.V.m. Art. 28 Abs. 1 lit. b SGG und Art. 9 Abs. 2 des Reglements vom 20. Juni 2006 für das Bundesstrafgericht; SR 173.710).

1.3 Die Gesuchsgegnerin ist Inhaberin der sichergestellten Unterlagen und der gespiegelten Datenträger und somit zur Einsprache gegen deren Durchsuchung berechtigt. Die I. Beschwerdekammer ist vorliegend zuständig, über die Zulässigkeit einer solchen Durchsuchung zu entscheiden. Auf das Entsiegelungsgesuch ist demnach einzutreten.

1.4 Die Gesuchsgegnerin bringt unter formellen Gesichtspunkten vor, das Entsiegelungsgesuch sei erst über drei Monate nach erfolgter Sicherstellung der Unterlagen und Datenträger gestellt worden, was angesichts des Entscheides des Bundesstrafgerichts BE.2008.11 vom 12. Dezember 2008, E. 1.3, eine Verletzung des Beschleunigungsgebots darstelle und in analoger Anwendung von Art. 248 Abs. 2 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 ( StPO ) zur Abweisung des Gesuchs führen müsse (act. 5, Rz. 4 - 7). Auch wenn das geltende Recht keine Fristen vorsieht, sind die Strafverfolgungsbehörden stets gehalten, dem Beschleunigungsgebot gebührend Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der erwähnten Bestimmung der neuen, noch nicht in Kraft getretenen Strafprozessordnung erscheint die hier verstrichene Dauer zwischen Sicherstellung der Papiere und Datenträger sowie der Stellung des Entsiegelungsgesuchs als zu lang. Angesichts der bestehenden gesetzlichen Regelung, welche diesbezüglich keine Frist bestimmt sowie der Tatsache, dass die StPO keine Vorwirkung vorsieht (Urteil des Bundesgerichts 1B_101/2008 vom 28. Oktober 2008, E. 4.4.3), ist die Abweisung des Gesuchs infolge Fristablaufs jedoch nicht möglich. Der Gesuchstellerin wird jedoch empfohlen, sich bei weiteren Entsiegelungsgesuchen an der künftigen Frist von 20 Tagen zu orientieren.

2. Gemäss konstanter Praxis der I. Beschwerdekammer entscheidet diese bei Entsiegelungsgesuchen in einem ersten Schritt, ob die Durchsuchung im Grundsatz zulässig ist und, sofern dies bejaht wird, in einem zweiten Schritt, ob die Voraussetzungen für eine Entsiegelung erfüllt sind. Von einer Durchsuchung von Papieren, bei der es sich um eine strafprozessuale Zwangsmassnahme handelt, wird gesprochen, wenn Schriftstücke oder Datenträger im Hinblick auf ihren Inhalt oder ihre Beschaffenheit durchgelesen bzw. besichtigt werden, um ihre Beweiseignung festzustellen und sie allenfalls zu den Akten zu nehmen. Eine derartige Durchsuchung ist nur zulässig, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht, anzunehmen ist, dass sich unter den sichergestellten Papieren Schriften befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Art. 50 Abs. 1 VStrR ) und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit respektiert wird. Die Durchsuchung von Papieren ist dabei mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse und unter Wahrung der Berufs- und Amtsgeheimnisse durchzuführen (Art. 50 Abs. 1 und 2 VStrR; vgl. zum Ganzen die Entscheide des Bundesstrafgerichts BE.2008.3 vom 24. Juni 2008, E. 3; BE.2007.10 vom 14. März 2008, E. 2; BE.2007.8 und BE.2007.9 jeweils vom 28. Januar 2008, E. 2 m.w.H.).

3.

3.1 Im Entsiegelungsentscheid ist vorab zu prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine Durchsuchung besteht. Dazu bedarf es zweier Elemente: Erstens muss ein Sachverhalt ausreichend detailliert umschrieben werden, damit eine Subsumtion unter einen oder allenfalls auch alternativ unter mehrere Tatbestände des Strafrechts überhaupt nachvollziehbar vorgenommen werden kann. Zweitens müssen ausreichende Beweismittel
oder Indizien angegeben und vorgelegt werden, die diesen Sachverhalt stützen. In Abgrenzung zum dringenden setzt dabei der hinreichende Tatverdacht gerade nicht voraus, dass Beweise oder Indizien bereits für eine erhebliche oder hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sprechen. Zu beachten ist schliesslich, dass auch mit Bezug auf den hinreichenden Tatverdacht die vom Bundesgericht zum dringenden Tatverdacht entwickelte Rechtsprechung sachgemäss gelten muss, wonach sich dieser im Verlaufe des Verfahrens konkretisieren und dergestalt verdichten muss, dass eine Verurteilung immer wahrscheinlicher wird. Die Verdachtslage unterliegt mit anderen Worten einer umso strengeren Überprüfung, je weiter das Verfahren fortgeschritten ist". Allerdings ist festzuhalten, dass die diesbezüglichen Anforderungen nicht überspannt werden dürfen (vgl. zum Ganzen Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2006.7 vom 20. Februar 2007, E. 3.1 m.w.H.). Diese Überlegungen gelten gleichermassen auch für das Verwaltungsstrafverfahren, gibt es doch diesbezüglich keinen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Rechtsanwendung.

3.2 Die vorliegende Untersuchung der Wettbewerbsbehörden betreffend Wettbewerbsabreden im Strassen- und Tiefbau im Kanton Zürich wurde durch eine entsprechende Anzeige einer zum jetzigen Zeitpunkt anonym bleibenden Privatperson bzw. Unternehmung ausgelöst. Die Anzeige selber wurde der I. Beschwerdekammer von der Gesuchstellerin nicht vorgelegt, ebenso soll - der Absicht der Gesuchstellerin zufolge - die Identität der Anzeige erstattenden Person vor der Gesuchsgegnerin weiterhin geheim gehalten werden. Die Gesuchstellerin hat jedoch den wesentlichen Inhalt der bei ihr eingereichten Anzeige in einem Dokument zusammengefasst und so in das Entsiegelungsverfahren eingebracht (act. 1.8). Dieser Zusammenfassung ist zu entnehmen, dass die Anzeige erstattende Person erstmals im März 2008 mit einer E-Mail an die Gesuchstellerin gelangte, in welcher sie ausführte: Sämtliche Arbeiten im Strassenbau werden an wöchentlichen Sitzungen (Unternehmer), wenn es die Zusammensetzung der Anbieter erlaubt, kartellmässig abgesprochen." In einer weiteren E-Mail vom Mai 2008 hielt sie sodann fest: Grundsätzlich wird versucht, bei jeder Ausschreibung die Preise abzusprechen. Bei Grossprojekten werden auch so genannte Schutz-Entschädigungen in die Offerten eingerechnet, die dann bei Auftragserhalt den kooperierenden Unternehmen ausbezahlt werden." Daraufhin ersuchte die Gesuchstellerin die Anzeige erstattende Person um nähere Angaben, worauf diese in einem Schreiben im Juni 2008 ausführte: Bevor die neuen Sanktionen in Kraft getreten sind, wurden die Absprachesitzungen bei den jeweiligen kantonalen Baumeisterverbänden abgehalten. Für Zürcher Ausschreibungen trafen sich die Unternehmer in X., für aargauische Ausschreibungen in W. Danach wurden und werden auch heute die Besprechungen abwechselnd bei den Unternehmen abgehalten." Gemäss der genannten Zusammenfassung (act. 1.8) habe die Anzeige erstattende Person ausgeführt, dass sämtliche Submissionen, an denen die Unternehmen interessiert seien, den kantonalen Verbänden gemeldet würden. So könnten sich die Unternehmen ein Bild über ihre Mitbewerber machen und diese kontaktieren. Entweder werde bereits telefonisch ein Schutz" vereinbart oder dann würde ein Treffen stattfinden. Die Anzeige erstattende Person erwähne zudem ein konkretes Projekt, bei dem in die Offerte Schutzzahlungen eingerechnet [wurden], welche nach Erhalt des Auftrages an die kooperierenden Submittenten ausbezahlt wurden." Das Schreiben enthalte schliesslich eine Liste mit Unternehmen, welche an den Preisabsprachen beteiligt seien. In dieser Liste wird auch die Gesuchsgegnerin namentlich genannt. Anlässlich einer mündlichen Besprechung zwischen dem/der Anzeigeerstatter/in und Vertretern der Wettbewerbsbehörden habe Erstere(r) insbesondere ausgeführt, dass auch eine Art Gebietsschutz im Sinne eines Gentlemen's Agreement" bestehe, da die Zürcher Unternehmen in der Regel nicht bei Aargauer Ausschreibungen offerieren würden und umgekehrt die Aargauer Unternehmen nicht in Zürich. Schliesslich habe er/sie nochmals erwähnt, dass in gewissen Fällen Ausgleichszahlungen des Unternehmens, welches den Zuschlag erhalte, an die anderen an der Absprache beteiligten Unternehmen erfolgen würden (Schutzzahlungen).

3.3 Die von der Gesuchstellerin gemachten Angaben hinsichtlich der Vorbringen der Anzeige erstattenden Person sind konkret genug, um gegenüber der Gesuchsgegnerin einen hinreichenden Verdacht der Teilnahme an unzulässigen Wettbewerbsabreden im Sinne von Art. 5 Abs. 3 lit. a (unzulässige Preisabreden) bzw. lit. c (unzulässige Abreden über die Aufteilung von Märkten nach Gebieten) KG zu begründen. Die Gesuchsgegnerin bemängelt diesbezüglich, dass keinerlei Beweismittel vorlägen, welche den entsprechenden Verdacht zu stützen vermöchten. Die dem Verdacht zu Grunde liegende Anzeige sei zudem - da sie von einem anonymen Zeugen stamme - als Beweismittel nicht zulässig (act. 5, Rz. 13 ff.).

Zu Beginn eines Strafverfahrens kann eine substantiierte Strafanzeige zur Begründung eines hinreichenden Tatverdachts genügen (vgl. Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2004.10 vom 22. April 2005, E. 3.3.2). Dies ist hier der Fall. So kann nicht gesagt werden, dass das Verfahren bereits seit März 2008 seinen Lauf genommen habe und deshalb höhere Anforderungen an den Konkretisierungsgrad des Tatverdachts zu stellen seien, hat doch zu jenem Zeitpunkt lediglich eine erste Kontaktnahme der Anzeige erstattenden Person mit der Gesuchstellerin stattgefunden. Erst im Verlaufe des Jahres 2009 lagen der Gesuchstellerin von Seiten der die Anzeige erstattenden Person genügend Angaben vor, um am 8. Juni 2009 eine Untersuchung zu eröffnen. Diese befindet sich somit noch im Anfangsstadium. Dass die Anzeige selber der I. Beschwerdekammer nicht vorliegt, schadet ebenfalls nicht. Im Rahmen der Untersuchung kann die Akteneinsicht der Parteien aus verfahrenstaktischen Gründen noch eingeschränkt sein (vgl. hierzu ausführlich den Entscheid des Bundesstrafgerichts BV.2009.30 vom 15. Dezember 2009, E. 2). Akten, welche einer Partei nicht offen gelegt werden sollen, aber worauf sich eine Behörde stützen will, sind dabei in Form einer Zusammenfassung einzureichen, wobei die betroffene Partei uneingeschränkt Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Mit der eingereichten Zusammenfassung der Anzeige (act. 1.8) ist dieser Praxis und somit dem Anspruch auf ein faires Verfahren- zum jetzigen Zeitpunkt - Genüge getan. Sollte die untersuchende Behörde nach Abschluss der Untersuchung der Ansicht sein, dass eine Widerhandlung vorliegt, so wird sie der Gesuchsgegnerin spätestens dann jedoch vollumfängliche Einsicht in die Verfahrensakten zu gewähren haben (Art. 61 Abs. 2 VStrR). Ob eine anonyme Zeugenaussage als Beweismittel zulässig sein wird, wird letztlich die erkennende Strafbehörde bzw. das erkennende Sachgericht zu entscheiden haben (vgl. diesbezüglich bereits den Entscheid des Bundesstrafgerichts BV.2006.58 vom 11. August 2006, E. 4.3). Vorliegend genügt es, dass aufgrund der oben geschilderten Darstellung hinreichende Anhaltspunkte bestehen, welche den Verdacht begründen, dass die Gesuchsgegnerin an unzulässigen Wettbewerbsabreden beteiligt gewesen sein könnte.

3.4 Weiter ist zu prüfen, ob anzunehmen ist, dass sich unter den zu durchsuchenden Papieren Schriften befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sein könnten (Art. 50 Abs. 1 VStrR). Die Untersuchungsbehörden müssen hierbei jedoch noch nicht darlegen, inwiefern ein konkreter Sachzusammenhang zwischen den Ermittlungen und einzelnen versiegelten Dokumenten besteht ( TPF 2004 12 E. 2.1; vgl. zuletzt den Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2009.12 vom 9. November 2009, E. 3.1.2 in fine).

Die Gesuchstellerin durfte nach dem Gesagten davon ausgehen, dass in den Geschäftsräumlichkeiten der Gesuchsgegnerin Unterlagen aufgefunden werden, welche hinsichtlich der angezeigten Wettbewerbsabreden - sei es mit zusätzlich belastender oder auch entlastender Wirkung - von Bedeutung sein können. Die Gesuchsgegnerin benennt diesbezüglich eine Reihe von sichergestellten Unterlagen und führt hierzu aus, weshalb diese ihrer Ansicht nach für die Untersuchung nicht von Bedeutung seien. Sie verkennt dabei, dass im Rahmen einer Strafuntersuchung die hierfür verantwortliche untersuchende Behörde den Entscheid zu fällen hat, was im Zusammenhang mit dem von ihr geführten Verfahren von Belang ist und was nicht. Einer Durchsuchung - und nur die Zulässigkeit einer solchen ist Gegenstand des vorliegenden Entscheides - der sichergestellten Dokumente steht unter diesem Gesichtspunkt nichts entgegen. Erst nach erfolgter Durchsuchung wird die Strafuntersuchungsbehörde mittels anfechtbarer Verfügung zu entscheiden haben, welche Unterlagen sie als beweisrelevant erachtet und zu den Akten nehmen will (vgl. hierzu TPF 2006 307 E. 2.1).

4.

4.1 Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen (Art. 50 Abs. 1 VStrR ). Zudem sind bei der Durchsuchung das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren (Art. 50 Abs. 2 VStrR ). Die Gesuchsgegnerin begründete anlässlich der Hausdurchsuchung ihre Einsprache u. a. damit, dass Teile der versiegelten Akten unter das Anwaltsgeheimnis fallen würden (act. 1.1, S. 4). Im Rahmen ihrer Gesuchsantwort machte sie diesbezüglich konkretere Angaben (act. 5, Rz. 92 ff.). Die Gesuchstellerin hält demgegenüber dafür, die in den Geschäftsräumlichkeiten der Gesuchsgegnerin sichergestellten Unterlagen seien nicht durch das Anwaltsgeheimnis geschützt. Das Anwaltsgeheimnis erstrecke sich nämlich nicht auf Unterlagen, die der Klient in seinem Besitz behalten oder Dritten übergeben habe. Ebenso wenig gelte das Anwaltsgeheimnis für die Korrespondenz des Anwalts mit seinem Auftraggeber, soweit sie sich bei Letzterem befinde (act. 1, Rz. 23 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 1B_101/2008 vom 28. Oktober 2008, E. 4.4.1).

4.2 In ihrem Entscheid BK_B 189/04 vom 28. Februar 2005 hat sich die I. Beschwerdekammer ausführlich zur Thematik des Schutzes der sich beim Beschuldigten befindenden Korrespondenz zwischen diesem und seinem Anwalt geäussert (vgl. dort E. 3.1 - 3.5). Zusammenfassend kam sie zum Schluss, dass sich der Klient als Inhaber der sichergestellten Papiere nicht auf das Anwaltsgeheimnis berufen könne, um sich der Durchsuchung zu widersetzen (E. 3.1; insofern übereinstimmend mit dem von der Gesuchstellerin angeführten Urteil des Bundesgerichts 1B_101/2008 vom 28. Oktober 2008, E. 4.4.1). Vielmehr stehe dem Beschuldigten gestützt auf die Verfahrensgarantien gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c EMRK bzw. Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV das Recht zu, mit seinem Verteidiger frei zu verkehren. Hieraus ergebe sich zu dessen Gunsten auch der Anspruch, wonach die im Rahmen des gegen ihn laufenden Strafverfahrens ergangene Korrespondenz zwischen ihm und seinem Verteidiger nicht durchsucht werden dürfe (E. 3.5). Andere von Anwälten erstellte Dokumente, die sich beim Beschuldigten befinden, unterlägen demgegenüber grundsätzlich der Beschlagnahme bzw. könnten durch die Strafverfolgungsbehörden eingesehen werden (mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 1P.133/2004 vom 13. August 2004, E. 3.3).

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Gesetzgeber im Rahmen der noch nicht in Kraft getretenen StPO einen weitergehenden Schutz des Beschuldigten vorgesehen hat. Gemäss Art. 264 Abs. 1 StPO dürfen nebst Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit ihrer Verteidigung (lit. a) auch andere Aufzeichnungen und Korrespondenzen, die aus dem Verkehr zwischen der beschuldigten Person und Personen stammen, die nach den Art. 170 - 173 StPO das Zeugnis verweigern können (insbesondere auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte) und die im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind (lit. c), nicht beschlagnahmt bzw. von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet (Art. 248 Abs. 1 StPO ) werden, ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen wurden. Die Berücksichtigung dieser neuen Bestimmung im vorliegenden Verfahren käme jedoch unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zum geltenden Recht einer Vorwirkung gleich, welche von der StPO nicht vorgesehen ist (vgl. hierzu bereits E. 1.4). Entgegen den Ausführungen der Gesuchsgegnerin (act. 5, Rz. 97 f. und 100) hat der Gesetzgeber mit Erlass der neuen StPO sehr wohl eine Veränderung der Rechtslage vorgenommen. Zwar unterscheidet Art. 50 Abs. 2 VStrR im Wortlaut tatsächlich nicht nach dem Aufbewahrungsort der Dokumente, der Klient selber kann sich - gemäss der geltenden Rechtsprechung - jedoch nicht auf das in dieser Bestimmung statuierte Anwaltsgeheimnis berufen, um die Durchsuchung der in seinem Herrschaftsbereich sichergestellten Unterlagen zu verhindern.

4.3 Die vorliegend durch die Gesuchsgegnerin bezeichneten - ihrer Ansicht nach unter das Anwaltsgeheimnis fallenden - Unterlagen wurden durch die I. Beschwerdekammer im Rahmen der Entscheidfindung eingesehen. Bei der sichergestellten Korrespondenz zwischen der Gesuchsgegnerin und verschiedenen Anwälten handelt es sich nicht um geschützte Strafverteidigerkorrespondenz im oben erwähnten Sinne, sondern durchwegs um Unterlagen bzw. Korrespondenz aus anderen Mandatszusammenhängen. Deren Durchsuchung durch die Wettbewerbsbehörden steht demnach nichts entgegen.

5. Nach dem Gesagten ist das Gesuch gutzuheissen und es ist die Gesuchstellerin zu ermächtigen, die sichergestellten Unterlagen zu entsiegeln (soweit dies nicht bereits durch die I. Beschwerdekammer erfolgt ist) und zu durchsuchen. Anlässlich der Durchsuchung werden diejenigen Papiere und Datenträger auszuscheiden und der Inhaberin unverzüglich zurückzugeben sein, die mit dem Gegenstand der Strafuntersuchung offensichtlich in keinem Zusammenhang stehen und keinen Bezug zu den in Frage stehenden Straftaten haben. Die Gesuchstellerin wird danach mittels beschwerdefähiger Verfügung zu entscheiden haben, welche Papiere und Datenträger sie beschlagnahmeweise zu den Akten nehmen will (vgl. TPF 2006 307 E. 2.1).

6. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Gesuchsgegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 66 Abs. 1 BGG ). Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 1'500.-- festgesetzt (Art. 3 des Reglements vom 11. Februar 2004 über die Gerichtsgebühren vor dem Bundesstrafgericht; SR 173.711.32).


Demnach erkennt die I. Beschwerdekammer:

1. Das Gesuch wird gutgeheissen.

2. Die Gesuchstellerin wird ermächtigt, die am 9. Juni 2009 sichergestellten und versiegelten Unterlagen und elektronischen Datenträger der Gesuchsgegnerin zu entsiegeln und zu durchsuchen.

3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Gesuchsgegnerin auferlegt.

Bellinzona, 14. Januar 2010

Im Namen der I. Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :

i.V. Emanuel Hochstrasser ,

Bundesstrafrichter

Zustellung an

- Wettbewerbskommission, Sekretariat

- Rechtsanwalt Mani Reinert

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide der I. Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.

Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG).

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