Bundesgerichtsentscheid

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Bundesgerichtsentscheid 126 III 204 vom 28.03.2000

Dossiernummer:126 III 204
Datum:28.03.2000
Schlagwörter (i):SchKG; Betreibung; Provisorische; Pfändung; Recht; Betreibungs; Verfahren; Beschwerde; Entscheid; Vermögens; Beschwerdegegnerin; Provisorischen; Gläubiger; Betreibungsforderung; Rechtsöffnung; Fortsetzung; Liegende; Summarischen; Betriebene; Feststellung; Rechtsvorschlag; Schuldbetreibungs; Betriebenen; Aufsichtsbehörde; Vorliegenden; Bestritten; Klage; Vollstreckung; Fortsetzungsbegehren; Festgestellt

Rechtsnormen:

BGE: 126 III 110, 122 III 36

Artikel: Art. 265 SchKG , Art. 83 SchKG , Art. 265 SchKG , Art. 82 SchKG , Art. 83 SchKG , Art. 88 SchKG , Art. 69 SchKG

Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Urteilskopf
126 III 204

36. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 28. März 2000 i.S. A. (Beschwerde)

Regeste
Rechtsvorschlag wegen mangelnden neuen Vermögens (Art. 265a SchKG); provisorische Pfändung (Art. 83 Abs. 1 SchKG).
Falls die Betreibungsforderung nicht (mehr) bestritten ist, kann der Betreibungsgläubiger - nach Ablauf der Zahlungsfrist - das Fortsetzungsbegehren einreichen und die provisorische Pfändung verlangen, sobald der Richter im summarischen Verfahren (Art. 265a Abs. 1 bis 3 SchKG) festgestellt hat, dass der Betriebene zu neuem Vermögen gekommen sei.

Erwägungen ab Seite 204
BGE 126 III 204 S. 204
Aus den Erwägungen:
2. a) Die Beschwerdeführerin weist auf das in einem gewissen Umfang zu ihren Gunsten lautende Urteil des Gerichtspräsidenten von W. vom 20. September 1999 hin und macht geltend, dieses sei in Rechtskraft erwachsen. Sodann hält sie dafür, dass unter diesen Umständen die Fortsetzung der Betreibung durch provisorische Pfändung zugelassen sein müsse, da mit der von der Beschwerdegegnerin
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gestützt auf Art. 265a Abs. 4 SchKG erhobenen Klage ein neuer, vom summarischen Verfahren unabhängiger Prozess eingeleitet worden sei, der auf dieses keinerlei Wirkung habe.
b) Nach Auffassung der kantonalen Aufsichtsbehörde ist die Zulassung der provisorischen Pfändung in einem Fall der vorliegenden Art nicht angebracht. Die Vorinstanz beruft sich hauptsächlich auf einen Entscheid des Einzelrichters im summarischen Verfahren (Audienz) am Bezirksgericht Zürich vom 16. April 1997 (veröffentlicht in ZR 96/1997 S. 145 ff.). Darin werde mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass eine entsprechende gesetzliche Grundlage fehle und eine provisorische Pfändung vor rechtskräftiger Erledigung des Streites über das fehlende Neuvermögen auch zu erheblichen verfahrensmässigen Komplikationen führen könne, in dem gleichzeitig verschiedene Verfahren nebeneinander hängig sein könnten. Im vorliegenden Fall sei zwar die Betreibungsforderung materiell nicht strittig, so dass ein Nebeneinander von Aberkennungsprozess und Verfahren nach Art. 265a (Abs. 4) SchKG entfalle, doch sei für die Vollstreckung insofern eine besondere Situation gegeben, als nicht real neue Vermögenswerte in Form von festen verwertbaren Guthaben oder Gegenständen gefunden worden seien, sondern nur habe festgestellt werden können, dass die Beschwerdegegnerin innert eines Jahres seit Anhebung der Betreibung ein Einkommen erzielt habe, mit dem im Umfang von Fr. 14'965.- neues Vermögen hätte gebildet werden können. Mithin könne nicht auf vorhandene Vermögenswerte der Beschwerdegegnerin gegriffen werden; das neue Vermögen könne nur durch Pfändung künftigen Einkommens für die Beschwerdeführerin verfügbar gemacht werden. Bei den hier gegebenen Verhältnissen komme der Sicherungsfunktion der provisorischen Pfändung nicht das gleiche Gewicht zu wie sonst und zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die provisorische Pfändung mit einem Leerlauf verbunden wäre.
3. a) Der Gerichtspräsident von W. stellte am 20. September 1999 fest, dass die Beschwerdegegnerin (bis zum 16. Juni 1999, dem Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls) im Umfang von Fr. 14'965.- zu neuem Vermögen gekommen sei. In Anbetracht der Höhe der Betreibungsforderung (Fr. 36'030.20) bewilligte er den Rechtsvorschlag daher nur für den Betrag von Fr. 21'065.20. Dieser Entscheid erging im summarischen Verfahren nach Art. 265a Abs. 1 bis 3 SchKG und ist endgültig (Art. 265a Abs. 1 zweiter Satz SchKG); er konnte von Bundesrechts wegen weder mit einem
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ordentlichen noch mit einem ausserordentlichen Rechtsmittel angefochten werden (BGE 126 III 110 E. 1).
Schon in ihrem Entscheid vom 1. Februar 2000 war sodann die kantonale Aufsichtsbehörde zum Schluss gelangt, die Beschwerdegegnerin habe die Betreibungsforderung nicht bestritten, so dass kein entsprechendes Rechtsöffnungsverfahren durchzuführen sei. Diese Feststellung hat sie im angefochtenen (Revisions-)Entscheid vom 29. Februar 2000 ausdrücklich in das Dispositiv aufgenommen. Dass sie die der Betreibung zu Grunde liegende Forderung bestritten hätte, macht die Beschwerdegegnerin denn auch nicht geltend.
b) Der gegenwärtige Stand des gegen die Beschwerdegegnerin hängigen Betreibungsverfahrens lässt sich nach dem Gesagten mit den Verhältnissen vergleichen, die bei einer gewöhnlichen Betreibung nach Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung im Sinne von Art. 82 Abs. 2 SchKG vorliegen. Während der Betriebene dort die Möglichkeit hat, den endgültigen Zugriff auf sein Vermögen mit einer innert zwanzig Tagen einzureichenden Aberkennungsklage allenfalls zu verhindern (Art. 83 Abs. 2 SchKG), steht ihm in einem Fall der vorliegenden Art für den gleichen Zweck auf Grund von Art. 265a Abs. 4 SchKG die - ebenfalls innerhalb von zwanzig Tagen zu erhebende - Klage auf Bestreitung neuen Vermögens zu Gebote.
Der Gläubiger, dem in (bedingter) Beseitigung des gegen Bestand und Umfang der Betreibungsforderung erhobenen Rechtsvorschlags provisorische Rechtsöffnung erteilt worden ist, kann nach Art. 83 Abs. 1 SchKG gegenüber dem der Pfändung unterliegenden Betriebenen nach Ablauf der Zahlungsfrist die provisorische Pfändung beantragen. Damit soll er seinen einstweilen noch provisorischen Vollstreckungsanspruch sichern können (dazu BGE 122 III 36 E. 2 S. 38). Dieser Schutzanspruch des Gläubigers findet seine Rechtfertigung in der mit dem Rechtsöffnungsentscheid ausgedrückten Wahrscheinlichkeit des Vollstreckungsanspruchs (vgl. AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage, § 19 Rz 88). Eine ähnliche Wahrscheinlichkeit des Anspruchs auf einen Eingriff in das Vermögen des Betriebenen besteht ebenso in einem Fall, da diesem einzig noch die Klage nach Art. 265a Abs. 4 SchKG offen steht, auch wenn es hier um die Zulässigkeit der eingeleiteten Betreibung an sich, und nicht um Bestand sowie Vollstreckbarkeit der in Betreibung gesetzten Forderung geht.
Das Gesetz enthält trotz des auf den 1. Januar 1997 neu eingeführten summarischen Verfahrens (Art. 265a Abs. 1 bis 3 SchKG)
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und des mit der Lage nach dem Rechtsöffnungsentscheid vergleichbaren Schwebezustandes, der sich nach einem Entscheid des betreffenden Richters ergeben kann, keine Art. 83 Abs. 1 SchKG entsprechende Bestimmung. Indessen obliegt es den Betreibungsorganen, mit allen sich aufdrängenden angemessenen Vorkehren den Anspruch des Gläubigers auf Befriedigung aus dem schuldnerischen Vermögen zu sichern (dazu BERTRAND REEB, Les mesures provisoires dans la procédure de poursuite, in: ZSR 116/1997 II S. 431 f.). Nicht zuletzt ist ferner darauf hinzuweisen, dass durch die in Art. 265a SchKG geschaffene Neuordnung des Verfahrens zur Feststellung des Vorhandenseins neuen Vermögens die Stellung des Gläubigers verbessert werden sollte (vgl. die Botschaft des Bundesrats vom 8. Mai 1991 über die Änderung des SchKG, BBl 1991 III 158). Das angestrebte Ergebnis würde jedoch empfindlich geschmälert, wenn dem Gläubiger zugemutet würde, ohne Sicherung seines (provisorischen) Vollstreckungsanspruchs die Beurteilung der Einrede des Betriebenen durch den Richter im ordentlichen (beschleunigten) Verfahren nach Art. 265a Abs. 4 SchKG abzuwarten. Wegen der neu eingeführten Zweistufigkeit bliebe der Gläubiger in der Regel länger schutzlos als unter der früheren Ordnung.
c) Auf Grund der dargelegten Umstände ist dem Gläubiger in einem Fall, da die Betreibungsforderung nicht (mehr) bestritten ist, das Recht zuzugestehen, im Anschluss an den zu seinen Gunsten ausgefallenen Entscheid des Richters im summarischen Verfahren (Art. 265a Abs. 1 bis 3 SchKG) das Fortsetzungsbegehren einzureichen und die provisorische Pfändung zu verlangen (so auch JÜRGEN BRÖNNIMANN, Feststellung des neuen Vermögens, Arrest, Anfechtung, in: Das revidierte Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, Bern 1995, S. 123 f.; derselbe, Neuerungen bei ausgewählten Klagen des SchKG, in: ZSR 115/1996 I S. 230 f.; BEAT FÜRSTENBERGER, Einrede des mangelnden und Feststellung neuen Vermögens nach revidiertem Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, Diss. Basel 1999, S. 96 f.; DOMINIK GASSER, Neues von der Betreibung aufgrund eines Konkursverlustscheins, in: Von Bern nach Lausanne, Festschrift für Pierre Widmer, Bern 1990, S. 5; UELI HUBER, Kommentar zum SchKG, N. 36 zu Art. 265a; RUDOLF JUNKER, Rechtsvorschlag: kein neues Vermögen (Art. 265a SchKG), in: Solothurner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1998, S. 606; unklar: NICOLAS JEANDIN, Actes de défaut de biens et retour à meilleure fortune selon le nouveau droit, in: SJ 1997 S. 295).
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Entgegen der Auffassung der kantonalen Aufsichtsbehörde geht es nicht an, die Zulassung der provisorischen Pfändung in Fällen der vorliegenden Art von der Natur des vom Summarrichter festgestellten neuen Vermögens abhängig zu machen und die Sicherungsmassnahme dort nicht zu gestatten, wo - wie hier - solches auf Grund des vom Betriebenen erzielten Einkommens festgestellt worden ist: Die vorinstanzliche Betrachtungsweise hätte zur Folge, dass der Betreibungsbeamte den im Verfahren nach Art. 265a Abs. 1 bis 3 SchKG ergangenen Entscheid auszulegen hätte, was nicht seine Aufgabe sein kann. Ob und wie die provisorische Pfändung sich auf Grund des richterlichen Entscheids zu einem Ergebnis führen lässt, ergibt sich beim Vollzug. Ein fruchtloser Pfändungsversuch ist in Kauf zu nehmen.
d) Die Beschwerde ist nach dem Gesagten insofern gutzuheissen, als die Feststellung der kantonalen Aufsichtsbehörde, die Fortsetzung der Betreibung sei bis zur rechtskräftigen Erledigung des gestützt auf Art. 265a Abs. 4 SchKG eingeleiteten Prozesses ausgeschlossen, aufzuheben ist.
4. a) Gemäss Art. 83 Abs. 1 SchKG kann der Betreibungsgläubier die provisorische Pfändung erst nach Ablauf der - angesichts von Art. 88 Abs. 2 SchKG von der Erhebung des Rechtsvorschlags bis zur (provisorischen) Rechtsöffnung unterbrochenen - Zahlungsfrist (von zwanzig Tagen ab Zustellung des Zahlungsbefehls; Art. 69 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG) verlangen. Fortsetzungsbegehren, die mehr als zwei Tage zu früh beim Betreibungsamt eingehen, sind von diesem - ohne weitere Behandlung - mit einem entsprechenden Vermerk an den Einsender zurückzuleiten (Art. 9 Abs. 2 und 3 der Verordnung über die im Betreibungs- und Konkursverfahren zu verwendenden Formulare und Register sowie die Rechnungsführung; SR 281.31).
b) Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, in einem Fall der hier zu beurteilenden Art vom erwähnten Fristerfordernis abzuweichen und die für die Behandlung eines verfrühten Fortsetzungsbegehrens geltenden Grundsätze nicht anzuwenden.

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