Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VW170003 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 13.06.2017 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Kostenerlass |
Schlagwörter: | Gesuch; Gesuchsteller; Entscheid; Kostenerlass; Obergericht; Erlass; Kanton; Obergerichts; Mittellosigkeit; Kantons; Rekurs; Inkasso; Zentrale; Verfahren; Inkassostelle; Forderung; Entscheide; Verwaltungskommission; Erlassgesuch; Gungen; Interesse; Dauernde; Unentgeltliche; Rekurskommission; Schuldner; Verfahrens; |
Rechtsnorm: | Art. 59 StGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Verwaltungskommission
Geschäfts-Nr.: VW170003-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. M. Burger, Oberrichterin Dr.
D. Scherrer und Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu
in Sachen
A. ,
Gesuchsteller
betreffend Kostenerlass
I.
(nachfolgend: Gesuchsteller) schuldet dem Kanton Zürich aus einem am Obergericht des Kantons Zürich durchgeführten Verfahren einen Betrag von insgesamt Fr. 500.- (act. 3). Nachdem er von der Zentralen Inkassostelle der Gerichte (nachfolgend: Zentrale Inkassostelle) eine entsprechende Rechnung erhalten hatte, stellte er bei dieser am 24. November 2016 ein Gesuch um Kostenerlass (act. 4/1). Das Gesuch wurde in der Folge durch den Fachspezialisten für Teilerlassgesuche (act. 4/2) und zu einem späteren Zeitpunkt durch den stellvertretenden Generalsekretär des Obergerichts des Kantons Zürich geprüft und mangels Erfüllung der Voraussetzungen einstweilen abgewiesen (act. 4/5). Der ablehnende Entscheid wurde dem Gesuchsteller mit Schreiben vom 4. Mai 2017 mitgeteilt (act. 4/6). Gleichzeitig wurde er darüber in Kenntnis gesetzt, dass er die Überprüfung seines Gesuchs durch die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich beantragen könne (act. 4/6).
In der Folge teilte der Gesuchsteller der Zentralen Inkassostelle mit, dass er an seinem Erlassgesuch festhalte (act. 2). Mit Schreiben vom 17. Mai 2017 überwies die Zentrale Inkassostelle das Erlassgesuch zuständigkeitshalber an die Verwaltungskommission (act. 1).
II.
1. Gemäss § 18 Abs. 1 lit. q der Verordnung über die Organisation des Obergerichts (LS 212.51) entscheidet die Verwaltungskommission über nachträg- liche Gesuche um Stundung und Erlass von Verfahrenskosten (vgl. auch § 5 der Verordnung des Obergerichts über das Rechnungswesen der Bezirksgerichte und des Obergerichts sowie über das zentrale Inkasso vom 9. April 2003 [LS 211.14]).
Der Erlass einer Kostenforderung setzt dauernde Mittellosigkeit der gesuchstellenden Person voraus. Von Mittellosigkeit ist auszugehen, wenn die betreffende Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um die Prozesskosten selbst zu tragen. Zur Bestimmung der Mittellosigkeit sind die Einkünfte unter Berücksichtigung der Vermögenswerte den notwendigen Lebensaufwandkosten gegenüber zu stellen. Dabei ist vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum auszugehen (BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 7 ff.; vgl. auch Entscheid des Bundesgerichts 6B_500/2016 vom 9. Dezember 2016, E. 3). Die finanziellen Verhältnisse sind von der gesuchstellenden Person hinreichend darzulegen.
Da ein Erlass der Kostenforderung zum endgültigen Untergang der Forderung führt und diese auch dann nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn der Schuldner in der Folgezeit in günstige finanzielle Verhältnisse gelangt, ist ein solcher gemäss ständiger Praxis des Obergerichts des Kantons Zürich nur in ausgesprochenen Ausnahmefällen bei ausgewiesener dauernder Mittellosigkeit zulässig. Massgeblich sind dabei nicht nur die aktuellen Einkünfte und Vermögenswerte, sondern auch jene, welche erst innerhalb der nächsten Jahre verfügbar werden oder kapitalisiert werden können (vgl. Jenny in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, SutterSomm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 112
N 5; BSK ZPO-Rüegg, Art. 112 N 1; ZR 83 [1984] Nr. 75).
Selbst die dauernde Mittellosigkeit begründet indes keinen Anspruch auf den Erlass der Gerichtskosten. Als Ermessensentscheid ist der Erlass von einer Interessenabwägung abhängig. Abzuwägen sind die schutzwürdigen Interessen des Pflichtigen, die durch ein Weiterbestehen der Forderung betroffen werden, gegenüber den öffentlichen Interessen an einer gleichmässigen und konsequenten Durchsetzung staatlicher Ansprüche. Für einen Kostenerlass spricht, dass die Mittellosigkeit aufgrund längerer Arbeitslosigkeit bzw. Aussteuerung, drückender Familienlasten, Unterhaltspflichten oder hoher Krankheitsbzw. Pflegekosten, welche nicht von Dritten getragen werden, eingetreten ist. Bestehen hingegen Anhaltspunkte, dass die Bedürftigkeit im
Hinblick auf den Prozess oder durch andere eigenverantwortliche Handlungen des Schuldners herbeigeführt wurde oder aufrechterhalten wird, kann trotz Mittellosigkeit kein Kostenerlass gewährt werden (vgl. Entscheid des Bundesgerichts 6B_522/2017 vom 22. Mai 2017, E. 4; Entscheide der Rekurskommission OGer ZH KD120010-O vom 21. Dezember 2012 E. 3.3 und KD150005-O vom 30. April 2015 E. 3.1.3; Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 21. August 2007, VZ.2007.31, E. III.2.b).
3. Das Gesuch um Erlass der Gerichtskosten begründet der Gesuchsteller zusammengefasst damit, er sei nicht in der Lage, den geschuldeten Betrag von Fr. 500.- zu entrichten. Seit über elf Jahren befinde er sich im Freiheitsentzug gemäss Art. 59 StGB. Er verfüge weder über ein Einkommen noch über Vermögen. Es treffe nicht zu, dass er mit seinem Erlassgesuch den massgeblichen Entscheid des Obergerichts zu korrigieren bzw. aufzuheben versuche. Vielmehr mache er geltend, dass die Forderung uneinbringlich sei. Zudem weise er darauf hin, dass das Obergericht des Kantons Bern seinem Erlassgesuch im April 2017 stattgegeben habe (act. 2, act. 4/1, act. 4/4).
Den eigenen Ausführungen zufolge befindet sich der Gesuchsteller seit zahlreichen Jahren in einer stationären Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB. Belege, aus welchen sich seine aktuelle Mittellosigkeit ergibt, reichte er nicht ins Recht. Diese ist damit nicht nachgewiesen. Zwar müsste dem Gesuchsteller grundsätzlich eine Frist zur Nachreichung der entsprechenden Unterlagen angesetzt werden. Ein solches Vorgehen erweist sich jedoch nicht als notwendig, da seinem Ersuchen um Kostenerlass bereits aus anderem Grund nicht entsprochen werden kann.
Eigentlicher Zweck des Instituts des Kostenerlasses ist es, Schuldnern bei bestehender dauernder Mittellosigkeit eine Gesamtschuldensanierung zu ermöglichen und damit einhergehend ihre Resozialisierung zu erleichtern bzw. ihr wirtschaftliches Fortkommen zu fördern. Nicht bezweckt werden soll mit einem Kostenerlass hingegen, dass neuere Entscheide hinsichtlich ihrer Kostenregelung durch einen Kostenerlass faktisch aufgehoben werden.
Hierfür - zur Aufhebung oder Abänderung rechtskräftiger Entscheide - haben die Gesuchstellenden vielmehr auf die von den einschlägigen prozessualen Gesetzen vorgesehenen Rechtsmittel zurückzugreifen, zu denen ein Gesuch um Kostenerlass nicht zu zählen ist. Die Forderung, deren Erlass der Gesuchsteller beantragt, beruht auf einem Entscheid der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 30. August 2016 (act. 3). Er ist damit weniger als ein Jahr alt. Die Gutheissung des Kostenerlassgesuchs wäre für das wirtschaftliche Weiterkommen des Gesuchstellers zwar unbestrittenermassen von Vorteil und würde dessen Resozialisierung fördern. Indirekt würde sie aber die gesetzlichen Bestimmungen zur Kostentragungspflicht umgehen und diese faktisch aufheben, zumal sie einen erst kürzlich gefällten Kostenentscheid ausser Kraft setzen würde. Dies wiederum wäre mit dem öffentlichen Interesse an einer gleichmässigen und konsequenten Durchsetzung staatlicher Ansprüche, welche aus neueren Entscheiden resultieren, nicht zu vereinbaren. Ein Kostenerlass kommt daher im jetzigen Zeitpunkt bereits aus diesem Grunde nicht in Frage.
Aus dem Entscheid der III. Strafkammer vom 30. August 2016 (act. 8) ergibt sich sodann, dass der Gesuchsteller im Strafverfahren kein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt hatte. Eine nachträgliche Kompensation eines nicht gestellten Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege durch das nachträgliche Stellen eines Erlassgesuchs ist jedoch nicht möglich. Um nachträglichen Kostenerlass kann nur in Fällen ersucht werden, in denen die geltend gemachte Bedürftigkeit erst nach der Entscheidfällung eingetreten ist. Hinweise, dass dies der Fall ist, werden weder vom Gesuchsteller vorgebracht, noch ergeben sich solche aus den Akten.
Soweit der Gesuchsteller sodann darauf hinweist, der Kanton Bern habe ein entsprechendes Gesuch mit der Begründung gutgeheissen, dass die Forderung uneinbringlich sei (act. 2 S. 2), so vermag dies an den obigen Erwä- gungen nichts zu ändern, zumal die diesem Entscheid zugrunde liegenden Umstände nicht bekannt sind. So ist namentlich unklar, ob es sich um eine Forderung neueren Datums gehandelt hatte und ob der Gesuchsteller im
das Kostenerlassgesuch betreffenden Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt hatte oder nicht. Damit ist das Gesuch um Kostenerlass unter Hinweis auf das eben Ausgeführte abzuweisen. Für die Vereinbarung von Ratenzahlungen und/oder Stundungen hat sich der Gesuchsteller praxisgemäss an die Zentrale Inkassostelle zu wenden.
III.
Ausgangsgemäss sind die Kosten des Verfahrens dem Gesuchsteller aufzuerlegen.
Prozessentschädigungen sind keine zu entrichten.
2. Hinzuweisen ist sodann auf das Rechtsmittel des Rekurses an die Rekurskommission.
Das Gesuch um Kostenerlass wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 200.- festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Gesuchsteller auferlegt.
Es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
den Gesuchsteller sowie
an die Zentrale Inkassostelle der Gerichte.
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der Zustellung an gerechnet, bei der Rekurskommission des Obergerichts, Hirschengraben 13/15, Postfach, 8021 Zürich, schriftlich Rekurs eingereicht werden.
Die Rekursschrift muss einen Antrag und dessen Begründung enthalten. Der angefochtene Entscheid ist beizulegen. Die angerufenen Beweismittel sind genau zu bezeichnen und soweit möglich beizulegen. Materielle und formelle Entscheide der Rekursinstanz sind kostenpflichtig; die Kosten hat die im Verfahren unterliegende Partei zu tragen.
Zürich, 13. Juni 2017
Obergericht des Kantons Zürich Verwaltungskommission
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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