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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:VB120012
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VB120012 vom 27.10.2012 (ZH)
Datum:27.10.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Aufsichtsbeschwerde gegen aufsichtsrechtlichen Beschwerdeentscheid
Schlagwörter: Beschwerde; Beschwerdeführer; Aufsicht; Kostenerlass; Aufsichts; Mittellosigkeit; Verwaltungskommission; Entscheid; Vorinstanz; Bezirksgericht; Verfahren; Obergericht; Schweiz; Recht; Friedensrichteramt; Zivilprozessordnung; Dauernde; Verfahrens; Erlass; Obergerichts; Aufsichtsbehörde; Rechtlich; Aufsichtsbeschwerde; Bezirksgerichts; Zeitpunkt; Diesbezüglich; Werden
Rechtsnorm: Art. 108 ZPO ; Art. 29 BV ; Art. 405 ZPO ; Art. 41 BV ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr.: VB120012-O/U

Mitwirkend: Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef, Vizepräsident lic. iur. M. Burger, Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Oberrichter lic. iur. P. Helm und Oberrichter lic. iur. M. Langmeier sowie die Gerichtsschreiberin

lic. iur. A. Leu

Beschluss vom 27. Oktober 2012

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer

betreffend Aufsichtsbeschwerde gegen aufsichtsrechtlichen Beschwerdeentscheid des Bezirksgerichts Zürich, 4. Abteilung vom

11. September 2012 (CB120086-L)

Erwägungen:

I.

  1. Mit Eingabe vom 23. Juni 2012 erhob A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) beim Bezirksgericht Zürich Beschwerde gegen das Friedensrichteramt B. , welches am 1. April 2009 im Verfahren GV.2009.00024 die Weisung ausgestellt und dem Beschwerdeführer als Kläger die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 420.- auferlegt hatte (act. 4/1 und act. 7/16). Zur Begründung brachte er vor, das Friedensrichteramt habe es unterlassen, auf seine Ersuchen um Kostenerlass zu antworten. Zudem habe es die Verfahrenskosten zu hoch festgesetzt (act. 4/1).

  2. Mit Beschluss vom 11. September 2012 wies das Bezirksgericht die Beschwerde und das Gesuch um Kostenerlass ab (act. 2). Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 28. September 2012 innert Frist Beschwerde bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich und ersuchte um Kostenerlass (act. 1).

  3. Gemäss § 83 Abs. 2 GOG kann auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

II.

  1. Seit dem 1. Januar 2011 gilt in der Schweiz die neue Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), welche die bis anhin gültigen kantonalen Zivilprozessordnungen ablöst. Nach Art. 405 Abs. 1 ZPO gilt für Rechtsmittel das Recht, das bei der Eröffnung des anzufechtenden Entscheides in Kraft ist. Dies gilt auch für eine Aufsichtsbeschwerde an die obere Aufsichtsbehörde (vgl. § 84 GOG). Der Entscheid des Bezirksgerichts Zürich datiert vom

    11. September 2012, weshalb vorliegend die Schweizerische Zivilprozessordnung sowie das kantonale Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) massgebend sind.

  2. Die Beschwerde an die Verwaltungskommission richtet sich gegen einen Zirkulationsbeschluss des Bezirksgerichts Zürich vom 11. September 2012, worin dieses die Anfechtung der Kostenhöhe sowie den Antrag auf Kostenerlass ablehnte (act. 2 S. 4). Gemäss § 80 lit. b i.V.m. § 84 GOG i.V.m. § 18 lit. k der Verordnung über die Organisation des Obergerichts (LS 212.51) übt die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich die Aufsicht über die dem Obergericht unterstellten Gerichte und nach § 80 Abs. 2 GOG die mittelbare Aufsicht über die den Bezirksgerichten unterstellten Behörden aus (vgl. auch Hauser/Schweri/Lieber, GOG-Kommentar, Zü- rich/Basel/Genf 2012, § 80 N 1 und § 84 N 1). Die Verwaltungskommission ist daher zur Behandlung der Beschwerde zuständig.

III.

1. Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es, durch Gebrauch ihrer Aufsichtsund Disziplinargewalt auf entsprechende Anzeige hin ein ordnungsund rechtswidriges Verhalten einer Justizperson zu ahnden (sog. administrative Beschwerde) oder eine tatsächlich oder vermeintlich unrechtmässige oder unzweckmässige Anordnung aufzuheben bzw. abzuändern (sog. sachliche Beschwerde). Die Aufsichtsbehörde prüft dabei nicht die materielle Richtigkeit des angefochtenen Entscheides, sondern einzig die Frage, ob sich die Auffassung der Vorinstanz als offensichtlich haltlos erweise (Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 82 N 30).

    1. Wie dargelegt, lehnte es das Bezirksgericht Zürich ab, dem Beschwerdefüh- rer die Kosten des Schlichtungsverfahrens zu erlassen. Der Beschwerdefüh- rer bringt diesbezüglich vor, die von der Vorinstanz als relevant erachtete zürcherische Lösung zum Kostenerlass sei nicht massgebend, vielmehr gewähre ihm die Bundesverfassung ein Recht auf (teilweisen) Kostenerlass, solange er am Existenzminimum lebe (act. 1).

    2. Ein Erlass der Gerichtskosten führt zum endgültigen Untergang der Forderung. Damit kann die Forderung auch dann nicht mehr geltend gemacht

      werden, wenn der Schuldner in der Folgezeit in günstige finanzielle Verhältnisse gelangt. Aufgrund dieser weitreichenden Bedeutung ist gemäss stän- diger kantonaler Praxis ein Erlass der Gerichtskosten nur in ausgesprochenen Ausnahmefällen bei ausgewiesener dauernder Mittellosigkeit zulässig (ZR 83 [1984] Nr. 75). Von Mittellosigkeit ist auszugehen, wenn die betreffende Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um die Prozesskosten selbst zu tragen. Zur Bestimmung der Mittellosigkeit sind die Einkünfte unter Berücksichtigung der Vermögenswerte den notwendigen Lebensaufwandkosten wie dem Grundbetrag, rechtlich geschuldeten Unterhaltsbeiträ- gen, Wohnkosten, obligatorischen Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie tatsächlich geleisteten Verpflichtungen gegen- über Dritten gegenüber zu stellen. Dabei ist vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum auszugehen (BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 7 ff.; Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 117 N 9). Die gesuchstellende Person hat ihre Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen (sog. umfassende Mitwirkungspflicht). Bei der Prü- fung der dauernden Mittellosigkeit sind auch Einkünfte und Vermögenswerte zu berücksichtigen, die erst innerhalb der nächsten Jahre verfügbar werden bzw. kapitalisiert werden können. Wenn die Mittellosigkeit durch eigene Anstrengungen voraussichtlich beseitigt werden kann, kommt kein Erlass in Betracht (vgl. Jenny, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Komm., Art. 112 N 5; BSK ZPO-Rüegg, Art. 112 N 1). Damit genügt allein die Tatsache, dass ein Schuldner zurzeit mittellos ist oder nur ein minimales Einkommen erzielt, zur Gutheissung eines Erlassgesuches nicht. Vielmehr setzt der Erlass eine finanzielle Situation voraus, in welcher sich die Massnahme aus Billigkeitsgründen aufdrängt.

    3. Diese Praxis entspricht dem Bundesrecht. Art. 112 der Zivilprozessordnung zufolge sind Gerichtskosten nur bei dauernder Mittellosigkeit zu erlassen und andernfalls, d.h. bei vorübergehenden finanziellen Schwierigkeiten, zu stunden oder in Raten abzuzahlen (BSK ZPO-Rüegg, Art. 112 N 1).

    4. Die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sind nicht aktenkundig. Aus seinem Hinweis, im Zeitpunkt der Durchführung des Schlichtungsverfahrens Sozialhilfeleistungen bezogen zu haben (act. 1, act. 4/1), kann jedoch geschlossen werden, dass er zurzeit keiner Sozialhilfeunterstützung mehr bedarf und seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten vermag. Den Ausführungen des Friedensrichteramtes zufolge ist sodann bekannt, dass im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 2. Mai 2012 auf den Namen des Beschwerdeführers weder Betreibungen noch Verlustscheine registriert waren (act. 4/5, act. 7/26). Weitergehende Hinweise betreffend seine Einkommensund Vermögensverhältnisse fehlen jedoch und werden vom Beschwerdeführer auch im hiesigen Verfahren nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, damals, im Zeitpunkt des Gesuchs um Kostenerlass, habe er vom Sozialamt gelebt (act. 1 und act. 4/1). Dabei verkennt er aber, dass für die Gewährung eines Kostenerlasses nicht nur die Umstände im Zeitpunkt der Fällung des Entscheides, sondern auch das zukünftige wirtschaftliche Entwicklungspotential massgebend sind, und dass allein aus dem vorübergehenden Bezug von Sozialhilfeleistungen kein Anspruch auf Kostenerlass abgeleitet werden kann. Unklar ist sodann, ob die aktuellen Einkünfte des Beschwerdeführers über dem Existenzminimum liegen. Gegenteiliges macht er jedenfalls nicht geltend. Damit fehlt es an Anhaltspunkten, der Beschwerdeführer sei dauerhaft mittellos, weshalb sich der Entscheid der Vorinstanz insoweit als zutreffend erweist und sich ein aufsichtsrechtliches Eingreifen nicht aufdrängt.

    5. Soweit der Beschwerdeführer sodann rügt, ein Anspruch auf Sozialleistungen ergebe sich bereits aus der Bundesverfassung, so kann dem nicht gefolgt werden. Art. 29 BV beinhaltet das soziale Grundrecht der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine Minimalgarantie im Sinne eines Verzichts auf Erhebung eines Kostenvorschusses bzw. auf Erhebung der Verfahrenskosten, dies allerdings nur vorläufig. Ein Anspruch auf einen definitiven Kostenerlass kann aus Art. 29 BV nicht abgeleitet werden (Biaggini, BV Kommentar, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2007, Art. 29 N 27 und 30).

      Art. 41 BV regelt sodann die Sozialziele und enthält in Abs. 2 die Bestimmung, dass sich Bund und Kantone dafür einsetzen, dass jede Person gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung und Verwitwung gesichert ist. In Art. 41 Abs. 4 BV wird jedoch explizit festgehalten, dass aus den Sozialzielen keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden können.

    6. Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz habe es unterlassen, einen Teilerlass zu prüfen. Auch dieser setzt eine dauernde Mittellosigkeit voraus, welche, wie dargelegt, nicht gegeben ist. Hingegen ist eine Stundung der Kosten bzw. eine Ratenzahlung in Betracht zu ziehen. Für die Vereinbarung einer solchen hat sich der Beschwerdeführer jedoch direkt an die Zentrale Inkassostelle zu wenden.

  1. Der Entscheid der Vorinstanz zur Kostenhöhe hat der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 28. September 2012 nicht beanstandet, weshalb diesbezüglich keine Weiterungen notwendig sind. Ebenso wenig hat er die Erwägungen der Vorinstanz in Ziffer 2.1-2.2. des Beschlusses zum Zustellungsversuch des Friedensrichteramtes gerügt, weshalb auch diesbezüglich von Weiterungen abzusehen ist.

  2. Abschliessend ist festzuhalten, dass es am Erfordernis der dauernden Mittellosigkeit fehlt, weshalb die dem Friedensrichteramt B. , geschuldeten Kosten dem Beschwerdeführer weder ganz noch teilweise zu erlassen sind. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen.

IV.

  1. Ausgangsgemäss sind die Kosten des vorliegenden Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (§ 83 Abs. 3 GOG i.V.m. Art. 108 ZPO, § 20 GebV OG; BSK ZPO-Bornatico, Art. 132 N 39).

  2. Die Verwaltungskommission entscheidet als zweite Aufsichtsbehörde letztinstanzlich über Aufsichtsbeschwerden. Ein kantonales Rechtsmittel dagegen besteht in aller Regel nicht (Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 84 N 1 und 3). Vorbehalten bleibt das Rechtsmittel der Beschwerde ans Bundesgericht.

Es wird beschlossen:

  1. Die Aufsichtsbeschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr für das vorliegende Beschwerdeverfahren wird auf Fr. 200.- festgesetzt.

  3. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

  4. Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:

    • den Beschwerdeführer,

    • an die Vorinstanz, unter Rücksendung der beigezogenen Akten,

    • an das Friedensrichteramt, unter Rücksendung der beigezogenen Akten.

  5. Eine allfällige Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.

Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (ordentliche Beschwerde) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) i.V.m. Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Zürich, 27. Oktober 2012

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Verwaltungskommission Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Leu

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