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Urteil Verwaltungsgericht (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:VB.2022.00351
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:1. Abteilung/1. Kammer
Verwaltungsgericht Entscheid VB.2022.00351 vom 15.12.2022 (ZH)
Datum:15.12.2022
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Verzicht auf Unterschutzstellung: Anspruch auf Revision oder Anpassung aufgrund eines neuen Bundesgerichtsentscheids.
Schlagwörter: Stadt; Beschwerde; Revision; Anpassung; Stadtrat; Entscheid; Anspruch; Recht; B-Strasse; Bundesgericht; Dezember; Praxisänderung; Revisions; Beschwerdeführer; Bertschi; Beschluss; Bertschi; Vorbemerkungen; August; Teilrevision; Urteil; Heimatschutz; Augenschein; Verfügung; Juni; Kantons; Beantragt; Bundesinventar; Nicht; Genüge
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:135 II 209; 135 V 215;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid

Verwaltungsgericht

des Kantons Zürich

1. Abteilung

VB.2022.00351

Urteil

der 1. Kammer

vom 15.Dezember2022

Mitwirkend: Abteilungspräsident Peter Sprenger (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Maja Schüpbach Schmid, Verwaltungsrichter Daniel Schweikert, Gerichtsschreiberin Selina Sigerist.

In Sachen

gegen

betreffend Unterschutzstellung, Revisionsbegehren,

hat sich ergeben:

I.

Der Stadtrat der Stadt Zürich beschloss am 19.Dezember 2018, die Wohnhäuser an der B-Strasse 01 und 02, den Werkhof an der B-Strasse 03, 04 sowie den Schulpavillon an der B-Strasse 05 nicht unter Denkmalschutz zu stellen. Am 14.August 2021 stellte der Stadtzürcher Heimatschutz beim Stadtrat ein "Revisionsbegehren" und beantragte "die Wiederaufnahme ins Inventar" der Gebäude an der B-Strasse 01, 02, 03, 04 und 05.

Der Stadtrat trat auf das Begehren mit Beschluss vom 29.September 2021 nicht ein.

Dagegen rekurrierte der Zürcher Heimatschutz ZVH am 8.November 2021 an das Baurekursgericht des Kantons Zürich (7/2), welches den Rekurs mit Entscheid vom 6.Mai 2022 abwies.

Gegen den Entscheid des Baurekursgerichts erhob der der B-Strasse 01, 02, 03, 04 und 05 unter Schutz zu stellen. In prozessualer Hinsicht beantragte der .

Die Kammer erwägt:

1.

Das Verwaltungsgericht ist für die Behandlung der vorliegenden Beschwerde nach §41 Abs.1 in Verbindung mit §19 Abs.1 lit.a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 (VRG) zuständig. Als Adressat des angefochtenen Entscheids ist der Beschwerdeführer ohne Weiteres zur Beschwerde legitimiert (§49 in Verbindung mit §21 Abs.1 VRG; vgl. auch VGr, 29.November 2022, VB.2020.00800 und VB.2020.00803, E.1.2).

2.

Der Beschwerdeführer beantragt in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Durchführung eines Augenscheins sowie den Beizug der Akten betreffend die Stadtratsbeschlüsse vom 19.Dezember 2018 sowie vom 29.September 2021.

Der Entscheid darüber, ob ein Augenschein angeordnet wird, steht im Ermessen der anordnenden Behörde. Es besteht nur dann eine Pflicht zur Durchführung eines Augenscheins, wenn die tatsächlichen Verhältnisse auf andere Weise nicht abgeklärt werden können (BGr, 23.Dezember 2019, 1C_582/2018, E.2.4; VGr, 25.Oktober 2018, VB.2018.00262, E.3.4).

Die vorzunehmende Beurteilung der Frage, ob Revisions- oder Anpassungsgründe gegeben sind, ist gestützt auf die Akten möglich. Von einer vertieften Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse mittels Durchführung eines Augenscheins sind diesbezüglich keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten. Auch der beantragte Beizug weiterer Akten erweist sich als nicht erforderlich.

3.

3.1 Der Stadtzürcher Heimatschutz ersuchte den Beschwerdegegner darum, auf seinen Beschluss vom 19.Dezember 2018 zurückzukommen und eine andere Anordnung zu treffen.

3.2 Ein Wiedererwägungsgesuch ist ein formloser Rechtsbehelf, durch den die Betroffenen die verfügende Verwaltungsbehörde ersuchen, auf ihre Verfügung zurückzukommen und sie abzuändern oder aufzuheben (Martin Bertschi in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3.A., Zürichetc. 2014 [Kommentar VRG], Vorbemerkungen zu §§86a86d N.19; Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8.A., Zürich etc. 2020, N.1272). Ein Anspruch auf materielle Prüfung des Gesuchs besteht nur, sofern sich aus dem kantonalen Recht oder Art.29 Abs.1 und 2 der Bundesverfassung vom 18.April 1999 (BV, SR101) ein Anspruch auf Revision oder Anpassung ergibt (VGr, 25.August 2022, VB.2022.00157, E.2.1 und 27.Mai 2021, VB.2021.00138, E.2.2; wobei das Gesuch diesfalls gemäss Bertschi, Vorbemerkungen zu §§86a86d N.21, nicht als Wiedererwägungsgesuch zu bezeichnen ist; vgl. auch Häfelin/Müller/Uhlmann, N.1273).

Die gesuchstellende Person hat Anspruch auf Revision, wenn sie erhebliche Tatsachen oder Beweismittel geltend macht, die ihr im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für sie rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder die mangels Veranlassung nicht geltend gemacht werden mussten (§§86a86d VRG; BGE138 I 61 E.4.3, 136 II 177 E.2.1, 127 I 133 E.6, je mit Hinweisen; Bertschi, Vorbemerkungen zu §§86a86d N.14f.). Aus Art.29 Abs.1 und 2 BV kann sich zudem ein Anspruch auf Anpassung einer rechtskräftigen Dauerverfügung oder einer anderen in die Zukunft wirkenden Verfügung ergeben. Dafür ist vorausgesetzt, dass sich die massgebenden Sachumstände oder Rechtsgrundlagen seit dem Entscheid wesentlich geändert haben. Diese Voraussetzungen sind auch bei negativen, in die Zukunft wirkenden Verfügungen zu prüfen (sog. Quasi-Anpassung; VGr, 27.Mai 2021, VB.2021.00138, E.2.2; Bertschi, Vorbemerkungen zu §§86a86d N.17f. und N.20).

3.3 Mängel in der Rechtsanwendung, die sich nicht auf die Ermittlung des Sachverhalts beziehen, sind keine Revisionsgründe. Auch Praxisänderungen sind keine Revisionsgründe. Die Revision ist nicht dazu da, eine andere Rechtsauffassung durchzusetzen oder eine neue rechtliche Würdigung bereits bekannter Tatsachen herbeizuführen (Bertschi, §86a N.16).

Praxisänderungen können unter gewissen Umständen einen Anspruch auf Anpassung einer Verfügung begründen. Dies jedoch nur, wenn der Praxisänderung eine so grundlegende Bedeutung zukommt, dass es der Rechtsgleichheit widersprechen würde, sie nicht in allen Fällen anzuwenden (Bertschi, Vorbemerkungen zu §§86a86d N.17; Pierre Tschannen/Markus Müller/Markus Kern, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5.A., Bern 2022, N.864; Regina Kiener/Bernhard Rütsche/Mathias Kuhn, Öffentliches Verfahrensrecht, 3.A., Zürich/St.Gallen 2021, N.2019; Martin Tanner, Wiedererwägung, Zürich 2021, N.253; BGE 135 V 215 E.5.1.1, 121 V 157 E.4a).

4.

4.1 Die Stadt Zürich wurde am 24.August 2016 als Stadt in das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz aufgenommen (AS 2016 3177). Die Gebäude an der B-Strasse 01, 02, 03, 04 und 05 liegen im Geviert zwischen C-, D-, E- und B-Strasse. Gemäss dem Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) befinden sie sich in der Baugruppe 06 in F. Am 30.November 2016 beschloss der Gemeinderat der Stadt Zürich, die Bau- und Zonenordnung der Stadt Zürich zu revidieren (BZO Teilrevision 2016). Die Baudirektion des Kantons Zürich genehmigte die BZO Teilrevision 2016 am 5.Juli 2017. Am 22.August 2018 beschloss der Stadtrat, die BZO Teilrevision 2016 für sämtliche Grundstücke im Gebiet der Baugruppe06 ISOS F noch nicht in Kraft zu setzen (Stadtratsbeschluss Nr.686/2018). Mit Urteil vom 9.Januar 2020 hob das Verwaltungsgericht auf entsprechende Beschwerde hin die Festsetzung und Genehmigung der BZO Teilrevision insoweit auf, als diese im Geviert zwischen C-, D-, E- und B-Strasse eine Wohnzone W4 festlegte und wies die Sache an den Gemeinderat der Stadt Zürich zurück (VGr, 9.Januar 2020, VB.2018.00540). Eine gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit dem Entscheid vom 28.Juni 2021 ab (BGr, 28.Juli 2021, 1C_100/2020). Das Bundesgericht erwog insbesondere, eine hinreichende Berücksichtigung des ISOS bedeute, dass die ISOS-Einträge ernsthaft in die Überlegungen einzubeziehen seien. Es genüge nicht, wenn sie bloss wiederholt würden (E.3). Der Gemeinderat habe jedoch nicht aufgezeigt, dass die ISOS-Einträge im Rahmen der Teilrevision der BZO in der Interessenabwägung genügend berücksichtigt worden seien (E.4.2.2).

4.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, mit dem Entscheid 1C_100/2020 des Bundesgerichts vom 28.Juni 2021 sei eine Praxisänderung erfolgt. In diesem Entscheid habe sich das Bundesgericht erstmals über das erforderliche Mass, die Tiefe und die Detailliertheit der Berücksichtigung des ISOS ausgesprochen. Die Anforderungen an die ISOS-Beurteilung seien mit der Praxisänderung strenger geworden, weshalb der Beschwerdegegner zu Unrecht nicht auf das Begehren um Anpassung eingetreten sei.

5.

5.1 Ein Anspruch auf Revision des Beschlusses des Stadtrats vom 19.Dezember 2018 besteht von vornherein nicht, da Praxisänderungen keinen Revisionsgrund darstellen (vgl. E.3.3).

5.2 Das Bundesgericht entschied bereits in BGE 135 II 209, dass die Bundesinventare wie das ISOS auch bei der Erfüllung kantonaler und kommunaler Aufgaben zu berücksichtigen sind. Namentlich besteht eine Pflicht zur Beachtung der Bundesinventare bei der (Nutzungs-)Planung sowie bei der Interessenabwägung im Einzelfall (BGE 135 II 209 E.2.1; vgl. etwa auch BGr, 1C_488/2015, 24.August 2016, E.4.3). Im Urteil 1C_276/2015 vom 29.April 2016 hielt das Bundesgericht fest, die Erwähnung der im ISOS aufgezählten Merkmale des Ortsbildes reiche nicht aus, um anzunehmen, die Vereinbarkeit der geplanten Umzonung mit den Schutzzielen sei wirklich geprüft worden (BGer, 29.April 2016, 1C_276/2015, E.3.3.3). Unter Hinweis auf diese Entscheide erwog das Bundesgericht im Urteil 1C_100/2020 vom 28.Juni 2021, die ISOS-Einträge bloss zu wiederholen genüge nicht, sie müssten vielmehr ernsthaft in die Überlegungen miteinbezogen werden (BGr, 28.Juli 2021, 1C_100/2020, E.3). Dabei handelt es sich nicht um eine Praxisänderung, welche einen Anspruch auf Anpassung zu begründen vermag, sondern bloss um eine Konkretisierung der früheren Rechtsprechung.

5.3 Gestützt auf das Bundesgerichtsurteil 1C_100/2020 vom 28.Juni 2021 kommt dem Beschwerdeführer daher kein Anspruch auf Anpassung des Beschlusses vom 19.Dezember 2018 zu. Andere Gründe, die einen Anspruch auf Revision oder Anpassung begründen könnten, sind nicht ersichtlich und werden vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht.

Sofern der Beschwerdeführer der Ansicht ist, der Stadtrat habe in seinem Beschluss vom 19.Dezember 2018 das ISOS nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt, hätte er den Beschluss innert der ordentlichen Rechtsmittelfrist anfechten müssen.

5.4 Der Stadtrat ist folglich zu Recht nicht auf das Gesuch um Revision bzw. Anpassung eingetreten. Ob der Stadtzürcher Heimatschutz bei Vorliegen eines Revisions- oder Anpassungsgrundes legitimiert gewesen wäre, eine Revision bzw. eine Anpassung zu beantragen, kann daher offenbleiben.

6.

6.1 Damit ist die Beschwerde abzuweisen.

6.2 Ausgangsgemäss sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (§65a Abs.2 in Verbindung mit §13 Abs.2 VRG). Eine Parteientschädigung steht ihm bei diesem Ergebnis nicht zu (§17 Abs.2 VRG). Ebenso wenig wird dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zugesprochen. Die mögliche Entschädigungsberechtigung von Gemeinwesen stellt einen Ausnahmefall dar (VGr, 9.Januar 2008, VB.2007.00382 und VB.2007.00401, E.4.2 = BEZ2008 Nr.3; Kaspar Plüss, Kommentar VRG, §17 N.51). Da dem Gemeinwesen vorliegend kein übermässiger Aufwand entstanden ist, sind die Voraussetzungen von §17 VRG nicht erfüllt.

Demgemäss erkennt die Kammer:

Fr. 2'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 120.-- Zustellkosten,
Fr. 2'120.-- Total der Kosten.

a) die Parteien;
b) das Baurekursgericht.

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