Zusammenfassung des Urteils VB.2020.00546: Verwaltungsgericht
Ein Paar, A und B, beantragte die Umteilung ihres Sohnes E in einen anderen Kindergarten, was von der Schulpflege abgelehnt wurde. Der Bezirksrat entschied jedoch zugunsten von A und B und ordnete Massnahmen zur Sicherheit des Schulwegs an. Die Gemeinde Bassersdorf legte Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde, da die Vorinstanz keine Verfahrensfehler begangen hatte. Die Beschwerdeführerin handelte widersprüchlich, indem sie zunächst auf die Umteilung verzichtete, dann aber Beschwerde einreichte. Das Gericht entschied, dass der Schulweg für das Kind nicht zumutbar war und wies die Beschwerde ab.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VB.2020.00546 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 4. Abteilung/4. Kammer |
Datum: | 14.12.2020 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Die Beschwerdegegnerschaft, Eltern eines im Sommer 2020 in den Kindergarten eintretenden Kindes, hatten gegen den Entscheid der Beschwerdeführerin (einer Schulgemeinde) betreffend Kindergartenzuteilung rekurriert. Dieser Rekurs wurde von der Vorinstanz gutgeheissen, wobei sie im Dispositiv die Beschwerdeführerin anwies, das Kind in einen näher gelegenen Kindergarten umzuteilen oder aber den Kindergartenweg ganzjährig durch Verkehrslotsen zu sichern und im zweiten Kindergartenjahr über den Mittag einen Transport einzurichten; einer allfälligen Beschwerde hiergegen entzog sie die aufschiebende Wirkung. Wenige Tage nach diesem Beschluss, am 12. August 2020, teilte die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerschaft mit, dass sie die Verkehrslotsen und den Transport organisieren werde. Am 17. August 2020 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den vorinstanzlichen Beschluss. |
Schlagwörter: | Kinder; Kindergarten; Bassersdorf; Beschluss; Vorinstanz; Verkehr; Schulpflege; Verwaltungsgericht; Bezirksrat; Rekurs; I-Strasse; Verkehrslotsen; Transport; Beschwerdegegnerschaft; Bülach; Kindergartenjahr; Gemeinde; Verfahren; Schulweg; Umteilung; Übergänge; Hause; Gehör; Behörde; Jugendinstruktor; Dispositiv; Rekursentscheid; Kammer; Schuljahr |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 4. Abteilung |
VB.2020.00546
Urteil
der 4.Kammer
vom 14.Dezember 2020
Mitwirkend: Abteilungspräsidentin Tamara Nüssle (Vorsitz), Verwaltungsrichter Marco Donatsch, Verwaltungsrichter Reto Häggi Furrer, Gerichtsschreiber David Henseler.
In Sachen
gegen
A,
B,
,
hat sich ergeben:
I.
Mit Schreiben vom 2.Mai 2020 teilten die Schulleitungen der Schulhäuser C und D A und B mit, dass deren 2015 geborener Sohn E für das Schuljahr 2020/2021 dem Kindergarten F zugeteilt worden sei. Mit Beschluss vom 3.Juni 2020 wies die Schulpflege Bassersdorf das Gesuch von A und B um Umteilung von E in den Kindergarten C ab.
II.
A und B rekurrierten dagegen beim Bezirksrat Bülach und beantragten, E sei "entweder in den Kindergarten C aber in den Kindergarten G" umzuteilen. Mit Beschluss vom 5.August 2020 hiess der Bezirksrat Bülach den Rekurs gut und wies die Schulpflege Bassersdorf an, "entweder E in den Kindergarten C umzuteilen, auf eigene Kosten die beiden Übergänge an der H- und I-Strasse ganzjährig durch Verkehrslotsen zu sichern und im zweiten Kindergartenjahr für E für den Weg in der Mittagspause vom Kindergarten F nach Hause und wieder zurück einen Transport einzurichten" (Dispositiv-Ziff.I). Einer allfälligen Beschwerde entzog er die aufschiebende Wirkung (Dispositiv-Ziff.IV Abs.2).
Mit Schreiben vom 12.August 2020 teilte die Schulverwaltung der Gemeinde Bassersdorf A und B mit, dass aufgrund "der Gleichberechtigung den anderen Kindern gegenüber" auf die Umteilung verzichtet werde, und fügte an: "Die beiden Übergänge an der H- und I-Strasse werden ganzjährig durch Verkehrslotsen gesichert und im zweiten Kindergartenjahr wird für E für den Weg in der Mittagspause vom Kindergarten F nach Hause und wieder zurück einen Transport eingerichtet".
III.
Am 17.August 2020 führte die Gemeinde Bassersdorf Beschwerde beim Verwaltungsgericht und beantragte, unter Entschädigungsfolge sei der Beschluss des Bezirksrats Bülach aufzuheben und der Beschluss der Schulpflege Bassersdorf vom 3.Juni 2020 zu bestätigen, eventualiter seien die Beschlüsse des Bezirksrats Bülach und der Schulpflege Bassersdorf aufzuheben und die Sache zur Anordnung von Massnahmen an die Schulpflege Bassersdorf zurückzuweisen.
Der Bezirksrat Bülach verzichtete am 26.August 2020 auf Vernehmlassung. A und B beantragten mit Beschwerdeantwort vom 27.August 2020 im Wesentlichen, das Rechtsmittel sei abzuweisen. Die Gemeinde Bassersdorf nahm am 11.September 2020 Stellung zur Beschwerdeantwort.
Die Kammer erwägt:
1.
1.1 Das Verwaltungsgericht prüft seine Zuständigkeit gemäss §70 in Verbindung mit §5 Abs.1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 (VRG, LS175.2) von Amtes wegen. Rekursentscheide eines Bezirksrats betreffend Anordnungen der Schulpflege können grundsätzlich beim Verwaltungsgericht mit Beschwerde angefochten werden (§75 des Volksschulgesetzes vom 7.Februar 2005 [VSG, LS412.100] und §§41ff. VRG).
1.2 Der angefochtene Beschluss verpflichtet die Beschwerdeführerin wegen eines als unzumutbar qualifizierten Schulwegs entweder zur Umteilung eines Kinds in einen anderen Kindergarten zur Sicherung von zwei Strassenübergängen durch Verkehrslotsen und zur Einrichtung eines Transports auf eigene Kosten, was eine (finanzielle) Leistung in einem ihr zur Regelung zugewiesenen Bereich bedeutet (vgl. §41f. VSG). Die Beschwerdeführerin ist demnach gestützt auf §49 in Verbindung mit §21 Abs.2 lit.b VRG in ihrer Gemeindeautonomie bzw. bei der Erfüllung von gesetzlichen Aufgaben in ihren schutzwürdigen Interessen betroffen und zur Beschwerde legitimiert (VGr, 1.September 2020, VB.2020.00134, E.1 Abs.2; vgl. VGr, 10.Oktober 2007, VB.2007.00218, E.1; BGr, 12.Februar 2016, 2C_414/2015, E.1.1 29.Juli 2014, 2C_274/2014, E.1.2).
1.3 Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe den Untersuchungsgrundsatz gemäss §7 VRG sowie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie sich nicht mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Bericht des Kinder- und Jugendinstruktors auseinandergesetzt und eine "rein schematische Beurteilung" vorgenommen habe.
2.2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.29 Abs.2 April 1999 [ ist formeller Natur. Seine Verletzung führt grundsätzlich ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Darauf ist deshalb vorweg einzugehen.
2.3 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs garantiert den Betroffenen ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht im Verfahren. Sie sollen sich vor Erlass des Entscheids zur Sache äussern, erhebliche Beweise beibringen, an der Erhebung von Beweisen mitwirken sich zumindest zum Beweisergebnis äussern können. Die Behörde ist grundsätzlich verpflichtet, die ihr angebotenen Beweismittel abzunehmen, wenn sie zur Abklärung des Sachverhalts tauglich erscheinen. Sie hat die Vorbringen der Parteien tatsächlich zu hören, zu prüfen und in der Entscheidfindung zu berücksichtigen (BGE142 II 218 E.2.3; 137 II 266 E.3.2).
2.4 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin trifft nicht zu, dass die Vorinstanz den Bericht des Kinder- und Jugendinstruktors der Kantonspolizei Zürich nicht in die Beweiswürdigung miteinbezogen hat. Vielmehr hat sie sich mit dessen Einschätzungen auseinandergesetzt und diese in gewissen Teilen als unzutreffend erachtet. Die Beschwerdeführerin scheint zu verkennen, dass die (Rechts-)Frage der Zumutbarkeit des Schulwegs von der Vorinstanz (bzw. vom Verwaltungsgericht) zu beantworten ist (vgl. 11.November 2015, VB.2015.00551, E.2 Abs.1 Indem die Vorinstanz dabei den Sachverhalt anders beurteilte als der (sachverständige) Kinder- und Jugendinstruktor, beging sie demnach keine Gehörsverletzung, sondern nahm eine Beweiswürdigung vor. Ebenso verhält es sich mit Blick auf die vorinstanzliche Einschätzung, die H- und die I-Strasse seien "stärker befahrene Strassen"; daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kinder- und Jugendinstruktor festhielt, es herrsche auf diesen Strecken moderater Verkehr.
3.
VGr, 1.September 2020, VB.2020.00532, E.1 Abs.2 23.Oktober 2013, VB.2013.00557, E.2; vgl. auch BGr, 19.Juni 2014, 2C_1123/2013, E.2.3.1)klar und eindeutig formuliert sein und eine vollstreckungsfähige Entscheidung über den Streitgegenstand beinhalten (Kaspar Plüss, Kommentar VRG, §10 N.10; Madeleine Camprubi, Durch die von der Vorinstanz gewählte Formulierung des Dispositivs wird die Beschwerdeführerin angewiesen, sich für eine "Alternative" zu entscheiden. Das Dispositiv ist damit nicht eindeutig, namentlich bleibt die Zuteilung von E vorerst ungeklärt, womit eine Vollstreckung verunmöglicht wird. Die Vorinstanz hat Elemente eines Rückweisungsentscheids mit solchen eines Endentscheids vermischt. Ein solches Vorgehen ist unzulässig. Im Rekursverfahren ist entweder ein Endentscheid zu fällen wenn die Angelegenheit nicht entscheidungsreif ist die Sache zurückzuweisen. Indem die Vorinstanz die Angelegenheit zwar entschied, der Beschwerdegegnerschaft aber eine Wahl einräumte, liess sie Letztere im Unklaren darüber, ob sie ganz nur teilweise obsiegt hat, und verunmöglichte ihr eine sachgerechte Anfechtung des Rekursentscheids. Insgesamt . Dies wird im Rahmen der Kostenverlegung zu berücksichtigen sein (vgl. E.6.2).
4.
4.1 Die Schulverwaltung teilte der Beschwerdegegnerschaft mit Schreiben vom 12.August 2020 unter Bezugnahme auf den Rekursentscheid mit, dass E "[a]ufgrund der Gleichberechtigung den anderen Kindern gegenüber" nicht umgeteilt werde. Weiter heisst es: "Die beiden Übergänge an der H- und I-Strasse werden ganzjährig durch Verkehrslotsen gesichert und im zweiten Kindergartenjahr wird für E für den Weg in der Mittagspause vom Kindergarten F nach Hause und wieder zurück einen Transport eingerichtet".
Erst fünf Tage später, am 17.August 2020 (dem ersten Schultag), erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den bezirksrätlichen Beschluss vom 5.August 2020 und beantragte in der Hauptsache, dieser sei aufzuheben und der Beschluss der Schulpflege vom 3.Juni 2020 sei zu bestätigen. Damit vertritt sie nunmehr im Widerspruch zum Schreiben vom 12.August 2020 die Ansicht, dass der Schulweg E ohne Verkehrslotsen an der H- und I-Strasse sowie im zweiten Kindergartenjahr ohne Transport zumutbar sei.
Äusserungen im Verkehr zwischen Behörden und Privaten sind so zu interpretieren, wie die jeweils andere Seite sie nach Treu und Glauben verstehen durfte (vgl. BGE126 II 97 E.4b mit Hinweisen; BGr, 11.Mai 2012, 2C_277/2012, E.5.2). Verwaltungsbehörden dürfen sich gegenüber anderen Behörden Gemeinwesen sowie gegenüber Privaten sodann nicht widersprüchlich verhalten. Ein und dieselbe Behörde darf von einem Standpunkt, den sie gegenüber einem bestimmten Privaten in einem konkreten Verfahren verbindlich eingenommen hat, nicht ohne sachlichen Grund abweichen (Häfelin/Müller/Uhlmann, Rz.712f.; Tschannen/Zimmerli/Müller, §22 Rz.21ff.).
4.3 Der Beschwerdegegnerschaft wurde mit dem Schreiben vom 12.August 2020 mitgeteilt, wie die Beschwerdeführerin den Rekursentscheid umsetzen wird. die beiden Übergänge an der H- und I-Strasse ganzjährig durch Verkehrslotsen sichern lässt und im zweiten Kindergartenjahr für E für den Weg vom Kindergarten F nach Hause und wieder zurück einen Transport einrichtet (18.November 2020,
Hätte die Beschwerdeführerin sich eine gerichtliche Überprüfung vorbehalten wollen, hätte sie dies der Beschwerdegegnerschaft in ihrem Schreiben vom 12.August 2020 offenlegen müssen; denn Letztere hätte zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit gehabt, sich weiterhin für die Umteilung von E in den Kindergarten C einzusetzen und entsprechend selbst Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu erheben. Weshalb die Beschwerdeführerin zunächst dieumsetzt, aber fünf Tage später und namentlich am ersten Tag des Schuljahrs 2020/2021 den Beschluss dennoch anficht, ist nicht nachvollziehbar und insbesondere aus Sicht der Beschwerdegegnerschaft widersprüchlich (18.November 2020, . Aus dem Umstand, dass auf dem "Merkblatt betreffend Lotsendienst-Zeiten im Schuljahr 2020/2021" vermerkt war, dass Änderungen vorbehalten seien, kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Denn diese allgemeine Information, welche sich an alle Eltern von schulpflichtigen Kindern in der Gemeinde Bassersdorf richtet, vermag keinen Vorbehalt bezüglich den direkt der Beschwerdegegnerschaft angekündigten Massnahmen zu begründen.
4.4 18.November 2020,
Zur Zumutbarkeit des Schulwegs ist schliesslich Folgendes anzumerken: Angesichts der konkreten Umstände ging die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass der zu beurteilende Schulweg aufgrund seiner Länge und insbesondere seiner Gefährlichkeit (selbständige Überquerung von zwei stärker befahrenen Strassen mit Höchstgeschwindigkeit 50km/h ohne eine Querungshilfe in Form eines Fussgängerstreifens einer Mittelinsel) für ein Kindergartenkind ohne schulwegsichernde verkehrstechnische organisatorische Massnahmen nicht zumutbar ist.
6.
6.1 Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.
6.2 Gemäss Art.65a Abs.2 in Verbindung mit §13 Abs.2 Satz1 VRG tragen die Verfahrensbeteiligten die Kosten in der Regel entsprechend ihrem Unterliegen. Kosten, die ein Beteiligter durch Verletzung von Verfahrensvorschriften verursacht, sind ihm ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens zu überbinden (§13 Abs.2 Satz2 VRG).
6.3 (§17 Abs.2 VRG).
Demgemäss erkennt die Kammer:
Fr. 2'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 70.-- Zustellkosten,
Fr. 2'070.-- Total der Kosten.
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