Zusammenfassung des Urteils VB.2016.00529: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat in einem Fall entschieden, dass die Nutzungsänderung eines Gebäudes von einer Arztpraxis zu einem Massagesalon mit sexgewerblicher Nutzung rückgängig gemacht und der rechtmässige Zustand wiederhergestellt werden muss. Der Beschwerdeführer, A, hatte zuvor vergeblich versucht, den Bauentscheid anzufechten. Das Gericht entschied, dass A grob nachlässig gehandelt hatte, indem er die Rekursfrist versäumte und kein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtskraft des Bauentscheids nachwies. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und A wurde zur Zahlung von Gerichtskosten in Höhe von CHF 2'110.- verurteilt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VB.2016.00529 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 1. Abteilung/1. Kammer |
Datum: | 20.12.2016 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Nach der Zustellungsfiktion gilt das nicht abgeholte Einschreiben als am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als zugestellt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (§ 71 VRG i.V.m. Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO) (E.3.2). Vorliegend kommt die Zustellungsfiktion zur Anwendung. Der Rekurs des Beschwerdeführers war verspätet, weshalb die Vorinstanz darauf zu Recht nicht eingetreten ist (E. 3.3). Eine versäumte Frist kann wiederhergestellt werden, wenn die säumige Person sich nicht grob nachlässig verhalten hat und innert zehn Tagen nach Wegfall des Grundes, der die Einhaltung der Frist verhindert hat, ein Wiederherstellungsgesuch einreicht (E. 4.2). Da der Beschwerdeführer grob nachlässig gehandelt hat, erweist sich die Abweisung des Fristwiederherstellungsgesuchs durch die Vorinstanz als rechtmässig (E. 4.3 ff.) |
Schlagwörter: | Recht; Bauentscheid; Frist; Verfahren; Rekurs; Zustellung; Baurekursgericht; Wiederherstellung; Gesuch; Rechtskraft; Bauentscheids; Feststellung; Entscheid; Sendung; Bausektion; Geschäfts-Nr; Eventualiter; Abweisung; Beschwerdeführers; Einschreiben; Verwaltungsgericht; Kammer; Erdgeschoss; Nordost; Widerruf; Rekursfrist; Entscheides; öglich |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 134 V 49; 141 II 429; |
Kommentar: | - |
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 1. Abteilung |
VB.2016.00529
Urteil
der 1. Kammer
vom 20.Dezember2016
Mitwirkend: Abteilungspräsident Lukas Widmer (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Maja Schüpbach Schmid, Verwaltungsrichterin Sandra Wintsch, Gerichtsschreiberin Maya Beeler.
In Sachen
gegen
und
als Willensvollstrecker im Nachlass E sel.,
vertreten durch RA F,
,
hat sich ergeben:
I.
Mit Bauentscheid Nr. 04 vom 26.August 2015 bewilligte die Bausektion des Stadtrates der Stadt Zürich A nachträglich eine Nutzungsänderung und einen Umbau (Massagesalon mit sexgewerblicher Nutzung statt Arztpraxis) im Erdgeschoss Seite Nordost der Liegenschaft an der G-Strasse01, Kat.-Nr.WD 02, in H.
Mit Bauentscheid Nr.03 vom 12.Januar 2016 hob die Bausektion den Bauentscheid Nr.04 vom 26.August 2015 wieder auf, verweigerte die Bewilligung für die Nutzungsänderung im Erdgeschoss Seite Nordost und befahl die Herstellung des rechtmässigen Zustands.
II.
Gegen den Widerruf und den Wiederherstellungsbefehl erhob A am 2.März 2016 Rekurs beim Baurekursgericht. Am 4.März 2016 ersuchte er zudem um Wiederherstellung der Rekursfrist. Mit Entscheid vom 8.Juli 2016 wies das Baurekursgericht das Gesuch um Wiederherstellung der Rekursfrist ab und trat auf den Rekurs nicht ein.
III.
Dagegen erhob A am 12.September 2016 Beschwerde beim Verwaltungsgericht und stellte folgende Anträge:
"1. Der Entscheid der Vorinstanz vom 8.Juli 2016 (Geschäfts-Nr. 05 und 06) sei aufzuheben und die Angelegenheit sei zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
2. Eventualiter sei der Bauentscheid 03 vom 12.Januar 2016 (Geschäfts-Nr.07) vollumfänglich aufzuheben.
3. Eventualiter sei festzustellen[,] dass der Bauentscheid 04 vom 26.August 2015 in formelle sowie materielle Rechtskraft erwachsen ist.
4. Eventualiter sei die Ziffer III.1. des Bauentscheids 03 vom 12.Januar 2016 (Geschäfts-Nr. 07) dahingehend zu ändern, dass der Bauherrschaft und den Erben der E als Grundeigentümern sowie allen allfälligen Rechtsnachfolgern im Sinne der Erwägungen befohlen wird, dafür besorgt zu sein, dass bis spätestens 12Monate ab Rechtskraft des Entscheides, aber frühestens nach 9Monaten ab Rechtskraft des Entscheides, die sexgewerbliche Nutzung der Lokalität im Erdgeschoss Seite Nordost durch die MieterInnen sowie allfällige UntermieterInnen sonstige Drittpersonen beendet und die Lokalität verlassen wird.
5. Eventualiter sei ebenso die Ziffer III.2. des Bauentscheids 03 vom 12.Januar 2016 (Geschäfts-Nr.07) dahingehend zu ändern, dass bis spätestens 10Monate ab Rechtskraft des Entscheides dem Amt für Baubewilligungen soweit möglich unter Beilage von Belegen Bericht über die zur Erfüllung des Befehls getroffenen Massnahmen zu erstatten ist.
6. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu Lasten der Beschwerdegegnerin."
Am 23.September 2016 beantragte das Baurekursgericht ohne weitere Bemerkungen die Abweisung der Beschwerde. Am 5.Oktober 2016 beantragte Dr.iur. RA D als Willensvollstrecker im Nachlass E sel. die Abweisung der Beschwerde, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdeführers. Am 12.Oktober 2016 beantragte die Bausektion die Abweisung der Beschwerde.
Die Kammer erwägt:
1.
1.1 Das Verwaltungsgericht ist gemäss §41 Abs.1 in Verbindung mit §19 Abs.1 lit.a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 (VRG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig.
1.2 Soweit der Beschwerdeführer beantragt, eventualiter sei festzustellen, dass der Bauentscheid Nr.04 vom 26.August 2015 in formelle sowie materielle Rechtskraft erwachsen ist, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Ein Feststellungsanspruch besteht nur unter bestimmten Voraussetzungen. Gegenstand kann nur das Bestehen eines bestimmten Rechtsverhältnisses sein, nicht aber von Tatsachen. Nicht zulässig sind Feststellungsbegehren zur Klärung theoretischer abstrakter Rechtsfragen. Der Antragsteller muss ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung nachweisen. Ein solches besteht im Fall von Unklarheiten über Bestand, Nichtbestand Umfang öffentlich-rechtlicher Rechte und Pflichten. Das Interesse muss in dem Sinn aktuell sein, dass der Antragsteller bei Verweigerung Gefahr liefe, Massnahmen zu treffen zu unterlassen mit der Folge, dass ihm Nachteile erwachsen. Ein Feststellungsanspruch besteht regelmässig dann nicht, wenn die antragstellende Person in der betreffenden Angelegenheit eine Gestaltungsverfügung erwirken kann; der Feststellungsanspruch ist subsidiär (VGr, 26.Mai 2016, VB.2016.00111, E.3.3; VGr, 10.Mai 2007, VB.2007.00071, E.3; Bosshart/Bertschi in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3.A., Zürich etc. 2014 [Kommentar VRG], §19 N.23ff.). Ein aktuelles schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der formellen und materiellen Rechtskraft des mittlerweile aufgehobenen Bauentscheids Nr.04 vom 26.August 2015 ist nicht ersichtlich und wurde vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen. Wie nachfolgende Erwägungen zeigen, wäre das Gesuch ohnehin abzuweisen gewesen.
2.
Der Beschwerdeführer hatte der Post einen Rückbehaltungsauftrag bis am 9.Februar 2016 erteilt. Der Bauentscheid Nr.03 wurde am 18.Januar 2016 per Einschreiben (R Inland) versandt und am 19.Januar 2016 mit einer Frist bis am 26.Januar 2016 zur Abholung gemeldet. Das Einschreiben wurde am 1.Februar 2016 zugestellt.
3.
3.1 Das Baurekursgericht trat auf den Rekurs vom 2.März 2016 nicht ein, weil dieser verspätet eingereicht worden sei.
3.2 Nach §22 Abs.1 VRG ist der Rekurs innert 30Tagen bei der Rekursinstanz schriftlich einzureichen. Gemäss §22 Abs.2 VRG beginnt der Fristenlauf am Tag nach der Mitteilung des angefochtenen Aktes. Aufgrund von §71 VRG in Verbindung mit Art.138 Abs.3 lit.a der Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19.Dezember 2008 (ZPO; SR272) gilt das nicht abgeholte Einschreiben als am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als zugestellt das heisst, wenn der Postbote den Adressaten nicht angetroffen und ihm eine Abholungseinladung in den Briefkasten gelegt hat , sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste. Mit einer Sendung zu rechnen ist bei einem bekanntermassen hängigen Verfahren, welches die Beteiligten verpflichtet, für die Zustellbarkeit etwa von Verwaltungsakten selbst dann noch zu sorgen, wenn die es leitende Behörde zuvor während mehrerer Monate nicht mehr gehandelt hat. Eine Partei hat deshalb regelmässig ihre Post zu kontrollieren sowie allfällige längere Abwesenheiten Adressänderungen von sich aus zu melden (VGr, 6.Juli 2016, VB.2016.00281, E.2.2 mit Hinweisen; VGr, 10.Februar 2012, VB.2011.00803, E.2.2.2 mit Hinweisen). Eine Anweisung an die Post, Sendungen für eine bestimmte Zeit zurückzubehalten, vermag den Zeitpunkt der Zustellungsfiktion nicht aufzuschieben; die Sendung gilt in solchen Fällen am siebten Tag nach Eingang bei der Poststelle als zugestellt (VGr, 4.November 2013, VB.2013.00314, E.2.2 mit Hinweisen; BGE 134 V 49 E.4; BGE 141 II 429 E.3.3).
3.3 Der Beschwerdeführer war im Verfahren Nr.03 zur Stellungnahme zum Gesuch des Mitbeteiligten um Widerruf des Bauentscheids Nr.04 vom 26.August 2015 eingeladen worden. Mit Eingabe vom 28.Oktober 2015 nahm er Stellung und beantragte, der Bauentscheid sei nicht zu widerrufen. Der Beschwerdeführer war somit am Verfahren Nr.03 beteiligt. Er wusste, dass das Verfahren hängig war und musste folglich mit einer Zustellung in der Sache rechnen. Nicht entscheidend sind der Inhalt der Sendung die Prozessaussichten. Zudem war das Verfahren bloss einige Monate hängig und die postalische Abholfrist lief bis am 26.Januar 2016. Demnach kommt die Zustellungsfiktion zur Anwendung und das Einschreiben gilt am 26.Januar 2016 als zugestellt. Die 30-tägige Rekursfrist begann somit am 27.Januar 2016 zu laufen (§11 Abs. 1 VRG) und endete am 25.Februar 2016. Der Rekurs des Beschwerdeführers vom 2.März 2016 war folglich verspätet. Das Baurekursgericht ist darauf zu Recht nicht eingetreten.
4.
4.1 Das Baurekursgericht wies sodann das Gesuch des Beschwerdeführers um Fristwiederherstellung ab.
4.2 Nach §12 Abs.2 VRG kann eine versäumte Frist wiederhergestellt werden, wenn dem Säumigen keine grobe Nachlässigkeit zur Last fällt und er innert zehn Tagen nach Wegfall des Grundes, der die Einhaltung der Frist verhindert hat, ein Gesuch um Wiederherstellung einreicht. Wird die Wiederherstellung gewährt, so beträgt die Frist zur Nachholung der versäumten Rechtshandlung zehn Tage. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Verfahrendisziplin ist ein Grund, der die Wiederherstellung einer Frist rechtfertigt, nicht leichthin anzunehmen (vgl. VGr, 4.Juli 2016, VB.2016.00132, E.2.2). Gemäss der Rechtsprechung ist die fehlende grobe Nachlässigkeit nur dann zu bejahen, wenn es dem Säumigen trotz Anwendung der üblichen Sorgfalt objektiv unmöglich subjektiv nicht zumutbar ist, die fristgebundene Rechtshandlung rechtzeitig vorzunehmen (VGr, 2.Juni 2014, VB.2014.00220, E.1.3.1; VGr, 25.März 2009, VB.2008.00486, E.2.2; Kaspar Plüss, Kommentar VRG, §12 N.46). Anhand eines objektivierten Sorgfaltsmassstabs ist das Verschulden der säumigen Partei zu beurteilen, wobei die konkreten Verhältnisse mit Blick auf die Rechts- und Verfahrenskenntnisse des Betroffenen berücksichtigt werden. Das Mass der anzuwendenden Sorgfalt bestimmt sich unter Berücksichtigung der Verhältnisse des konkreten Einzelfalls (VGr, 4.Juli 2016, VB.2016.00132, E.2.2). Zu berücksichtigen sind unter anderem die Wichtigkeit der vorzunehmenden Handlung, die dafür verfügbare Zeit, die Wahrscheinlichkeit eines Gefahreneintritts, die Grösse eines möglichen Schadens sowie die persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen des Einzelnen , wobei an Rechtskundige und namentlich Anwälte höhere Anforderungen zu stellen sind als an Laien (VGr, 13.Juli 2011, VB.2011.00271, E.2.1). Grobe Nachlässigkeit liegt beispielsweise vor, wenn es ein Laie versäumt, sich über die Verfahrensvorschriften zu erkundigen und eine gesetzliche Frist unbenutzt verstreichen lässt (RB 1986 Nr.3).
4.3 Der Beschwerdeführer war am Verfahren Nr.03 betreffend den Widerruf des Bauentscheids Nr.04 beteiligt. Unter diesen Umständen stellt ein blosser Postrückbehaltungsauftrag keine genügende Massnahme dar, damit ihm allfällige Sendungen in der Sache zugestellt werden können (vgl. BGE 141 II 429). Desweiteren hatte der Beschwerdeführer nach der Zustellung des Bauentscheids Nr.03 noch 24Tage Zeit zur Abfassung des Rekurses. Als Verfahrensbeteiligter wäre es seine Pflicht gewesen, sich über die Verfahrensvorschriften und die Fristberechnung rechtzeitig zu informieren (vgl. Plüss, §12 N.45). Obwohl dem Beschwerdeführer noch reichlich Zeit verblieb, hat er seinen Rechtsvertreter erst am 24.Februar 2016 und damit einen Tag vor Ablauf der Frist mandatiert. Damit hat der Beschwerdeführer insgesamt grob nachlässig gehandelt.
4.4 Schliesslich muss sich der Beschwerdeführer auch anrechnen lassen, dass sein Rechtsvertreter nicht innerhalb der Frist Rekurs erhoben hat. Anwälte haben die einschlägigen Fristbestimmungen zu kennen und sind verpflichtet, im Rahmen der Fristberechnung das Zustellungsdatum der fristauslösenden Anordnung abzuklären (Plüss, §12 N.50 und 52; VGr, 25.Februar 1998, VB.97.00496, E.2c).
4.5 Zusammenfassend liegt kein Fristwiederherstellungsgrund vor, weshalb sich die Abweisung des Gesuchs um Fristwiederherstellung als rechtmässig erweist. Damit bleibt der Bauentscheid der Bausektion vom 12.Januar 2016 bestehen. Bei diesem Verfahrensausgang ist auf die Eventualanträge 2, 4 und 5 des Beschwerdeführers nicht weiter einzugehen (zum Eventualantrag 3 siehe E.1.2).
5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (§65a Abs.2 in Verbindung mit §13 Abs.2 Satz1 VRG). Eine Parteientschädigung steht ihm nicht zu (§17 Abs.2 VRG). Hingegen ist eine solche Entschädigung antragsgemäss dem Mitbeteiligten zuzusprechen (§17 Abs.2 VRG). Der Beschwerdeführer ist zu verpflichten, dem Mitbeteiligten eine Parteientschädigung von Fr.500.- zu bezahlen.
Demgemäss erkennt die Kammer:
Fr. 2'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 110.-- Zustellkosten,
Fr. 2'110.-- Total der Kosten.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.