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Urteil Verwaltungsgericht (ZH - VB.2015.00606)

Zusammenfassung des Urteils VB.2015.00606: Verwaltungsgericht

A, ein kroatischer Staatsangehöriger, befindet sich wegen Straftaten im Strafvollzug. Er beantragte Geldüberweisungen von seinem Sperrkonto, die jedoch abgelehnt wurden. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies seinen Rekurs ab und legte ihm die Kosten auf. Der Einzelrichter prüfte die Zuständigkeit des Gerichts und die gesetzlichen Grundlagen für den Strafvollzug. Er entschied, dass die Beschwerde des A unbegründet ist und wies sie ab. Die Gerichtskosten von insgesamt CHF 600.- wurden A auferlegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VB.2015.00606

Kanton:ZH
Fallnummer:VB.2015.00606
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:3. Abteilung/Einzelrichter
Verwaltungsgericht Entscheid VB.2015.00606 vom 29.12.2015 (ZH)
Datum:29.12.2015
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Strafvollzug: Verweigerung einer Geldüberweisung ab dem Sperrkonto.
Schlagwörter: Sperr; Sperrkonto; Vollzug; Entlassung; Richtlinie; Vollzugs; Justiz; Recht; Arbeitsentgelt; Vollzug; Richtlinien; Gefangene; Anstalt; Vollzugs; Direktion; Anwalt; Bezug; Anordnung; Arbeitsentgelts; Rücklage; Gefangenen; Recht; Geldüberweisung; Entscheid; Rekurs; Einzelrichter; Bundes; Verwendung; Justizvollzug
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
Hans, Thomas, Basler Kommentar zum Strafrecht I, Art. 83, 2013

Entscheid des Verwaltungsgerichts VB.2015.00606

Verwaltungsgericht

des Kantons Zürich

3. Abteilung

VB.2015.00606

Urteil

des Einzelrichters

vom 29.Dezember2015

Mitwirkend: Verwaltungsrichter Rudolf Bodmer, Gerichtsschreiberin Corine Vogel.

In Sachen

betreffend Strafvollzug (Geldüberweisung ab Sperrkonto),

hat sich ergeben:

I.

A, kroatischer Staatsangehöriger, geboren 1968, befindet sich wegen verschiedener Straftaten in der Justizvollzugsanstalt B im ordentlichen Strafvollzug. Mit Hausbrief vom 10.Juni 2014 hatte er eine Geldüberweisung von Fr.1'500.- ab seinem Sperrkonto an seine Mutter beantragt, was die Direktion der B ablehnte. Am 21.Juli 2014 hatte er eine Geldüberweisung von Fr.3'000.- ab seinem Sperrkonto für seinen Anwalt in der Schweiz beantragt, was die Direktion der Strafanstalt wiederum ablehnte, ebenso die Direktion der Justiz und des Inneren (fortan Justizdirektion) im Entscheid über den dagegen erhobenen Rekurs. Mit Hausbrief vom 16.Juni 2015 beantragte A eine Geldüberweisung von 3'000.- an seinen Anwalt in C, Serbien, ab seinem Sperrkonto, was die Direktion der Strafanstalt am 18.Juni 2015 wiederum verweigerte.

II.

Mit Verfügung vom 24.September 2015 wies die Justizdirektion den von A am 21.Juni 2015 erhobenen Rekurs ab und auferlegte ihm die Kosten des Rekursverfahrens.

III.

Der Einzelrichter erwägt:

1.

1.1 Das Verwaltungsgericht ist gemäss §41 Abs.1 in Verbindung mit §19 Abs.1 lit.a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 (VRG) zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Die Behandlung von Beschwerden betreffend den Straf- und Massnahmenvollzug fällt in die Zuständigkeit des Einzelrichters, sofern wie vorliegend kein Fall von grundsätzlicher Bedeutung gegeben ist (§38b Abs.1 lit.d Ziff.2 und Abs.2 VRG).

1.2 Das Verwaltungsgericht ist nicht Aufsichtsinstanz über die Strafvollzugsbehörden. Da der Beschwerdeführer seine Legitimation jedoch daraus ableiten kann, dass ihm ein Bezug vom Sperrkonto verweigert wurde, braucht darauf nicht weiter eingegangen werden.

1.3 Den anfechtbaren Anordnungen nach §41 Abs.1 VRG gleichgestellt ist das unrechtmässige Verweigern Verzögern einer anfechtbaren Anordnung (§19 Abs.1 lit.a und b VRG). Allerdings ist das unrechtmässige Verweigern einer Anordnung von einer Anordnung zu trennen, die ein Begehren abschlägig beurteilt. Vorliegend wurde dem Beschwerdeführer eine anfechtbare Anordnung nicht verweigert, wie er meint, wies doch die Direktion der Strafanstalt sein Begehren um Überweisung von 3'000.- bereits zwei Tage später ab und erteilte ihm eine korrekte Rechtsmittelbelehrung. Auf seinen Rekurs hin wurde die Justizdirektion umgehend tätig (vorn I. und II.). Von einer Rechtsverweigerung kann daher keine Rede sein. Richtig ist dagegen, dass der Beschwerdeführer nicht bewilligt erhielt, was er beantragte. Ob dies zu Recht erfolgte, ist jedoch Teil der materiellen Prüfung des angefochtenen Entscheids.

2.

2.1 Nach Art.123 Abs.1 der Bundesverfassung vom 18.April 1999 (BV) ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozessrechts Sache des Bundes. Hingegen sind nach Art.123 Abs.2 BV für die Organisation der Gerichte, die Rechtsprechung in Strafsachen sowie den Straf- und Massnahmenvollzug die Kantone zuständig, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht. Hinzu kommt die Befugnis des Bundesrates, ergänzende Bestimmungen zum Strafvollzug zu erlassen (Art.387 StGB), was dieser mit der Verordnung zum Straf- und Militärstrafgesetzbuch vom 19.September 2006 (V-StGB-MStG) getan hat. Im vorliegenden Zusammenhang ist Art.19 V-StGB-MStG von Bedeutung, wonach die Höhe des Arbeitsentgelts nach Art.83 StGB und dessen Verwendung durch die gefangene Person von den Kantonen festgelegt werden.

2.2 Nach Art.83 Abs.2 StGB kann der Gefangene während des Vollzugs nur über einen Teil seines Arbeitsentgelts frei verfügen. Aus dem anderen Teil wird für die Zeit nach der Entlassung eine Rücklage gebildet. Das Arbeitsentgelt verfolgt damit einen dreifachen Zweck: Primär soll durch den Verdienstanteil dem Gefangenen der Wiedereintritt in die Gesellschaft erleichtert werden, weil er mit diesem Betrag für die unmittelbare Zeit nach seiner Entlassung über die nötigen Mittel verfügt. Die Rücklage soll ein Startkapital auf den Zeitpunkt der Entlassung hin bilden. Das diesem Zweck dienende Sperrkonto ist daher grundsätzlich nicht antastbar (Peter Aebersold in: Stefan Trechsel/Mark Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2.A., Zürich/St. Gallen 2013, Art.83 N.3). Zudem soll der Insasse in spezialpräventivem Sinn in seiner Arbeitshaltung gefördert und unterstützt werden. Schliesslich soll dem Gefangenen ermöglicht werden, gewisse Auslagen, insbesondere für persönliche Bedürfnisse, während des Vollzugs zu finanzieren (Thomas Noll in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zum Strafrecht I, 3.A., 2013, Art.83 N.7).

2.3 Gemäss §1 des Straf- und Justizvollzugsgesetzes vom 19.Juni 2006 (StJVG) regelt dieses Gesetz neben anderen den Vollzug der strafrechtlichen Sanktionen (Justizvollzug). Nach §32 StJVG kann der Regierungsrat mit anderen Kantonen in verschiedener Hinsicht Vereinbarungen treffen, konkret etwa zur Vereinheitlichung des Vollzugs von freiheitsentziehenden Sanktionen in staatlichen Einrichtungen (lit.c). Nach §31 Abs.1 lit.b StJVG regelt der Regierungsrat durch Verordnung unter anderen den Vollzug freiheitsentziehender Sanktionen in staatlichen Einrichtungen, insbesondere die Rechte und Pflichten der Verurteilten im Anstaltsalltag. Nach §104 Abs.1 der Justizvollzugsverordnung vom 6.Dezember 2006 (JVV) gelten für Ansatz, Bemessung, Verwendung und Auszahlung des Arbeitsentgelts die Richtlinien der Ostschweizerischen Strafvollzugskommission [vom 7.April 2006] über das Arbeitsentgelt in Strafvollzugsanstalten (fortan Richtlinien).

2.4 Nach Ziff.4.1 der Richtlinien wird das Arbeitsentgelt anteilsmässig auf das Sperr- und das Freikonto aufgeteilt sowie für die Wiedergutmachung verwendet. Gemäss Ziff.4.2 der Richtlinien wird auf dem Sperrkonto für die Zeit nach der Entlassung eine Rücklage gebildet. Dem Sperrkonto werden zwischen 30 bis 50% des Arbeitsentgelts gutgeschrieben. Die Anstaltsordnung legt die prozentuale Aufteilung fest: Nach §28 Abs.1 der Hausordnung der Strafanstalt B vom 9.Januar 2009 (Ausgabe 2009) werden 30% des Arbeitsentgelts auf einem Sperrkonto gutgeschrieben.

Nach Ziff.4.2 Abs.3 kann die Anstaltsleitung sofern auf dem Sperrkonto ein Mindestbetrag von Fr.3'100.- verbleibt während des Freiheitsentzugs Bezüge vom Sperrkonto bewilligen, insbesondere (a)zur Unterstützung des Ehe- Lebenspartners und der Kinder der eingewiesenen Person; (b)für besondere Aus- und Weiterbildungen; (c)für die Abzahlung von Schulden; (d)für Mietkautionen und notwendige Grundausstattungen für eine Wohnung sowie (e)für Zahlungen im Sinn von Ziff.4.1 Abs.3 dieser Richtlinien, nämlich für Schadenersatz und Genugtuung gemäss Strafurteil, verfügte Kostenbeteiligungen z.B. im Zusammenhang mit der Heimschaffung, Krankenkassenprämien, Franchise, Selbstbehalte und Spitalbeiträge, Zahnbehandlungskosten, Kosten für medizinische Hilfsmittel, die nicht von der Krankenkasse gedeckt werden, Mindestbeiträge an die AHV schuldhaft verursachte Schäden. Im Unterschied zu Ziff.4.1 Abs.3 der Richtlinien, wonach die Anstaltsleitung die aufgeführten Zahlungen veranlassen kann, sind diejenigen gemäss Ziff.4.2 lit.e der Richtlinien zu bewilligen.

2.5 Art.83 Abs.2 StGB sieht die Verwendung der Rücklagen nur in der Zeit nach der Entlassung vor. Deren Beanspruchung während des Vollzugs steht daher im Widerspruch zum Bundesrecht, wenn die Formulierung "Zeit nach der Entlassung" eng ausgelegt wird (Noll, Art.83 N.16). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt immerhin Bezüge aus dem Sperrkonto während des Vollzugs zu, wenn auch nur mit grosser Zurückhaltung. Das Geld auf dem Sperrkonto stellt von Gesetzes wegen eine Rücklage für die Zeit nach der Entlassung des Gefangenen dar. Diesem soll in diesem Zeitpunkt ein möglichst hohes Startkapital zur Verfügung stehen. Folglich kommt eine Verwendung des Geldes während des Vollzugs von vornherein nur ausnahmsweise in Betracht, und insbesondere ist sie nur zuzulassen, wenn damit für die Zeit nach der Entlassung des Gefangenen vorgesorgt wird (BGr, 26.April 2011, 6B_203/2011, E.4).

3.

3.1 Die Vorinstanz berief sich in ihrem Entscheid vom 24.September 2015 auf die erwähnten gesetzlichen Grundlagen und hielt fest, der Beschwerdeführer habe nicht ausreichend dargelegt und nachgewiesen, dass und inwiefern er anwaltlichen Beistand benötige und weshalb es sich bei der beantragten Überweisung ab Sperrkonto um einen Ausnahmefall im Sinn von Ziff.4.1 4.2 der Richtlinien handle. Auf diese zutreffenden Ausführungen ist vorab zu verweisen (§70 in Verbindung mit §28 Abs.1 VRG). Ein willkürliches Vorgehen der Vorinstanz, das der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde ohnehin nicht näher umschreibt, ist nicht erkennbar.

3.2 Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde nichts vor, das geeignet wäre, vom angefochtenen Entscheid abzuweichen.

3.2.1 Sofern er sich darauf beruft, dass die Verfassung die oberste massgebende Norm darstelle und nicht die Richtlinie der Ostschweizer Strafvollzugskommission, trifft das grundsätzlich zwar zu. Wie dargestellt, verweist die Verfassung mit Bezug auf den Straf- und Massnahmevollzug aber auf das kantonale Recht und dieses wiederum was den Bezug von Geld ab dem Sperrkonto eines Gefangenen anbelangt auf die Richtlinie der Ostschweizer Strafvollzugskommission (vorn E.2). Ein Widerspruch zur Verfassung ist damit nicht zu erkennen.

3.2.2 Fehl geht der Beschwerdeführer in seiner Ansicht, dass es niemanden zu interessieren habe, wie der Anwaltsvertrag genau aussehe. Wenn der Beschwerdeführer um einen ohnehin nur ausnahmsweise zu bewilligenden Bezug ab seinem Sperrkonto ersucht, hätte er mindestens darzulegen, inwiefern damit für die Zeit nach seiner Entlassung vorgesorgt wird (vorn E.2.5). Aus der beabsichtigten Bezahlung eines Anwalts in Serbien ohne nähere Angaben sowohl zu diesem Mandatsverhältnis als auch zu den konkreten Aufgaben des Anwalts lässt sich nicht erkennen, wie der Beschwerdeführer damit für die Zeit nach seiner Entlassung konkret vorsorgen will.

3.2.3 Der vom Beschwerdeführer erwähnte Art.23 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Fassung aufgrund des am 1.Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrags von Lissabon) betrifft dagegen den konsularischen und diplomatischen Schutz eines Unionsbürgers im Hoheitsgebiet eines dritten Landes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nicht vertreten ist. Tatsächlich ist Kroatien seit dem 1.Juli 2013 Mitglied der Europäischen Union und in der Schweiz vertreten: In Bern besteht eine kroatische Botschaft und in Zürich ein kroatisches Generalkonsulat. Im Übrigen fehlt diesen Umständen jeder Bezug zur Frage, inwieweit ein Gefangener auf sein Sperrkonto während des Strafvollzugs zugreifen kann.

3.2.4 Insgesamt erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet und ist abzuweisen.

4.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dessen Kosten dem Beschwerdeführer zu auferlegen (§65a Abs.2 in Verbindung mit §13 Abs.2 VRG). Das von ihm sinngemäss gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ist abzuweisen, erweist sich die von ihm erhobene Beschwerde doch als von Anfang an aussichtslos (§16 Abs.1 VRG). Nicht klar geht aus seinen Vorbringen hervor, ob er eine Entschädigung für das Verfahren verlangt, nachdem er eine finanzielle Entschädigung für den Zeitverlust ab dem Tag des Gesuchs für Rechtshilfe geltend macht. Jedenfalls steht ihm eine Entschädigung bei diesem Ausgang des Verfahrens nicht zu (§17 Abs.2 VRG). Zudem besteht kein Anlass, von der Kostenauflage der Vorinstanz abzuweichen.

Demgemäss erkennt der Einzelrichter:

Fr. 500.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 100.-- Zustellkosten,
Fr. 600.-- Total der Kosten.

Quelle: https://www.zh.ch/de/gerichte-notariate/verwaltungsgericht.html
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