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Urteil Verwaltungsgericht (ZH - VB.2011.00571)

Zusammenfassung des Urteils VB.2011.00571: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat in einem Urteil vom 21. Dezember 2011 entschieden, dass die Bio-Verordnung auf ein bestimmtes Lebensmittelprodukt anwendbar ist, da es nicht den Vorschriften entspricht. Die Beschwerdeführerinnen hatten argumentiert, dass die Kennzeichnung des Produkts nicht eindeutig genug sei. Trotzdem wurde entschieden, dass die Bio-Verordnung eingehalten werden muss und die Beschwerde abgewiesen wurde. Die Kosten des Verfahrens wurden den Beschwerdeführerinnen auferlegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VB.2011.00571

Kanton:ZH
Fallnummer:VB.2011.00571
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:3. Abteilung/3. Kammer
Verwaltungsgericht Entscheid VB.2011.00571 vom 21.12.2011 (ZH)
Datum:21.12.2011
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Lebensmittelpolizeiliche Massnahmen: Produktbezeichnung.
Schlagwörter: Verordnung; Bio-Verordnung; Beschwerde; Erzeugnis; Produkt; Beschwerdeführerinnen; Bezeichnung; Erzeugnisse; Kennzeichnung; Gehör; Marke; Recht; Lebensmittel; Vorinstanz; Gehörs; Täuschung; Kammer; Entscheid; Anspruch; Wesentlichen; Zutaten; Ursprungs; Verletzung; Konsumenten; Zusammenhang; Bundesgericht; Hinweis; äuchliche
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:116 Ia 94; 133 I 201; 99 II 401;
Kommentar:
Alfred Kölz, Jürg Bosshart, Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, §8 N.17 VRG, 1999

Entscheid des Verwaltungsgerichts VB.2011.00571

Verwaltungsgericht

des Kantons Zürich

3. Abteilung

VB.2011.00571

Urteil

der 3. Kammer

vom 21.Dezember2011

Mitwirkend: Abteilungspräsident Rudolf Bodmer (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Bea Rotach Tomschin, Verwaltungsrichterin Elisabeth Trachsel, Gerichtsschreiber Cyrill
Bienz.

In Sachen

AAG,

BAG,

beide vertreten durch RAC,

gegen

betreffend lebensmittelpolizeiliche Massnahmen,

hat sich ergeben:

I.

Die Kammer

1.

1.1 Das Verwaltungsgericht ist zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde gemäss §41 Abs.1 in Verbindung mit §19b Abs.2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 (VRG) sachlich und funktionell zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

1.2 Da der Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt und die Vorinstanz diesbezüglich auch nichts anderes bestimmt hat, ist der prozessuale Antrag der Beschwerdeführerinnen um Erteilung aufschiebender Wirkung obsolet. Zudem würde dieser Punkt mit dem heutigen Entscheid ohnehin gegenstandslos.

2.

Vorab ist zu prüfen, ob der Anspruch der Beschwerdeführerinnen auf rechtliches Gehör gemäss Art.29 Abs.2 der Bundesverfassung vom 18.April 1999 (BV) verletzt wurde.

2.1 Die Beschwerdeführerinnen machten geltend , die Vorinstanz sei auf ihr Argument, wonach die Bio-Verordnung gemäss deren Art.1 nur dann Anwendung finde, wenn ein Erzeugnis als biologisches Erzeugnis gekennzeichnet sei und im Wesentlichen aus Zutaten pflanzlichen und/oder tierischen Ursprungs bestehe, in der angefochtenen Verfügung nicht eingegangen. Aufgrund der Tragweite eines Verbots der Bezeichnung

2.2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet insbesondere das Recht auf Äusserung und Anhörung des Einzelnen, das heisst das Recht, sich vorgängig zu den ihn betreffenden hoheitlichen Anordnungen zu äussern, sowie den Anspruch, in seinen Vorbringen auch tatsächlich gehört und ernst genommen zu werden. Um dem Äusserungs- und Anhörungsrecht Nachachtung zu verschaffen, haben die verantwortlichen Behörden demnach den Gehörsberechtigten nicht nur anzuhören, sondern sie haben sich mit seinen Vorbringen auch auseinanderzusetzen (Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2.A., Zürich 1999, §8 N.17). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur und setzt keinen Nachweis eines materiellen Interesses voraus; eine Gehörsverletzung zieht daher grundsätzlich die Aufhebung der angefochtenen Anordnung nach sich, ungeachtet der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Sache selbst (Kölz/Bosshart/Röhl, §8 N.5). Gemäss der Rechtsprechung kann eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt als auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Von einer Rückweisung ist selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (vgl. BGE 133 I 201 E.2.2). Betrifft der Gehörsmangel nur Rechtsfragen, kann die Rechtsmittelinstanz diesen ausnahmsweise selbst dann heilen, wenn die Vorinstanz über eine umfassendere Kognition verfügte (BGE 116 Ia 94 E.2; Kölz/Bosshart/Röhl, §8 N.48, mit weiteren Hinweisen). Für den Entscheid über eine Rückweisung Heilung im Einzelfall ist die konkrete Interessenlage zu berücksichtigen (vgl. RB 1995 Nr.23).

Art.3 Abs.1 LMG versteht unter Lebensmitteln Nahrungs- und Genussmittel. Nahrungsmittel sind Erzeugnisse, die dem Aufbau dem Unterhalt des menschlichen Körpers dienen und nicht als Heilmittel angepriesen werden; als Genussmittel gelten alkoholische Getränke sowie Tabak und Raucherwaren (Art.3 Abs.2 und 3 LMG).

5.2 Den Beschwerdeführerinnen ist dahingehend beizupflichten, dass die Bio-Verordnung nur auf solche Erzeugnisse Anwendung findet, die sowohl als biologische Produkte gekennzeichnet sind, als auch im Wesentlichen aus Zutaten pflanzlichen und/oder tierischen Ursprungs bestehen.

Die Bio-Verordnung bezweckt unter anderem, den Konsumenten durch den Schutz der Bezeichnung Bio Öko vor Täuschungen zu schützen (vgl. Art.2 Abs.2 Bio-Verordnung sowie das Informationsschreiben des Bundesamts für Landwirtschaft BLW zum Vollzug der Bio-Verordnung vom März 2007, abrufbar unter www.blw.admin.ch). Je nach den Umständen können bereits Markennamen als Hinweise auf biologische Produktionsprozesse und damit als Kennzeichnung im Sinn von Art.2 Bio-Verordnung missverstanden werden, weshalb der mittlerweile aufgehobene Art.39g Bio-Verordnung denn auch eine Anpassungsfrist für vor 1998 registrierte Markennamen vorsah. Vor diesem Hintergrund muss der Name biovital für ein Speziallebensmittel daher auch ohne weitere Hinweise auf der Verpackung als Kennzeichnung eines biologischen Erzeugnisses angesehen werden.

Während die Beschwerdeführerinnen die in Umschreibung im Wesentlichen qualitativ verstanden haben wollen, stellten die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang ausschliesslich auf quantitative Kriterien ab und folgten damit der Auffassung des Verbands der Kantonschemiker, wonach alle Lebensmittel der Bio-Verordnung unterliegen, wenn mindestens 50% ihrer Trockensubstanz landwirtschaftlichen Ursprungs sind (vgl. act.6/19). Vorliegend besteht kein Anlass, von diesem Verständnis des Begriffs abzuweichen. Dass biovital mehr als zur Hälfte aus dem verwendeten Basisprodukt (Traubensaft) besteht, wie dies die Vorinstanzen geltend machten, wurde von den Beschwerdeführerinnen im Übrigen nicht bestritten.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen sind damit die Bio-Verordnung und ihre Vorschriften zur Kennzeichnung auf biovital anwendbar. Da dieses Produkt bzw. die darin enthaltenen Zutaten landwirtschaftlicher Herkunft unbestrittenermassen nicht nach dieser Verordnung hergestellt wurden, darf hierfür der gegenwärtige Markenname nicht (mehr) verwendet werden (vgl. Art.2 Abs.6 Bio-Verordnung).

Da den Beschwerdeführerinnen nicht in grundsätzlicher Weise, sondern lediglich im Zusammenhang mit dem entsprechenden Speziallebensmittel in der derzeitigen Zusammensetzung untersagt ist, die Marke biovital zu benützen, kann von einer Enteignung Verletzung der Eigentumsgarantie der Wirtschaftsfreiheit nicht gesprochen werden. Das Verbot führt angesichts der Verpflichtung zur Selbstkontrolle gemäss Art.23 LMG, welche einen der Grundpfeiler der Lebensmittelgesetzgebung darstellt (vgl. den erläuternden Bericht des EDI und des BAG zur Änderung des Lebensmittelgesetzes, abrufbar unter www.bag.admin.ch) sodann auch nicht zu einer Verletzung

5.3 Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen. Die Beschwerdeführerinnen haben die Kennzeichnung von biovital anzupassen, wobei hierfür eine Frist bis 30.Juni 2012 angemessen erscheint.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten den Beschwerdeführerinnen aufzuerlegen (§65a Abs.2 in Verbindung mit §13 Abs.2 VRG). Ihnen steht keine Parteientschädigung zu (§17 Abs.2 VRG).

Demgemäss entscheidet die Kammer:

Fr. 8'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 140.-- Zustellkosten,
Fr. 8'140.-- Total der Kosten.

Abweichende Meinung einer Minderheit der Kammer

Nach ihrem Art.1 Abs.1 lit.b gilt die Bio-Verordnung für die Kennzeichnung folgender Erzeugnisse als biologische Produkte: verarbeitete, für den menschlichen Verzehr bestimmte pflanzliche und tierische Agrarerzeugnisse, die im Wesentlichen aus Zutaten pflanzlichen und/oder tierischen Ursprungs bestehen. Auch wenn das infrage stehende Produkt der Beschwerdeführerin als Erzeugnis im Sinn von Art.1 Abs.1 lit.b der Bio-Verordnung gelten kann, fällt es aufgrund seiner Kennzeichnung entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners nicht unter die Bio-Verordnung.

Das Bundesgericht hatte in BGE 99 II 401 über die Schutzfähigkeit der Marke "biovital" zu entscheiden. Unter Hinweis darauf, dass das Wort "Bio" aus dem Griechischen stamme mit der Bedeutung "lebens..." und das Wort "Vital" aus dem Lateinischen stamme mit der Bedeutung "lebensvoll, lebenswichtig, das Leben betreffend", kam das Bundesgericht in allgemeiner Sicht zum Schluss, die Wortverbindung "biovital" insgesamt ergebe einen originellen Pleonasmus, indem kein Wort das andere präzisiere, und der keinen klaren Sinn ergebe, gerade deshalb (als Marke) besteche und kennzeichnend wirken könne. Abgesehen davon, dass die Wortverbindung "biovital" ungebräuchlich sei, enthalte sie keine unmittelbare Angabe über Zweckbestimmung, Beschaffenheit Eigenschaften der Waren, die sie kennzeichne. Das Warenverzeichnis könnte neben den damals vertriebenen Produkten unter dem Namen "biovital" ebenso gut noch weitere ähnliche andere Erzeugnisse einschliessen, so etwa Mittel zur Erhaltung Hebung der körperlichen Leistungsfähigkeit und andere. Die Marke "biovital" habe keinen spezifischen Sinn. Sie gehöre als Ganzes im Unterschied zu ihren Bestandteilen in keiner Landessprache zum allgemeinen Wortschatz (BGE 99 II 401 E.1 b und c).

gebräuchliche Bezeichnungen (wie Bio-, Öko-). Wie das Bundesgericht im angegebenen Entscheid festgestellt hatte, handelt es sich bei der Wortbildung "biovital" indessen gerade nicht um eine "gebräuchliche" Bezeichnung, sondern um eine ungebräuchliche, ohne spezifischen Sinn, die als Ganzes in keiner Landessprache zum Wortschatz gehört. Dabei ging es sich nicht um Ausführungen, die nur in rein markenrechtlicher Hinsicht von Bedeutung sein konnten, leitete doch das Bundesgericht erst aus diesen Feststellungen ab, ob es sich bei der Marke "biovital" um (markenrechtliches) Gemeingut handle nicht. Entspricht aber die Kennzeichnung des infrage stehenden Erzeugnisses demnach nicht einer gebräuchlichen Bezeichnung mit den Bestandteilen Bio- Öko-, kann aus seiner Bezeichnung nicht auf ein biologisches Produkt nach Art.2 Abs.1 der Bio-Verordnung geschlossen werden und fällt das infrage stehende Produkt demnach nicht unter diese Verordnung.

Art.18 Abs.2 LMG verlangt, dass Anpreisung, Aufmachung und Verpackung der Lebensmittel den Konsumenten nicht täuschen dürfen. Täuschend sind nach Abs.3 derselben Bestimmung namentlich Angaben und Aufmachungen, die geeignet sind, beim Konsumenten falsche Vorstellungen über Herstellung, Zusammensetzung, Beschaffenheit, Produktionsart, Haltbarkeit, Herkunft, besondere Wirkungen und Wert des Lebensmittels zu wecken. Vorliegend könnte eine Täuschung allerdings nur darin liegen, dass das infrage stehende Produkt beim Konsumenten die falsche Vorstellung hervorruft, es sei entsprechend den Vorgaben der Bio-Verordnung hergestellt worden. Allerdings gelangt die Bio-Verordnung auf das infrage stehende Produkt gerade nicht zur Anwendung, weshalb es an einem Täuschungsgegenstand fehlt. Selbst wenn hierin dennoch eine gewisse Täuschungsgefahr erkannt werden sollte, ist auf Art.2 Abs.4 der Bio-Verordnung hinzuweisen. Danach darf die Kennzeichnung für Erzeugnisse, die nicht nach der Bio-Verordnung produziert worden sind, nicht den Eindruck erwecken, sie seien biologisch erzeugt worden, es sei denn, die betreffenden Bezeichnungen gelten nicht für die in den Lebensmitteln Futtermitteln enthaltenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse stehen ganz offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Art der Erzeugung. Gerade dies ist bei der Kennzeichnung mit der Wortverbindung "biovital" der Fall: Wie dargelegt, enthält die Bezeichnung "biovital" keine unmittelbare Angabe über Zweckbestimmung, Beschaffenheit Eigenschaften der Waren, die sie kennzeichnet, und sie hat keinen spezifischen Sinn. Unter diesen Umständen steht die Bezeichnung "biovital" in keinem Zusammenhang mit der Art der Erzeugung, noch gilt sie für die im fraglichen Produkt enthaltenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Entsprechend kann eine Täuschungsgefahr verneint werden.

Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen und der angefochtene Entscheid sowie derjenige des Kantonalen Labors sind aufzuheben.

der Gerichtssschreiber:

Quelle: https://www.zh.ch/de/gerichte-notariate/verwaltungsgericht.html
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