Zusammenfassung des Urteils VB.2010.00486: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat entschieden, dass die Beschwerde bezüglich der Verletzung von Berufsregeln unbegründet ist. Die zuständige Aufsichtskommission durfte das Verfahren an die Thurgauer Behörde überweisen. Der Beschwerdeführer hatte kein schutzwürdiges Interesse an seinen Anträgen, weshalb die Beschwerde abgewiesen wurde. Die Kosten des Verfahrens in Höhe von CHF 1'560.-- sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VB.2010.00486 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 3. Abteilung/3. Kammer |
Datum: | 25.11.2010 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Zulässigkeit der Überweisung eines Disziplinarverfahrens an die zuständige Anwaltsaufsichtskommission. |
Schlagwörter: | ändig; Aufsicht; Aufsichtsbehörde; Behörde; Kanton; Verfahren; Aufsichtskommission; Disziplinarverfahren; Kantons; Verzeiger; Thurgau; Thurgauer; Verfahrens; Anzeige; Weiterleitung; Register; Anwalt; Instanz; Zürcher; Verzeigung; Überweisung; Recht; Verwaltungsgericht; Kammer; Verletzung; Berufsregeln |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 132 III 178; 133 III 645; |
Kommentar: | Fellmann, Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich, Art. 15, 2005 |
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 3. Abteilung |
VB.2010.00486
Entscheid
der 3. Kammer
vom 25.November 2010
Mitwirkend: Abteilungspräsident Rudolf Bodmer (Vorsitz), Verwaltungsrichter Lukas Widmer, Verwaltungsrichterin Elisabeth Trachsel, Gerichtssekretär Kaspar Plüss.
In Sachen
betreffend Verletzung von Berufsregeln,
hat sich ergeben:
I.
Am 20.September 2010 erhob A beim Verwaltungsgericht Beschwerde und beantragte, (1.) Disp.-Ziff.1 des Beschlusses der Aufsichtskommission vom 1.Juli 2010 sei aufzuheben, da auf die Anzeige vom 16.April 2010 wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit nicht hätte eingetreten werden dürfen, und (2.) der Nichteintretensbeschluss sei lediglich dem Verzeiger und dem Beschwerdeführer nicht aber weiteren Adressaten mitzuteilen; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Mit Schreiben vom 30.September 2010 verzichtete die Aufsichtskommission auf Einreichung einer Beschwerdeantwort.
Die Kammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Verwaltungsgericht ist zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde gemäss §41 Abs.1 in Verbindung mit 19 Abs.1 lit.a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 (VRG) funktionell und sachlich zuständig.
1.2 Überweisungsentscheide stellen selbständig eröffnete Zwischenentscheide über die Zuständigkeit dar und sind grundsätzlich anfechtbar, wenn es auch der Endentscheid ist (BGE 133 III 645 E.2.2; BGE 132 III 178 E.1; VGr, 30.April 2009, VB.2009.00033, E.4). Beim vorliegend umstrittenen Beschluss der Aufsichtskommission handelt es sich um ein zulässiges Anfechtungsobjekt.
1.3 Vorab erscheint fraglich, ob der Beschwerdeführer überhaupt ein legitimationsbegründendes schutzwürdiges Interesse hat. Mit seinen Begehren zielt er darauf ab, dass die Vorinstanz auf eine Weiterleitung an die örtlich zuständige Behörde verzichtet bzw. dass der Verzeiger erneut diesmal bei der Thurgauer Aufsichtsbehörde Anzeige erstatten muss, um ein Disziplinarverfahren in die Wege zu leiten. Ein Vorteil in Bezug auf Fristen bzw. auf eine allfällige Verjährung (vgl. Art.19 des Bundesgesetzes vom 23.Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [Anwaltsgesetz, BGFA]) kommt dem Beschwerdeführer dadurch aber nicht zu: Das Bundesgericht statuiert einen allgemeinen prozessualen Grundsatz, wonach der Rechtsuchende im Fall einer fristgemässen Eingabe bei einer unzuständigen Behörde nicht ohne Not um die Beurteilung seines Begehrens durch die zuständige Instanz gebracht werden soll. Dieser Grundsatz wirkt sich zugunsten des Rechtsuchenden aus und bezieht sich auf die gesamte Rechtsordnung; er gilt jedenfalls dort, wo keine klare, anderslautende Gesetzgebung besteht, auch in den Kantonen (BGr, 17.Die Frage, ob ein schutzwürdiges Interesse des Beschwerdeführers an der Gutheissung seiner Anträge besteht, kann aber letztlich offengelassen werden, da sich seine Rügen ohnehin als unbegründet erweisen.
2.
2.1 Gemäss §5 Abs.2 VRG sind Eingaben an eine unzuständige Verwaltungsbehörde von Amtes wegen und in der Regel unter Benachrichtigung des Absenders an die zuständige Verwaltungsbehörde weiterzuleiten; für die Einhaltung der Fristen ist der Zeitpunkt der Einreichung bei der unzuständigen Behörde massgebend. Nach §194 Abs.1 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13.Juni 1976 (GVG) gelten Eingaben und Zahlungen, die zwar innerhalb der Frist erfolgen, aus Irrtum aber an eine unrichtige zürcherische Gerichts- Verwaltungsstelle gerichtet sind, als rechtzeitig eingegangen. Die Weiterleitung an die zuständige Stelle erfolgt von Amtes wegen (§194 Abs.2 GVG).
2.2 Nach Art.14 BGFA bezeichnet jeder Kanton eine Behörde, welche die Anwältinnen und Anwälte beaufsichtigt, die auf seinem Gebiet Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten. Die kantonalen Gerichts- und Verwaltungsbehörden melden der Aufsichtsbehörde ihres Kantons unverzüglich das Fehlen persönlicher Voraussetzungen nach Art.8 BGFA sowie Vorfälle, welche die Berufsregeln verletzen könnten (Art.15 Abs.1 BGFA). Eröffnet eine Aufsichtsbehörde ein Disziplinarverfahren gegen Anwältinnen Anwälte, die nicht im Register dieses Kantons eingetragen sind, so informiert sie die Aufsichtsbehörde des Kantons, in dessen Register sie eingetragen sind (Art.16 Abs.1 BGFA).
2.3 Gemäss §13 des Zürcher Anwaltsgesetzes vom 17.November 2003 (AnwG) unterstehen Personen, die im Kanton den Anwaltsberuf ausüben, der Aufsicht der Aufsichtskommission. Das Disziplinarverfahren wird eingeleitet (a.) aufgrund einer schriftlichen Verzeigung einer Meldung gemäss Art.15 BGFA §39 AnwG und (b.)von Amtes wegen, wenn die Aufsichtskommission Tatsachen wahrnimmt, die den Verdacht auf einen Disziplinartatbestand begründen (§30 Abs.1 AnwG). Der verzeigenden Person wird der Eingang der Verzeigung bestätigt. Weitere Verfahrensrechte kommen ihr nicht zu (§30 Abs.2 AnwG). Besteht ein hinreichender Verdacht, eröffnet die Aufsichtskommission ein Disziplinarverfahren. Andernfalls beschliesst sie Nichtanhandnahme (§30 Abs.4 AnwG).
3.
3.1 Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Aufsichtsbehörde des Kantons Thurgau aufgrund von Art.14 BGFA örtlich zuständig ist für das den Beschwerdeführer betreffende Disziplinarverfahren. Strittig ist einzig, ob die unzuständige Aufsichtsbehörde des Kantons Zürich das Verfahren an die zuständige Thurgauer Behörde überweisen durfte ob sie sich darauf hätte beschränken müssen, das Verfahren durch einen Nichteintretensbeschluss abzuschliessen. Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, die Aufsichtskommission hätte auf die Disziplinaranzeige zufolge örtlicher Unzuständigkeit nicht eintreten dürfen, ohne die Sache an die Thurgauer Aufsichtskommission zu überweisen. Es sei Sache des Verzeigers, bei der örtlich zuständigen Behörde Anzeige zu erstatten.
3.2 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es sei Sache des Verzeigers, bei den Thurgauer Behörden Aufsichtsanzeige zu erstatten, ist auf §30 Abs.2 AnwG hinzuweisen, wonach dem Verzeiger lediglich der Eingang der Verzeigung bestätigt wird, ohne dass ihm weitere Verfahrensrechte zukommen. Die verzeigende Person ist nicht Verfahrenspartei und wird über den Ausgang des Verfahrens nicht informiert. Der angefochtene Beschluss sieht denn auch keine Mitteilung an den Verzeiger vor, sodass dieser nicht darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass für das vorliegende Verfahren die Thurgauer Aufsichtsbehörde örtlich zuständig ist. Demnach entfällt die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Möglichkeit, von einer Überweisung abzusehen und es dem Verzeiger anheimzustellen, ob er an die zuständige Instanz gelangen will. Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung zu vertreten scheint, eine Überweisung dürfe nicht ohne sein eigenes Einverständnis erfolgen, begründet er dies nicht näher; es sind denn auch keine Gründe für eine derartige Genehmigungspflicht ersichtlich.
3.3 Dem Beschwerdeführer kann sodann auch insofern nicht gefolgt werden, als er geltend macht, der Verzeiger sei anwaltlich vertreten gewesen und habe seine Anzeige nicht aus einem Irrtum im Sinn von §194 GVG heraus, sondern aufgrund mangelnder Sorgfalt bei der örtlich unzuständigen Instanz eingereicht. Bereits der Umstand, dass die Zürcher Aufsichtskommission aufgrund der Verzeigung ein Disziplinarverfahren eröffnete und dass der Beschwerdeführer in der Stadt Zürich sein Hauptbüro führt, deutet darauf hin, dass nicht von einer offensichtlichen Unzuständigkeit der Zürcher Aufsichtsbehörde auszugehen ist (vgl. Art.14 BGFA und §30 Abs.4 AnwG). Auch diese Frage kann im vorliegenden Fall jedoch offengelassen werden, denn selbst im Fall einer fahrlässig absichtlich bei einer unzuständigen Instanz eingereichten Anzeige gilt kein generelles Verbot, die Sache an die zuständige Behörde weiterzuleiten. Es besteht in solchen Situationen lediglich das Recht nicht aber die Pflicht , auf eine Weiterleitung zu verzichten (vgl. BGr, 17.August 2004, 1P.143/2004, E.3.3.4).
3.4 Schliesslich macht der Beschwerdeführer zu Unrecht geltend, dass eine Überweisung der Sache an die zuständige Behörde eine Verletzung von Amtsgeheimnissen darstelle. Gemäss Art.16 Abs.1 BGFA hat die Aufsichtsbehörde, die ein Disziplinarverfahren eröffnet, die Aufsichtsbehörde jenes Kantons zu informieren, in dem der betreffende Anwalt ins Register eingetragen ist. Demnach muss es ohne Weiteres auch zulässig sein, dass die Behörde des Registerkantons im vorliegenden Fall die Aufsichtskommission des Kantons Zürich Informationen über ein von ihr eröffnetes Disziplinarverfahren an jene Behörde weitergibt, die für das betreffende Verfahren örtlich zuständig ist. Die Weiterleitung von Informationen wäre unter datenschutzrechtlichen Aspekten allenfalls dann heikel, wenn auf die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens verzichtet worden wäre (vgl. Tomas Poledna, in: Fellmann/Zindel, Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich/Basel/Genf 2005, Art.15 BGFA N.7). Wird aber wie im vorliegenden Fall ein Disziplinarverfahren durch eine örtlich unzuständige Aufsichtsbehörde eingeleitet, so verstösst die Weiterleitung an die zuständige Aufsichtsbehörde nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen (vgl. §§16f. des Gesetzes vom 12.Februar 2007 über die Information und den Datenschutz [IDG]). Allfällige Geheimhaltungsinteressen des Beschwerdeführers wiegen im Übrigen ohnehin geringer als das öffentliche Interesse an der disziplinarrechtlichen Verfolgung von Vorfällen, die möglicherweise Verletzungen anwaltlicher Berufsregeln darstellen.
4.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Zürcher Aufsichtsbehörde dazu befugt war, die Verfahrensakten an die zuständige Thurgauer Aufsichtsbehörde weiterzuleiten und das Verfahren als am Register erledigt abzuschreiben. Die Einwände des Beschwerdeführers erweisen sich als unbegründet, weshalb seine Beschwerde abzuweisen ist. Ausgangsgemäss sind die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (§65a in Verbindung mit §13 Abs.2 VRG). Von einer Parteientschädigung an den unterliegenden Beschwerdeführer ist abzusehen (§17 Abs.2 VRG).
Demgemäss entscheidet die Kammer:
Fr. 1'500.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 60.-- Zustellungskosten,
Fr. 1'560.-- Total der Kosten.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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