Zusammenfassung des Urteils VB.2008.00424: Verwaltungsgericht
Die Fürsorgebehörde unterstützte A seit März 2003 finanziell. Nachdem A Einsprache gegen die Einstellung der Hilfe erhob, wurde sein Rekurs vom Bezirksrat gutgeheissen. Die Gemeinde R erhob daraufhin Beschwerde beim Verwaltungsgericht, um die Einstellung der Hilfe zu bestätigen. Das Gericht entschied, dass die Weisung der Fürsorgebehörde unverhältnismässig war und die Einstellung der Hilfe im Oktober 2007 unrechtmässig war. Die Beschwerde wurde abgewiesen, die Kosten der Beschwerdeführerin auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VB.2008.00424 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 3. Abteilung/Einzelrichter |
Datum: | 17.12.2008 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Sozialhilfe: Weisung betreffend Klärung des Wohnsitzes |
Schlagwörter: | Hilfe; Beschwerdegegner; Weisung; Wohnsitz; Sozialhilfe; Fürsorgebehörde; Gemeinde; Einstellung; Leistung; Wohnung; Einsprache; Frist; Anordnung; Wohnsituation; Unterstützung; Bezirksrat; Beschwerdegegners; Auflage; Hilfeempfänger; Verwaltungsgericht; Einzelrichterin; Weisungen; Lebensmittelpunkt; Leistungen |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 3. Abteilung |
VB.2008.00424
Entscheid
der Einzelrichterin
vom 17. Dezember 2008
Mitwirkend: Verwaltungsrichterin Bea Rotach Tomschin, Gerichtssekretär Andreas Conne.
In Sachen
betreffend Sozialhilfe,
hat sich ergeben:
I.
A wird seit März 2003 von der Fürsorgebehörde R wirtschaftlich unterstützt. Ein Mitglied der Fürsorgebehörde sprach ihm am 24.August 2007 wirtschaftliche Hilfe von Fr.1'950.- monatlich bis vorläufig längstens 30.September 2007 zu und erteilte ihm verschiedene Weisungen, u.a. folgende: "A hat sich um eine Angleichung seiner offiziellen und seiner realen Wohnsituation zu kümmern. Der Status quo mit Lebensmittelpunkt in der Gemeinde S wird nur noch bis zum 30.September 2007 akzeptiert. Bis dahin muss A sich am realen Wohnort anmelden und die wirtschaftliche Unterstützung dort beantragen, per 1.Oktober 2007 stellt der Sozialdienst R alle Leistungen ein. Weiterhin zuständig bleibt der Sozialdienst R nur dann, wenn A seinen Lebensmittelpunkt wieder nach R verschiebt, sprich eine Wohnung auf Gemeindegebiet bezieht und sich bei der Einwohnerkontrolle korrekt anmeldet." Einer allfälligen Einsprache wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.
Am 20.September 2007 erhob A Einsprache gegen die angedrohte Einstellung der wirtschaftlichen Hilfe per 1.Oktober 2007 und beantragte seine weitere Unterstützung. Die Fürsorgebehörde R wies die Einsprache am 30.Oktober 2007 ab, stellte fest, dass A die Auflagen nicht erfüllt habe, stellte die wirtschaftliche Hilfe per 30.September 2007 ein und entzog einem allfälligen Rekurs die aufschiebende Wirkung.
II.
Dagegen rekurrierte A am 8.November 2007 an den Bezirksrat T und erneuerte seine Einspracheanträge. Dieser hiess den Rekurs am 7.Juli 2008 gut, hob den Beschluss der Fürsorgebehörde R vom 30.Oktober 2007 auf und stellte fest, dass sich der unterstützungsrechtliche Wohnsitz ab 30.September 2007 weiterhin in R befinde.
III.
Dagegen erhob die Gemeinde R am 17.September 2008 Beschwerde an das Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung des Rekursentscheids sowie die Feststellung, dass sich der unterstützungsrechtliche Wohnsitz von A im Oktober 2007 nicht in R befunden habe. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung an den Bezirksrat T zurückzuweisen; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdegegners.
Der Bezirksrat verzichtete am 30.September 2008 auf Vernehmlassung; A liess sich innert Frist nicht vernehmen.
Die Einzelrichterin zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Verwaltungsgericht ist zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde gemäss §41 Abs.1 in Verbindung mit §19c Abs.2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 (VRG) zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten. Mangels Feststellungsinteresses nicht einzutreten ist indessen auf das Feststellungsbegehren betreffend Wohnsitz, denn über diese Frage wird bereits im Rahmen des Hauptantrags zu entscheiden sein.
1.2 Im Streit liegt die Einstellung der wirtschaftlichen Hilfe per 30.September 2007 und damit zusammenhängend die Weisung betreffend Wohn- und Meldeverhältnisse des Beschwerdegegners. Da dieser ab 1.November 2007 wieder von R unterstützt wurde, besteht der Streitwert in der wirtschaftlichen Hilfe des Monats Oktober 2007 und liegt damit deutlich unter Fr.20'000.-, weshalb die Streitigkeit in die einzelrichterliche Zuständigkeit fällt (§38 Abs.2 VRG).
2.
2.1 Wer für seinen Lebensunterhalt und denjenigen seiner Familienangehörigen nicht hinreichend nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann, hat nach §14 des Sozialhilfegesetzes vom 14.Juni 1981 (SHG) Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe. Diese soll das soziale Existenzminimum gewährleisten, das neben den üblichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt auch individuelle Bedürfnisse angemessen berücksichtigt (§15 Abs.1 SHG). Grundlage für die Bemessung bilden gemäss §17 der Verordnung zum Sozialhilfegesetz vom 21. Oktober 1981 (SHV) die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien in der Fassung von April 2005 mit den Ergänzungen 12/05 und 12/07), wobei begründete Abweichungen im Einzelfall vorbehalten bleiben.
2.2 Die wirtschaftliche Hilfe darf mit Auflagen und Weisungen verbunden werden, die sich auf die richtige Verwendung der Beiträge beziehen geeignet sind, die Lage des Hilfeempfängers und seiner Angehörigen zu verbessern (§21 SHG). Gemäss §24 SHG (in der hier noch anwendbaren, bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung vom 4. November 2002) können Sozialhilfeleistungen gekürzt werden, wenn der Hilfesuchende Anordnungen der Fürsorgebehörde nicht befolgt, insbesondere über seine Verhältnisse keine falsche Auskunft gibt, die Einsichtnahme in seine Unterlagen verweigert, Leistungen unzweckmässig verwendet Auflagen und Weisungen missachtet. Er muss zuvor auf die Möglichkeit einer Leistungskürzung schriftlich hingewiesen worden sein, wobei ein solcher Hinweis mit der Anordnung verbunden werden kann. Nach §24 SHV darf dadurch der Lebensunterhalt des Hilfeempfängers und seiner Angehörigen nicht gefährdet werden.
Geht es um die Missachtung von Anordnungen, die geeignet sind, die Lage des Hilfeempfängers zu verbessern, ist eine vollständige Einstellung der Leistungen allenfalls zulässig, wenn sich der Hilfeempfänger beharrlich weigert, eine ihm zumutbare Arbeitsstelle zu suchen und anzutreten; diesfalls rechtfertigt sich der Schluss, es liege keine Notlage im Sinn von §14 SHG, jedenfalls keine Notlage im Sinn von Art.12 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) vor. Geht es um die Missachtung von Anordnungen, die auf die Abklärung der für die Gewährung und Bemessung von Sozialhilfe massgebenden Verhältnisse abzielen, kann sich die Verweigerung die Einstellung von Sozialhilfe allenfalls dann rechtfertigen, wenn wegen der Missachtung der verfahrensleitenden Anordnung bestehende erhebliche Zweifel an der Bedürftigkeit nicht beseitigt werden können (vgl. RB 2004 Nr.53, mit Hinweisen). Auch im Fall einer Leistungseinstellung muss der Sozialhilfeempfänger in Analogie zur Leistungskürzung gemäss §24 SHG auf diese Möglichkeit schriftlich hingewiesen worden sein (vgl. nunmehr auch §24a Abs.1 lit.c SHG, in Kraft seit 1.Januar 2008).
2.3 Gemäss §32 SHG obliegt die Pflicht zur Leistung persönlicher und wirtschaftlicher Hilfe der Wohngemeinde des Hilfesuchenden. Dieser hat seinen Wohnsitz in derjenigen Gemeinde, in der er sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (§34 Abs.1 SHG). Die polizeiliche Anmeldung gilt als Wohnsitzbegründung, wenn nicht nachgewiesen ist, dass der Aufenthalt schon früher erst später begonnen hat nur vorübergehender Natur ist (Abs.2).
Nach §40 Abs.1 SHG dürfen die Behörden einen Hilfebedürftigen nicht veranlassen, aus der Gemeinde wegzuziehen. Mit "Veranlassen" im Sinn von §40 Abs.1 SHG ist ein behördliches Verhalten gemeint, das aktiv auf den Wegzug des Fürsorgebedürftigen ausgerichtet ist (VGr, 10.Juli 2003, VB.2003.00119, E.4c, www.vgrzh.ch).
3.
3.1 Der Bezirksrat erwog, die in der Verfügung der Fürsorgebehörde vom 24.August 2007 erteilte Weisung verstosse gegen das sozialhilferechtliche Verbot der Abschiebung, da eine Fürsorgebehörde einen Sozialhilfeempfänger nicht verpflichten könne, in einer bestimmten Gemeinde Wohnsitz zu nehmen. Der Rekurrent (Beschwerdegegner) sei seit 1947 in R angemeldet; daran ändere der Umstand, dass er in einer anderen Gemeinde eine Wohnung gemietet habe und dort als Wochenaufenthalter gemeldet sei, nichts. Der Wohnsitz ende mit dem Wegzug aus der Gemeinde, wobei im Zweifelsfall auf die polizeiliche Abmeldung abgestellt werde. Überdies sei die Weisung unverhältnismässig, da sie vom Beschwerdegegner in der angesetzten Frist nicht hätte umgesetzt werden können.
3.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Beschwerdegegner habe seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt und damit seinen Unterstützungswohnsitz im Oktober 2007 in S gehabt. Der Umstand, dass er per 1.November 2004 in S eine Wohnung gemietet und seither dort gelebt habe, müsse als Wegzug von R verstanden werden. Die der Klärung der örtlichen Zuständigkeit zur Ausrichtung wirtschaftlicher Hilfe dienende Auflage in der Verfügung vom 24.August 2007 sei zulässig gewesen und stelle entgegen der Ansicht des Bezirksrats keine Auflage Weisung im Sinn von §21 SHG und §23 lit. d SHV dar. Die Anordnung sei sodann verhältnismässig gewesen, denn der Beschwerdegegner sei seit Juli 2007 mehrmals und am 16.August 2007 auch noch schriftlich auf die Wohnsitzproblematik hingewiesen worden. Dass diese Frist zur Kündigung der Wohnung in S und zum Abschluss eines neuen Mietvertrags in R etwas kurz gewesen wäre, spiele keine Rolle, da der Beschwerdegegner bis zum Umzug nach R von S hätte unterstützt werden müssen.
3.3 Der Beschwerdegegner war unbestrittenermassen während der gesamten Unterstützungszeit bis Ende Oktober 2007 als Untermieter bei seiner Tochter in R angemeldet. Von November 2004 bis Ende Oktober 2007 mietete er eine 3-Zimmerwohnung in S, wo er als Wochenaufenthalter gemeldet war. Angesichts der unklaren Wohnsituation des Beschwerdegegners ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass ihn die Beschwerdeführerin anwies, seine Wohn- und Meldesituation zu klären; dies verstösst an sich nicht gegen das Abschiebeverbot im Sinn von §40 Abs.1 SHG, wird doch dem Beschwerdegegner grundsätzlich die Wahl des Wohnsitzes belassen.
Problematisch ist jedoch die äusserst kurze Frist, welche dem Beschwerdegegner zur Klärung der Situation eingeräumt wurde. Die Weisung wurde am 24.August 2007 erteilt und die angedrohte Einstellung der wirtschaftlichen Hilfe sollte schon per 1.Oktober 2007 wirken; damit verblieb dem Beschwerdegegner zur Bereinigung der Wohnsituation rund ein Monat Zeit, und selbst unter Einbezug der nach Angaben der Beschwerdeführerin einzigen vorherigen schriftlichen Weisung betreffend Wohnsituation vom 16.August 2007 waren es nur anderthalb Monate. In dieser kurzen Zeit war es dem Beschwerdegegner unmöglich, seinen Mietvertrag über die Wohnung in S zu kündigen, war doch der nächste ordentliche Kündigungstermin der 31.März 2008, wie selbst die Fürsorgebehörde im Einspracheentscheid einräumte. Im Übrigen musste er gleichzeitig eine Wohnung in R suchen, wollte er seinen Wohnsitz und damit auch seinen Unterstützungswohnsitz nicht nach S verlegen. Sollte ihm durch die Weisung tatsächlich Entscheidungsfreiheit bezüglich des Wohnsitzes belassen werden, wovon vor dem Hintergrund des Abschiebungsverbots gemäss §40 Abs.1 SHG auszugehen ist, so musste er diese in zeitlicher Hinsicht anfechten können, auch wenn es sich dabei nicht um eine typische Weisung im Sinn von §21 SHG handelt; zudem steht sie im Zusammenhang mit der angedrohten Einstellung der wirtschaftlichen Hilfe, welche ohnehin angefochten werden kann. Nachdem die Beschwerdeführerin die unklare Wohnsituation des Beschwerdegegners über Jahre toleriert hatte, ist denn auch nicht ersichtlich, warum ihm eine derart kurze Frist eingeräumt wurde.
Die Weisung erweist sich demnach als in zeitlicher Hinsicht unverhältnismässig. Dass die Beschwerdeführerin mit der deutlich zu kurz angesetzten Frist eine Abschiebung des Beschwerdegegners im Sinn von §40 SHG beabsichtigte, kann angesichts der Ausführungen im Einspracheentscheid vom 30.Oktober 2007 und insbesondere im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 16.August 2007 nicht ausgeschlossen werden; dies kann jedoch offen bleiben, da die Weisung mangels Verhältnismässigkeit ohnehin aufzuheben ist. Demgemäss erweist sich auch die Einstellung der wirtschaftlichen Hilfe im Monat Oktober 2007 als unrechtmässig.
4.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss sind die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (§13 Abs.2 in Verbindung mit §70 VRG). Eine Parteientschädigung steht ihr als unterliegender Partei gemäss §17 Abs.2 VRG nicht zu.
Demgemäss entscheidet die Einzelrichterin:
Fr. 500.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 60.-- Zustellungskosten,
Fr. 560.-- Total der Kosten.
6. Mitteilung an
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