Zusammenfassung des Urteils VB.2005.00334: Verwaltungsgericht
Der Regierungsrat wies am 8. Juni 2005 die Rekurse von A und B gegen Entscheide der Baudirektion und der Stadt U ab. A und B legten Beschwerde ein, um die Aufhebung der Entscheide zu erreichen. Die Baudirektion und die Stadt U äusserten sich dazu, während D nicht reagierte. Das Verwaltungsgericht trat auf die Beschwerde ein und prüfte die baurechtlichen Aspekte des Falles. Es entschied, dass die umstrittenen Bauvorhaben die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, aber die Erschliessung des Baugrundstücks und die Abweichung vom Strassenabstand noch geprüft werden müssen. Die Beschwerdeführer argumentierten, dass der Regierungsrat zu Unrecht nicht auf ihre Einwände eingegangen sei. Letztendlich wurde die Beschwerde gutgeheissen, die Kosten dem privaten Beschwerdegegner auferlegt und eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.- festgelegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VB.2005.00334 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 3. Abteilung/3. Kammer |
Datum: | 17.11.2005 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Nachträgliche Ausnahmebewilligung nach § 220 PBG für Anbau eines Esszimmers und eines überdachten Gartensitzplatzes mit Wegabstandunterschreitungen ausserhalb der Bauzonen. |
Schlagwörter: | Esszimmer; Regierungsrat; M-Weg; Ausnahmebewilligung; Verhältnisse; Garagen; Baugrundstück; Esszimmers; Interesse; Verwaltungsgericht; Interessen; Zugang; Zufahrt; Wegabstand; Recht; Gartensitzplatz; L-Weg; Beschwerdegegner; Baudirektion; Bewilligung; Vorbringen; Zugangsnormalien; Erschliessung; ühren |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
I.
Am 8.Juni 2005 wies der Regierungsrat die von A und B erhobenen Rekurse gegen die Entscheide der Baudirektion vom 15.Oktober 2001 bzw. der Stadt U vom 30.Oktober 2001 ab.
III.
A und B gelangten am 24.August 2005 mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht und beantragten die Aufhebung des Entscheids des Regierungsrats sowie des Beschlusses der Baukommission U und die Verweigerung der ersuchten Bewilligung; eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten von D.
Die Baudirektion schloss am 8.September 2005 auf Abweisung der Beschwerde. Die Baukommission der Stadt U verzichtete am 14.September 2005 auf eine Vernehmlassung. Am 23.September 2005 beantragte die Staatskanzlei, die Beschwerde sei abzuweisen und machte ergänzende Ausführungen zum Rekursentscheid. D liess sich nicht vernehmen.
Die Kammer zieht in Erwägung:
1.
Das Verwaltungsgericht ist gemäss §41 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 (VRG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde sachlich und funktional zuständig. Die Beschwerdeführer sind als Nachbarn gemäss §338 a PBG grundsätzlich zur Anfechtung der Baubewilligung legitimiert. Da auch die übrigen Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
2.1 Die Baudirektion erwog, dass der Anbau und die Umnutzung des Schopfes, die Erweiterung der Garagen sowie die Überdachung des Gartensitzplatzes einer nachträglichen Bewilligung nach Art.24c RPG zugänglich seien. Die Erweiterung der vorhandenen Nutzfläche von 150 m2 bewege sich im von Art.42 der Raumplanungsverordnung vom 18.Juni 2000 (RPV) vorgegebenen Rahmen von 30 %, indem der Schopf/das Esszimmer eine Fläche von 15 m2, der gedeckte Sitzplatz 19 m2 sowie die Garagenerweiterung 11 m2 aufweisen würden. Da das zulässige Mass durch diese zum Teil bereits erstellten Bauten ausgeschöpft sei, könne jedoch die nachgesuchte Garagenüberdachung zwecks Errichtung einer Terrasse nicht bewilligt werden.
Die Stadt U führte aus, dass für den bereits erstellten Sitzplatz und das Esszimmer eine Dispens von §265 PBG gestützt auf §220 PBG erteilt werden könne, da keine öffentlichen Interessen verletzt würden und, soweit ersichtlich, auch keine Nachbarn in unzumutbarer Weise benachteiligt würden. Das Esszimmer und die Sitzplatzüberdachung könnten somit vorbehaltlich der Eintragung eines Beseitigungs- bzw. Anpassungsreverses im Grundbuch bewilligt werden.
Der Regierungsrat hat diese Argumentation weitgehend übernommen und verwarf das Vorbringen der Rekurrenten, wonach das Baugrundstück nicht über eine den Zugangsnormalien vom 9.Dezember 1987 entsprechende strassenmässige Erschliessung verfüge, soweit er darauf eintrat. Betreffend der Unterschreitung des nach §265 PBG verlangten Wegabstandes erwog der Regierungsrat, dass es sinnvoll sei, das Esszimmer an besagter Stelle anzubauen, weil dort ein direkter Zugang zur Küche gewährleistet sei. Es sei zudem davon auszugehen, dass der M-Weg auch auf der Höhe des Schopfes/Esszimmers mit einem Traktor befahren werden könne. Es sei den Rekurrenten zuzumuten, den M-Weg an besagter Stelle mit einem Mehraufwand an Vorsicht zu befahren. Fahrten mit einem Heulader und dergleichen würden nicht täglich ausgeführt, sodass es zumutbar sei, dafür allenfalls einen Umweg von zirka 400m über die N-Strasse zu fahren. Verletzte öffentliche Interessen seien nicht ersichtlich, zumal der M-Weg nur von wenigen Anwohnern benutzt werde. Er beurteilte deshalb die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach §220 PBG im vorliegenden Fall als rechtmässig. Auf die Vorbringen betreffend Umgestaltung des Garagendachs in eine Terrasse trat der Regierungsrat nicht ein, da dieses Vorhaben mit der angefochtenen Verfügung verweigert worden sei bzw. die Projektänderung inzwischen rechtskräftig bewilligt worden sei.
2.2 Die Beschwerdeführer erneuern vor Verwaltungsgericht ihre Rüge, dass die Zufahrt zum Wohnhaus des privaten Beschwerdegegners den Anforderungen an eine Notzufahrt gemäss §3 der Zugangsnormalien nicht entsprechen würde. Denn der M-Weg sei stellenweise nur 2,50m statt 3m breit. Die Erschliessung sei vor allem auch deshalb ungenügend, weil das Dach des Esszimmers an der Kreuzung M-Weg/L-Weg 50 cm in den M-Weg hineinragen würde. Es fehle dem streitbetroffenen Grundstück somit an der Baureife. Was die Unterschreitung des Wegabstands anbelange, sei nicht ersichtlich, weshalb das Esszimmer an seinem jetzigen Standort erstellt werden müsse, dort wo der Wegabstand maximal unterschritten werde. Für eine Dispens vom Wegabstand von 3,5m nach §265 PBG fehle es deshalb bereits an der Grundvoraussetzung gemäss §220 Abs.1 PBG. Ausserdem habe die Vorinstanz bei der Beurteilung der Zumutbarkeit für die Nachbarn einseitig auf die Vorbringen der Gegenseite abgestellt und insbesondere der Hanglage zu wenig Bedeutung beigemessen. Schliesslich monieren die Beschwerdeführer die Garagenumgestaltung in eine Dachterrasse und machen geltend, der Regierungsrat sei zu Unrecht auf diese Einwände nicht eingetreten.
3.
Die Beschwerdeführer bringen vor, der Regierungsrat sei zu Unrecht nicht auf ihre Vorbringen betreffend der Neugestaltung des Garagendaches als Terrasse eingetreten. Die Baudirektion verweigerte am 15.Oktober 2001 die Bewilligung für die Garagenvorplatzüberdachung.
4.
Vorliegend ist zu Recht unbestritten, dass die zu beurteilenden Bauvorhaben die Voraussetzungen von Art.24c RPG und Art.42 RPV erfüllen. Im Streit liegt allein die Erschliessung des Baugrundstücks und die nachträgliche baurechtliche Bewilligung nach §220 PBG für das Esszimmer und den Gartensitzplatz für die Unterschreitung des Wegabstands nach §265 PBG.
4.1 Zutreffend führen die Beschwerdeführer aus, dass das Baugrundstück auch bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Art.24c RPG genügend erschlossen sein muss. Zumal die Ausnahmebewilligung nach Art.24c RPG sich nur auf die Zonenkonformität bezieht und nicht auch auf die Erschliessung (vgl. Art.22 Abs.1 lit.a und b RPG). Die Beschwerdeführer sind zu dieser Rüge entgegen der Ansicht des Regierungsrats legitimiert, denn sind Beschwerdeführende durch das Bauvorhaben hinreichend betroffen, so können sie sich mit ihrem Rechtsmittel auf alle Argumente und Rechtssätze berufen, die im Ergebnis zur Gutheissung ihres Rekursantrags führen können (RB1987 Nr.3 und 1980 Nr.7). Auf eine Rückweisung zum Neuentscheid kann aber vorliegend bereits aufgrund des Verfahrensergebnisses (vgl. E.5) verzichtet werden (Kölz/Bosshart/Röhl, §64 N.7).
Land gilt strassenmässig dann als erschlossen, wenn in tatsächlicher Hinsicht eine der Art, Lage und Zweckbestimmung der Bauten Anlagen entsprechende Zufahrt für die Fahrzeuge der öffentlichen Dienste und der Benützer gewährleistet ist (§237 Abs.1 Satz1 PBG). Der Regierungsrat hat in den Zugangsnormalien diese Voraussetzungen dahingehend konkretisiert, als er in §3 in Verbindung mit dem Anhang der Zugangsnormalien festgelegt hat, dass ein Zufahrtsweg mindestens 3m breit sein muss (sog. Notzufahrt), damit das Baugrundstück als baureif eingestuft werden kann. Dabei ist jedoch nicht verlangt, dass eine für Fahrzeuge ausgebaute Zufahrt direkt bis zur Haustüre führt. Vielmehr ist ein Wohnhaus auch dann hinlänglich erschlossen, wenn zwischen dem Ende der (rechtsgenüglichen bzw. 3m breiten) Zufahrt und dem Hauseingang eine Weglänge von 80m liegt (Christoph Fritzsche/Peter Bösch, Zürcher Planungs- und Baurecht, 3.A., Zürich 2003, Ziff.9.3.1.3/4).
Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, der M-Weg sei als Notzufahrt für die Liegenschaft des privaten Beschwerdegegners deshalb unzureichend, weil der Dachvorstand des Esszimmers an seiner Westecke in den M-Weg hineinrage. Da sich der Esszimmeranbau auf der
4.2 Unbestritten ist vorliegend, dass das erstellte Esszimmer an der Nordwestseite zum M-Weg und an der Südwestseite zum L-Weg sowie der Gartensitzplatz zum L-Weg den von §265 PBG geforderten Strassenabstand von 3,5m deutlich unterschreiten, indem lediglich ein Abstand zwischen 0,0 und 2,0m eingehalten wird. An der Ecke M-Weg/L-Weg ragt zudem das Dach des Esszimmers in den Weg.
Nach kantonalem Recht kann von Bauvorschriften im Einzelfall befreit werden, wenn besondere Verhältnisse vorliegen, bei denen die Durchsetzung der Vorschriften unverhältnismässig erscheint (§220 Abs.1 PBG). Diese Ausnahmebewilligung darf nicht gegen den Sinn und Zweck der Vorschrift verstossen, von der sie befreit, und auch sonst keine öffentlichen Interessen verletzen, es sei denn, dass die Erfüllung einer dem Gemeinwesen gesetzlich obliegenden Aufgabe verunmöglicht übermässig erschwert würde (§220 Abs.2 PBG).
Ausnahmebewilligungen bezwecken, im Einzelfall Härten und Unbilligkeiten zu beseitigen, die mit dem Erlass der Regel nicht beabsichtigt waren; die Ausnahmebewilligung darf nicht dazu eingesetzt werden, generelle Gründe zu berücksichtigen, die sich praktisch immer anführen liessen, da auf diesem Weg das Gesetz abgeändert würde (BGE117 Ib 125 E.6d). Sie darf daher nur unter der Voraussetzung "besonderer Verhältnisse" erteilt werden (RB1981 Nr.125 = BEZ 1981 Nr.34; 1981 Nr.126; 1985 Nr.103 = BEZ1986 Nr.4). Weil es um die Befreiung von einer baurechtlichen Norm geht, müssen die besonderen Verhältnisse zudem baurechtlicher Natur sein, was zur Hauptsache im Fall einer ungünstigen Form Beschaffenheit des Baugrundstücks aufgrund von Eigenheiten des Projekts zutrifft (VGr, 15.November 2000, VB.2000.00205). Ob eine Ausnahmesituation im erwähnten Sinn vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht frei überprüft.
Der Regierungsrat bejahte das Vorliegen von "besonderen Verhältnissen", da das Esszimmer am beanspruchten Standort sinnvoll sei, weil dessen Verbindung zum Wohnhaus nur an dieser Stelle in die Küche führe. Die Erstellung des Esszimmers an einer anderen Stelle auf dem Grundstück Kat.-Nr.02 würde das Vorhaben verunmöglichen in unzumutbarer Weise einschränken. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Es ist nicht ersichtlich und wird auch vom privaten Beschwerdegegner nicht dargelegt, weshalb das Esszimmer bzw. der Gartensitzplatz nicht weiter vom M-Weg bzw. L-Weg weggerückt an der Südwestseite des Gebäudes angebaut werden können. Es liegen keine besonderen baurechtlichen Verhältnisse vor, die eine Ausnahmesituation darstellen, denn mit der Form Beschaffenheit des Baugrundstücks bzw. Projekts lässt sich die Situation nicht begründen. Ein privates Interesse zum Anbau eines Esszimmers mit direktem Küchenzugang vermag von der Beachtung baurechtlicher Vorschriften nicht zu befreien. Denn besondere Gründe müssen grundsätzlich objektiver Art sein und dürfen nicht in den persönlichen Verhältnissen von Bauwilligen begründet sein (vgl. VGr, 23.März 2005, VB.2004.00289, E.6; VGr, 23.Februar 2005, VB.2004.00255, E.5f.; Charlotte Good-Weinberger, Die Ausnahmebewilligung im Baurecht, insbesondere nach §220 des zürcherischen Planungs- und Baugesetzes, Zürich 1990, S.29). So darf es für die Beurteilung der Besonderheit der Verhältnisse auch keine Rolle spielen, ob die umstrittenen Bauten bereits erstellt sind sich erst in Planung befinden. Genauso wenig liegen besondere Verhältnisse schon dann vor, wenn ein Anbau am vorgesehenen Standort sinnvoll ist (Good-Weinberger, S.30) dadurch keine Interessen der Nachbarn der Allgemeinheit tangiert würden (vgl. VGr, 15.November 2000, VB.2000.00205). Solche Gründe könnten in einer Vielzahl von Fällen angeführt werden, sodass das Instrument der Ausnahmebewilligung seines Sinngehalts entleert würde. Da es vorliegend am Nachweis einer Ausnahmesituation fehlt, ist die nachgesuchte Ausnahmebewilligung für den überdachten Gartensitzplatz und das Esszimmer zu Unrecht erteilt worden. Fehlt es damit bereits an der Grundvoraussetzung zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung gestützt auf §220 Abs.1 PBG, muss nicht geprüft werden, ob den eigenmächtig erstellten Konstruktionen öffentliche Interessen entgegenstehen ob sie den Nachbarn zumutbar sind (§220 Abs.2 und 3 PBG).
4.3 Da sich die Vorinstanzen mit der Frage der Wiederherstellung (§341 PBG) noch nicht befasst haben, hat darüber im jetzigen Zeitpunkt nicht das Verwaltungsgericht zu befinden. Dies ist Sache der kommunalen Baubehörde (vgl. RB1998 N.122).
5.
Demgemäss wird die Beschwerde gutgeheissen. Der Entscheid des Regierungsrats vom 8.Juni 2005 und Disp.-Ziff.3 und 4 des Beschlusses der Baukommission U vom 30.Oktober 2001 werden aufgehoben.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem privaten Beschwerdegegner aufzuerlegen (§70 in Verbindung mit §13 VRG), welcher den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von insgesamt Fr.1'000.- für das Beschwerdeverfahren zu bezahlen hat (§17 Abs.2 und 3 VRG). Ausgangsgemäss hat der private Beschwerdegegner auch die Kosten des Rekursverfahrens zu tragen.
Demgemäss entscheidet die Kammer:
Fr. 2'500.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 120.-- Zustellungskosten,
Fr. 2'620.-- Total der Kosten.
7. Mitteilung an
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