Zusammenfassung des Urteils VB.2001.00260: Verwaltungsgericht
Es geht um eine rechtliche Auseinandersetzung bezüglich des Grenzabstands von Gebäuden. Es wird diskutiert, wie der Grenzabstand zwischen Fassaden gemessen und berechnet werden soll, insbesondere bei zusammengebauten Gebäuden. Es wird auf Gesetzesänderungen hingewiesen, die die Unterschreitung von Grenzabständen durch nachbarliche Vereinbarungen ermöglichen, jedoch nicht die Grenzabstände gegenüber Drittgrundstücken verringern sollen. Die Baurekurskommission hat entschieden, dass Balkonanbauten an den Fassaden nicht bewilligungsfähig sind, da die Abstandsvorschriften nicht eingehalten wurden. Die Beschwerde wurde abgelehnt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VB.2001.00260 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 1. Abteilung/1. Kammer |
Datum: | 18.12.2001 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Für die Bemessung des Mehrlängenzuschlages gelten die vorspringenden Fassadenteile nur dann als selbständig, wenn ihr gegenseitiger Abstand wenigstens der Summe der bauordnungsgemässen Grundabstände entspricht. Dieses Mass kann nicht durch nachbarliche Vereinbarung verringert werden. |
Schlagwörter: | Fassade; Fassaden; Gebäude; Mehrlänge; ABauV; Mehrlängenzuschlag; Grenz; Abstand; Fassadenteil; Fassadenteile; Grundabstand; Westfassade; Grenzabstand; Vereinbarung; Näherbaurecht; Vorsprünge; Balkone; Bauweise; Gebäudeabstand; Baute; Unterschreitung; Praxis; üsse |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
einheitliche, geschlossene Westfassade verfügen, sondern eine völlig konträre, eigene Gestaltung aufweisen, weshalb sich eine einheitliche Betrachtung der beiden Gebäude nicht aufdränge. Weiter sei mit der Änderung von §270 Abs.3 PBG (Fassung vom 1.September 1991) eine Unterschreitung des Grundgrenzabstands aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung möglich, wenn die Mindestanforderungen in wohnhygienischer bzw. feuerpolizeilicher Hinsicht gewahrt würden. Dadurch sei das Institut des Grundgrenzabstands aufgeweicht worden und nur der kantonale Mindestgebäudeabstand von 3,5m in der Praxis als kantonaler "Grundabstand" unangetastet geblieben. §24 Abs.2 ABauV müsse vor dem Hintergrund dieser Gesetzesänderung ausgelegt und angewendet werden. Bei Situationen, wo die Nachbarn sich gegenseitig ein Näherbaurecht (unter dem Grundabstand der Bauordnung) eingeräumt wie hier zusammengebaut hätten, müsse §24 Abs.2 ABauV dergestalt ausgelegt werden, dass nicht die bauordnungsgemässen Grundabstände für das Mass der Selbständigkeit eines Vorsprunges herangezogen werden, sondern die kantonalen Grundgebäudeabstände von je 3,5m, total 7m. So wie die Bestimmungen über das übliche Mass einer maximalen einvernehmlichen Unterschreitung von Grenzabständen in der Praxis begrenzt werde durch das Minimalmass von 2x3,5m Gebäudeabstand/kantonaler Grundabstand, welche Situation sich "Dritt-Nachbarn" entgegenhalten lassen müssten, so müsse in der Praxis auch für die Tatbestände der Beurteilung einer Selbständigkeit eines Vorsprunges nach §24 Abs.2 ABauV dasselbe Mass angelegt werden. Nur so würde verhindert, dass die Auslegung von §24 Abs.2 ABauV zu einer wesentlichen Einschränkung führe, welche das übergeordnete Planungs- und Baugesetz mit §270 Abs.3 PBG, zumindest seit dessen Änderung, nicht beabsichtigt habe. Dies führe dazu, dass nach §24 Abs.2 ABauV vorliegend die Selbständigkeit der Vorsprünge beider Gebäudefassaden mit einem tatsächlichen Abstand von 9,4m und damit über 7m zu bejahen sei. Diese Gebäudevorsprünge hielten gegenüber den Nachbarparzellen den bauordnungsgemässen Grenzabstand von 5m ein, weshalb die beiden geplanten Balkone entsprechend §260 Abs.3 PBG zulässig seien.
c) aa) Gemäss §260 Abs.1 PBG bestimmt der Grenzabstand die nötige Entfernung zwischen Fassade und der massgebenden Grenzlinie. Er setzt sich entsprechend §21 Abs.1 ABauV aus dem Grundabstand und (einem allfälligen Mehrhöhenzuschlag) sowie dem Mehrlängenzuschlag gemäss Bau- und Zonenordnung zusammen. Nach Art.13 BZO beträgt der Grundabstand in der hier massgebenden W4 mindestens 5m. Bei Fassadenlängen von mehr als 12m erhöht sich der Grenzabstand um 1/3 der Mehrlänge, in der W4 höchstens auf 12m (Art.14 Abs.1 BZO).
bb) Wie die BaurekurskommissionI in ihrem angefochtenen Entscheid vom 8.Juni 2001 zu Recht ausführt (Erw.4a), haben die Vorschriften über den Mehrlängenzuschlag nachbarschützende Funktion. Der um den Mehrlängenzuschlag erweiterte ordentliche Grenzabstand soll den Nachbarn vor der Riegelwirkung von überlangen Fassaden, welche die Belichtungs-, Besonnungs- und Aussichtsverhältnisse beeinträchtigen, schützen. Im Lichte dieser wohnhygienischen Zielsetzung ist unmassgeblich, ob ein (Gesamt-)Gebäude auf verschiedenen Grundstücken situiert ist. In gleicher Weise ist irrelevant, ob die Fassade eines Gebäudes eine einheitliche aber verschiedene unterschiedliche Gestaltungsabschnitte aufweist. Für die Ermittlung des Mehrlängenzuschlages ist ein zusammengebautes Gebäude als Einheit zu betrachten, auch wenn dieses auf verschiedenen Parzellen steht und die Fassaden unterschiedlich ausgestaltet sind. Dieser Grundsatz gilt allgemein für eine geschlossene Bauweise. Er rechtfertigt sich hier umso mehr, als nach Art.14 Abs.3 BZO ausdrücklich Fassaden von Hauptgebäuden sogar in offener Bauweise zusammengerechnet werden, wenn diese den Gebäudeabstand von 7m unterschreiten.
cc) §24 ABauV regelt die Berechnung des Mehrlängenzuschlages bei besonderem Fassadenverlauf. Grundsätzlich wird bei seitlich gegliederten Fassaden die für den Mehrlängenzuschlag massgebende Länge für jeden Fassadenteil für sich bestimmt (§260 Abs.2 PBG; §24 Abs.1 ABauV). Zurückliegende Fassadenteile werden durch vorspringende Teile hindurch bis zur äussersten sichtbaren Gebäudekante in vor der Fassadenflucht gemessen; vorspringende Fassadenteile gelten nur dann als selbständig, wenn ihr gegenseitiger Abstand wenigstens der Summe zweier Grundabstände entspricht (§24 Abs.2 ABauV). Wird dieser Abstand unterschritten, so weist die betreffende Baute nicht "selbständige Fassadenteile" auf, sondern einen unselbständigen (unbeachtlichen) Rücksprung. In diesem Fall verläuft die für die Abstandsbemessung massgebliche Fassadenflucht für das ganze Gebäude entlang der Fassaden beider Vorsprünge und ist diese Gesamtlänge die für die Berechnung des Mehrlängenzuschlags massgebliche Fassadenlänge. Die beiden Vorsprünge an der Westfassade des streitbetroffenen Mehrfamilienhauses weisen unbestrittenermassen einen gegenseitigen Abstand von 9,4m auf und unterschreiten damit die Summe der beiden Grundabstände von 10m (2x 5m Grundabstand). Nach der Definition von §24 Abs.2 ABauV stellen damit diese Vorsprünge keine selbständigen Fassadenteile dar, sondern bemisst sich die für den Mehrlängenzuschlag massgebende Länge aufgrund der Gesamtlänge der Westfassade von 26,9m, wobei der Rücksprung wie gesehen unbeachtet bleibt. Dies führt in Anwendung von Art.14 Abs.2 BZO zu einem Mehrlängenzuschlag von 4,97m (Mehrlänge über 12m:14,9m; 1/3 = 4,97m). Der bauordnungsgemässe Grenzabstand beträgt damit gegenüber der Westfassade 9,97m (Grundabstand 5m + Mehrlängenzuschlag 4,97m) und wird mit einem tatsächlichen Abstand zwischen den vorspringenden westlichen Fassadenteilen und der Grenzlinie zu den benachbarten Parzellen Kat.Nr. 9 und 10 von 5,5 7m deutlich unterschritten.
Es besteht kein Grund, vom klaren Wortlaut von §24 Abs.2 ABauV abzuweichen, weil seit der Gesetzesänderung vom 1.September 1991 nach Art.270 Abs.3 PBG durch nachbarliche Vereinbarung unter Vorbehalt einwandfreier wohnhygienischer und feuerpolizeilicher Verhältnisse ein Näherbaurecht begründet werden kann. Mit dieser Änderung wurde die Unterschreitung der bauordnungsgemässen Grenz- und Gebäudeabstände durch nachbarliche Vereinbarung, also im gegenseitigen Einverständnis zugelassen; es war aber nicht Absicht des Gesetzgebers, mit dieser Änderung die Grenzabstände gegenüber Drittgrundstücken zu verringern. Die von den Beschwerdeführenden vertretene Rechtsauffassung, vorspringende Fassadenteile bei zusammengebauten Gebäuden entgegen dem Wortlaut von §24 Abs.2 ABauV bereits dann als selbständige Fassadenteile zu messen, wenn ihr gegenseitiger Abstand 7m einhält, hätte zur Folge, dass gegenüber dem Zustand vor der Gesetzesrevision vom 1.September 1991 in Fällen wie hier die Grenzabstände gegenüber Drittgrundstücken verkleinert würden. Dies war nicht Absicht des Gesetzgebers, im Gegenteil: Da Bauten, welche gestützt auf nachbarliche Vereinbarung näher zusammengebaut werden, in ihren Auswirkungen auf Drittgrundstücke wie eine zusammenhängende langgezogene Baute wirken können, wurde vielmehr durch den Erlass von §27 Abs.2 ABauV ein gewisser Ausgleich gesucht. Nach dieser Bestimmung kann die Bau- und Zonenordnung bestimmen, dass die für den Mehrlängenzuschlag massgeblichen Fassadenlängen von benachbarten Hauptgebäuden zusammengerechnet werden, wenn der Gebäudeabstand ein bestimmtes Mass unterschreitet (vgl. hierzu auch Robert Wolf/Erich Kull, Das revidierte Planungs- und Baugesetz (PBG) des Kantons Zürich, Schweizerische Vereinigung für Landesplanung, Bern 1992, Rz.188). Von dieser Kompetenz hat die Bau- und Zonenordnung der Stadt Zürich Gebrauch gemacht und in Art.14 Abs.3 BZO festgehalten, dass Fassaden von in offener Bauweise erstellten Hauptgebäuden zusammengerechnet werden, wenn diese den Gebäudeabstand von 7m unterschreiten. Umso mehr sind bei geschlossener Bauweise Fassadenteile bei der Ermittlung des Mehrlängenzuschlags gegenüber Nachbargrundstücken nach wie vor nur dann als selbständige Bauteile zu behandeln, wenn diese gegeneinander mindestens den bauordnungsgemässen doppelten Grenzabstand einhalten. Die gegenteilige Rechtsauffassung der Beschwerdeführenden ist unbegründet.
dd) Die BaurekurskommissionI hat im angefochtenen Entscheid weiter festgehalten, dass die Abstandsprivilegierung nach §260 Abs.3 PBG für die an den vorspringenden Fassadenteilen projektierten Balkone nicht zur Anwendung gelangen könne, da der Abstandsbereich bereits weit über das zulässige Mass hinaus beansprucht werde. Auch unter dem Gesichtspunkt von §357 Abs.1 PBG komme eine Baubewilligung nicht in Frage. Diese Ausführungen der Vorinstanz werden nicht substanziert in Frage gestellt. Es kann daher hierauf verwiesen werden (§70 i.V. mit §28 Abs.1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 [VRG]).
d) Zusammengefasst ergibt sich, dass die projektierten Balkonanbauten an den beiden vorspringenden Teilen der Westfassade infolge Verletzung der Abstandsvorschriften ohne Begründung eines Näherbaurechtes im Sinn von §270 Abs.3 PBG nicht bewilligungsfähig sind. Die von der Vorinstanz neu gefassten Auflagen Disp. Ziff. I.2 und I.3 der Baubewilligung vom 5.Dezember 2000, wonach für diese Balkone die Zustimmung der Eigentümer der benachbarten Grundstücke Kat.Nrn. 5 und 6 zu einem Näherbaurecht erforderlich auf diese Balkone zu verzichten sei, erweisen sich mithin als rechtmässig.
3. Die Beschwerde ist abzuweisen. ...
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