E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZZ.1995.30)

Zusammenfassung des Urteils ZZ.1995.30: Verwaltungsgericht

Das Bundesgericht hat in einem Urteil vom 5. April 1994 entschieden, dass ein Tierheim ausserhalb der Bauzone nur errichtet werden darf, wenn keine überwiegenden Interessen dagegen sprechen. Grössere Tierheime verursachen Immissionen, die in Wohn- und Gewerbezonen unzumutbar sind. Die Interessenabwägung hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter auch Lärmimmissionen. Im konkreten Fall einer Hundezucht in der Landwirtschaftszone wurde festgestellt, dass die Immissionen der Anlage noch als zumutbar gelten, jedoch Auflagen zur Begrenzung des Lärms erlassen werden sollen. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin entsprechende Massnahmen vorgeschlagen, die technisch und wirtschaftlich umsetzbar sind.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts ZZ.1995.30

Kanton:SO
Fallnummer:ZZ.1995.30
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid ZZ.1995.30 vom 08.12.1995 (SO)
Datum:08.12.1995
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Eine gewerbliche Hundezucht ist negativ standortgebunden
Schlagwörter: Lärm; Hunde; Landwirtschaftszone; Belastung; Bauzone; Immissionen; Anlage; Belastungsgrenzwert; Belastungsgrenzwerte; Experte; Geräusch; Empfindlichkeit; Lärmimmissionen; Interessen; Betrieb; Gewerbe; Hundezucht; Umgebung; Empfindlichkeitsstufe; Planungswert; Hundegebell; Tierheim; Standort; Bevölkerung; Belastungsgrenzwerten; Beurteilung; Bellen
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:118 Ib 17; 118 Ib 590;
Kommentar:
Brunner, Kommentar zum USG, Zürich, Art. 15, 1993

Entscheid des Verwaltungsgerichts ZZ.1995.30

Urteil des Bundesgerichts vom 5. April 1994 i.S. Verein Tierschutz A. betr. Tierheim B., z.T. abgedruckt in ZBl. 1995, S. 166). Es ist deshalb zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG, SR 700) erfüllt sind. Nach dieser Bestimmung dürfen zonenfremde Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen nur erstellt werden, wenn ihr Zweck einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert (lit. a) und wenn keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b).

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Bauvorhaben standortgebunden, wenn es aus technischen betriebswirtschaftlichen Gründen wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist wenn ein Werk, für das keine Planungspflicht besteht, wegen seiner Immissionen in einer Bauzone ausgeschlossen ist. Die Voraussetzungen beurteilen sich nach objektiven Massstäben; auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche der Einzelnen kommt es nicht an (BGE 118 Ib 17).

Der Betrieb eines Tierheims ist aus technischen betriebswirtschaftlichen Gründen auf einen bestimmten Standort ausserhalb der Bauzone nicht angewiesen. Hingegen verursachen grössere Tierheime mehr Immissionen, als in einer Bauzone geduldet werden können, weil das unvermeidliche Gebell der sich in den Gehegen und Ausläufen befindenden Hunde in einer Wohn-, Gewerbeund Industriezone für die Nachbarn in der Regel unzumutbar ist. Dies hat das Bundesgericht für die Haltung von 60 Huskies (ZBl. 1990, S. 187) und für den Betrieb eines Tierheimes für je 30 Hunde und Katzen (ZBl. 1995, S. 166) festgehalten.

Ist das Vorhaben standortgebunden, so bleibt zu prüfen, ob ihm am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG). Ob diese zusätzliche Voraussetzung als erfüllt erachtet werden kann, hängt von der Abwägung aller relevanten, einander gegenüberstehenden öffentlichen und privaten Interessen ab, insbesondere von den öffentlichen an der Verwirklichung des Bauvorhabens und den ebenfalls öffentlichen, die dagegen sprechen. (...) (Zu der planerischen Interessenabwägung vgl. SOG 1987, Nr. 24 und 1991, Nr. 36).

b) Die Interessenabwägung erfordert auch den Einbezug von Immissionen, vor allem - wie von den Beschwerdeführern geltend gemacht - von Lärm, der durch die Art des mit einem Bauvorhaben bezweckten Betriebes namentlich auf Wohngebiete bewirkt wird.

Eine gewerbliche Hundezucht mit Zwinger und Auslauf ist eine Anlage im Sinne von Art. 7 Abs. 7 USG und Art. 2 Abs. 1 LSV (BGE 118 Ib 590); der von ihr ausgehende Lärm beurteilt sich nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Umweltschutz (USG, SR 814.01) und der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV, SR 814.41) (ZBl. 1995, S. 166).

Nach dem Vorsorgeprinzip von Art. 11 Abs. 1 und 2 USG sind die Emissionen (Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen, Strahlen) durch Massnahmen bei der Quelle zu bekämpfen und soweit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist. Sie sind durch den Erlass von Emissionsgrenzwerten, Bauund Ausrüstungsvorschriften, Verkehrsund Betriebsvorschriften etc. einzuschränken, wobei die Begrenzungen durch Verordnungen oder, soweit solche fehlen, durch unmittelbar auf das Gesetz abgestützte Verfügungen erlassen werden (Art. 12 USG). Ziel des Gesetzes ist es, die Einwirkungen gesamthaft (Art. 8 USG) so zu begrenzen, dass die ganze Bevölkerung, auch Personengruppen mit erhöhter Empfindlichkeit, wie Kinder, Kranke und Betagte, nicht geschädigt belästigt wird (Art. 13 i.V.m. Art. 11 Abs. 3 USG). Für den Schutz vor Lärm durch ortsfeste Anlagen schreibt Art. 25 Abs. 1 USG zusätzlich vor, dass sie nur errichtet werden dürfen, wenn die von ihnen allein erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte in der Umgebung nicht überschreiten. Für einige häufige, oft als besonders störend wirkende Lärmquellen hat der Bundesrat gestützt auf Art. 13 Abs. 1 USG in den Anhängen 3 bis 7 der LSV mit den Belastungsgrenzwerten objektive Beurteilungskriterien aufgestellt, die auf die durchschnittliche Reaktion normal lärmempfindlicher Personen abgestützt sind.

Fehlen Belastungsgrenzwerte, so sind die Immissionen im Einzelfall soweit zu beschränken, dass nach dem Stand der Wissenschaft und der Erfahrung die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich gestört wird (Art. 15 USG, Art. 40 Abs. 3 LSV; BGE 118 Ib 590). Dabei soll nach der neuesten bundesgerichtlichen Praxis bei Tierlärm nicht nach einem Belastungsgrenzwert gesucht werden, denn dies sei wenig sinnvoll. Vielmehr sei der Lärm im Einzelfall unter Berücksichtigung seines Charakters, des Zeitpunkts (Tag / Nacht) bzw. der Häufigkeit seines Auftretens und der Ortsüblichkeit (Vorbelastung des Gebiets und Zonenlage) zu beurteilen. Der Akustiker könne dabei Hilfe leisten, indem er durch Bezüge zu verwandten Lärmarten, Analogieschlüsse den Beizug ausländischer Regelungen beweisbare Entscheidgrundlagen liefere (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 1. Dezember 1994 i.S. T. betr. Hundezucht in L.). (...)

Die Parzellen der Parteien liegen in der Landwirtschaftszone, weitab der Wohnzonen. Der Gewerbebetrieb der Beschwerdegegnerinnen gehört, wie bereits festgestellt, in die Landwirtschaftszone. Das 30 - 40 m höher gelegene Haus C. wird als Wohnhaus genutzt. Es liegt in einer Distanz von ca. 140 m zur Hundezucht. Die anderen in der Landwirtschaftszone verstreuten Wohnliegenschaften, ausser der Liegenschaft N., und die Wohnzonen werden von der Hundezucht nicht belastet. Bei der Beurteilung der Lärmimmissionen der Hundehaltung kann deshalb nicht einfach auf das subjektive Lärmempfinden der Beschwerdeführer abgestellt werden. Die Immissionen müssen objektiviert und mit den Belastungsgrenzwerten verglichen werden.

Die Ortsüblichkeit der Lärmimmissionen ergibt sich aus der Zonenzugehörigkeit (Brunner Ursula et al., Kommentar zum USG, Zürich 1993, N 18 zu Art. 15). Die Zumutbarkeit von Lärmimmissionen nach der Zonenlage wird im wesentlichen in den einschlägigen Empfindlichkeitsstufen bzw. den Belastungsgrenzwerten geregelt, die für die betreffende Stufe festgelegt sind. Das Gebiet ist von Lärm nicht vorbelastet, sondern ruhig. Die Landwirtschaftszone ist gemäss Art. 43 Abs. 1 lit. c LSV der Empfindlichkeitsstufe III (mässig störende Betriebe sind zugelassen) zuzuordnen, denn es handelt sich um eine gemischte Zone, die unterschiedliche Funktionen erfüllt, sicher jedoch den Lärm der landwirtschaftlichen Nutzung tolerieren muss. Das Bau-Departement legte gestützt auf Art. 44 Abs. 3 LSV i.V.m. § 17 kant. LSV zu Recht die Empfindlichkeitsstufe III fest.

Die standortbedingte ortsfeste Anlage der Bauherrschaft ist in dem Sinne neu, als die Bewilligung eines neuen Gewerbes verlangt wird. Die Lärmemissionen, welche eine derartigen Anlage allein erzeugt, dürfen deshalb die Planungswerte der entsprechenden Zone nicht überschreiten (Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV). In Anlehnung an Anhang 6 zur LSV gelten für Bauernhäuser im Landwirtschaftsgebiet (ausserhalb der Bauzone) dieselben Belastungsgrenzwerte wie für Anlagen der Industrie und des Gewerbes. Demnach kann der für tags festgelegte Planungswert von 60 dB (A) gemäss Empfindlichkeitsstufe III die Grenze bilden, unterhalb welcher gegen Einwirkungen aus Lärm in der Landwirtschaftszone kein Rechtsschutz beansprucht werden kann (ZBl. 1991, S. 86). Tagsüber ist folglich eine Belastung von 60 dBA und nachts eine solche von 50 dBA zumutbar, wenn sich nicht aus besonderen Umständen etwas anderes ergibt. Diese Werte sind aber in dieser Form nicht unmittelbar anwendbar, weil der Dauerschallpegel nicht für Hundelärm geschaffen wurde. Auch der Experte des Verwaltungsgerichts findet, die Überprüfung der Lärmverhältnisse anhand der Dauerschallpegel sei nur begrenzt sinnvoll.

Gemäss der Prognose der S. AG liegen die Immissionen der Anlage ohne Lärmdämmungsmassnahmen bei einem Beurteilungspegel von 62 dBA, was als Lärmimmissionen nach den im Anhang 6 zur LSV für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaftsbetriebe festgelegten Belastungsgrenzwerten noch als zumutbar gilt, bezogen auf Einwirkungen in Landwirtschaftszonen. Der Mittelungspegel liegt auch nach den Berechnungen des Experten des Verwaltungsgerichts sehr tief, nämlich zwischen 44 und 54 dB (S. AG = 51 dB Leq ohne Zuschläge). Das Bellen ist aber ein impulsartiges, kurzes Geräusch. Die Mittelwerte verwässern die Wirkung des Bellens. Die Heranziehung dieses Pegels kann deshalb nur eine Annäherung unter anderen liefern (Kommentar zum USG, a.a.O., N 18 zu Art. 15).

Beim Fehlen normierter Belastungsgrenzwerte zur Beurteilung, ob eine erhebliche Störung vorliegt, ist deshalb in Anlehnung an die Immissionsgrenzwerte auf die generelle Regelung von Art. 15 USG abzustellen. Die Immissionsgrenzwerte sind so festzulegen, dass nach dem Stand der Wissenschaft und der Erfahrung Immissionen unterhalb dieser Werte die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich stören. Der Richter hat aufgrund seiner Erfahrung im Einzelfall zu entscheiden, wobei ihn der Experte mit Analogieschlüssen zu unterstützen hat (URP 1994, S. 428).

Es ist deshalb zu prüfen, ob ein Hundegebell, das während ca. 50 Minuten mit 53 bis 58 dBA Lmax (Bellen der kleinen Hunde) und 57 bis 63 dBA Lmax (Bellen der grossen Hunde), verteilt auf die gesamten 4 1/2 Stunden, in einem Umgebungsgeräusch zwischen 34 bis 49 dBA (Grundgeräusch L99) und 41 bis 53 dBA (mittleres Geräusch L50) auftritt, in der vorliegenden Situation in der Landwirtschaftszone geduldet werden muss. Der Experte beurteilt diese Immissionen anhand folgender Überlegungen: Verglichen mit den Planungswerten, die beispielweise für den Strassenverkehr gelten (Lr in dB (A) = 60 bei Tag), sei die Lärmvorbelastung (energieaequivalenter Dauerschallpegel Leq = 35 - 40 dBA) in der Umgebung der Anlage sehr tief. Dies führe dazu, dass die Spitzenpegel aus dem Hundegebell (Lmax 55 - 60 dBA) gut hörbar seien. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass sich in diesem Bereich der Landwirtschaftszone die Lärmwerte der tiefen Grundbelastung anzupassen hätten. Die Beschwerdeführer müssten in der Landwirtschaftszone Geräusche eines Landwirtschaftsbetriebes tolerieren. Diese müssten tags den festgelegten Planungswert von 60 dB (A) und nachts von 50 dB (A) gemäss Empfindlichkeitsstufe III von Anhang 6 zur LSV für Bauernhäuser im Landwirtschaftsgebiet (ausserhalb der Bauzone) einhalten. Wenn derartige Geräusche, beispielsweise diejenigen eines Gebläses einer landwirtschaftlichen Tierzucht, in der Umgebung der Beschwerdeführer vorkämen, würden die Hundelaute in diesem zonengemässen Geräusch der Umgebung aufgehen. Diese Geräusche würden das Hundegebell der Hundehaltung weitgehend überdecken.

Das Gericht schliesst sich diesen Überlegungen des Experten aufgrund der Eindrücke am Augenschein grundsätzlich an. Die Hundezucht stört die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht. Belästigt werden die Bewohner zweier Liegenschaften, die das Geräuschniveau der Landwirtschaftszone dulden müssen, denn es kann nicht angehen, dass die zufällige Nachbarschaft zweier zonenfremder Wohnhäuser eine zonenkonforme standortgebundene Nutzung verunmöglichen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Emissionen der Hunde von den Emissionen eines Landwirtschaftsbetriebes mit Tierund Maschinenlärm teilweise unterscheiden. Es ergeben sich Abweichungen in der Höhe des Schallpegels und in der Häufigkeit und Dauer der vereinzelt wahrnehmbaren Bellaute. Der besonders lästige Charakter des Hundegebells und die damit verbundenen psychologischen Faktoren (Kommentar zum USG, a.a.O., N 17 zu Art. 15) müssen bei der Festlegung der Auflagen nach Art. 11 USG im Auge behalten werden.

Lärmimmissionen müssen so weit begrenzt werden, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist (Vorsorgeprinzip; Art. 11 Abs. 2 USG BGE 118 Ib 590). Der Experte schlägt vor, die Einwirkdauer des Hundegebells zu beschränken und den Wirkpegel unter ca. 50 dBA zu reduzieren. Der Augenschein und die Parteibefragung ergaben, dass die vom Experten vorgeschlagenen Massnahmen technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar sind. (...)

Verwaltungsgericht, Urteil vom 8. Dezember 1995



Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.