Zusammenfassung des Urteils ZZ.1995.20: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde der Stadt Grenchen gegen die Gutheissung der Verzugszinsforderung von L. durch den Präsidenten der Schätzungskommission ab. Es wurde festgestellt, dass die Verzugszinsforderung nicht aufgrund der langen Verfahrensdauer verwirkt wurde. Es wurde auch überprüft, ob die Verzugszinsforderung aus anderen Gründen abzuweisen ist, da es eine Differenz zwischen Gesetz und Reglement bezüglich des Zeitpunkts der Fälligkeit der Beitragsforderung gab. Das Gericht entschied, dass die Stadt Grenchen den Verzug nicht rechtzeitig geltend gemacht hatte und somit keine Verzugszinsen erhoben werden konnten.
| Kanton: | SO |
| Fallnummer: | ZZ.1995.20 |
| Instanz: | Verwaltungsgericht |
| Abteilung: | - |
| Datum: | 06.02.1995 |
| Rechtskraft: | - |
| Leitsatz/Stichwort: | Grundeigentümerbeiträge, Fälligkeit und Verzug |
| Schlagwörter: | Rechnung; Beiträge; Verzug; Fälligkeit; Verzugszins; Rechnungsstellung; Baugesetz; Zustellung; Zahlungsfrist; Zeitpunkt; Eröffnung; Recht; Zinspflicht; Reglement; Gesetzgeber; Veranlagung; Steuerrechnung; Urteil; Schätzungskommission; Verzugszinsforderung; Beitragsverfügung; Verfahrensdauer; Härte; Verzugszinspflicht; Vollendung; Anlage; Wortlaut; Voraussetzung |
| Rechtsnorm: | - |
| Referenz BGE: | - |
| Kommentar: | - |
2. Der Präsident der Schätzungskommission bezog sich in seinem Urteil auf § 112 Abs. 1 Planungsund Baugesetz (PBG, BGS 711.1) und §§ 15, 18 und 20 Grundeigentümerbeitragsverordnung (GBV, BGS 711.41). Die Beschwerdeführerin macht geltend, aufgrund der Übergangsregel von § 53 Abs. 1 GBV seien für den vorliegenden Fall das Baugesetz in der bis 30. Juni 1992 geltenden Fassung und das Kantonale Erschliessungsreglement (KER) in der bis 31. August 1992 geltenden Fassung massgebend. Diese Auffassung trifft aufgrund der Übergangsregelung von § 151 PBG zu, wonach das neue Gesetz anwendbar ist, sofern in den Ausführungserlassen nichts anderes geregelt ist. Da die entsprechenden Bestimmungen jedoch im neuen Recht gegenüber den alten unverändert blieben, spielt das im Ergebnis für die Rechtsanwendung keine Rolle.
3. § 20 KER lautet in den hier interessierenden Teilen wie folgt:
1 Die Beiträge werden mit der Zustellung der definitiven Beitragsverfügung fällig.
2 Nach Ablauf einer Zahlungsfrist von 30 Tagen wird die Beitragsforderung zum Zinssatz der Solothurner Kantonalbank für erste Hypotheken verzinslich. Dies gilt auch, wenn die Fälligkeit durch die Ergreifung eines Rechtsmittels hinausgeschoben wird.
Geht man allein von dieser Bestimmung aus, erscheint die Auffassung der Beschwerdeführerin, die sich mit derjenigen der Schätzungskommission deckt, grundsätzlich einleuchtend. Die Begründung, wonach der nicht bezahlende Grundeigentümer sonst privilegiert würde, indem er den geschuldeten Betrag selbst anlegen und einen Zins erzielen könnte, ist zutreffend.
Richtig ist auch, dass der Zinspflicht nicht Strafcharakter zukommt; der Verzugszins stellt vielmehr einen gesetzlich fingierten Schadenersatz dar. Im Abgaberecht kommt ihm darüber hinaus, wie geltend gemacht, die Bedeutung zu, die Abgabepflichtigen rechtsgleich zu behandeln. Eine Verwirkung der Zinsforderung infolge (über)langer Verfahrensdauer ist gesetzlich nirgends vorgesehen. Wie die Beschwerdeführerin mit Recht ausführt, ist im vorliegenden Fall zwar die Verfahrensdauer für das Einspracheverfahren ausserordentlich lang gewesen; dass sich ein Beschwerdeverfahren bis zum letztinstanzlichen Entscheid über mehrere Jahre hinzieht, kann jedoch nicht als aussergewöhnlich angesehen werden. Eine Verwirkung der Verzugszinsforderung kann deshalb nicht mit der langen Verfahrensdauer bzw. mit einer daraus entstandenen ausserordentlichen Härte für den Eigentümer begründet werden.
4. Zu prüfen bleibt, ob die Verzugszinsforderung aus einem andern Grund abzuweisen ist. Dabei ist zunächst die gesetzliche Regelung der Fälligkeit bzw. der Verzugszinspflicht zu überprüfen.
§ 112 Abs. 1 BauG lautet:
Die Beiträge sind mit der Vollendung der Anlage geschuldet und werden, unter Vorbehalt von Härtefällen, mit der Rechnungsstellung fällig.
Zwischen Gesetz und Reglement besteht somit zumindest vom Wortlaut her eine Differenz, was die Voraussetzung bzw. den Zeitpunkt der Fälligkeit der Beitragsforderung angeht. Das Gesetz spricht von Rechnungsstellung, das Reglement von der Zustellung der definitiven Beitragsverfügung. In der Praxis hat dieser Unterschied wohl deshalb bisher zu keinen Problemen geführt, weil in aller Regel und selbstverständlich mit der Eröffnung der definitiven Beiträge diese zugleich in Rechnung gestellt werden bzw. weil die Rechnungsstellung zugleich die Eröffnung der definitiven Beiträge beinhaltet.
Entstanden ist die Differenz beim Erlass der Baugesetzgebung. Im Entwurf zum Baugesetz lautete die entsprechende Vorschrift (damals § 113 Abs. 1) wie folgt:
Die Beiträge werden unter Vorbehalt von Härtefällen mit
der Vollendung der Anlage fällig.
Die Vorschrift wurde ohne Wortmeldung im Kantonsrat am 27. Juni 1978 so beschlossen (KRV 1978, S. 453). Bei der gleichentags stattfindenden Beratung des Kantonalen Erschliessungsreglementes wurde der Widerspruch zu § 20 Abs. 1 KER bemerkt. Der damalige Baudirektor versuchte zunächst, den Widerspruch als vermeintlichen zu erklären; beschlossen wurde dann jedoch, dass die beiden Bestimmungen überprüft würden und im Rahmen der Bereinigung des Baugesetzes darauf zurückgekommen werde (KRV 1978, S. 495 f.). An der Sitzung vom 3. Juli 1978 lag dann dem Kantonsrat der geänderte - dem heutigen Gesetz entsprechende - Wortlaut von § 113 Abs. 1 vor (KRV 1978, S. 654), welcher nach folgender Erklärung des Baudirektors ohne Wortmeldungen beschlossen wurde: "Es wird im Gesetz jetzt gesagt, wann die Beiträge geschuldet werden, und das Reglement besagt, wann diese Beiträge dann fällig werden, nämlich 30 Tage nach der Erstellung der definitiven Rechnung" (KRV 1978, S. 664).
Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich somit klar, dass der Gesetzgeber die Fälligkeit nicht bereits mit der Vollendung der Anlage eintreten lassen wollte, sondern erst später, nach Vorliegen der definitiven Abrechnung. Und der Gesetzgeber ging offensichtlich davon aus, dass mit der Eröffnung der definitiven Beiträge diese zugleich in Rechnung gestellt würden. Nur so lässt sich erklären, dass, um Übereinstimmung mit dem KER hinsichtlich des Zeitpunkts der Fälligkeit zu erhalten, die gesetzliche Regelung mit der Formulierung "mit der Rechnungsstellung" geändert wurde.
Zieht man zur Ermittlung des Sinns der Vorschrift von § 112 Abs. 1 BauG die im wesentlichen gleichen Regeln der Steuergesetzgebung bei, so zeigt sich, dass bei der Staatssteuer neben der Fälligkeit immer auch die Zustellung der Veranlagung und der Steuerrechnung - zumindest einer provisorischen - verlangt wird, damit die Zinspflicht nach Ablauf einer Zahlungsfrist von 30 Tagen zu laufen beginnt (§ 177 ff. StG). Ist bei Eintritt der Fälligkeit aus Gründen, die der Zahlungspflichtige nicht zu vertreten hat, eine Steuerrechnung noch nicht zugestellt, so beginnt die Zinspflicht 30 Tage nach deren Zustellung (§ 179 Abs. 3 StG). Für die Nebensteuern gelten dieselben Regeln, so für die Handänderungssteuer in § 215 StG und für die Erbschaftsund Schenkungssteuern in § 243 StG. Dabei ist in allen Fällen klar und selbstverständlich, dass mit der definitiven Veranlagung der veranlagte Betrag zugleich in Rechnung gestellt wird. Bei der direkten Bundessteuer hat die Bezugsbehörde nach der Praxis zu Art. 114 dem Steuerpflichtigen auf den Fälligkeitstermin des zweiten Jahres eine Zahlungsaufforderung zukommen zu lassen, und zwar auch dann, wenn in diesem Zeitpunkt die Veranlagung noch nicht definitiv vorgenommen worden ist (Masshardt, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 1985, N 3 zu Art. 113). Ist die definitive Steuerrechnung verspätet zugestellt worden, ohne dass auf den allgemeinen Fälligkeitstermin eine vorläufige Steuerrechnung ausgestellt wurde, so beginnt die Zinspflicht erst mit dem 31. Tage nach Zustellung der definitiven Rechnung (Masshardt, a.a.O., N 3 zu Art. 116).
Nach dem Wortlaut von Gesetz und Reglement sind also sowohl die Rechnungsstellung wie die Eröffnung der definitiven Beiträge Voraussetzung für die Fälligkeit und die 30 Tage später beginnende Verzugszinspflicht. Aus der Entstehungsgeschichte, nach dem Willen des Gesetzgebers, ergibt sich, dass mit der Eröffnung der definitiven Beiträge und der Rechnungsstellung derselbe Zeitpunkt bzw. derselbe Akt des Gemeinwesens gemeint ist. Eine definitive Abrechnung zuzustellen, ohne den verfügten Beitrag zugleich in Rechnung zu stellen, entspricht auch nicht dem Sinn des Erschliessungsrechts, wollte der Gesetzgeber doch, wie überall im Abgaberecht, dem Gemeinwesen ermöglichen, die unter Umständen erst provisorisch veranlagten Beiträge unabhängig vom Veranlagungsverfahren sogleich in Rechnung stellen zu können, um damit einerseits die Liquidität des Gemeinwesens, anderseits die Gleichbehandlung der Abgabepflichtigen sicherzustellen. Nur wenn die fälligen Beiträge zugleich in Rechnung gestellt werden, rechtfertigt es sich also, nach Ablauf der Zahlungsfrist den Verzug mit der Folge der Verzugszinspflicht eintreten zu lassen.
Im vorliegenden Fall hat die Stadt Grenchen in ihrer definitiven Beitragsverfügung vom 9. Januar 1989 ausdrücklich darauf verzichtet, den Beitrag in Rechnung zu stellen. Sie hat die Rechnungsstellung vielmehr auf den Zeitpunkt nach Erledigung des Beschwerdeverfahrens hinausgeschoben. Konsequenterweise hat sie dann bei Rechnungsstellung am 7. Juli 1992 die Zahlungsfrist von 30 Tagen angesetzt. Es fehlte damit 1989 eine Voraussetzung für den Eintritt des Verzuges und die Erhebung eines Verzugszinses. Der Verzug trat vielmehr erst 30 Tage nach Ablauf der Zahlungsfrist, also frühestens am 8. August 1992 ein.
Verwaltungsgericht, Urteil vom 6. Februar 1995
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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