Zusammenfassung des Urteils ZZ.1984.40: Verwaltungsgericht
Die solothurnische Praxis weicht von der bundesgerichtlichen Praxis ab, wenn es um die Zurechnung des Verschuldens von Hilfspersonen geht. Das Bundesgericht vertritt die Auffassung, dass Anwälte für das Verschulden ihrer Hilfspersonen verantwortlich sind. Die solothurnische Praxis hingegen betrachtet dies differenzierter und legt strengere Massstäbe an die Sorgfaltspflichten von Anwälten gegenüber ihren Hilfspersonen an. Im konkreten Fall wurde festgestellt, dass die Sekretärin unzweckmässig und unsorgfältig gehandelt hat, indem sie nicht rechtzeitig reagiert hat, als die Büropost verloren ging. Da die Beschwerdeführer nicht nachweisen konnten, dass ihr Anwalt nicht für die Verspätung verantwortlich war, wurde die Wiedereinsetzung abgelehnt.
| Kanton: | SO |
| Fallnummer: | ZZ.1984.40 |
| Instanz: | Verwaltungsgericht |
| Abteilung: | - |
| Datum: | 05.07.1984 |
| Rechtskraft: | - |
| Leitsatz/Stichwort: | Wiedereinsetzung in den vorigen Stand |
| Schlagwörter: | Quot; Praxis; Anwalt; Hilfsperson; Urteil; Sorgfalt; Brief; Verschulden; Hilfspersonen; Sekretärin; Ehemann; Hause; Mitternacht; Bürobetrieb; Verwaltungsgericht; Bundesgericht; Wiedereinsetzung; Abend; Mitternachtquot; Hausgenossen; Zustellungen; Übereinstimmung |
| Rechtsnorm: | - |
| Referenz BGE: | 107 Ia 169; 109 Ia 183; |
| Kommentar: | - |
Umgekehrt darf eine Praxis, welche das Verschulden der Hilfspersonen nicht anrechnet, nicht dazu führen, dass die Schuld am Versäumnis allzu leicht allein auf diese Personen geschoben werden kann. Um der Rechtssicherheit willen ist deshalb an die Sorgfalt, welche vom Anwalt bezüglich Auswahl, Instruktion und Ueberwachung der Hilfspersonen (inkl. Organisation des Bürobetriebes) erwartet wird, ein sehr strenger Massstab anzulegen. Es ist auch zu beachten, dass die Partei, welche die Wiedereinsetzung verlangt, nachweisen muss, dass der Anwalt die Sorgfaltspflichten betreffend Hilfspersonen erfüllt hat, und dass nicht etwa umgekehrt die Sorgfalt vermutet wird und dem Anwalt mangelnde Sorgfalt nachgewiesen werden muss.
2. Wie erscheinen nun die Vorgänge des fraglichen Abends im Lichte dieser Grundsätze? Die Sekretärin W. hat sich an jenem Abend offensichtlich unzweckmässig und unsorgfältig verhalten. Nachdem ihr -- durch die Wegnahme des parkierten Autos durch den Ehemann -- die Büropost abhanden gekommen war, hätte sie entweder den Ehemann zurückrufen ihren Chef benachrichtigen sollen. Es wird geltend gemacht, Frau W. habe angenommen, ihr Mann komme "noch vor Mitternacht" nach Hause. Aber erst, als es "gegen Mitternacht ging" (S. 4 der Beschwerdeschrift), hat sie überhaupt etwas unternommen, nämlich (vergeblich) versucht, ihren Mann telefonisch zu erreichen. So lange zu warten, war natürlich nicht verantwortbar. Sie hätte unverzüglich ihren Ehemann vom Fussballtraining abrufen sollen. War dies nicht möglich, hätte sie wiederum unverzüglich ihrem Chef die Sachlage mitteilen müssen. Dass dieser schlechthin nicht erreichbar gewesen wäre, wird nicht behauptet. Für den Chef wäre es durchaus möglich gewesen, eine neue, zum mindesten fristwahrende Eingabe zu erstellen und sie noch rechtzeitig der Post zu übergeben -- sei es am Dringlichkeitsschalter, sei es, mit entsprechenden beweissichernden Vorkehren, durch Einwurf in einen Briefkasten der Post (zu letzterem RB 1972 Nr. 24, BGE 109 Ia 183).Wenn der Bürobetrieb sorgfältig organisiert war, war es ohne weiteres möglich festzustellen, welche einzelnen Stücke der betreffenden Tagespost unbedingt noch an diesem Tage aufgegeben werden mussten. -- Die Sekretärin hat nun aber "bis gegen Mitternacht" gar nichts unternommen. Das war eine unverständliche Passivität, die man letztlich -- weil etwas anderes nicht dargetan ist -- nur damit erklären kann, dass die Sekretärin nicht gebührend instruiert war: Sollte Frau W. nicht gewusst haben, dass unter der abhanden gekommenen Post ein Brief war, der zur Fristwahrung unbedingt noch an diesem Tage bei der Post aufzugeben war, sollte sie nicht zum mindesten damit gerechnet haben, ein solcher Brief könnte dabei sein, war sie auf jeden Fall mangelhaft instruiert, beziehungsweise war der Bürobetrieb mangelhaft organisiert. Wusste hingegen Frau W., dass ein solcher Brief dabei war, nahm sie wenigstens an, es könnte einer dabei sein, und blieb sie trotzdem passiv, dann ist ihr Verhalten umso unverständlicher und nur dadurch zu erklären, dass sie zuwenig darüber instruiert war, welche Bedeutung der rechtzeitigen Postaufgabe zukommt und welche Anstrengungen zu unternehmen sind, um Zwischenfällen von der Art des vorliegenden zu begegnen. Ganz besonders fehlte es offenbar an der Anweisung, bei derartigen Situationen zum mindesten den Chef zu orientieren.
Nach allem haben die Beschwerdeführer nicht nachgewiesen, dass ihren Anwalt an der Verspätung kein Verschulden trifft. Unter diesen Umständen kann die Wiedereinsetzung nicht bewilligt werden.
Verwaltungsgericht, Urteil vom 5. Juli 1984
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