Zusammenfassung des Urteils ZZ.1979.23: Verwaltungsgericht
Das Urteil des Obergerichts Schaffhausen vom 1. März 1974 betrifft die Meliorationsgenossenschaft Buchberg-Rüdlingen. Es wird festgestellt, dass Wertänderungen nach Abschluss des Meliorationsverfahrens nicht zu Ausgleichsverfügungen führen sollen. Die Flurgenossenschaft und die Bodenverbesserungskommission berufen sich auf Wertsteigerungen vor dem Eigentumsübergang. Es wird diskutiert, ob eine Bonitierung widerrufen werden kann und ob Ausgleichszahlungen gerechtfertigt sind. Das Verwaltungsgericht entscheidet schliesslich, dass eine Änderung der Bonitierung nach so langer Zeit nicht mehr zulässig ist. Die angefochtenen Extrabelastungen werden aufgehoben.
| Kanton: | SO |
| Fallnummer: | ZZ.1979.23 |
| Instanz: | Verwaltungsgericht |
| Abteilung: | - |
| Datum: | 21.05.1979 |
| Rechtskraft: | - |
| Leitsatz/Stichwort: | Bodenverbesserung, Ausgleichszahlungen |
| Schlagwörter: | Neuzuteilung; Bonitierung; Widerruf; Verfügung; Wertsteigerung; Genehmigung; Revision; Zonenplan; Abänderung; Tausch; Bänziger; Flurgenossenschaft; Eigentümer; Tauschwert; Eigentums; Friedrich; Urteil; Eigentumsübergang; Grundstücke; Inkrafttreten; Zonenplanes; Interesse; Verfügungen; Tatsache; Quot; |
| Rechtsnorm: | - |
| Referenz BGE: | - |
| Kommentar: | - |
Nun beruft sich aber die Flurgenossenschaft neuerdings gar nicht mehr auf das Inkrafttreten des Zonenplanes, sondern macht geltend, schon bei der Auflage der Neuzuteilung im September 1963 sei eine Wertsteigerung gegenüber dem bonitierten Wert evident gewesen. Auch die Bodenverbesserungskommission beruft sich nicht auf das Inkrafttreten des Zonenplanes, sondern macht geltend, dass bei der Genehmigung der Neuzuteilung vom 20. März 1964 bereits der neue Zonenplan aufgelegen sei (Auflage Januar und Februar 1964). Flurgenossenschaft wie Vorinstanz berufen sich nun also auf Tatsachen, die vor dem Eigentumsübergang eingetreten sind. Wenn der Zonenplan, der 1968 rechtskräftig wurde, bereits im Januar/Februar 1964 auflag, ist in der Tat anzunehmen, dass er schon damals (ja wohl auch schon in den vorhergehenden Monaten, wo er vorbereitet wurde) Einfluss auf den Bodenwert hatte und insbesondere das für die Industriezone vorgesehene Land aufwertete. Eine Wertsteigerung, die vor dem Eigentumsübergang eingetreten ist, sollte nun aber grundsätzlich dem alten und nicht dem neuen Eigentümer zukommen. Nichtberücksichtigung des alten Eigentümers kann sehr stossend sein. An der Berücksichtigung der nachträglich eingetretenen Wertsteigerung kann deshalb ein wesentliches öffentliches Interesse bestehen. Rechtfertigt dieses öffentliche Interesse einen Widerruf der Bonitierung mit nachfolgendem Geldausgleich liegt eine Verfügung vor, die im Sinne von § 22 Abs. 2 VRG nach der Natur der Sache nicht nur beschränkt widerrufen werden kann?
c) Die im Laufe des Meliorationsverfahrens erlassenen Verfügungen sind nicht schlechthin unabänderlich. Die Genossenschaft kann vielmehr zur Wahrung öffentlicher Interessen, insbesondere bei neuen Verhältnissen, auf die Verfügung zurückkommen, sofern im Einzelfall eine Wertabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an einer Abänderung dem gegen die Abänderung sprechenden Rechtssicherheitsinteresse vorgeht (Praxis des Verwaltungsgerichtes des Kantons Graubünden 1972 Nr. 69; Friedrich, Das Verfahrensrecht der Güterzusammenlegung, Bl. für Agrarrecht 1970, Heft 1/2, S. 60; Bänziger, a.a.O., S. 125 f.; zur Widerruflichkeit der Verfügungen überhaupt: Imboden/Rhinow, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 5. A., S. 250 f. und die dort angeführte Bundesgerichtspraxis).Die neuere Doktrin nimmt einheitlich an, dass mindestens bis zur Genehmigung des Neuzuteilungsplanes eine Abänderung früherer Verwaltungsakte -- also auch der Bonitierung -- durchaus möglich sei (Friedrich, a.a.O.; Bänziger, a.a.O.; Antognini, Le respect de la garantie de la propriété dans les remaniements parcellaires, in Zbl. 1971, S. 9/10, und Bl. für Agrarrecht 1970, Heft 1/2, S. 34; ebenso der zitierte Entscheid des Verwaltungsgerichtes Graubünden).Die Autoren Friedrich und Bänziger (a.a.O.) lehnen hingegen für die Zeit nach der Genehmigung der Neuzuteilung eine Abänderungsmöglichkeit ab. Umgekehrt vertritt Antognini (a.a.O.) die Meinung, dass auch nach Rechtskraft der Neuzuteilung Ausgleichszahlungen verfügt werden dürften, die auf einer Neuschätzung der Tauschwerte beruhen. Es mag sein, dass die Autoren Friedrich und Bänziger, wenn sie Abänderungen nur bis zur Genehmigung der Neuzuteilung zulassen wollen, im besonderen an solche Abänderungen dachten, die sich auf die realen Neuzuteilungen auswirken sollen. Aber auch wenn die Bonitierung nur deshalb geändert wird, um eine Ausgleichszahlung zu begründen, stellt die rechtskräftige Neuzuteilung eine schwerwiegende Cäsur dar: Der Eigentümer, der die Zuteilung eines bestimmten Stück Landes akzeptiert und deshalb auf ein Rechtsmittel gegen die Neuzuteilung verzichtet, geht davon aus, dass er dieses Land im Tausch gegen das eingeworfene Land erhält, und er rechnet, wenn nichts Entsprechendes verfügt worden ist (wie das z. B. bezüglich der normalen Mehrzuteilungen, die in den aufgelegten Neubesitzlisten vermerkt sind, der Fall ist), nicht damit, dass er zusätzlich noch eine Geldzahlung leisten muss. Hätte er gewusst, dass mit dem zugeteilten Land ein bedeutender Geldausgleich verbunden ist, hätte er eventuell dieses Land abgelehnt und Einsprache erhoben. Es braucht nun aber nicht abschliessend entschieden zu werden, wie es sich mit dem Widerruf der Bonitierung nach der genehmigten Neuzuteilung verhält. Auf jeden Fall nämlich ist ein so später Widerruf, wie er vorliegend in Frage steht, nicht mehr möglich. Die Sonderbelastungen und damit der Widerruf der Bonitierung sind vom 26. März bis 4. April 1974 publiziert worden. Der Widerruf erfolgte also für die Betroffenen mehr als 10 Jahre nach Rechtskraft der Bonitierungsverfügung. Mehr als 10 Jahre waren aber -- wenn auf das Ende der Auflagezeit (4. April 1974) abgestellt wird -- auch seit der Genehmigung der Neuzuteilung verflossen und ebenfalls seit der Zeit, da den Organen der Flurgenossenschaft die neue Tatsache, d. h. die Wertsteigerung, bekannt war. (Die Flurgenossenschaft schreibt, dass die Wertsteigerung schon im September 1963 "evident" gewesen sei; zudem war den Organen der Flurgenossenschaft selbstverständlich der aufgelegte Zonenplan bekannt.) Dass bis zum Widerruf der Verfügung eine derart lange Zeit verfloss, ist vom Rechtssicherheitsinteresse aus unhaltbar (auch Antognini, a.a.O. will Ausgleichsforderungen, die auf einer Abänderung des Tauschwertes beruhen, nicht beliebig lange zulassen, sondern nur "dans un délai raisonnable").Die von der Verfügung Betroffenen, auch wenn sie seinerzeit ungerechtfertigterweise zuviel zu wertvolles Land erhalten haben, können sich darauf berufen, dass sie auf jeden Fall nicht noch nach so langer Zeit mit einem Zurückkommen auf die Bonitierung und einer daraus abgeleiteten Geldforderung rechnen mussten. Sie können unter Umständen auch geltend machen, dass sie sich während der langen Zeit wirtschaftlich anders verhalten hätten -- z. B. einen Verkaufsgewinn für die Ausgleichszahlung reserviert hätten --, wenn sie um das Zurückkommen auf den Tauschwert der Grundstücke gewusst hätten. Die Flurgenossenschaft war keineswegs durch die Umstände verhindert, das Zurückkommen auf den Tauschwert der Grundstücke rechtzeitig bekannt zu geben. Wenn die Wertsteigerung erst nach der Fertigstellung der Neuzuteilungsakten evident geworden sein sollte und der Vorstand eine Änderung der Neuzuteilung als praktisch nicht mehr durchführbar erachtet haben sollte, hätte der Vorstand eben unverzüglich die Ausgleichspflichten bekannt geben sollen, zum mindesten in Form eines entsprechenden Vorbehaltes. Das wäre zeitlich ohne weiteres noch vor der Genehmigung der Neuzuteilung möglich gewesen. Aber selbst wenn man eine solche prompte Reaktion als nicht zumutbar erachtet: Die Verfügung ist auch nicht in absehbarer Zeit nach der Genehmigung erfolgt, und sie ist nicht einmal -- 4 Jahre später -- nach dem Inkrafttreten des Zonenplanes erfolgt, sondern eben erst mehr als 10 Jahre nach dem Bekanntwerden der Wertsteigerung. An der Unzulässigkeit eines Widerrufs in so spätem Zeitpunkt ändert auch der Umstand nichts, dass die Bonitierung eventuell auch auf Antrag der früheren Eigentümer der betreffenden Grundstücke hätte abgeändert werden können. Die Wertsteigerung hätte offenbar eine neue Tatsache im Sinne von § 28 VRG dargestellt, und die betroffenen Eigentümer hätten zu ihren Gunsten eine Wiedererwägung oder, um die heute für dieses Rechtsmittel gebräuchliche Ausdrucksweise zu gebrauchen, die Revision verlangen können. Aber auch die Revision hätte nicht beliebig lange verlangt werden können. Die vorn erwähnten Autoren Friedrich und Bänziger wollen auch bei Vorliegen eines Revisionsgesuches nach der Genehmigung der Neuzuteilung eine Änderung nicht mehr zulassen (a.a.O.).Vor allem aber ist zu beachten, dass die Wiedererwägung (Revision) nach § 28 VRG vernünftigerweise überhaupt nicht beliebig lange verlangt werden kann. Eine ausdrückliche Frist enthält § 28 nicht. Für verwaltungsgerichtliche Urteile gilt, dass die Revision innerhalb eines Jahres seit Entdeckung des Revisionsgrundes und auf jeden Fall innerhalb von 10 Jahren seit Eröffnung des Urteils verlangt werden muss (§ 73 VRG in Verb. mit § 313 ZPO).Ob diese -- eher weitgehenden -- Fristen direkt auf die Verfügungen übertragen werden können, ist fraglich. Auf jeden Fall aber kommt für die Verfügungen nicht eine noch längere Befristung in Frage. Die früheren Eigentümer haben -- soweit aus den Akten ersichtlich -- nie ein Wiedererwägungs- (Revisions) Gesuch gestellt. Im Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung hätten sie ein solches Gesuch nicht mehr stellen können, die genannten äussersten Fristen waren längst abgelaufen. Man kann also -- das ergibt sich aus all diesem -- auch nicht etwa sagen, der Widerruf sei deshalb noch zulässig gewesen, weil wegen der gleichen Tatsache immer noch eine Revision zulässig wäre.
d) Aus allem folgt, dass ein Zurückkommen auf den Tauschwert und damit die Festsetzung einer auf neuem Tauschwert beruhenden Ausgleichungspflicht nicht mehr zulässig waren. Die angefochtenen Extrabelastungen sind aufzuheben.
Verwaltungsgericht, Urteil vom 21. Mai 1979
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