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Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZKBER.2023.13)

Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2023.13: Verwaltungsgericht

Die Mieterin A.___ hat gegen den Vermieter B.___ Klage auf Mietzinsherabsetzung für eine Wohnung und Hobbyräume erhoben. Das Amtsgericht entschied gegen die Mieterin, die daraufhin Berufung einlegte. Es geht um die Beweislast für die Missbräuchlichkeit des Mietzinses und die Orts- und Quartierüblichkeit. Das Obergericht entschied teilweise zugunsten der Mieterin und wies den Fall zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Die Gerichtskosten wurden auf CHF 2'500 festgesetzt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts ZKBER.2023.13

Kanton:SO
Fallnummer:ZKBER.2023.13
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Zivilkammer
Verwaltungsgericht Entscheid ZKBER.2023.13 vom 30.10.2023 (SO)
Datum:30.10.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Mietzins; Berufung; Beweis; Mietzinse; Miete; Vermutung; Mieter; Missbräuchlichkeit; Vermieter; Beweislast; Berufungsbeklagte; Berufungsklägerin; Herabsetzung; Mietzinses; Urteil; Vorinstanz; Amtsgerichtspräsidentin; Nettomietzins; Mietvertrag; Gericht; Bundesgericht; Anfangsmietzins; Entscheid; Hobbyraum; Referenzzinssatz; Verfahren; Klage
Rechtsnorm: Art. 104 ZPO ;Art. 243 ZPO ;Art. 269 OR ;Art. 269a OR ;Art. 270a OR ;Art. 8 ZGB ;
Referenz BGE:122 III 257; 127 III 411; 141 III 569; 147 III 431;
Kommentar:
Thomas Sutter, Thomas Sutter-Somm, Sutter-Somm, David, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich, Art. 104 OR, 2016

Entscheid des Verwaltungsgerichts ZKBER.2023.13

 
Geschäftsnummer: ZKBER.2023.13
Instanz: Zivilkammer
Entscheiddatum: 30.10.2023 
FindInfo-Nummer: O_ZK.2023.130
Titel: Forderung aus Mietvertrag (vereinfachtes Verfahren gemäss Art. 243 ff. ZPO)

Resümee:

 

Obergericht

Zivilkammer

 

Urteil vom 30. Oktober 2023               

Es wirken mit:

Präsidentin Hunkeler

Oberrichter Müller

Oberrichter Frey    

Gerichtsschreiber Schaller

In Sachen

A.___,

vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Brodbeck,

 

Berufungsklägerin

 

 

gegen

 

 

B.___,

vertreten durch Advokat Lukas Polivka,

 

Berufungsbeklagter

 

betreffend Forderung aus Mietvertrag (vereinfachtes Verfahren gemäss Art. 243 ff. ZPO)


zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

1. A.___ (Mieterin) hat mit B.___ (Vermieter) mehrere Mietverträge über zwei Wohnungen und vier Hobbyräume in [...] abgeschlossen. Nachdem die Mieterin vom Vermieter Mietzinsreduktionen gefordert hatte, teilte ihr dieser Änderungen der Mietverträge (für die beiden Wohnungen) mit. Am 1. Februar 2021 erhob die Mieterin in diesen und weiteren Streitgegenständen beim Richteramt Dorneck-Thierstein Klage gegen den Vermieter. Die Amtsgerichtspräsidentin vereinigte jeweils die Verfahren betreffend die Wohnung an der [...]strasse [...] (Verfahren DTZPR.2021.84) und betreffend die Wohnung und die Hobbyräume am [...]weg [...] in [...] (Verfahren DTZPR.2021.85). Im vorliegenden Verfahren geht es nur noch um die Mietzinsherabsetzungsbegehren für die 4 ½-Zimmerwohnung und die drei Hobbyräume am [...]weg [...] in [...]. Die Prozessgeschichte wird deshalb im Folgenden nur soweit wiedergegeben, als sie für die noch zu beurteilenden Fragen relevant ist. Insbesondere wird nicht auf den Hobbyraum 4 am [...]weg [...] eingegangen, der Gegenstand einer separaten Klage mit einer zweiten Klägerin war.

 

2. In Bezug auf die Mietzinssenkung stellte die Mieterin (im Folgenden die Klägerin) die folgenden Rechtsbegehren gegen den Vermieter (im Folgenden die Beklagte):

1.   Es sei der monatliche Nettomietzins der 4 ½-Zimmerwohnung am [...]weg [...] in [...] per 1. Oktober 2020 um CHF 446.40 auf CHF 1'323.60 und jener der beiden Parkplätze um CHF 30.25 auf CHF 89.75 herabzusetzen.

2.   Es sei der monatliche Nettomietzins des Hobbyraumes (15 m2; Mietvertrag vom 25.01.2010) am [...]weg [...] in [...] per 1. Oktober 2020 um CHF 21.25 auf CHF 98.75 herabzusetzen.

3.   Es sei der monatliche Nettomietzins des Hobbyraumes (20 m2; Mietvertrag vom 25.01.2010) am [...]weg [...] in [...] per 1. Oktober 2020 um CHF 26.55 auf CHF 123.45 herabzusetzen.

4.   Es sei der monatliche Nettomietzins des Hobbyraumes (20 m2; Mietvertrag vom 02.04.2004) am [...]weg [...] in [...] per 1. Oktober 2020 um CHF 43.15 auf CHF 206.85 herabzusetzen.

5.   Unter o/e-Kostenfolge zu Lasten des Beklagten.

 

3. Am 2. November 2022 fällte die Amtsgerichtspräsidentin in den vereinigten Verfahren betreffend die Mietobjekte am [...]weg [...] das folgende Urteil:

1.   Die Klage betreffend "Mietzinssenkung, Mängelbeseitigung und Mietzinsherabsetzung" bezüglich dem Hobbyraum 4 wird zufolge Rückzugs abgeschrieben.

2.   Die Klage betreffend "Mängelbeseitigung und Mietzinsherabsetzung" wird zufolge Rückzugs abgeschrieben.

3.   Auf die Klage betreffend "Mietvertragsänderung vom 17.06.2020" wird nicht eingetreten.

4.   Die Klage betreffend Mietzinssenkung wird abgewiesen.

5.   Die Klägerinnen haben dem Beklagten unter solidarischer Haftbarkeit eine Parteientschädigung von CHF 11'925.85 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.

6.   Die Gerichtskosten von CHF 4'400.00 haben die Klägerinnen unter solidarischer Haftbarkeit zu bezahlen. Sie werden mit dem geleisteten Gerichtskostenvorschuss verrechnet.

 

4. Gegen das begründete Urteil erhob die Klägerin (im Folgenden auch die Berufungsklägerin) am 27. Februar 2023 Berufung an das Obergericht. Sie stellte die folgenden Rechtsbegehren:

1. Es seien die Ziffern 4, 5 und 6 des Entscheids der Amtsgerichtspräsidentin vom 2. November 2022 vollumfänglich aufzuheben.

2. Dementsprechend sei der monatliche Nettomietzins der 4 ½-Zimmerwohnung am [...]weg [...] in [...] per 1. Oktober 2020 um CHF 446.40 auf CHF 1'323.60 und jener der beiden Parkplätze um 30.25 auf CHF 89.75 herabzusetzen.

3. Dementsprechend sei der monatliche Nettomietzins des Hobbyraumes (15m2; Mietvertrag vom 25.01.2010) am [...]weg [...] in [...] per 1. Oktober 2020 um CHF 21.25 auf CHF 98.75 herabzusetzen.

4. Dementsprechend sei der monatliche Nettomietzins des Hobbyraumes (20m2; Mietvertrag vom 25.01.2010) am [...]weg [...] in [...] per 1. Oktober 2020 um CHF 26.55 auf CHF 123.45 herabzusetzen.

5. Dementsprechend sei der monatliche Nettomietzins des Hobbyraumes (20m2; Mietvertrag vom 02.04.2004) am [...]weg [...] in [...] per 1. Oktober 2020 um CHF 43.15 auf CHF 206.85 herabzusetzen.

6. Unter o/e-Kostenfolge (zzgl. MWST zu 7.7%) zu Lasten des Berufungsbeklagten.

 

5. Der Beklagte (im Folgenden auch der Berufungsbeklagte) beantragte in seiner Berufungsantwort vom 1. Mai 2023, die Berufung sei vollumfänglich abzuweisen, sofern und soweit darauf eingetreten werden könne, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, u.K.u.E.F.

 

6. Auf die Ausführungen der Parteien und der Vorinstanz wird im Folgenden soweit entscheidrelevant eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.

II.

1. Die Amtsgerichtspräsidentin hat die Abweisung des Begehrens um Herabsetzung des Mietzinses damit begründet, dass das eingeholte gerichtliche Gutachten die Anfangsvermutung der Missbräuchlichkeit des Mietzinses umgestossen habe. Die Mieterschaft trage die Beweislast für die behauptete Missbräuchlichkeit des Mietzinses. Gemäss Art. 269a lit. a OR seien Mietzinse nicht missbräuchlich, wenn sie im Rahmen der orts- quartierüblichen Mietzinse lägen. Bei der Anfechtung des Mietzinses obliege der Nachweis der fünf Vergleichsobjekte der Mieterschaft. Die Vermieterschaft, welche nicht die Beweislast habe, müsse bei der Beweiserhebung loyal mitwirken und die Elemente liefern, die sie alleine halte. Bei der Vermutung der Missbräuchlichkeit handle es sich um eine tatsächliche Vermutung. Tatsächliche Vermutungen bewirkten keine Umkehr der Beweislast zu Gunsten des Vermutungsträgers, sondern beträfen lediglich die Beweiswürdigung. Der Vermutungsträger könne den ihm obliegenden (Haupt-)Beweis unter Berufung auf die tatsächliche Vermutung erbringen. Folglich trage im vorliegenden Fall die Klägerin die Beweislast betreffend die behauptete Missbräuchlichkeit des Mietzinses. Falls die Vermutung der Missbräuchlichkeit greife, könne der Beklagte an der Vermutung Zweifel streuen. Gelinge ihm das, so habe die Klägerin wiederum den vollen Beweis der Missbräuchlichkeit zu erbringen. Die Reduktion des Referenzzinssatzes führe zur Anwendbarkeit der Vermutung zugunsten der Klägerin, dass die aktuellen Mietzinse missbräuchlich seien. Die Auflistung des Gutachters und seine Aussagen vor Gericht eigneten sich für die Beurteilung der Entkräftung der Vermutung der Missbräuchlichkeit, zumal in diesem Stadium nicht der eigentliche Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit erfolgen müsse. Dadurch könne der Beklagte als Vermieter genügend Zweifel an der Richtigkeit der Indizien (Senkung des Referenzzinssatzes) der Missbräuchlichkeit des Mietzinses streuen. Es könne vorliegend deshalb nicht von einem missbräuchlichen Mietzins gesprochen werden.

 

2. Die Berufungsklägerin bringt zusammenfassend vor, dass die Vorinstanz von einer unrichtigen Beweismass- und Beweislastverteilung ausgegangen sei. Die Urteile A4_559/2015 vom 22. August 2016, E. 2.1 und 4A_250/2012 vom 28. August 2012, E. 2.3, auf welche die Vorderrichterin ihre Auffassung stütze, seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Im Fall A4_559/2015 habe die Mieterschaft ein Herabsetzungsbegehren gestellt und sich zur Begründung auf die Nettorendite berufen. Dort liege der Beweis für einen unzulässigen Ertrag beim Mieter. Die nicht beweisbelastete Partei müsse bei der Beschaffung der Unterlagen nach Treu und Glauben mitwirken und jene Belege einreichen, auf die nur sie Zugriff habe. Im Fall 4A_250/2012 habe das Bundesgericht beurteilen müssen ob ein von der Mieterschaft angefochtener Anfangsmietzins missbräuchlich sei. Das Bundesgericht habe ausgeführt, bei der Anfechtung des Anfangsmietzinses müsse die Mieterschaft die Tatsachen beweisen, die es erlaubten, die Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses festzustellen. Der Vermieter müsse jedoch bei der Beweisführung loyal mitwirken. Die Vorinstanz verkenne, dass die Berufungsklägerin das Herabsetzungsbegehren unter Berufung auf Art. 270a OR infolge des gesunkenen Referenzzinssatzes gestellt habe. Die Beweislastverteilung sei mit Blick auf die unterschiedlichen Berufungsgründe nicht identisch. Sie trage den Nachweis des von ihr geltend gemachten Senkungsgrundes. Mit dem gesunkenen Referenzzinssatz habe sie den Beweis der Missbräuchlichkeit des Mietzinses erbracht. Der Beweis der Orts- und Quartierüblichkeit des Mietzinses liege beim Berufungsbeklagten, da er diesen Einwand als rechtshindernde Tatsache gegen das Senkungsbegehren der Berufungsklägerin erhebe. Es genüge somit nicht, dass er lediglich Zweifel an der von ihr bewiesenen Missbräuchlichkeit erwecke. Gestützt auf das Gerichtsgutachten und die Ausführungen des Gutachters anlässlich der Hauptverhandlung gelinge dem Berufungsbeklagten der Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit nicht.

 

3. Diesen Ausführungen hält der Berufungsbeklagte zunächst im Wesentlichen entgegen, der Gutachter sei zum überzeugenden Ergebnis gelangt, dass schon die aktuellen Mietzinse für die in Frage stehenden Mietobjekte sehr günstig seien und evidentermassen weit unter dem orts- und quartierüblichen Rahmen lägen. Bei zutreffender Betrachtung wäre mit diesem Befund nicht nur die Vermutung der Missbräuchlichkeit der in Frage stehenden Mietzinse umgestossen, sondern vielmehr sogar der Nachweis dafür erbracht, dass die aktuellen Nettomietzinse als orts- und quartierüblich zu gelten hätten. Somit stelle sich die von der Klägerin in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gestellte Frage der Beweislastverteilung gar nicht. Wenn die aktuellen Mietzinse orts- und quartierüblich seien, bestehe schon von vornherein keine Grundlage für die von der Berufungsklägerin geforderten Mietzinssenkungen.

 

4.1 Mietzinse sind missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird (Art. 269 OR, erster Nebensatz). Mietzinse sind nach Art. 269a OR in der Regel nicht missbräuchlich, wenn sie insbesondere im Rahmen der orts- quartierüblichen Mietzinse liegen (lit. a) durch Kostensteigerungen begründet sind (lit. b). Nach Art. 270a Abs. 1 OR kann der Mieter den Mietzins als missbräuchlich anfechten und die Herabsetzung auf den nächstmöglichen Kündigungstermin verlangen, wenn er Grund zur Annahme hat, dass der Vermieter wegen einer wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen, vor allem wegen einer Kostensenkung, einen nach den Artikeln 269 und 269a übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt.

 

4.2 Mehr als andere Bestimmungen sind diejenigen über das mietrechtliche pretium iustum das Resultat eines politischen Kompromisses, welcher zu einer auf fundamentalen Widersprüchen beruhenden Gesetzgebung geführt hat. Sie stellt (nebeneinander!) auf die Ertragslage, die Vergleichsmiete und auf die Veränderung der Kostenfaktoren seit der letzten Mietzinsfestsetzung ab (Roger Weber in: Heinrich Honsell et al. [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Basel 2020, Art. 269 N 4). Art. 269 ist ein Bekenntnis zum Prinzip der Kostenmiete und führt zusammen mit der Anpassung an die Vergleichsmiete (Art. 269a lit. a) und der Erzielung einer kostendeckenden Bruttorendite (Art. 269a lit. c) zu einer absoluten, d. h. zu einer von der früheren Mietzinsgestaltung unabhängigen Berechnung des zulässigen Mietzinses (a.a.O., N 5). Relative Anpassungsgründe sind demgegenüber die Kostenveränderungen nach lit. b und der Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital nach lit. e. Dahinter steckt die Überlegung, dass ein zuvor angemessener Mietzins nicht missbräuchlich werden kann, solange er sich im Rahmen der allgemeinen Veränderungen seit der letzten Mietzinsfestsetzung hält, während zwangsläufig ein Missbrauchsverdacht aufkommt, wenn ein allgemein gesunkenes Kostenniveau nicht auf den Mietzins durchschlägt (a.a.O., 269a N 6).

 

5.1 Im vorliegenden Fall stützt die Berufungsklägerin ihre Herabsetzungsbegehren auf den gesunkenen Referenzzinssatz, also eine Kostenveränderung nach Art. 269a lit. b OR. Demgegenüber beruft sich der Berufungsbeklagte auf die Vergleichsmiete der Orts- und Quartierüblichkeit nach lit. a dieser Bestimmung. Die Berufung auf die Vergleichsmiete zur Abwehr eines Senkungsbegehrens gestützt auf relative Anpassungsgründe ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung voraussetzungslos zulässig (a.a.O., N 4b mit Hinweis auf BGE 122 III 257 E. 4; dasselbe ergibt sich im Übrigen auch aus dem von der Vorinstanz zitierten Urteil 4A_559/2015 = Pra 106 [2017] Nr. 93 E. 1.2). Die Beweislast für die Höhe der Vergleichsmiete trägt nach Art. 8 ZGB diejenige Partei, die daraus Rechte ableitet, mithin diejenige, welche das Kriterium für sich beansprucht (a.a.O., N 5; mit Hinweis auf BGE 127 III 411 = Pra 2002 Nr. 25, der die Beweislast gleich verteilt). Der Vermieter hat die Orts- und Quartierüblichkeit substantiiert, unter Beachtung des von der Rechtsprechung verlangten Nachweises nicht missbräuchlicher Mietzinse für vergleichbare Objekte darzutun (BGE 122 III 257 E.4). Schliesslich lag dem Fall BGE 141 III 569 (= Pra 2016 Nr. 99) dieselbe Konstellation zugrunde wie dem vorliegenden. Dort hat das Bundesgericht Folgendes festgehalten: «Wenn der Mieter aufgrund einer Senkung des Hypothekarzinses eine Herabsetzung des Mietzinses verlangt und der Vermieter sich auf die orts- quartierüblichen Mietzinse beruft, trägt der Vermieter die Beweislast für die üblichen Mietzinse». Damit hat das Bundesgericht die Beweislastverteilung für die vorliegende Konstellation entschieden. Die Beweislast für die Orts- und Quartierüblichkeit trägt der Vermieter.

 

5.2 Der Vollständigkeit halber wird nachfolgend auf die von der Amtsgerichtspräsidentin zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung eingegangen. Im Urteil 4A_559/2015 vom 22. August 2016 hat die Mieterin eine Ertragsberechnung verlangt und dass ihr die zu dieser Berechnung notwendigen Belege übergeben werden. Der Vermieter wehrte sich beim Bundesgericht erfolgreich dagegen, dass ihm eine Ertragsberechnung auferlegt wurde und ihn die Vorinstanz wegen seiner fehlenden Mitwirkung sanktioniert habe. In diesem Zusammenhang hielt das Bundesgericht fest, dass der Mieter die Beweislast für den zulässigen Ertrag der Liegenschaft trägt. Hier ging es um einen absoluten Anpassungsgrund, den der Mieter angerufen hatte. Auch im Urteil 4A_250/2012 vom 28. August 2012 haben die Mieter einen absoluten Anpassungsgrund geltend gemacht. Sie haben den Anfangsmietzins angefochten und sich dafür auf die Orts- und Quartierüblichkeit berufen. Sie hatten ernsthafte Beweise vorgelegt, die darauf hindeuteten, dass die Miete missbräuchlich ist. Die Vermieterin hingegen hatte es versäumt, Vergleichszahlen zur Ermittlung der ortsüblichen Mieten Belege für eine Renditeberechnung vorzulegen. Es ist der Vermieterin deshalb nicht gelungen, das Beweisergebnis in Zweifel zu ziehen, welches die Vorbringen der Mieter nahelegten. Auch im Entscheid BGE 147 III 431 ging es um eine Anfechtung des Anfangsmietzinses. Der Mieter stützte seine Anfechtung auf die tatsächliche Vermutung der Missbräuchlichkeit bei einer massiven Erhöhung des Anfangsmietzinses von deutlich über 10 %. Damit war der Beweis der Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses, den der Mieter trägt, aber noch nicht abschliessend erbracht. Vielmehr ist es der Vermieterin gelungen, beim Gericht begründete Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Vermutung der Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses zu erwecken. Nur in diesem Fall obliegt es dem Mieter, mit Hilfe von fünf Vergleichsobjekten bzw. einer amtlichen Statistik die Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses nachzuweisen. Im vorliegend zu beurteilenden Fall hingegen stützt sich das Herabsetzungsbegehren auf Art. 269a lit. b OR. Diese Bestimmung enthält eine gesetzliche Vermutung, wonach eine Senkung des Referenzzinssatzes einen Anspruch auf eine Herabsetzung des Mietzinses gibt. Eine gesetzliche Vermutung unterscheidet sich von einer tatsächlichen Vermutung, die auch natürliche richterliche Vermutung genannt wird. Eine solche Vermutung wirkt sich nur in der Beweiswürdigung aus. Sie verändert die Beweislastverteilung nicht (Max Guldener, Grundriss des Zivilprozessrechts, Bern 1984, Seite 143 f.).

 

6. Der Berufungsbeklagte stellt sich auf den Standpunkt, der Gutachter sei zum überzeugenden Ergebnis gelangt, die aktuellen Mietzinse lägen weit unter dem orts- und quartierüblichen Rahmen. Damit sei der Nachweis dafür erbracht, dass die aktuellen Nettomietzinse als orts- und quartierüblich zu gelten hätten, weshalb sich die Frage der Beweislastverteilung gar nicht stelle. Dieser Einwand scheitert daran, dass der erforderliche Nachweis gerade nicht erbracht ist. Im oben erwähnten Urteil 147 III 431 verlangt das Bundesgerichts, dass der Vermieter fünf Vergleichsobjekte zu bringen hat, die mit dem Vergleichsobjekt betreffend die relevanten Aspekte vergleichbar sein müssen (E. 4.3.3). Der Gutachter, der mit der Beurteilung des orts- und quartierüblichen Mietzinses beauftragt wurde, konnte gemäss eigenen Angaben keine passenden Vergleichsobjekte finden. Mit seinen Aussagen, wonach der umstrittene Mietzins fair und nicht überrissen sei, lässt sich kein Nachweis eines orts- und quartierüblichen Mietzinses erbringen. Auch seiner Auflistung mehrerer Einfamilienhäuser kommt keinerlei Beweiswert zu, da der Gutachter selbst festhält, diese seien aufgrund des Ausbaus, der Zimmeraufteilung und des Komforts nicht vergleichbar (AS 238). Entgegen den Ausführungen des Berufungsbeklagten fehlt es somit an einem Nachweis, dass der Mietzins, dessen Herabsetzung die Berufungsklägerin verlangt, orts- und quartierüblich ist.

 

7. Die Amtsgerichtspräsidentin hat ihrem Entscheid die Überlegung zugrunde gelegt, dass es dem Berufungsbeklagten gelungen ist, genügend Zweifel an der Vermutung der Missbräuchlichkeit des Mietzinses zu erwecken. Diese Folgerung beruht auf einer unzutreffenden Beweislastverteilung. Der gesunkene Referenzzinssatz begründet die Vermutung, dass der zuvor angemessene Mietzins missbräuchlich geworden ist, weil die entsprechende Kostensenkung nicht an die Berufungsklägerin weitergegeben worden ist. Dem Berufungsbeklagten ist der Beweis des Gegenteils, dass der beanstandete Mietzins im Rahmen des Orts- und Quartierüblichen liegt und damit nicht missbräuchlich ist, misslungen. Damit steht der Berufungsklägerin ein durch den gesunkenen Referenzzinssatz begründeter Herabsetzungsanspruch zu. Wegen der von ihr gezogenen Schlussfolgerung hat sich die Vorderrichterin gar nicht mit dem von der Berufungsklägerin geltend gemachten Herabsetzungsanspruch befassen müssen. Der Herabsetzungsanspruch wird für vier verschiedene Mietobjekte geltend gemacht. In Bezug auf die Wohnung wendet der Berufungsbeklagte zudem ein, die Berufungsklägerin gehe von einem falschen Hypothekarzinssatz aus. Weiter hat sich der Berufungsbeklagte bereits bei der Vorinstanz auf die seit den Vertragsabschlüssen eingetretene allgemeine Kostensteigerung berufen. Die Berufungsklägerin hat die allgemeine Kostensteigerung und wertvermehrenden Investitionen seitens des Berufungsbeklagten bestritten. Da sie die Missbräuchlichkeit verneint hatte, bestand für die Amtsgerichtspräsidentin ebenfalls keine Veranlassung, sich mit diesen Fragen zu befassen. Damit wurde ein wesentlicher Teil der Klage und der dagegen erhobenen Einwendungen nicht beurteilt und der dazugehörige Sachverhalt nicht festgestellt. Bei dieser Sachlage würde die Berufungsinstanz nicht neu im Sinne von Art. 318 lit. a ZPO, sondern in erheblichem Umfang als erste Instanz entscheiden. Schliesslich hat auch der Berufungsbeklagte eventualiter einen Rückweisungsantrag gestellt. Die Sache ist demnach gemäss Art. 318 Abs. 1 lit. c ZPO an die Amtsgerichtspräsidentin zurückzuweisen.

 

8. Die Berufungsklägerin ist zwar mit ihren Rügen gegen das angefochtene Urteil durchgedrungen. Trotzdem können die von ihr gestellten Rechtsbegehren nicht gutgeheissen werden. Die geltend gemachten Herabsetzungsansprüche werden von der ersten Instanz erst noch beurteilt werden müssen. Dementsprechend sieht Art. 104 Abs. 4 ZPO für einen Rückweisungsentscheid vor, dass die obere Instanz die Verteilung der Prozesskosten des Rechtsmittelverfahrens der Vorinstanz überlässt. Über die Höhe ihrer Gerichtskosten muss sich die obere Instanz aber auf alle Fälle aussprechen (David Jenny in: Thomas Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2016, Art. 104 N 11). Der Entscheid über deren Verteilung sowie der Entscheid über die Parteientschädigung wird der Vorinstanz überlassen. Bei der späteren Verlegung durch die Vorinstanz werden das endgültige Prozessergebnis und nicht das Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens entscheidend sein. Massgebend wird sein, welche Partei später mit ihren ursprünglichen Begehren in der Sache obsiegt (Hans Schmid / Ingrid Jent-Sørensen in: Paul Oberhammer et al. [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, Kurzkommentar, Basel 2021, Art. 104 N 7). Die Entscheidgebühr für das Berufungsverfahren wird auf CHF 2’500.00 festgesetzt. Diese wird mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Berufung wird teilweise gutgeheissen und die Ziffern 4, 5 und 6 des Urteils der Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein vom 2. November 2022 werden aufgehoben.

2.    Die Sache wird zur Beurteilung der geltend gemachten Herabsetzungsansprüche an die Vorinstanz zurückgewiesen.

3.    Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden auf CHF 2’500.00 festgesetzt. Diese werden mit dem von A.___ geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. Die Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein wird in ihrem Entscheid auch über die Verlegung der Gerichts- und der Parteikosten des Berufungsverfahrens zu befinden haben.

 

Rechtsmittel: Der Streitwert übersteigt CHF 15'000.00.

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts

Die Präsidentin                                                                 Der Gerichtsschreiber

Hunkeler                                                                           Schaller



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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