Zusammenfassung des Urteils VWBES.2024.60: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdeführer A. und B. stellten Asylgesuche in der Schweiz, die abgelehnt wurden. Nach mehreren Beschwerden und Verfahren vor verschiedenen Instanzen wurden sie nur mit Nothilfe unterstützt. Das Verwaltungsgericht wies ihre Beschwerde ab und entschied, dass sie keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben. Die Kosten des Verfahrens trägt der Staat Solothurn, da den Beschwerdeführern die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt wurde. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und die Beschwerdeführer müssen die Verfahrenskosten tragen, es sei denn, sie sind zur Nachzahlung in der Lage.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2024.60 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 26.06.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Sozialhilfe; Recht; Nothilfe; Person; Schweiz; Personen; Staat; Flüchtling; Verwaltungsgericht; Anspruch; Wegweisung; Entscheid; Beschwerde; Aufenthalt; Aufnahmerichtlinie; Asylgesuch; Asylsuchende; Schutz; Kinder; Ansatz; Zahlung; Verfügung |
Rechtsnorm: | Art. 12 BV ;Art. 123 ZPO ;Art. 31 KRK ; |
Referenz BGE: | 115 V 4; 122 II 193; 137 I 305; 140 I 141; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VWBES.2024.60 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 26.06.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2024.110 |
Titel: | Sozialhilfe |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 26. Juni 2024 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichterin Obrecht Steiner Gerichtsschreiberin Law In Sachen
1. A.___ 2. B.___
Beschwerdeführer
gegen
1. Departement des Innern, vertreten durch Rechtsdienst Departement des Innern
2. Amt für Gesellschaft und Soziales,
3. Sozialregion Unteres Niederamt,
Beschwerdegegner
betreffend Sozialhilfe zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___ und B.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) stellten am 22. Juni 2022 für sich und ihre Kinder in der Schweiz ein Asylgesuch. Mit Verfügung vom 30. August 2022 trat das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf das Asylgesuch nicht ein und verfügte die Wegweisung der Familie in den Dublin-Staat Kroatien. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht am 16. September 2022 ab.
2. Die Beschwerdeführer wandten sich am 16. Februar 2023 an den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes (CRC) und ersuchten um Erlass vorsorglicher Massnahmen.
3. Am 8. März 2023 wurden die Beschwerdeführer nach Kroatien überstellt. Nach erfolgter Überstellung informierte der CRC über den Eingang der Beschwerde und bat die Schweizer Behörden, den Vollzug der Wegweisung nach Kroatien im Sinne einer vorsorglichen Massnahme zu sistieren.
4. Nach der Wiedereinreise ersuchten die Beschwerdeführer am 23. März 2023 abermals um Asyl. Mit Verfügung vom 1. Juni 2023 trat das SEM wiederum auf das Asylgesuch nicht ein und ordnete den Vollzug der Rückweisung an, wobei dieser bis auf weiteres ausgesetzt wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Juni 2023 gut und wies die Sache zur erneuten Beurteilung an das SEM zurück.
5. Seit der Wiedereinreise in die Schweiz werden die Beschwerdeführer mit Nothilfe unterstützt. Deshalb beantragten die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer am 19. April 2023 beim Amt für Gesellschaft und Soziales (AGS), dass sie nicht von der Sozialhilfe auszuschliessen seien. Ferner sei von einer Unterbringung in ein Rückkehrzentrum zu verzichten und die vier Kinder seien per sofort einzuschulen. Die Anträge der Beschwerdeführer wies das AGS mit Verfügung vom 18. Juli 2023 ab.
6. Gegen den Entscheid des AGS erhoben die Beschwerdeführer am 27. Juli 2023 beim Departement des Innern (DDI) Beschwerde. Zwischenzeitlich wurden die Beschwerdeführer und ihre Kinder per 22. September 2023 der Sozialregion Unteres Niederamt (SRUN) zugewiesen, welche gleichentags die Verfügung erliess, dass die Beschwerdeführer mit Nothilfe im Umfang von CHF 7.00 pro Person unterstützt werden. Auch gegen diese Verfügung erhoben die Beschwerdeführer am 3. Januar 2024 Beschwerde.
7. Mit Entscheid vom 14. Februar 2024 wies das DDI die Beschwerden vollends ab, soweit darauf eingetreten werden konnte.
8. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer am 26. Februar 2024 Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragten neben der Aufhebung des Entscheides des DDI die rückwirkende Aufnahme in die Sozialhilfe per 29. März 2023. Zudem sei den Beschwerdeführern die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu erlauben.
9. In ihren Vernehmlassungen vom 27. März 2024 bzw. 3. April 2024 schlossen das DDI und das AGS auf vollumfängliche Beschwerdeabweisung unter Kostenfolge.
10. Mit Eingabe vom 21. Mai 2024 reichten die Beschwerdeführer diverse Schlussbemerkungen ein und zogen den Antrag um Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zurück.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Gemäss 31bis Abs. 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG, BGS 124.11) dürfen mit der Beschwerde keine neuen Begehren vorgebracht werden. Indem es sich bei dem vor Verwaltungsgericht vorgebrachten Rechtsbegehren, es sei den Beschwerdeführern die Aufnahme der Erwerbstätigkeit zu erlauben, um ein neues Begehren handelt, als vor der Vorinstanz vorgebracht wurde, ist auf dieses nicht einzutreten. Der entsprechende Antrag wurde mit Eingabe an das Verwaltungsgericht vom 21. Mai 2024 auch ausdrücklich zurückgezogen.
3.1 Nach Art. 81 des Asylgesetzes (AsylG, SR 124.31) erhalten Personen, die sich gestützt auf das AsylG in der Schweiz aufhalten und ihren Unterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können, die notwendigen Sozialhilfeleistungen, sofern nicht Dritte aufgrund einer gesetzlichen vertraglichen Verpflichtung für sie aufkommen müssen, bzw. auf Ersuchen hin Nothilfe. Zuständig für die Ausgestaltung, also die Festsetzung, Ausrichtung und allfällige Einschränkung der Leistungen sind die Kantone (Art. 82 Abs. 1 AsylG). Beim Leistungsanspruch ist zu unterscheiden zwischen Personen, die Asylsozialhilfe erhalten, und Personen, die lediglich einen Anspruch auf Nothilfe haben. Asylsozialhilfe wird Personen ohne rechtskräftigen Asyl- und Wegweisungsentscheid gewährt. Nothilfe erhalten Personen, die gemäss Art. 82 Abs. 1 und 2 AsylG keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben. Für die Asylsozialhilfe und die Nothilfe gilt das kantonale Recht, wenn nicht Art. 82, 83 und 83a AsylG die Asylverordnung 2 über Finanzierungsfragen vom 11. August 1999 (AsylV 2, SR 142.312) abweichende Regelungen enthalten (vgl. Constantin Hruschka, in: Marc Spescha/Hanspeter Thür/Andreas Zünd/Peter Bolzli/Constantin Hruschka [Hrsg.], Kommentar Migrationsrecht, 4. A., Zürich 2015).
3.2 Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid, denen eine Ausreisefrist angesetzt worden ist, werden von der Sozialhilfe ausgeschlossen (Art. 82 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Dieser Ausschluss von der Sozialhilfe steht nicht im Ermessen der zuständigen Kantone, sondern ist verpflichtend. Der Ausschluss aus der Sozialhilfe einer Person, die einen rechtskräftigen Wegweisungsentscheid mit Ausreisefrist erhalten hat, soll erst dann beendet werden, wenn eine anderweitige Entscheidung getroffen wurde (vgl. Hruschka, a.a.O., Art. 82 AsylG N. 3, 5). Während der Dauer eines ausserordentlichen Rechtsmittelverfahrens eines Asylverfahrens nach Art. 111c AsylG erhalten Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid und Ausreisefrist sowie Asylsuchende auf Ersuchen hin Nothilfe. Das gilt auch, wenn der Vollzug der Wegweisung ausgesetzt wird (Art. 82 Abs. 2 AsylG). Demgegenüber haben Asylsuchende und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung Anspruch auf Asylsozialhilfe. Der Ansatz dafür liegt unter dem Ansatz für die einheimische Bevölkerung (Art. 82 Abs. 3 AsylG). Der Nothilfeansatz liegt unter dem Ansatz für die Sozialhilfe, die Asylsuchenden und Schutzbedürftigen ohne Aufenthaltsbewilligung ausgerichtet wird (Art. 82 Abs. 4 AsylG), also unter jenem für die Asylsozialhilfe (vgl. Hruschka, a.a.O., Art. 82 AsylG N. 7).
3.3 Nach § 158 des Sozialgesetzes des Kantons Solothurn (SG, BGS 831.1) werden Personen mit illegalem Aufenthalt, insbesondere auch Personen mit einem rechtskräftigen Nichteintretensentscheid in Notlage nur im Rahmen einer Nothilfe unterstützt (Abs. 1). Die Notlage muss glaubwürdig nachgewiesen werden (Abs. 2).
3.4 Gemäss § 93 Abs. 3 der Sozialverordnung des Kantons Solothurn (SV, BGS 831.2) erhalten Personen, die mit rechtskräftigem Nichteintretens- Abweisungsentscheid weggewiesen werden und solche die Mehrfachgesuche gestellt haben, keine Leistungen nach den SKOS-Richtlinien. Sie sind nur im Rahmen der Nothilfe zu unterstützen. Vorbehalten bleiben Härtefälle. Der Regierungsrat erlässt Richtlinien.
3.5 Mit Regierungsratsbeschluss Nr. 2013/1224 vom 24. Juni 2013 hat der Regierungsrat des Kantons Solothurn die Pauschale für die Ausrichtung von Nothilfe an Personen mit rechtskräftigem Nichteintretens- Abweisungsentscheid und Wegweisungsentscheid angepasst. Zudem wurde festgehalten, dass gestützt auf Art. 82 Absatz 1 AsylG und § 158 SG diese Personengruppe keinen Anspruch auf reguläre Sozialhilfeleistungen hat. Bei Bedarf und auf Ersuchen hin ist lediglich Nothilfe nach Massgabe von Art. 12 BV auszurichten.
4.1 Das DDI erwog, die Beschwerdeführer hätten ein Mehrfachgesuch gemäss Art. 111c AsylG gestellt. Der Nichteintretensentscheid des SEM bzgl. das erste Asylgesuch sei in Rechtskraft erwachsen. Für solche Personen sehe der Gesetzgeber nur den Anspruch auf Nothilfe vor. Dies selbst dann, wenn der Vollzug der Wegweisung ausgesetzt werde. Zudem sei die Schweiz nicht Mitglied der EU und das Recht der Europäischen Union somit nicht verbindlich, wenn und soweit sie nicht durch bilaterale Verträge mit der EU in Teilen bzw. Bereichen an das Unionsrecht assoziiert sei. Im Asylbereich habe die Schweiz mit der EU das Dublin-Assoziierungsabkommen (DAA) abgeschlossen, mit dem sie einen Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GE-AS) übernommen habe, das sogenannte Dublin-System. Dazu zähle insbesondere die Dublin-II-Verordnung. U.a. die Aufnahmerichtlinie und Qualifikationsrichtlinie, welche soziale Standards für die Aufnahme von Flüchtigen vorsehe, habe die Schweiz ausdrücklich nicht übernehmen wollen.
4.2 Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, dass durch das DAA besondere Regeln gelten, die Art. 82 Abs. 2 AsylG vorgehen würden. Den Beschwerdeführern dürfe bis zur Überstellung die Vorteile des Status als asylsuchende Personen nicht entzogen werden. Die Beschwerdeführer seien nicht zur Ausreise verpflichtet, weshalb man sich nicht auf Art. 82 AsylG abstützen könne. Ferner liege kein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid des SEM vor. Gemäss Art. 17 Abs. 5 der EU-Aufnahmerichtlinien müsse das Leistungsniveau der den Asylbewerbern gewährten Leistungen mindestens demjenigen entsprechen, welches der Staat den eigenen Staatsangehörigen gewähre. Die Dublin-III-Verordnung müsse auch die Schweiz anwenden. Zudem sei nun gemäss Art. 27 der Dublin-III-Verordnung die Zuständigkeit für die Behandlung des Asylgesuchs auf die Schweiz übergegangen. Somit seien die Beschwerdeführer nach den Ansätzen für Asylbewerber zu unterstützen. Auch gemäss der Kinderrechtskonvention hätten die Kinder Recht auf das soziale Existenzminimum, welches nicht durch die Nothilfe gedeckt sei. Auch die EU-Aufnahmerichtlinien und die Flüchtlingskonvention würden verletzt werden, falls den Beschwerdeführern keine Sozialhilfe ausbezahlt werde. Ferner garantiere die Flüchtlingskonvention, die EU-Aufnahmerichtlinie und Art. 12 BV eine Grundlage für den Erhalt von Sozialhilfe. Das Verwaltungsgericht habe zu prüfen, ob das in der Aufnahmerichtlinie geltende Schutzniveau demjenigen von Art. 12 BV entspreche.
5.1 Auf das Gesuch der Beschwerdeführer um Gewährung von Asyl trat das SEM am 30. August 2022 nicht ein. Mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2022 wurde dieser Entscheid alsdann rechtskräftig. Am 23. März 2023 stellten die Beschwerdeführer ein zweites Asylgesuch, auf welches das SEM am 1. Juni 2023 wiederum nicht eintrat. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht am 16. Juni 2023 hingegen gut. In der Folge wurde die Verfügung des SEM aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an das SEM zurückgewiesen. Das erneute Asylgesuch der Beschwerdeführer vom 23. März 2023 ist deshalb als Mehrfachgesuch zu qualifizieren. Dies bestätigt auch eine E-Mail des SEM vom 12. April 2023, indem die Beschwerdeführer darüber informiert wurden, dass das Mehrfachgesuch entgegengenommen und behandelt werde. Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass das DDI von einem (hängigen) Mehrfachgesuch gemäss Art. 111c AsylG ausging.
5.2 Wie vorgängig bereits ausgeführt (II. E. 3.1 ff.) erhalten rechtskräftig weggewiesene Personen während der Dauer eines ausserordentlichen Rechtsmittelverfahrens eines Asylverfahrens nach Art. 111c AsylG auf Ersuchen hin lediglich Nothilfe (Art. 82 Abs. 2 AsylG). Die Beschwerdeführer wurden mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2022 entgegen ihrer Auffassung rechtskräftig aus der Schweiz in den Dublin-Staat Kroatien weggewiesen. Derzeit ist ein Asylverfahren im Sinn von Art. 111c AsylG hängig. Personen des Asylbereichs, welche über ein Revisions-, ein Mehrfach- Wiedererwägungsgesuch um Abänderung eines ursprünglich negativen Asylentscheids bzw. um einen neuen Entscheid ersuchen, sollen während der Dauer der erneuten Beurteilung ihrer rechtlichen Situation weiterhin wie abgelehnte Asylsuchende behandelt werden und auf Ersuchen hin lediglich Nothilfe erhalten (vgl. Teresia Gordzielik, Sozialhilfe im Asylbereich, Zwischen Migrationskontrolle und menschenwürdiger Existenzsicherung, Zürich - Basel - Genf 2020, S. 409). Damit haben die Beschwerdeführer gestützt auf Bundesrecht, wie auch nach kantonalem Recht lediglich Anspruch auf Nothilfe, nicht aber auf Sozialhilfe.
5.3 Die Umsetzung des Rechts auf Hilfe in Notlagen gemäss Art. 12 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 101, BV) obliegt den Kantonen. Vorbehältlich der aus Art. 12 BV fliessenden verfassungsmässigen Mindestgarantien sind die Kantone in der Ausgestaltung der Art und Weise von Nothilfeleistungen frei. Für Asylsuchende und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung ist die Unterstützung nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen auszurichten. Der Ansatz für die Unterstützung liegt unter dem Ansatz für die einheimische Bevölkerung (Art. 82 Abs. 3 AsylG). Die Nothilfe ist nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen an den von den Kantonen vom Bund bezeichneten Orten auszurichten. Der Ansatz für die Unterstützung liegt unter dem Ansatz für die Sozialhilfe, die Asylsuchenden und Schutzbedürftigen ohne Aufenthaltsbewilligung ausgerichtet wird (Art. 82 Abs. 4 AsylG). Nach Art. 12 BV hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf jene Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind, wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen. Dieses Grundrecht gilt auch für ausländische Staatsangehörige, die sich illegal in der Schweiz aufhalten. Die Ursachen der Notlage sind unerheblich. Nothilfe gewährleistet Obdach, Nahrung, Kleidung und die medizinische Notfallversorgung. Auf eine darüberhinausgehende Hilfe besteht kein Anspruch. Personen mit einem Aufenthaltsrecht in der Schweiz erhalten Sozialhilfe, die über die verfassungsmässig garantierte Minimalhilfe hinausgeht. Personen ohne Aufenthaltsbewilligung können sich dagegen nur auf den Minimalstandard der Nothilfe berufen. Leistungen über dieses Minimum hinaus werden nicht vom sachlichen Geltungsbereich von Art. 12 BV erfasst, sondern nach der anwendbaren Sozialhilfegesetzgebung ausgerichtet. Der vollständige Entzug von Sozialhilfeleistungen stellt, sofern das verfassungsrechtliche Minimum unterschritten wird, nach Bundesgericht einen Eingriff in das Recht auf Hilfe in Notlagen dar (vgl. BGE 122 II 193 E. 2b/cc; 130 I 75). So gesehen ist Art. 12 BV Bestandteil der Sozialhilfe und bezeichnet das absolut erforderliche Minimum, das für eine menschenwürdige Existenz unabdingbar ist. Art. 12 BV ist dann relevant, wenn kein Anspruch auf Sozialhilfe mehr besteht, so insbesondere bei weggewiesenen Asylbewerbern. Die Beschwerdeführer erhalten Nothilfe, wodurch ihre minimalen existenziellen Bedürfnisse gedeckt werden. Eine darüber hinausgehende Hilfe, auch im Sinne von Sozialhilfeleistung, besteht gestützt auf obgenannte Ausführungen nicht. Das Schutzniveau von Art. 12 BV entspricht demjenigen der Aufnahmerichtlinie, zumal gemäss Art. 17 Abs. 2 der Aufnahmerichtlinie die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die gewährten materiellen Aufnahmebedingungen einem Lebensstandard entsprechen, der die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylbewerber gewährleistet. Art. 20 erlaubt die Einschränkung den Entzug der gewährten Vorteile bei Vorliegen bestimmter Umstände (so etwa bei Zweitgesuchen). Somit zielen die Ausführungen der Beschwerdeführer ins Leere und sie haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe gestützt auf Art. 12 BV.
5.4 Mit der Umsetzung des Dublin-Assoziierungsabkommen der Schweiz mit der Europäischen Union (DDA, SR 0.412.392.68) wurde ein weiterer Nichteintretensgrund, zwar bei Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates für die Prüfung eines Asylgesuchs nach den Kriterien der Dublin-Verordnung eingeführt, welcher nach rechtskräftigem Nichteintretensentscheid ebenso den Nothilfebezug für Asylsuchende vorsieht. Im Zuge der Revision 2012/2014 wurde das Verfahren über Mehrfachgesuche neu geregelt und festgelegt, dass auch während der Dauer eines weiteren Asylgesuchs die Betroffenen auf Ersuchen hin nur Nothilfe erhalten. Bei der Revision ging es darum, den Betroffenen den besonderen Status der Asylsuchenden vorzuenthalten, mit dem die (Wieder-)Aufnahme in den Kreis der Sozialhilfeberechtigten im Asylbereich verbunden ist, und vor Ablauf von fünf Jahren bei Einreichung eines neuen Gesuchs zu verhindern, dass Personen kurzzeitig zuwarten, nur um erneut Sozialhilfe zu erhalten und den Sozialhilfestopp zu unterwandern. Die Beschwerdeführer können somit auch nicht gestützt auf das DDA einen Anspruch auf Sozialhilfe ableiten.
5.5 Die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU ist für die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied nicht bindend. Wenn allerdings die für die Schweiz verbindliche Dublin-III-VO konkret auf klar bestimmte Normen der Richtlinie verweist, werden diese trotzdem für die Schweiz verbindlich (vgl. Ziffer 11 der Dublin-III-VO). In Art. 17 Abs. 5 Satz 2 der EU-Aufnahmerichtlinie wird ausdrücklich festgehalten, dass die Mitgliedstaaten Antragsstellern eine weniger günstige Behandlung im Vergleich mit eigenen Staatsangehörigen zuteilwerden lassen können. Eine Gleichbehandlung mit eigenen Staatsangehörigen wird damit regelmässig während des Verfahrens auf Gewährung internationalen Schutzes nicht vorgesehen, auch nicht nach einer gewissen Aufenthaltsdauer im Aufnahmestaat (vgl. Gordzielik, a.a.O., S. 276). Ferner gewährt die Aufnahmerichtlinie - ungeachtet der Frage, ob die Richtlinie und die dazu ergangene Rechtsprechung für die Schweiz aufgrund der Dublin-Assoziierung verbindlich ist - keine umfangreicheren Leistungen als die Mindestleistungen gemäss Art. 12 BV (vgl. BGE 140 I 141). Ergo rechtfertigt auch die Aufnahmerichtlinie keinen Bezug von Sozialhilfe.
5.6 Der Begriff der «öffentlichen Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen» wird in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht definiert. Die Literatur geht davon aus, dass er zwar bis zu einem gewissen Grad in Abhängigkeit zur nationalen Begriffsbestimmung steht, gleichwohl aber weit auszulegen ist. Jedenfalls werden eine Reihe von Bereichen der allgemeinen Wohlfahrt erfasst, einschliesslich der Gewährung von Nahrung und weiterer Sozialhilfeleistungen, der Not(fall)hilfe sowie der medizinischen Versorgung. In diesen Bereichen geniessen Flüchtlinge Gleichbehandlung mit den eigenen Staatsangehörigen, wenn sie sich rechtmässig im Gebiet eines Vertragsstaats aufhalten. Dies trifft nach einhelliger Auffassung auf jeden Fall auf Personen zu, welche ein nationales Statusfeststellungsverfahren durchlaufen haben, von einem Vertragsstaat als Flüchtling anerkannt wurden und nach nationalem Recht berechtigt sind, sich auf dem Hoheitsgebiet dieses Staates aufzuhalten. Umstritten ist allerdings, ob auch Personen, welche erst noch um Schutz ersuchen, als rechtmässig aufhältig angesehen werden können, damit sie eine Gleichbehandlung mit der inländischen Bevölkerung nach Art. 23 GFK geltend machen können (vgl. Gordzielik, a.a.O., S. 124 f.). Nach Art. 23 GFK gewähren die vertragsschliessenden Staaten den auf ihrem Gebiet rechtmässig sich aufhaltenden Flüchtlingen die gleiche Fürsorge und öffentliche Unterstützung wie den Einheimischen. Fraglich ist, ob «Flüchtling» im Sinne von Art. 23 GFK nur ist, wer als solcher anerkannt ist, aber auch wer - unabhängig ob dies bereits im Asylverfahren festgestellt wurde - die Flüchtlingseigenschaft besitzt, was zur Folge hätte, dass Asylsuchende so lange als Flüchtlinge zu behandeln sind, bis ihre Behauptung, die Flüchtlingseigenschaft zu besitzen, rechtskräftig widerlegt ist. Nach Auffassung des damaligen Bundesamtes für Migration (heute: SEM), kommen die Bestimmung der GFK erst ab der Anerkennung als Flüchtling zur Anwendung (vgl. BGE 115 V 4 E. 2b). Auch nach einer Lehrmeinung schützt Art. 23 GFK nur anerkannte Flüchtlinge (vgl. Wolfgang Eckert, Begriff und Grundzüge des schweizerischen Flüchtlingsrechts, Zürich 1977, S. 117). Einer weiteren Auffassung nach, gehöre Art. 23 GFK zu jenen Artikeln, deren Anwendung mehr als bloss legalen Aufenthalt, d.h. klare Indizien wie Anerkennung als Flüchtling, verfestigten Aufenthaltsstatus die Ausstellung eines Reisedokuments voraussetzt (vgl. Guy Goodwin‐Gill/Jane McAdam, The Refugee in International Law, 3rd ed., Oxford 2007, S. 526). Wiederum eine andere Auffassung betont, die Gleichbehandlung gemäss Art. 23 GFK müsse während des Asylverfahrens nicht gewährt werden (vgl. James Hathaway, The Rights of Refugees under International Law, Cambridge 2005, S. 807). Mehrheitlich wird argumentiert, dass das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 23 GFK grundsätzlich erst mit der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft greifen soll, mithin, wenn die betroffenen Personen nach den Vorgaben des innerstaatlichen Rechts als Flüchtlinge anerkannt wurden (vgl. Gordzielik, a.a.O., S. 124 f.). Art. 23 GFK steht somit einer Reduktion der Leistungen auf Nothilfe nicht entgegen (vgl. https://www.ekm.admin.ch/dam/ekm/de/data/themen/skmr-gutachten-nothilfe-d.pdf.download.pdf/skmr-gutachten-nothilfe-d.pdf; zuletzt besucht am 18. Juni 2024), weshalb die Beschwerdeführer auch nicht gestützt auf die GFK Sozialhilfe beanspruchen können.
5.7 Die für die Schweiz im Jahr 1997 in Kraft getretene Kinderrechtskonvention (Übereinkommen über die Rechte des Kindes, KRK, SR 0.107) verankert in Art. 27 das Recht jedes Kindes auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandard. Die KRK sichert ein Existenzminimum zu, das über ein biologisch-physisches Überleben hinausgeht. Dieses Existenzminimum wird in Art. 31 KRK kinderspezifisch präzisiert. Art. 31 KRK spricht Kindern ein Recht auf Freizeit, auf Spiel und altersgemässe aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben zu, betont damit den hohen Stellenwert von Freizeit und Spiel in der sozialen und kognitiven Entwicklung eines Kindes und erklärt Freizeit- und Spielaktivitäten implizit zu Teilgehalten des in Art. 27 KRK geschützten angemessenen Lebensstandards. Das KRK gibt als UN-Konvention keine bestimmten Leistungsstandards für die Schweiz vor. Als «soft law» ist sie nicht rechtsverbindlich, sondern kann für die Ausgestaltung der Einrichtungen der Sozialhilfe und die Auslegung der völkerrechtlichen Vorgaben als Inspirationsquelle dienen (vgl. BGE 137 I 305 E. 6.5). Einen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe gestützt auf die KRK können die Beschwerdeführer somit nicht für sich beanspruchen.
6. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten ist.
7.1 Bei diesem Ausgang hätten die Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1'500.00 festzusetzen sind. Die Beschwerdeführer haben jedoch die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege beantragt, wobei über das Gesuch bisher nicht entschieden wurde. Die Voraussetzungen für die Bewilligung des Gesuchs sind erfüllt. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege trägt der Staat Solothurn die Verfahrenskosten. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald die Beschwerdeführer zur Nachzahlung in der Lage sind (§ 58 Abs. 1 VRG i.V.m. Art. 123 Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]).
7.2 Rechtsanwalt Guido Ehrler macht einen Aufwand von total 12.25 Stunden à CHF 250.00 geltend. Der geltend gemachte Aufwand erscheint in Anbetracht des Umfangs der Beschwerde und der Akten angemessen. Fotokopien sind nach § 21 Abs. 5 des Gebührentarifs (BGS 615.11) mit jeweils CHF 0.50 abzugelten. Die Stunde ist bei unentgeltlicher Rechtspflege mit CHF 190.00 zu entschädigen (§ 160 Abs. 3 des Gebührentarifs [GT, BGS 615.11] i.V.m. Beschluss der Gerichtsverwaltungskommission betreffend Festlegung Stundenansätze nach § 156 und 160 GT vom 19. Dezember 2022). Die Entschädigung beläuft sich demnach auf CHF 2'575.90
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird bewilligt. 3. Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'500.00 werden A.___ und B.___ zur Bezahlung auferlegt, sind aber zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege durch den Staat Solothurn zu tragen; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald werden A.___ und B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO). 4. Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes, Rechtsanwalt Guido Ehrler, wird auf CHF 2'575.90 (inkl. MwSt.) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat Solothurn zu bezahlen; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren sowie der Nachzahlungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistands im Umfang von CHF 794.55 (inkl. MwSt. von 8.1%), beides, sobald werden A.___ und B.___ zur Nachzahlung in der Lage sind (Art. 123 ZPO).
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Thomann Law
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