Zusammenfassung des Urteils VWBES.2023.376: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht hat in einem Fall von Ausschaffungshaft entschieden, dass die Haft des Beschwerdeführers aufgrund von fehlender Kooperation und Untertauchensgefahr gerechtfertigt ist. Der Beschwerdeführer hatte sich mehrfach strafbar gemacht und war illegal in der Schweiz. Trotz medizinischer Bedenken wurde die Haft als verhältnismässig eingestuft. Das Gericht wies die Beschwerde ab und bewilligte die unentgeltliche Rechtspflege für den Beschwerdeführer. Der Entscheid kann beim Bundesgericht angefochten werden.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2023.376 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 21.12.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Ausschaffung; Beschwerde; Ausschaffungshaft; Migration; Operation; Schweiz; Verfügung; Beschwerdeführers; Migrationsamt; Verwaltungsgericht; Entscheid; Gefängnis; Behandlung; Hungerbühler; Gefängnisarzt; Vollzug; Rückführung; Ausreise; Vorinstanz; Ausländer; Versorgung; Wunde; Urteil |
Rechtsnorm: | Art. 123 ZPO ;Art. 79 AIG ;Art. 80 AIG ; |
Referenz BGE: | 134 I 92; 139 I 206; |
Kommentar: | - |
Geschäftsnummer: | VWBES.2023.376 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Entscheiddatum: | 21.12.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_VW.2023.268 |
Titel: | Ausschaffungshaft |
Resümee: |
Verwaltungsgericht
Urteil vom 21. Dezember 2023 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichterin Obrecht Steiner Gerichtsschreiberin Blut-Kaufmann In Sachen A.___, vertreten durch Lea Hungerbühler, AsyLex, hier vertreten durch Patricia Bührer, AsyLex,
Beschwerdeführer
gegen
1. Haftgericht,
2. Departement des Innern, vertreten durch Migrationsamt,
Beschwerdegegner
betreffend Ausschaffungshaft zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer genannt) reiste am 7. Oktober 2013 in die Schweiz ein und stellte am 11. Oktober 2013 ein Asylgesuch, auf welches das damalige Bundesamt für Migration (BFM) nicht eintrat. Auf die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde trat das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 6. Januar 2014 nicht ein. Der Entscheid erwuchs in Rechtskraft. Die Ausreisefrist wurde auf den 7. Januar 2014 festgesetzt und der Kanton Solothurn mit dem Vollzug der Wegweisung beauftragt.
2. In der Folge war der Beschwerdeführer diverse Male unbekannten Aufenthalts und musste beim Staatssekretariat für Migration (SEM) als untergetaucht abgemeldet werden. Zudem trat der Beschwerdeführer wiederholt strafrechtlich in Erscheinung, sodass Verurteilungen unter anderem wegen rechtswidrigen Aufenthalts, Raufhandels, versuchter schwerer Körperverletzung und Diebstahls erfolgten. Der Beschwerdeführer verbüsste diverse Freiheitsstrafen.
3. Im August 2021 teilten die marokkanischen Behörden mit, dass der Beschwerdeführer als marokkanischer Staatsangehöriger anerkannt worden sei. Eine Rückführung nach Marokko scheiterte in der Folge jedoch an den Massnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Am 28. April 2022 war der Beschwerdeführer wiederum unbekannten Aufenthaltes und wurde schliesslich im Februar 2023 im RIPOL zur Wegweisung ausgeschrieben.
4. Der Beschwerdeführer wurde hernach wieder verhaftet und verbüsste vom 9. Juni bis zum 13. August 2023 eine (Ersatz-)Freiheitsstrafe. Am 28. Juli 2023 gewährte das Migrationsamt (MISA) dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör und ordnete mit Verfügung vom 9. August 2023 Ausschaffungshaft ab dem 14. August 2023 bis zum 13. November 2023 an. Das Haftgericht genehmigte die Ausschaffungshaft mit Verfügung vom 14. August 2023. Den für den 17. August 2023 geplanten Flug verweigerte der Beschwerdeführer.
5. Auch am 19. September 2023 verweigerte der Beschwerdeführer die polizeilich begleitete Ausreise, indem er im Flugzeug zu schreien begann und die anderen Fluggäste provozierte, weshalb die Rückführung abgebrochen werden musste.
6. Das Migrationsamt gewährte dem Beschwerdeführer sodann am 9. November 2023 das rechtliche Gehör betreffend Verlängerung der Ausschaffungshaft und ordnete selben Tags die Ausschaffungshaft ab dem 14. November 2023 bis zum 13. Februar 2024 an. Das Haftgericht genehmigte die Verlängerung der Ausschaffungshaft mit Verfügung vom 13. November 2023.
7. Dagegen liess der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Lea Hungerbühler, diese wiederum vertreten durch Patricia Bührer, Asylex, Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben und folgende Rechtsbegehren stellen:
1. Ziff. 1 der Verfügung des Haftgerichts des Kantons Solothurn vom 13. November 2023 sei aufzuheben; es sei die unverzügliche Haftentlassung des Beschwerdeführers anzuordnen; 2. Eventualiter, für den Fall, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich ausgeschafft werden sollte, sei festzustellen, dass die angeordnete Haft unrechtmässig sowie unangemessen gewesen ist; 3. Dem Beschwerdeführer sei zufolge Mittellosigkeit die unentgeltliche Rechtspflege und -verbeiständung zu gewähren, RA Lea Hungerbühler, substituiert durch Patricia Bührer, als unentgeltliche Rechtsbeiständin zu mandatieren und auf einen allfälligen Kostenvorschuss zu verzichten; 4. Unter o/e Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Vorinstanz.
Weiter wurden folgende Verfahrensanträge gestellt:
1. Die Akten seien von der Vorinstanz zu edieren. 2. Der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu erteilen.
8. Mit Verfügung vom 1. Dezember 2023 wurde der Beschwerde vorläufig keine aufschiebende Wirkung erteilt.
9. Das Haftgericht verzichtete am 4. Dezember 2023 auf eine Stellungnahme und verwies auf die Begründung des angefochtenen Entscheids.
10. Das Migrationsamt beantragte mit Vernehmlassung vom 11. Dezember 2023 die vollumfängliche Beschwerdeabweisung.
11. Am 18. Dezember 2023 reichte das Migrationsamt eine aktuelle ärztliche Beurteilung des medizinischen Zustands des Beschwerdeführers ein, nach welcher der Beschwerdeführer als flugtauglich beurteilt wurde. Es teilte mit, die Planung der Rückführung auf dem Luftweg werde somit fortgesetzt und am vorgesehenen Reisetermin Ende Januar 2024 werde festgehalten.
12. Am 19. Dezember 2023 liess der Beschwerdeführer eine abschliessende Stellungnahme einreichen.
II.
1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 11 Einführungsverordnung zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und zum Asylgesetz [EAuV, BGS 512.153] i.V.m. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.1 Wurde ein erstinstanzlicher Weg- Ausweisungsentscheid eröffnet eine erstinstanzliche Landesverweisung nach Art. 66a 66abis StGB Art. 49a 49abis MStG ausgesprochen, so kann die zuständige Behörde die betroffene Person zur Sicherstellung des Vollzugs in Haft nehmen, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sie sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommt ihr bisheriges Verhalten darauf schliessen lässt, dass sie sich behördlichen Anordnungen widersetzt (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 und 4 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration, Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG, SR 142.20). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (Urteil 2C_1063/2020 vom 17. Januar 2020, E. 4.1 mit Hinweisen) werden die beiden Haftgründe in der Praxis zum Haftgrund der «Untertauchensgefahr» zusammengefasst. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sich die ausländische Person der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil ihr bisheriges Verhalten darauf schliessen lässt, dass sie sich den Anordnungen der Ausländerbehörde im Zusammenhang mit ihrer Ausschaffung widersetzen wird. Dies ist regelmässig der Fall, wenn sie bereits einmal untergetaucht ist, durch erkennbare unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die Vollziehungsbemühungen zu erschweren versucht sonst klar zu erkennen gibt, dass sie nicht bereit ist, in ihre Heimat zurückzukehren.
2.2 Die Ausschaffungshaft soll den Vollzug der Entfernungsmassnahme sicherstellen und muss ernsthaft geeignet sein, diesen Zweck zu erreichen, was nicht (mehr) der Fall ist, wenn die Weg- Ausweisung trotz der behördlichen Bemühungen nicht in einem dem konkreten Fall angemessenen Zeitraum vollzogen werden kann. Die Festhaltung hat, weil unverhältnismässig, dann als unzulässig zu gelten, wenn triftige Gründe für solche Verzögerungen sprechen praktisch feststeht, dass sich der Vollzug kaum innert vernünftiger Frist wird realisieren lassen. Die Ausschaffungshaft muss verhältnismässig und zweckbezogen auf die Sicherung des Wegweisungsverfahrens ausgerichtet sein; es muss jeweils aufgrund sämtlicher Umstände geklärt werden, ob sie (noch) geeignet bzw. erforderlich erscheint und nicht gegen das Übermassverbot, d.h. das sachgerechte und zumutbare Verhältnis von Mittel und Zweck, verstösst (Urteil des Bundesgerichts 2C_278/2021 vom 27. Juli 2021 E. 2.4.2 mit Hinweisen). Bei der Überprüfung des Entscheids über die Anordnung, Fortsetzung und Aufhebung der Haft sind auch die familiären Verhältnisse der inhaftierten Person sowie die Umstände des Haftvollzugs zu berücksichtigen (Art. 80 Abs. 4 AIG). Die Haft entfällt, wenn der Haftgrund entfällt sich erweist, dass der Vollzug der Weg- Ausweisung aus rechtlichen tatsächlichen Gründen undurchführbar ist (Art. 80 Abs. 6 lit. a AIG).
3.1 Der Beschwerdeführer lässt in seiner Beschwerde ausführen, er leide an einer perianalen Fistelerkrankung, welche intensive medizinische Versorgung benötige. Die Abheilung seiner Wunde von zwei bereits vergangenen Operationen sei nicht fortgeschritten, eitere und zeige keine Besserung. Er benötige bis zu fünf Duschen am Tag und mehrfachen Wechsel der Bandage, um die Wunde zu versorgen. Die regelmässige zwingende ambulante Kontrolle könne unter den gegebenen Haftbedingungen nicht gewährleistet werden, wie dies vom Arzt im Gefängnis Bässlergut ebenfalls bestätigt worden sei. Anlässlich einer Sprechstunde im St. Claraspital in Basel vom 22. November 2023 sei ausgeführt worden, dass der Beschwerdeführer noch eine 3. und eine 4. Operation benötigen werde. Die 3. Operation sei für den 1. Dezember 2023 geplant worden, was zeige, dass die Behandlung dringlich sei. Zwei bis drei Monate später solle eine vierte Operation stattfinden. Die nötige Versorgung des Beschwerdeführers und die Abheilung könne in der Ausschaffungshaft nicht sichergestellt werden. Eine Weiterführung der Haft sei unter diesen Umständen nicht verhältnismässig. Die Hafterstehungsfähigkeit müsse mit der Verschlimmerung der Erkrankung und der Dauer der Haft strenger hinterfragt werden, was die Vorinstanz unterlassen habe. Die Haft sei als unverhältnismässig einzustufen, da der Beschwerdeführer sich an der Haftverhandlung vom 13. November 2023 kooperativ gezeigt habe und gewillt sei, freiwillig auszureisen, nachdem er die Fistelerkrankung habe behandeln lassen können. Die Haftverlängerung aufgrund fehlender Kooperation des Beschwerdeführers sei nicht nachvollziehbar und unverhältnismässig. Aufgrund der Erkrankung sei auch deutlich, dass sich der Beschwerdeführer den Behörden zur Verfügung halten müsse und auf keinen Fall untertauchen würde, da dies schwerwiegende Folgen für seine Gesundheit hätte. Das Mittel einer Eingrenzung Meldepflicht wäre hier (wenn überhaupt notwendig) ausreichend. Der Beschwerdeführer sei aufgrund des fehlenden Haftgrundes und der Verhältnismässigkeit umgehend aus der Haft zu entlassen.
Der Beschwerde wurden diverse Beilagen beigefügt. Aus einem Schreiben des Gefängnisarztes Dr. […] vom 13. Oktober 2023 ergeht, dass beim Beschwerdeführer aufgrund der perianalen Fistelerkrankung ein deutlicher Leidensdruck bestehe. Eine Spontanheilung sei nicht zu erwarten, sodass mittelfristig eine chirurgische Sanierung als einzige therapeutische Möglichkeit in Frage komme und zu empfehlen sei. Erwartungsgemäss werde der weitere Behandlungsverlauf bei dem chronischen Krankheitsbild langwierig und bedürfe einer regelmässigen ambulanten Kontrolle, was unter Haftbedingungen nicht gewährleistet werden könne. Er sei diesbezüglich mit dem Migrationsamt in Kontakt. Weiter wurde ein Bericht des St. Claraspitals vom 22. November 2023 beigelegt, wonach zwei Operationen im Abstand von 2-3 Monaten empfohlen werden. Einer E-Mail des St. Claraspitals vom 23. November 2023 ist zu entnehmen, dass am 29. November 2023 eine Anästhesiesprechstunde und am 1. Dezember 2023 die Operation stattfinde.
3.2 Das Migrationsamt teilte sodann am 11. Dezember 2023 mit, der Beschwerdeführer habe den für den 1. Dezember 2023 geplanten ambulanten Eingriff verweigert. Der Beschwerdeführer habe gegenüber dem Gefängnisarzt ausgesagt, er werde alles unternehmen, um die Schweiz nicht verlassen zu müssen. Von einem kooperativen Verhalten resp. vorhandenem Ausreisewille nach erfolgter medizinischer Versorgung in der Schweiz könne somit keine Rede sein. Die Reisefähigkeit werde nun erneut durch den zuständigen ärztlichen Dienst (OSEARA AG) beurteilt.
3.3 Mit E-Mail vom 18. Dezember 2023 teilte das Migrationsamt mit, der zuständige ärztliche Dienst (OSEARA AG) habe den Beschwerdeführer nach Prüfung der medizinischen Akten als flugtauglich beurteilt. Das Migrationsamt führe die Planung der Rückführung auf dem Luftweg somit fort und halte am vorgesehenen Reisetermin Ende Januar 2024 fest.
3.4 Mit abschliessender Stellungnahme vom 19. Dezember 2023 liess der Beschwerdeführer ausführen, er habe keine andere Möglichkeit gesehen, als die Operation zu verweigern, weil ihm keine angemessene post-operative Versorgung versichert worden sei. Er habe davon ausgehen müssen, dass er die Genesung und Verheilung der Wunden in der Administrativhaft abwarten müsse. Da er immer noch mit der Verheilung der Wunden der ersten beiden Operationen vom Frühjahr 2023 kämpfe, sei er besorgt gewesen um eine weitere Operation bzw. den Heilungsprozess in Haft. Seine Wunde und Erkrankung seien nicht geheilt, sondern sein Zustand habe sich verschlechtert. Es sei daher eine logische Schlussfolgerung, dass seine Wunden nach einer weiteren Operation ebenfalls nicht angemessen verheilen würden und sich sein gesundheitlicher Zustand weiter verschlechtern könnte. Dies insbesondere, weil sich der Beschwerdeführer in Administrativhaft auf engem Raum, ohne private Dusche und ohne angemessene medizinische Ausstattung befinde. Die notwendigen Hygienestandards seien für einen Heilungsprozess ohne Komplikationen nicht gegeben. Es sei auf die Aussage des Gefängnisarztes vom 13. Oktober 2023 zu verweisen, wonach die Erkrankung in der Administrativhaft nicht angemessen behandelt werden könne. Aus der Beurteilung der OSEARA betreffend die Flugtauglichkeit könne nicht auf die Hafterstehungsfähigkeit des Beschwerdeführers geschlossen werden. Ein Flugdatum stehe offenbar noch nicht fest, sondern werde einzig auf Ende Januar 2024 verwiesen, was einen weiteren Monat in Administrativhaft bedeute, in welchem eine gerechte medizinische Versorgung verhindert werde.
4.1 Der Beschwerdeführer wurde mit Asylentscheid vom 28. November 2013 aus der Schweiz weggewiesen und es wurde angeordnet, er habe die Schweiz an dem Tag nach Eintritt der Rechtskraft dieser Verfügung zu verlassen. Mit Urteil vom 6. Januar 2014 trat das Bundesverwaltungsgericht auf die dagegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers nicht ein. Es besteht somit eine rechtskräftige Wegweisungsverfügung gegen den Beschwerdeführer. Am 10. August 2023 verfügte das SEM zudem ein Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer vom 17. August 2023 bis 16. August 2028.
4.2 Wie die Vorinstanzen richtig festgestellt haben, kommt der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht nicht nach und der Umstand, dass er sich bereits seit fast zehn Jahren illegal in der Schweiz aufhält, lässt ohne Zweifel darauf schliessen, dass er sich behördlichen Anordnungen widersetzt. Der Beschwerdeführer war über die Jahre immer wieder untergetaucht (vgl. z.B. act. 43, 246, 302, 355) und verweigerte sowohl am 17. August 2023 als auch am 19. September 2023 den Flug nach Marokko (vgl. act. 557 und 611). Die Vorinstanz durfte somit ohne Weiteres darauf schliessen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Haftentlassung untertauchen und sich nicht für eine freiwillige Ausreise zur Verfügung halten würde. Dies muss nun nach den neusten Vorkommnissen umso mehr gelten, nachdem der Beschwerdeführer dem Gefängnisarzt mitgeteilt hat, dass er alles unternehmen werde, um die Schweiz nicht verlassen zu müssen und die geplante medizinische Behandlung verweigert hat. Nach dieser Verweigerung der medizinischen Behandlung kann der Beschwerdeführer auch nicht ernsthaft behaupten, dass er sich aufgrund der nötigen Behandlung den Behörden zur Verfügung halten würde. Es besteht beim Beschwerdeführer fraglos der Haftgrund der Untertauchensgefahr.
4.3 Die vorliegend angeordnete Ausschaffungshaft ist geeignet, um den Vollzug der Ausreise des Beschwerdeführers sicherstellen zu können. Die Rückführung in sein Heimatland Marokko ist rechtlich und tatsächlich möglich und gemäss Ausführungen der Vorinstanzen auch absehbar.
Wie bereits ausgeführt, ist die Haft auch erforderlich, da beim Beschwerdeführer Untertauchensgefahr besteht und nicht damit gerechnet werden kann, dass er sich bei der Anordnung von milderen Mitteln wie einer Eingrenzung Meldepflicht den Behörden zur Verfügung halten würde. Die maximale Haftdauer gemäss Art. 79 Abs. 1 AIG ist mit der vorliegenden Verlängerung der Ausschaffungshaft um drei Monate nicht überschritten.
Der Beschwerdeführer bestreitet insbesondere, dass ihm die Haft und die geplante Ausreise aufgrund seiner Fistelerkrankung am After nicht zumutbar sei. Sein Gesundheitszustand wurde vor Antreten der Ausschaffungshaft (act. 455, 500 ff.) und auch während der Haft laufend überprüft (act. 661) und ihm wurde die nötige Behandlung angeboten (act. 654 ff. sowie Beschwerdebeilagen). Der Beschwerdeführer wurde stets als hafterstehungsfähig eingestuft, letztmals durch den Gefängnisarzt am 1. und 11. Dezember 2023. Die OSEARA AG hat zudem seine Reisefähigkeit mit Bericht vom 12. Dezember 2023 bestätigt. Am 1. Dezember 2023 hatte der Beschwerdeführer die Behandlung seiner Fistelerkrankung verweigert (act. 664). Der zuständige Gefängnisarzt führte aus, er habe umfangreiche Bemühungen unternommen, damit der Beschwerdeführer in der Schweiz hätte behandelt werden können und er für die Zeit nach seiner Rückkehr eine bestmögliche Ausgangssituation gehabt hätte. Der Beschwerdeführer habe ihm gegenüber vor dem Eingriff aber erwähnt, dass er den Eingriff nicht machen lasse, um die Schweiz nicht verlassen zu müssen. Der Gefängnisarzt beurteilte die Situation des Beschwerdeführers am 11. Dezember 2023 als stabil. Gegen die Rückführung spreche nach Verweigerung des Termins nichts mehr. Die Behandlung könne auch im Heimatland vorgenommen werden (Aktennotiz zwischen act. 720 und 721 vom 11. Dezember 2023). Darauf darf vorliegend abgestellt werden. Die medizinische Versorgung nach einer Operation könnte in der Administrativhaft nicht schlechter gewährleistet werden, als wenn der Beschwerdeführer in eine Asylunterkunft in die Obdachlosigkeit entlassen würde. Die Heilungschancen wären auch in Freiheit nicht anders zu beurteilen als unter Haftbedingungen. Die Ausschaffungshaft ist dem Beschwerdeführer zumutbar und damit verhältnismässig.
5. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Für das Verfahren vor Verwaltungsgericht sind praxisgemäss keine Kosten zu erheben.
Der Beschwerdeführer hat ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gestellt. Diesem ist gemäss der bundesgesetzlichen Rechtsprechung bei einer Haftverlängerung zu entsprechen (vgl. BGE 134 I 92 E. 3.2.3 S. 100 sowie BGE 139 I 206 E. 3.3.1 S. 214). Rechtsanwältin Lea Hungerbühler ist somit als unentgeltliche Rechtsbeiständin des Beschwerdeführers einzusetzen. Mit Kostennote vom 30. November 2023 sowie der Ergänzung vom 19. Dezember 2023 wurde ein Aufwand der Rechtsanwältin von 1,9 Stunden zu einem Ansatz von CHF 220.00/h und ein solcher der Rechtspraktikantin von 6,5 Stunden zum hälftigen Ansatz von CHF 110.00/h geltend gemacht. Im Kanton Solothurn beträgt die Entschädigung für unentgeltliche Rechtsbeistände jedoch lediglich CHF 190.00 (vgl. § 161 i.V.m. § 160 Abs. 3 Gebührentarif [GT, BGS 615.11] sowie Weisung der Gerichtsverwaltungskommission vom 19. Dezember 2022) und für Rechtspraktikanten entsprechend die Hälfte, also CHF 95.00. Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin Lea Hungerbühler ist entsprechend auf CHF 978.50 festzusetzen und durch den Kanton Solothurn zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald der Beschwerdeführer zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]).
Demnach wird erkannt:
1. Eine Kopie der Eingabe von Asylex vom 19. Dezember 2023 geht zur Kenntnis an die übrigen Parteien. 2. Die Beschwerde wird abgewiesen. 3. Für das Verfahren vor Verwaltungsgericht werden keine Kosten erhoben. 4. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung wird bewilligt und Rechtsanwältin Lea Hungerbühler wird als unentgeltliche Rechtsbeiständin eingesetzt. 5. Die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsbeiständin, Rechtsanwältin Lea Hungerbühler, wird auf CHF 978.50 festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat Solothurn zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO).
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts Der Präsident Die Gerichtsschreiberin Thomann Blut-Kaufmann
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