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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2023.183)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2023.183: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die angeordneten Kindesschutzmassnahmen aufgehoben werden, da sich gezeigt hat, dass die Familie gut funktioniert und keine konkrete Gefährdung für das Kind besteht. Die Kosten des Verfahrens werden teilweise den Beschwerdeführern auferlegt. Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen, da die anfänglichen Befürchtungen nicht eingetroffen sind. Die Parteientschädigung für den Anwalt wird reduziert, da die Honorarnote als zu hoch angesehen wird.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2023.183

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2023.183
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2023.183 vom 21.09.2023 (SO)
Datum:21.09.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Kindsmutter; Familie; Kindes; Eltern; Massnahme; Geburt; Familien; Massnahmen; Entscheid; Beiständin; Verwaltungsgericht; Situation; Unterstützung; Stunden; Aufwand; Recht; Abklärung; Beschwerde; Risiko; Mutter; Familienbegleitung; Akten; Solothurn; Person; Beistand; Gericht; Unterstützungs; Risikofaktoren
Rechtsnorm: Art. 302 ZGB ;Art. 307 ZGB ;
Referenz BGE:146 III 313;
Kommentar:
Peter Breitschmid, Geiser, Basler Kommentar zum ZGB, Art. 307 ZGB ZG, 2022

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2023.183

 
Geschäftsnummer: VWBES.2023.183
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 21.09.2023 
FindInfo-Nummer: O_VW.2023.204
Titel: kindesschutzrechtliche Massnahmen

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 21. September 2023

Es wirken mit:

Präsident Thomann

Oberrichter Frey

Oberrichter Müller    

Gerichtsschreiberin Hasler

In Sachen

1.    A.___   

2.    B.___   

beide vertreten durch Rechtsanwalt Philipp Simmen, hier vertreten durch Rechtsanwalt Hans Jörg Werder,     

 

Beschwerdeführer

 

 

 

gegen

 

 

 

KESB Region Solothurn,   

 

Beschwerdegegnerin

 

 

 

betreffend     kindesschutzrechtliche Massnahmen


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. Am 1. Februar 2023 meldete B.___, geb. 2003 (im Folgenden: Kindsvater), der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Region Solothurn per E-Mail, dass er und die minderjährige A.___, geb. [...] 2006 (im Folgenden: Kindsmutter), ein Kind erwarten. Am 15. Februar 2023 unterschrieb B.___ die vorgeburtliche Kindesanerkennung. Aufgrund der Minderjährigkeit der Mutter eröffnete die KESB ein Verfahren betreffend die Prüfung kindsschutzrechtlicher Massnahmen.

 

2. Mit Verfügung vom 22. Februar 2023 beauftragte die KESB den Regionalen Sozialdienst BBL zu klären, ob vorliegend die elterliche Sorge dem Kindsvater zuzuweisen eine Vormundschaft für das Kind zu errichten ist und wer gegebenenfalls als Vormund für das Kind zu ernennen wäre.

 

3. Am 24. Februar 2023 meldete die Therapeutin der Kindsmutter, die Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. med.C.___, in deren Einverständnis der KESB, dass die werdenden Eltern aufgrund der psychischen und familiären Situation der Kindsmutter auf zusätzliche Unterstützung angewiesen sein könnten.

 

4. Mit Verfügung vom 28. Februar 2023 beauftragte die KESB den Regionalen Sozialdienst BBL mit einer umfassenderen Abklärung der Situation sowie des Unterstützungs- und Massnahmebedarfs. Der Regionale Sozialdienst BBL beauftragte seinerseits gestützt auf § 143 Abs. 2 des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (EG ZGB, BGS 211.1) die Fachstelle [...] GmbH, Solothurn.

 

5. Der Abklärungsbericht der [...] GmbH vom 13. April 2023 wurde der KESB am 17. April 2023 zugestellt. Im Bericht werde empfohlen, für das Kind eine Beistandschaft errichten und D.___ als Beiständin einsetzen zu lassen. Weiter wurde empfohlen, den Eltern des noch ungeborenen Kindes die Weisung zu erteilen, eine sozialpädagogische Familienbegleitung in Anspruch zu nehmen.

 

6. Am 20. April 2023 hörte die KESB die Kindseltern je separat zu den Abklärungsergebnissen und den geplanten Kindesschutzmassnahmen telefonisch an.

 

7. Am 24. April 2023 kam das Kind E.___ zur Welt.

 

8. Mit Entscheid vom 25. April 2023 teilte die KESB dem Kindsvater die alleinige elterliche Sorge zu (Ziff. 3.1). Die Kindseltern wurden angewiesen, eine sozialpädagogische Familienbegleitung in Anspruch zu nehmen und diesbezüglich aktiv und kooperativ mit den Fachpersonen zusammenzuarbeiten (Ziff. 3.2). Für das Kind wurde mit sofortiger Wirkung eine Beistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB, SR 210) angeordnet (Ziff. 3.3). Zur Beistandsperson wurde mit sofortiger Wirkung D.___, Regionaler Sozialdienst BBL, Biberist, ernannt mit folgenden Aufgaben (Ziff. 3.4):

-         die Eltern bezüglich der kindlichen Entwicklung ihres Kindes beratend zu begleiten;

-         das Wohlergehen und die weitere Entwicklung des Kindes durch regelmässiges Einholen von Rückmeldungen zu überprüfen und zu begleiten;

-         für eine adäquate Versorgungs- und Betreuungssituation besorgt zu sein;

-         den Verlauf der sozialpädagogischen Familienbegleitung zu überwachen und hierbei die Wirksamkeit und Notwendigkeit fortlaufend zu prüfen;

-         das professionelle Helfernetz zu koordinieren, den Informationsaustausch zu gewährleisten und bei Bedarf weitere Hilfestellungen für die Familie zu organisieren.

 

In Ziff. 3.5 des Entscheids wurde die Beistandsperson eingeladen, nötigenfalls Antrag auf Anpassung der behördlichen Massnahmen an veränderte Verhältnisse zu stellen und mindestens alle zwei Jahre den zuständigen Sozialen Diensten zuhanden der KESB einen ordentlichen Rechenschaftsbericht einzureichen. In Ziff. 3.6 wurde der Regionale Sozialdienst BBL ersucht, Kostengutsprache für die in diesem Entscheid angeordneten Kindsschutzmassnahmen zu leisten und allfällige Elternbeiträge für Massnahmekosten nach Art. 307 Abs. 3 ZGB zu prüfen. Weiter entzog die KESB einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Entscheid die aufschiebende Wirkung (Ziff. 3.7).

 

9. Am 25. Mai 2023 erhoben A.___ und B.___ (im Folgenden: Beschwerdeführer), vertreten durch Rechtsanwalt Hans Jörg Werder, beim Verwaltungsgericht frist- und formgerecht Beschwerde gegen den Entscheid der KESB vom 25. April 2023 und beantragten – mit Ausnahme der Zuteilung der alleinigen elterlichen Sorge an den Kindsvater, mit welcher sowohl die Kindsmutter als auch der Kindsvater einverstanden waren – die Aufhebung des Entscheids der KESB. Eventualiter beantragten sie den Grossvater F.___ als Beistandsperson einzusetzen. Als Verfahrensantrag beantragten die Beschwerdeführer die Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung.

 

10. Auf Aufforderung des Verwaltungsgerichts nahm die eingesetzte Berufsbeiständin, D.___ (im Folgenden: Beiständin), mit Schreiben vom 12. Juni 2023 insbesondere zur aktuellen Situation Stellung.

 

11. Mit Schreiben vom 14. Juni 2023 liess sich die KESB vernehmen und beantragte die Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge. Zur Begründung verwies sie auf die Akten und Ausführungen im Entscheid vom 25. April 2023.

 

12. Mit Verfügung vom 16. Juni 2023 entschied der zuständige Instruktionsrichter des Verwaltungsgerichts, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht wieder zu erteilen. Er begründete diesen Entscheid insbesondere damit, dass seit der Geburt von E.___ erst wenige Wochen vergangen seien und im Familiensystem der Beschwerdeführer zahlreiche Risikofaktoren festgestellt worden seien. Von der Vorinstanz seien umfangreiche Abklärungen vorgenommen und die angeordneten Massnahmen gut aufgegleist worden. Gemäss Stellungnahme der Beiständin könne im jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden, ob das Kindeswohl in naher Zukunft und längerfristig gewährleistet bleibe. In diesem Sinne sei Gefahr im Verzug und das Interesse am sofortigen Vollzug sei höher zu gewichten als dasjenige an einer vorgängigen rechtsstaatlichen einwandfreien Prüfung der Rechtslage, weshalb die aufschiebende Wirkung durch die Vorinstanz zu Recht entzogen worden und momentan nicht wieder zu erteilen sei.

 

13. Mit Schreiben vom 21. Juli 2023 reichten die Beschwerdeführer eine Stellungnahme inklusive Urkunden ein.

 

14. Mit Schreiben vom 3. August 2023 beantragten die Beschwerdeführer, einen korrigierten Bericht von Dr. phil [...] einreichen zu können und ersuchten darum, dass ihnen dafür angemessen Frist gesetzt werde dass mit weiteren Verfahrensschritten zugewartet würde, bis dieser Bericht vorliege.

 

15. Mit Verfügung vom 7. August 2023 hiess das Verwaltungsgericht diesen Antrag gut und setzte den Beschwerdeführern Frist bis 31. August 2023, den korrigierten Bericht von Dr. phil [...] einzureichen.

 

16. Am 30. August 2023 reichten die Beschwerdeführer den korrigierten Bericht von Dr. phil [...] vom 22. August 2023 ein, welcher am darauffolgenden Tag den übrigen Parteien zur Kenntnisnahme zugestellt wurde. Weitere Stellungnahmen wurden nicht mehr eingereicht.

 

17. Am 13. September 2023 nahm das Verwaltungsgericht mit der Beiständin telefonischen Kontakt auf, um sich über die aktuelle Situation zu erkundigen (vgl. Aktennotiz vom 14. September 2023).

 

18. Für die Standpunkte der Parteien wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

 

II.

 

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

 

2.1 Die Kindesschutzbehörde trifft zum Schutze des Kindes die geeigneten Massnahmen, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe sorgen dazu ausserstande sind (Art. 307 Abs. 1 ZGB). Sie kann insbesondere die Eltern ermahnen, ihnen bestimmte Weisungen für die Pflege, Erziehung Ausbildung erteilen und eine geeignete Person Stelle bestimmen, der Einblick und Auskunft zu geben ist (Art. 307 Abs. 3 ZGB).

 

2.2 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt (Art. 308 Abs. 1 ZGB). Die Kindesschutzbehörde kann der Beistandsperson besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs (Art. 308 Abs. 2 ZGB). Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden (Art. 308 Abs. 3 ZGB).

 

2.3 Die Anordnung von Kindesschutzmassnahmen im Sinne von Art. 307 ff. ZGB setzt die Gefährdung des Kindeswohls voraus. Das Kindeswohl gilt als oberste Maxime des Kindesrechts. Dazu gehören – in einer positiven und nicht abschliessenden Beschreibung – die Förderung der Entwicklung in geistiger, körperlicher und seelischer Hinsicht (vgl. Art. 302 Abs. 1 ZGB), ein Umfeld von Kontinuität und Stabilität, die Möglichkeit einer inneren Bindung des Kindes an die Beziehungspersonen, eine positive Beziehung zu den Eltern bzw. nach Trennung Scheidung zu beiden Elternteilen, die Haltung zur Gestaltung der Beziehung zum anderen Elternteil und die Achtung des Willens des Kindes und seines Selbstbestimmungsrechts. Entsprechend ist das Wohl des Kindes gefährdet, sobald nach den Umständen die ernstliche Möglichkeit einer Beeinträchtigung des körperlichen, sittlichen geistigen Wohls des Kindes vorauszusehen ist. Die Gefährdung kann nur in jedem einzelnen Fall unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Umstände bestimmt werden. Die (objektiv fassbare) Gefahr einer Beeinträchtigung muss einigermassen konkret sein, auch wenn regelmässig prognostische Elemente miteinzubeziehen sind. Nicht erforderlich ist, dass sich die Gefahr bereits verwirklicht hat. In diesem Sinne ist auch der gesetzliche Kindesschutz Präventivmassnahme und hat sich vom Grundsatz "in dubio pro infante" leiten zu lassen. Dabei ist unerheblich, worauf die Gefährdung zurückzuführen ist. Die Ursachen können in den Anlagen in einem Fehlverhalten des Kindes, der Eltern der weiteren Umgebung liegen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Eltern ein Verschulden an der Gefährdung trifft. Die für gegen eine Gefährdung des Kindeswohls sprechenden Umstände bzw. deren Nachweis sind eine Sachfrage, die durch entsprechende Feststellungen durch die allgemeine Lebenserfahrung beantwortet wird, wobei letzternfalls auch jene Tatsachen als vorhanden festgestellt sein müssen, die eine Anwendung von Erfahrungssätzen überhaupt erst ermöglichen. Eine – in pflichtgemässer Ausübung des Ermessens zu beantwortende – Rechtsfrage ist hingegen, ob auf der Basis dieser Umstände eine Gefährdung des Kindeswohls zu bejahen zu verneinen ist (BGE 146 III 313, E. 6.2.2 mit weiteren Hinweisen).

 

2.4 Massgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt, in dem das Gericht die Behörde den Entscheid trifft (BGer 5A_200/2015 vom 22.9.2015 E. 7.2.2; 5A_701/2011 vom 12.3.2012 E. 4.2.1 mit Hinweisen). 

 

2.5 Ein Kind hat keinen Anspruch auf «ideale» Eltern und «optimale» Erziehung. Die Behörden – regelmässig die KESB, ausnahmsweise die Gerichte (vgl. ZGB 315a f.) – dürfen mithin nur in Ausnahmefällen Unterstützungsmassnahmen gegen bzw. ohne den Willen der Inhaber der elterlichen Sorge anordnen (Maranta Luca, in: Kren Kostkiewicz Jolanta/Wolf Stephan/Amstutz Marc/Fankhauser Roland [Hrsg.], ZGB Kommentar, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 4. Aufl., Zürich 2021, Art. 307 N 2).

 

2.6 Der staatliche Eingriff muss verhältnismässig sein, das heisst, er muss den Grundsätzen der Subsidiarität, Komplementarität und Proportionalität entsprechen (Peter Breitschmid in: Geiser/Fontoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar zum ZGB, 7. Auflage, Basel 2022, Art. 307 N 4 ff.).

 

3.1 Die [...] GmbH nahm im Auftrag der KESB eine umfassende Abklärung vor. Grundlage für den Bericht sind die vorhandenen Akten und diverse Gespräche mit den involvierten Personen. Gegenstand des Abklärungsberichts ist, inwiefern das Kindswohl des noch nicht geborenen Kindes aufgrund der psychischen Krankheit, der Minderjährigkeit und der gesamten familiären Umstände gefährdet ist, respektive welche Schutz- und Unterstützungsmöglichkeiten für das Familiensystem vorhanden sind. Des Weiteren wurde geklärt, welche kindesschutzrechtlichen Massnahmen zu empfehlen sind, um das Kindswohl zu gewähren bzw. sichern. Dem Abklärungsbericht vom 14. April 2023 lässt sich im Wesentlichen entnehmen, dass die jungen Eltern seit August 2022 ein Paar seien und die Kindsmutter unverhofft schwanger geworden sei. Die Schwangerschaft habe sie erst Ende des fünften Schwangerschaftsmonats bemerkt. Bis dahin habe die Kindsmutter [...], ein atypisches Antipsychitokum, eingenommen. Beide Elternteile wohnten bis dahin je bei ihren Eltern, resp. die Kindsmutter bei ihrem alleinerziehenden Vater. Zu ihrer Mutter habe sie den Kontakt abgebrochen. Zurzeit der Abklärung wohnten die jungen Eltern bei den Grosseltern väterlicherseits in [...]. Der Kindsvater stehe nach einem Lehrstellenwechsel im zweiten Lehrjahr zum Produktionsmechaniker bei der [...] AG in [...]. Die Kindsmutter stehe in ihrem 9. Schuljahr und habe anfangs Jahr von der SEK P nach einem Tagesklinikaufenthalt in die SEK E wechseln müssen. Ihre schulische bzw. Ausbildungssituation werde von den involvierten Fachpersonen eng begleitet. Ihr Ziel sei ein Psychologiestudium. Die Kindsmutter leide an einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Laut der behandelnden Jugendpsychiaterin bestehe ein hohes Risiko für eine postpartale Schizophrenie. Für die Zeit nach der Geburt sei ein strikter Tag-Nacht-Rhythmus sowie eine möglichst stressfreie Umgebung von hoher Bedeutung. Um hauptsächlich die unmittelbare Zeit nach der Geburt eng zu begleiten und die Familie zu unterstützen, seien bereits diverse freiwillige Unterstützungsmassnahmen in die Wege geleitet worden: Wochenbetthebamme, Haushaltshilfe als Entlastung, Vernetzung mit Fachpersonen, geplante Sectio und Aufenthalt nach der Geburt von vier Nächten im Bürgerspital, Abstillen ab Geburt und von Beginn weg Schoppennahrung zur Entlastung der Mutter. Die Zusammenarbeit mit den Eltern und Grosseltern könne als höflich und dennoch distanziert bezeichnet werden. Vor allem die Grosseltern väterlicherseits hätten grosse Zurückhaltung und Skepsis betreffend «dem staatlichen Eingriff» in die Familie gezeigt. Sie hätten eher weniger Verständnis für die Sorgen der involvierten Fachpersonen gezeigt. Nach Abwägung der Schutz- und Risikofaktoren kam die Abklärungsperson zum Schluss, dass aufgrund der schwerwiegenden Risikofaktoren (minderjährige Kindsmutter, gravierende Vorbelastungen betreffend psychische Erkrankungen, sehr junger, in Ausbildung stehender Vater, keine eigene, finanzielle abhängige Elternschaft, spätes Entdecken der Schwangerschaft (Ende 5. Monat) und Medikamenteneinnahme der Mutter bis Ende des fünften Schwangerschaftsmonats, Beziehung der Kindseltern noch jung, schulische Zukunft der Kindsmutter unklar) vorsorgliche Massnahmen als unerlässlich erachtet würden. Es dürfe nicht abgewartet werden und eine mögliche Krise in der Versorgung des Neugeborenen die totale Überlastung des Familiensystems provoziert werden. Vielmehr müsse ab Geburt alles Mögliche unternommen werden, um den Start ins Leben des Neugeborenen sowie die Sicherung der Gesundheit der Kindsmutter bestmöglich zu überwachen und zu gewährleisten. Da ein Neugeborenes als absolut schutzbedürftig gelte, dürfe keine Zeit vergeudet und eine Zustimmung der Eltern wie der Grosseltern nicht abgewartet werden. Die Einschätzungen der involvierten Fachpersonen deuteten alle dahingehend, dass die Kindseltern ihre Situation nicht realistisch einschätzen würden und die möglichen Risiken nach der Geburt verkennen nicht akzeptieren wollten. In Bezug auf die gesundheitlichen und familiären Vorbelastungen werde das Wohl des noch nicht geborenen Kindes als stark gefährdet erachtet.

 

3.2 Die KESB erachtete es mit Blick auf diese im Bericht der [...] GmbH genannten Risikofaktoren als absolut zentral, dass die junge Familie ab Geburt ihres Kindes eng begleitet und die Betreuungs- und Versorgungssituation des Neugeborenen gut im Auge behalten werde. Mit der Anordnung der empfohlenen Massnahme einer Beistandschaft und einer sozialpädagogischen Familienbegleitung könnten die Kindseltern unterstützt und beraten werden, allfällige Schwierigkeiten könnten angesprochen und angegangen werden und insbesondere könne umgehend reagiert werden, sollte sich die gesundheitliche Situation der Kindsmutter verschlechtern. Aufgrund der hohen Vulnerabilität und damit verbundenen Schutzbedürftigkeit eines Neugeborenen wäre es nicht zu verantworten, erst dann zu reagieren, wenn es bereits zu einer akuten Überforderung des Familiensystems und eines damit einhergehenden Versorgungsnotstands des Neugeborenen gekommen sei.

 

4.1 Die minderjährige Kindsmutter leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung. Die Therapeutin der Kindsmutter wies die betroffenen Personen an der Sitzung vom 31. März 2023 auf die möglichen Risiken einer massiven psychischen Krise der Kindsmutter nach der Geburt hin (Protokoll vom 31. März 2023). Die KESB sieht eine Gefährdung des Kindswohls darin, dass es bei einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Kindsmutter zu einem Versorgungsnotstand des Neugeborenen kommen könnte. Ausserdem ging die KESB davon aus, dass die Familie (Kindseltern und deren Eltern) den Handlungsbedarf verkenne. Unbestrittenermassen liegen abstrakte Risikofaktoren vor. Dass die KESB eine Kindswohlgefährdung ab Geburt angenommen hat, ist nicht zu beanstanden, da aufgrund der Risikofaktoren unklar schien, wie sich die akute Situation entwickeln wird. Die zahlreichen involvierten Fachpersonen, welche hauptsächlich die Kindsmutter unterstützen, sowie die involvierten Personen der KESB haben bereits vor der Geburt von E.___ Abklärungen vorgenommen und die angeordneten Massnahmen gut aufgegleist. E.___ kam am [...] 2023 auf die Welt. Der Entscheid der KESB datiert auf den 25. April 2023. Zur Begründung des Entscheids wurden sämtliche Erkenntnisse von vor der Geburt von E.___ berücksichtigt und in die Erwägungen miteinbezogen.

 

4.2 Knapp zwei Monate nach der Geburt von E.___, am 12. Juni 2023, führte die Berufsbeiständin in ihrer Stellungnahme ans Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass sie seit dem 25. April 2023 als Beiständin eingesetzt sei und es sich dabei um eine sehr kurze Zeitspanne handle. Es könne noch nicht beurteilt werden, ob die Kindesschutzmassnahmen weiterhin angemessen und nötig seien. Die Familienbegleitung habe den Auftrag, die Kindseltern in ihrer Elternrolle und im Umgang mit Belastungssituationen / Stressbewältigung zu unterstützen und stärken. Dabei nehme diese auch eine gewisse Kontrollfunktion wahr. Die Familie nutze das Angebot der Familienbegleitung als ergänzende Hilfestellung zu den familiären Bemühungen von sich aus nicht. Es sei eine ablehnende Haltung wahrnehmbar. Die Geburt von E.___ sei wie geplant verlaufen. E.___ sei gesund und entwickle sich gemäss Aussagen der Familie, der sozialpädagogischen Familienbegleitung und der Hebamme gut. E.___ scheine aktuell ein «pflegeleichtes» Kind zu sein. 

 

4.3 Am 21. Juni 2023 hielt G.___, Autismuscoach und –beraterin, insbesondere fest, dass F.___, der Vater der minderjährigen Kindsmutter, ein engagierter Vater sei, der seine Tochter und Enkelin unterstütze und sich in der Betreuung engagiere. Die Kindsmutter sei bereits im Spital rasch wieder wohlauf gewesen und habe jederzeit besonnen und zugewandt gewirkt. Diesen Eindruck habe sich in den letzten Wochen anlässlich ihrer Besuche bestätigt und verfestigt. Alle gesundheitlichen Befürchtungen seien bis heute nicht eingetroffen. Die Kindsmutter sei in ein funktionierendes Familien-Setting eingebettet, die Betreuung funktioniere. Die Kindsmutter mache einen guten Eindruck.

 

4.4 Am 6. Juli 2023 fand ein Standortgespräch mit der Kindsmutter (und ihrer Tochter E.___), deren Vater (Grossvater von E.___), der Beiständin, der Therapeutin und einer Person der sozialpädagogischen Familienbegleitung (im Folgenden: SPF) statt. Anlässlich dieses Gesprächs gab die SPF namentlich zu Protokoll (Protokoll vom 10. Juli 2023, überarbeitet am 12. Juli 2023), die Kindsmutter nehme ihre Rolle als Mutter beispielhaft wahr. Die beiden involvierten Familien (inkl. Grosseltern) würden die Situation vorbildlich handhaben. Sie würden sich untereinander absprechen, was die Organisation und Betreuung von E.___ anbelange. Wenn Bedürfnisse seitens der Kindsmutter auftauchten, werde darüber gesprochen und geschaut, was es nun brauche. Auch wenn die Kindsmutter und der Kindsvater als Paar einmal ein wenig Zeit haben möchten, schaffe es das Familien-Setup, dies zu tragen. Auch die Beiständin gibt an, die Rückmeldungen der Hebamme seien positiv gewesen. Die Therapeutin führte anlässlich des Gesprächs im Wesentlichen aus, die Kindsmutter sei stabil unterwegs. Bezüglich der Belastbarkeit der Kindsmutter habe sich das Familien-Setup entwickelt. Die Kindsmutter gebe an, wenn es ihr nicht gut gehe. Sie sei gut belastbar. Es bestehe kein erhöhtes Risiko für eine psychotische Dekompensation mehr. In Bezug auf das weitere Vorgehen schrieb die SPF, dass sie im Herbst einen Bericht schreiben werde. Sollte die gesamthafte Situation weiterhin so stabil bleiben, werde sie die Empfehlung ausschreiben, mit der SPF aufzuhören. Anlässlich des Gesprächs wurde vereinbart, dass auf das wöchentliche Telefongespräch zwischen der SPF und der Kindsmutter verzichtet werde und der Kontakt zwischen der Kindsmutter und der SPF auf einmal wöchentlich reduziert werden könne. Schliesslich war die SPF vom 31. Juli 2023 bis 13. August 2023 zwei Wochen in den Ferien. Für diese Zeit wurde keine Ferienvertretung angeordnet.

 

4.5 Dem Schreiben der Therapeutin vom 10. Juli 2023 lässt sich Folgendes entnehmen: Die Kindsmutter sei vom 16. Februar 2022 bis 5. Juli 2022 in der Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Solothurn teilstationär behandelt worden. Aufgrund einer emotionalen Dekompensation sei am 27. Januar 2022 (recte: wohl 27. Januar 2021) eine Medikation mit [...] eingeführt worden. Bei der Kindsmutter sei das Clinical Ultra High Risk for Psychosis Syndrom (UHR-Syndrom) diagnostiziert worden. Aufgrund dieser Diagnose sei im Hinblick auf die Geburt peripartal verschiedene Massnahmen getroffen worden, um das Risiko einer psychotischen Dekompensation postpartal zu verringern. Hierzu zählten: Regelmässiger Schlaf-Wachrhythmus, mindestens sechs Stunden Nachtschlaf, hierfür ab Geburt Flaschennahrung für das Kind, sowie direkt postpartal Wiederbeginn der Medikation mit [...] und Beginn einer Hormonsubstitution. Die Kindsmutter wohne mit E.___ bei der Familie von E.___s Vater. Dort erfahre die junge Familie grösste Unterstützung. Die Kindsmutter erlebe insbesondere die Beziehung zur Mutter ihres Freundes als besonders liebevoll und unterstützend. Gleichfalls habe die Kindsmutter regelmässig Kontakt zu ihrem eigenen Vater und ihrer jüngeren Schwester. Der Vater der Kindsmutter begleite seine Tochter zu allen Terminen und unterstütze sie in allen Belangen. Die Kindsmutter plane, ab August 2023 die Fachmittelschule zu besuchen. Die Betreuung von E.___ sei ab dannzumal organisiert. Betreffend aktueller Beurteilung führte die Therapeutin aus, dass bei der Kindsmutter eine ASS sowie eine Vulnerabilität für psychische Destabilisierung (Vorgeschichte und Diagnose UHR-Syndrom) bestehe. Seit der Entbindung [...] habe sich der psychische Zustand der Kindsmutter als sehr stabil erwiesen. Es habe zu keinem Zeitpunkt Anzeichen für eine psychotische Dekompensation gegeben. Es könne angenommen werden, dass sowohl die getroffenen medizinischen Massnahmen als auch das stabile Umfeld dazu beigetragen haben. Für die weitere stabile Entwicklung scheine es grundlegend, dass das psychosoziale System rund um die Kindsmutter gut kooperiert, um weiterhin entlastend und unterstützend wirken zu können. Aufgrund des äusserst erfreulichen Verlaufes seit der Niederkunft könne diskutiert werden, ob die peripartal behördlich verordneten Massnahmen reduziert werden könnten.

 

4.6 Das Verwaltungsgericht erkundigte sich am 13. September 2023 telefonisch bei der Beiständin nach der aktuellen Situation. Die Beiständin bestätigt das, was sich bereits aus den Akten ergibt, weshalb darauf verzichtet wurde, die Telefonnotiz vom 14. September 2023 vor Fällung des Entscheids den Parteien zuzustellen. Das einzige, was als neue Tatsachenbehauptung eingeflossen ist, betrifft den Schulstart der Kindsmutter.

 

Aus dem Telefongespräch mit der Beiständin vernahm das Verwaltungsgericht, dass die Kindsmutter soweit gesundheitlich stabil sei. Mit dem Kind mache sie es gut. Auch der Schulstart Mitte August 2023 scheine ihr gelungen zu sein. Die Familienbegleitung besuche die Familie einmal wöchentlich. Für die Kindsmutter liege eine Doppelbelastung vor. Die anfänglichen Befürchtungen seien aber nicht eingetroffen. Nichtsdestotrotz sei die Situation fragil. Es bestehe die Problematik mit der ASS. Die Beiständin nehme Ambivalenzen wahr. Am 6. Juli 2023 habe sie ein Standortgespräch mit der Kindsmutter gehabt. Dort habe diese erklärt, dass alles in Ordnung sei. Und kurz darauf erhalte die Beiständin Unterlagen des Gerichts, aus denen hervorgehe, dass kein Vertrauensverhältnis mehr zur Therapeutin bestehe. Davon habe sie nichts gewusst. Momentan laufe es gut. Aber sie wisse nicht, wie dies mittel- und langfristig aussehe. Das Familiensystem stehe und wirke unterstützend mit. Wenn es Probleme gebe, käme die Familie zusammen und suche nach Lösungen. Die Eltern seien sehr jung und ob die Beziehung zwischen diesen stabil bleibe, sei unsicher. Fraglich sei, ob das Ganze nachhaltig sei. Die Beiständin werde von den Mitgliedern der Familie nicht angefragt. Sie kämen nicht mit Problemen zu ihr. Sie wäre aber für sie da, wenn sie dies wollten. Sie sei einfach zur Unterstützung da. Eine Kooperation in dem Sinne sei aber nicht gegeben. Wenn sie nachfrage, bekäme sie Auskunft. Das sei aber schon alles. Man gehe nicht auf sie zu. Die Familienbegleitung sei wichtig, damit diese den Puls spüren könne. Sie könne schauen, wie es laufe. Bei Problemen sei die junge Mutter jeweils an die Hebamme Mütterberatung gelangt. Aber die Hebamme sei ja wohl nicht mehr drin. Und ob sich die Mutter auch künftig alleine an die Mütterberatung wende, wisse sie nicht. Ca. alle drei Monate gebe es Standortgespräche. Die Beistandschaft sei ergänzend zu den familiären Bemühungen. Man dürfe nicht vergessen, dass Risikofaktoren bestünden. Die Anordnungen stützten sich aber auf Eventualitäten. Was der Autismuscoach anbelange, sei z.B. auch unsicher, ob sie noch drin sei, denn die Finanzierung sei ja unklar. Auf Frage, was passieren würde, wenn man die Beistandschaft und die Familienbegleitung aufheben würde, fragt die Beiständin zurück, wer denn dann die Interessen des Kindes vertrete. Das Kind stehe bei der Familie momentan im Mittelpunkt, aber was, wenn die Belastung zunehme.

 

4.7 Sämtliche (Fach-)Stellen kamen vor der Geburt von E.___ zum Ergebnis, dass ein Handlungsbedarf gegeben sei, auch wenn das Familiensystem gut funktioniere und es allen gut gehe. Als konkrete Gefährdungssituation, die sich nicht verwirklicht hat, sich aber aufgrund der vorhandenen und unbestrittenen Risikofaktoren (junge Eltern, ASS bei der Kindsmutter, finanzielle Abhängigkeit der Kindseltern) während der Schwangerschaft und nach der Geburt hätte verwirklichen können, wurde von der KESB ein Versorgungsnotstand des Neugeborenen angegeben. Wie bereits erwähnt (E. 4.1.), ist nicht zu beanstanden, dass die KESB aufgrund der bestehenden Risikofaktoren und der bevorstehenden Geburt und der Zeit nach der Geburt die hier angefochtenen Massnahmen angeordnet hat. Gestützt auf die Aktenlage wäre es nicht zu verantworten gewesen, hätte sie nichts unternommen.

 

4.8 Gut fünf Monate nach der Geburt von E.___ scheint das Familiensystem gut zu funktionieren und allen scheint es gut zu gehen. Unter anderem auch aufgrund der gut aufgegleisten Massnahmen der involvierten Personen sind keine der genannten Be­fürchtungen eingetroffen. Gemäss aktuellstem mündlichen Bericht der Beiständin ist der Kindsmutter auch der Schulstart gut gelungen und die Betreuungssituation von E.___ gewährleistet. Aus ihren Schilderungen ergeben sich weder Hinweise auf eine konkrete Gefährdungssituation von E.___ noch Hinweise, dass das Unterstützungsnetz der jungen Familie nicht stark genug wäre, die Situation kindswohlgerecht zu handhaben. Das Subsidiaritätsprinzip verlangt, dass vor der Errichtung einer zivilrechtlichen Kindes­schutzmassnahme die Möglichkeiten des freiwilligen Kindesschutzes geprüft werden sollen. Primär haben die Erziehungsverantwortlichen für Abhilfe zu sorgen, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist. Das Subsidiaritätsprinzip bringt zum Ausdruck, dass die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung nicht zwangsläufig zu behördlicher Inter­vention führt, sondern den Eltern die Verantwortung und Möglichkeit obliegt, selbst – gegebenenfalls mit Unterstützung von Fachstellen – die zum Schutz des Kindes nötigen Massnahmen zu ergreifen (Affolter-Fringeli Kurt/Vogel Urs, Berner Kommentar, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Bern 2016, Art. 307 N 22). Vorliegend ergibt sich ge­stützt auf die aktuellsten Akten keine (objektiv fassbare) Gefahr einer Beeinträchtigung, die einigermassen konkret ist. Doch sogar wenn aufgrund der Risikofaktoren (ASS bei der Kindsmutter, junge und finanziell abhängige Elternschaft in Ausbildung) eine Gefahr einer Beeinträchtigung bestünde, ist den Beschwerdeführern Recht zu geben, wenn sie ausführen, sie seien bereits in ein gut etabliertes Unterstützungsnetz von Fachpersonen eingebettet. Dem Protokoll der «Expert*innenrunde» vom 21. März 2023 ist zu ent­nehmen, dass insgesamt sieben Personen an der Expertenrunde teilnahmen, wobei es um die Kindsmutter und deren aktuelle und zukünftige (Ausbildungs-)Situation ging. Dabei handelt es sich um Personen des Volksschulamts, der IV-Stelle Solothurn, der ISM-Begleitung HPSZ Solothurn, weiter waren die Schulleiterin, die Abklärungsperson, die Kinder- und Jugendpsychiaterin und der Bereichsleiter ISM anwesend. Auch wenn diese Gruppe an Personen vorwiegend das Unterstützungsnetz für die Kindsmutter bilden und nicht ausschliesslich im Interesse des Kindes E.___ handeln, ergibt sich jeweils klar aus den von den Fachpersonen getroffenen Entscheidungen, dass das Wohl der Kindsmutter eng mit dem Wohl des Kindes zusammenhängt. Das Wohl des Kindes wird in jede Entscheidung, die die Kindsmutter betrifft, miteingezogen. Weiter steht den jungen Kindseltern auch ein grosses familiäres Unterstützungsnetz (insb. Grosseltern) zur Verfügung. In der Familie steht gemäss aktuellsten Berichten das Kind im Mittelpunkt und das ganze Familiensystem richtet sich nach dem Kind. Damit haben die Beschwerdeführer dargelegt, dass sie private Vorkehrungen getroffen haben und diese funktionieren. Bereits vor der Geburt haben die Beschwerdeführer freiwillige Unterstüt­zungsmassnahmen in die Wege geleitet bzw. leiten lassen (Wochenbetthebamme, Haushaltshilfe als Entlastung, Vernetzung mit Fachpersonen, geplante Sectio und Auf­enthalt nach der Geburt von vier Nächten im Bürgerspital, Abstillen ab Geburt und von Beginn weg Schoppennahrung zur Entlastung der Mutter), womit sie zeigen, dass sie sich privat organisieren und das Wohl des Kindes im Vordergrund steht. Auch ist den Beschwerdeführern zuzustimmen, wenn sie geltend machen, es sei nicht förderlich, noch mehr Personen zu involvieren.

 

4.9 Weiter darf in Bezug auf das Kindswohl nicht vergessen gehen, dass die KESB (aufgrund der Minderjährigkeit der Mutter) rechtlich die Hauptverantwortung (alleiniges elterliches Sorgerecht) dem Kindsvater übertragen hat. Die Kindsmutter steht wie bereits erwähnt nicht alleine da. Es handelt sich nicht um eine alleinstehende Mutter, die an einer ASS leidet und mit Schule und Kind doppelt belastet ist. Sondern um eine minderjährige Mutter, die zwar an einer ASS leidet, die Situation aber zusammen mit ihrer Familie und ihrem Unterstützungsnetz gut zu meistern vermag. Fraglich ist schliess­lich, welchem Zweck die angeordneten Massnahmen der Familienbegleitung und der Beiständin dienen. Die Massnahmen sollen unterstützend und komplementär sein. In­wiefern die Massnahmen zum aktuellen Zeitpunkt tatsächlich noch zielführend sind und welchen Mehrwert sie zum aktuellen Zeitpunkt noch bringen, erschliesst sich heute nicht mehr. Wie die SPF und die Beiständin beide ausführten, nutzt die junge Familie das Angebot zur Unterstützung nicht. Sie (die Eltern) kämen nicht von sich aus mit Fragen Problemstellungen. Die Kindsmutter habe sich bei Fragen und Problemen vielmehr an die Hebamme und / an die Mütterberatung gewandt. Auch lässt sich den aktuellsten Berichten entnehmen, dass bereits wenige Monate nach der Geburt von E.___ die Besuche der SPF reduziert und die wöchentlichen Telefongespräche ganz abgeschafft wurden und dass bei Ferienabwesenheit der SPF keine Vertretung aufge­boten wurde. Zudem finden mit der Beiständin lediglich ca. alle drei Monate Standort­gespräche statt. Nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip lässt sich ein behördlich ver­fügter Eingriff in die Grundrechte des Einzelnen dann rechtfertigen, wenn er im richtigen Verhältnis zum verfolgten erlaubten geforderten Zweck steht und deshalb zumutbar ist: So schwach wie möglich, aber so stark wie nötig, mithin der «erforderliche Eingriff». In Situationen, welche zwar nach einem Eingreifen rufen, auf welche der zivilrechtliche Kindesschutz aber keine Massnahmen mit Wirksamkeit für die Wahrung des Kin­deswohls anbietet, verstossen behördliche Eingriffe gegen das Verhältnismässigkeits­prinzip, sofern sie nur deshalb angeordnet wurden, «weil etwas getan werden muss». Nicht nur zu weit zu wenig weitgehende Massnahmen, auch untaugliche und wirkungslose Massnahmen sind unverhältnismässig und damit ungesetzlich (Affolter-Fringeli Kurt/Vogel Urs, a.a.O., Art. 307 N 26). Die Familie zeigte es auf und auch den Akten, insbesondere den zahlreichen Berichten der involvierten Personen, ist zu ent­nehmen, dass sich die jungen Eltern gut organisiert haben und eine für den Säugling geeignete und stabile Betreuung gewährleisten. In Anbetracht der vorliegenden Situation (insb. keine konkrete Gefährdungssituation, breites funktionierendes Unterstützungs­netz für die Kindsmutter, welches in jede Entscheidung auch das Kindswohl mitein­bezieht, alleinige elterliche Sorge beim Kindsvater, Unterstützung durch engagierte Grosseltern) rechtfertigt sich die Aufrechterhaltung der von der KESB mit Entscheid vom 25. April 2023 angeordneten Massnahmen nicht mehr. Die Massnahmen der sozialpä­dagogischen Familienberatung und der Beistandschaft sind vollumfänglich aufzuheben.

 

5. Was die aufgelaufenen Kosten anbelangt, ist der Entscheid der KESB vom 25. April 2023, wie erwähnt, nicht zu beanstanden. Die von den Beschwerdeführern angefochtene Ziffer 3.6 betreffend Kostengutsprache bzw. Elternbeiträge im Rahmen von Art. 276 Abs. 2 ZGB bleibt bestehen.

 

6. Die Beschwerde erweist sich als teilweise begründet, sie ist in Bezug auf die angeordneten Massnahmen gutzuheissen. Ziffer 3.2 bis 3.5 des Entscheids der KESB vom 25. April 2023 werden aufgehoben.

 

7.1 Bei diesem Ausgang sind die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1’500.00 zu drei Vierteln, d.h. zu CHF 1'125.00, dem Staat, und zu einem Viertel, d.h. zu CHF 375.00, den Beschwerdeführern aufzuerlegen. Zum einen dringen die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde nicht vollumfänglich durch (vgl. E. 5), zum anderen ist der Entscheid der KESB vom 25. April 2023 nicht zu beanstanden. Die Beschwerde wird insbesondere deshalb teilweise gutgeheissen, da sich durch den Zeitablauf gezeigt hat, dass die anfänglichen Befürchtungen nicht eingetroffen sind und das Betreuungssystem gut funktioniert. Die Kosten werden mit dem von den Beschwerdeführern geleisteten Kostenvorschuss von CHF 1'500.00 verrechnet. Die Beschwerdeführer erhalten von der Zentralen Gerichtskasse des Kantons Solothurn je CHF 562.50 zurückerstattet.

 

7.2 Den Beschwerdeführern ist eine reduzierte Parteientschädigung zuzusprechen. Rechtsanwalt Hans Jörg Werder macht eine Entschädigung von total CHF 6'244.85 (26.9 Stunden à CHF 257.29 bzw. CHF 300.00 bzw. CHF 330.00 bzw. CHF 100.00 bzw. CHF 180.00, plus Auslagen von CHF 136.40 und MwSt.) geltend. Bezüglich der verschiedenen Stundenansätze liegt eine von den Beschwerdeführern unterzeichnete Honorarvereinbarung vor. Die Honorarnote erscheint im Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen massiv übersetzt. Bis am 23. Mai 2023 fiel bereits ein vorprozessualer Aufwand von insgesamt 7.5 Stunden an, ohne dass überhaupt mit der Erstellung der Beschwerde begonnen wurde. Der Aufwand am 24. April 2023 von «PS» von 0.2 Stunden für das Telefon mit der Klientschaft zur Schilderung der Ausgangslage und Dossiereröffnung, der Aufwand am 27. April 2023 von «PS» fürs Aktenstudium inkl. Abklärungen von 1 Stunde sowie der Aufwand von «HW» am 4. Mai 2023 fürs Aktenstudium von 0.4 Stunden erscheinen angemessen. Ansonsten ist der Aufwand bis zur «Redaktion der Beschwerde» zu streichen. Hinzuzufügen ist, dass gewisse Positionen wie «Vormerkung Besprechungstermin/Reservierung Sitzungszimmer» «Versand Vollmachten, Telefon mit KESB, Aktenabholung bei KESB» klarerweise nicht separat entschädigt werden können, sondern zum Kanzleiaufwand gehören. Ferner sollte am 12. Mai 2023 eine Eingabe ans Gericht erfolgt sein, obwohl das Verfahren vor Gericht noch gar nicht hängig war. Weiter kann der Aufwand am 24. Mai 2023 von «HW» von 0.2 Stunden für «Aktenstudium, Besprechung / Instruktion MLaw […]» nicht entschädigt werden, da die Instruktion von Rechtspraktikanten zum Ausbildungsauftrag einer Kanzlei gehört und nicht von der Klientschaft bzw. vom Staat zu tragen ist. Der Aufwand des «rp2» vom 30. Mai und 31. Mai 2023 von insgesamt 0.4 Stunden ist zu streichen, da nicht ersichtlich ist, inwiefern die Abklärung betreffend Verfahrensbeteiligte nach Versand der Beschwerde und Erhalt der Verfügung des Verwaltungsgerichts vom 26. Mai 2023 zum Verfahren beigetragen hätte. Weiter ist der Aufwand vom 31. Mai 2023 von «HW» von 0.1 Stunden zu streichen, da es sich um Kanzleiarbeit handelt. Dasselbe gilt für den Aufwand von «HW» von 0.1 Stunden am 16. Juni 2023. Der Aufwand am 19. Juni 2023 von «HW» ist um 0.2, d.h. auf 0.1 Stunden, zu reduzieren, da es sich hauptsächlich um Kanzleiarbeit handelt. Der durch «HW» am 6. Juli 2023 angefallene Aufwand von 0.4 Stunden für ein Fristerstreckungsgesuch ist zu streichen. Am 19. Juli 2023 fiel erneut zu streichender Kanzleiaufwand von 0.1 Stunden an. Schliesslich ist sowohl der Aufwand vom 4. September 2023 von «rp1» von 0.1 Stunden, als auch derjenige am 11. September 2023 von «SDA» von 0.4 Stunden («Vorbereitung Eingabe an Gericht [inkl. Kostennote]») zu streichen, da nicht ersichtlich ist, wofür dieser Aufwand angefallen ist. Denn bei der Eingabe ans Gericht handelt es sich lediglich um die Zustellung der Kostennote, die bereits mit Aufwand von «MSch» von 0.1 Stunden in Rechnung gestellt wurde. Insgesamt ist festzuhalten, dass die vorliegende Angelegenheit nicht derart komplex ist, dass verschiedene Juristen involviert werden, was zusätzlichen (nicht zu entschädigenden) Aufwand generiert. Werden die genannten Positionen gestrichen und die restlichen Positionen so zusammengezählt, wie sie auf der Kostennote ausgewiesen sind, ergibt dies ein Honoraraufwand von insgesamt CHF 3'843.00. Hinzu kommen die Auslagen von CHF 136.40 und die Mehrwertsteuer auf CHF 3'979.40 von CHF 306.40. Dies ergibt eine Entschädigung von insgesamt CHF 4'285.80. Davon sind den Beschwerdeführern gemäss Ausgang des Verfahrens drei Viertel, d.h. CHF 3'214.35, auszubezahlen. Die Entschädigung ist zahlbar durch den Staat Solothurn (§ 77 VRG i.V.m. §§ 160 und 161 Gebührentarif, [GT, BGS 615.11]).

 

 

Demnach wird beschlossen und erkannt:

 

1.    Je eine Kopie des Schreibens bzw. der Honorarnote von Rechtsanwalt Hans Jörg Werder vom 11. September 2023 geht an die KESB Region Solothurn und die Beiständin.

2.    Je eine Kopie der Telefonnotiz des Verwaltungsgerichts vom 14. September 2023 geht an die Parteien.

3.    Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen: Ziffer 3.2 bis 3.5 des Entscheids der KESB vom 25. April 2023 werden aufgehoben.

4.    Der Kanton Solothurn hat A.___ und B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Jörg Werder, eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 3'214.35 (inkl. Auslagen und MwSt.) auszurichten.

5.    Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1’500.00 werden zu drei Vierteln, d.h. zu CHF 1'125.00, dem Staat, und zu einem Viertel, d.h. zu CHF 375.00, A.___ und B.___ auferlegt. Die Zentrale Gerichtskasse des Kantons Solothurn wird angewiesen, A.___ und B.___ den Betrag von je CHF 562.50 zurückzuerstatten.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Thomann                                                                          Hasler

 



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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