Zusammenfassung des Urteils VWBES.2019.409: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdeführerin A. hat unrechtmässig Sozialhilfe bezogen und soll CHF 2'867.00 zurückzahlen. Sie hat gegen die Rückforderung geklagt und argumentiert, dass sie nicht verpflichtet sei, eine Grundpfandverschreibung zu unterzeichnen. Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde stattgegeben und entschieden, dass die Rückforderung aufgehoben wird. Der Kanton Solothurn trägt die Kosten des Verfahrens und muss der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von CHF 2'331.50 zahlen.
| Kanton: | SO |
| Fallnummer: | VWBES.2019.409 |
| Instanz: | Verwaltungsgericht |
| Abteilung: | - |
| Datum: | 11.05.2020 |
| Rechtskraft: | - |
| Leitsatz/Stichwort: | Rückerstattung Sozialhilfe |
| Schlagwörter: | Sozialhilfe; Rückerstattung; Recht; Verfügung; Beschwerde; Person; Departement; Innern; Grundeigentum; Verwaltungsgericht; Rückerstattungsverpflichtung; Sozialbehörde; Kanton; Personen; Verfahren; Grundpfandverschreibung; Liegenschaft; Verfahrens; Solothurn; Rechtsanwalt; Soziale; Departements; Frist; Sozialgesetz; Geldleistungen |
| Rechtsnorm: | - |
| Referenz BGE: | - |
| Kommentar: | - |
Es wirken mit:
Präsidentin Scherrer Reber
Oberrichter Müller
Oberrichter Stöckli
Gerichtsschreiberin Gottesman
In Sachen
A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Marc Aebi
Beschwerdeführerin
gegen
1. Departement des Innern, vertreten durch Rechtsdienst Departement des Innern
2. Soziale Dienste Oberer Leberberg
Beschwerdegegner
betreffend Rückerstattung Sozialhilfe
zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin) bezog vom 1. März 2018 bis 30. Juni 2018 in Grenchen Sozialhilfe.
2. Mit Meldung vom 3. Juli 2018 informierte die Sozialen Dienste oberer Leberberg (nachfolgend SDOL) das Amt für Soziale Sicherheit des Departements des Innern (nachfolgend ASO) darüber, dass die Sozialhilfe zu Unrecht bezogen worden sei.
3. Mit Schreiben vom 10. September 2019 wurde der Beschwerdeführerin die Gelegenheit eingeräumt, sich zum Sachverhalt zu äussern. Gleichzeitig wurde sie darauf hingewiesen, dass bei Verzicht auf eine Stellungnahme aufgrund der Akten entschieden werde.
4. Nachdem sich die Beschwerdeführerin zur Sache nicht hatte vernehmen lassen, erliess das Departement des Innern (DdI) am 7. November 2019 folgende Verfügung:
3.1. Die Sozialhilfeempfängerin hat CHF 2'867.00 an unrechtmässig bezogener Sozialhilfe zurückzuerstatten.
3.2. Die Schuld ist in 18 monatlichen Raten à CHF 150.00 und einer letzten Rate à CHF 167.00 zurückzuerstatten, fällig jeweils am ersten Tag des Kalendermonats. Die erste Rate wird am 1. Januar 2020 fällig.
3.3. Wird eine Rate nicht nicht rechtzeitig beglichen, tritt umgehend die Fälligkeit der gesamten Restschuld ein.
3.4. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
5. Gegen diese Verfügung wandte sich die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Marc Aebi, mit Beschwerde vom 20. November 2019 an das Verwaltungsgericht und beantragte, die Verfügung des DdI vom 7. November 2019 sei aufzuheben und es sei auf die Rückforderung von Sozialhilfe für die Zeit vom 1. März 2018 bis 30. Juni 2018 im Betrag von CHF 2'867.00 zu verzichten, unter Kostenund Entschädigungsfolgen. Weiter beantragte sie Frist zur Begründung der Beschwerde und die Gewährung der integralen unentgeltlichen Rechtspflege.
6. Am 12. Dezember 2019 erfolgte fristgerecht die Beschwerdebegründung.
7. Mit Präsidialverfügung vom 13. Dezember 2019 wurde der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege samt unentgeltlichem Rechtsbeistand bewilligt.
8. Das DdI schloss am 9. Januar 2020 auf Abweisung der Beschwerde. Die SDOL liessen sich nicht vernehmen.
9. Die Beschwerdeführerin replizierte am 17. Januar 2020.
II.
1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 159 Abs. 3 Sozialgesetz, SG, BGS 831.1, § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Am 1. Januar 2020 sind namentlich im Bereich der Rückerstattung von Sozialhilfe Änderungen des Sozialgesetzes in Kraft getreten. Nach den allgemeinen Grundsätzen über das anwendbare Recht ist die Rechtmässigkeit der Verfügung nach der Rechtslage zur Zeit ihres Erlasses zu beurteilen (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, Zürich/St. Gallen 2016, Rz. 288 ff.). Die angefochtene Verfügung erging unter dem bis Ende 2019 geltenden Sozialgesetz. Die im Lauf des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eingetretenen Rechtsänderungen sind demnach unbeachtlich.
3.1 Gemäss § 164 Abs. 1 SG sind unrechtmässig erwirkte Geldleistungen zurückzu-erstatten. Nach § 14 Abs. 3 SG prüft und verfügt der Kanton die Rückerstattung, wobei diese Zuständigkeitsbestimmung auch für die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Sozialhilfe gilt (SOG 2010 Nr. 17). Die Aufgabe der Rückerstattung wurde dem Departement des Innern übertragen. Das DdI war somit im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung zuständig für die Verfügung betreffend Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen.
3.2 Nach § 17 SG sind gesuchstellende und leistungsbeziehende Personen sowie deren gesetzliche bevollmächtigte Vertretung verpflichtet, aktiv am Verfahren mitzuwirken, insbesondere über die massgebenden Verhältnisse alle erforderlichen Auskünfte wahrheitsgetreu und vollständig zu erteilen und soweit möglich zu belegen (lit. a), Einsicht in schriftliche Unterlagen zu gewähren (lit. b), Behörden und Institutionen zu ermächtigen, soweit erforderlich Auskunft zu erteilen (lit. c), Auflagen und Weisungen zu befolgen (lit. d), Eigenleistungen entsprechend ihrer zumutbaren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erbringen (lit. dbis), zweckgebundene Leistungen zweckmässig zu verwenden (lit. e) und eingetretene Änderungen umgehend mitzuteilen (lit. f).
3.3 Gemäss § 153 Abs. 1 SG sind Geldleistungen davon abhängig zu machen, dass die hilfesuchende Person vermögensrechtliche Ansprüche abtritt, soweit sie nicht von Gesetzes wegen übergehen, soweit realisierbare Vermögenswerte sich nicht grundpfandlich anders sicherstellen lassen.
3.4 Es besteht grundsätzlich kein Anspruch darauf, Grundeigentum zu erhalten. Verfügen unterstützte Personen über Grundeigentum (insbesondere Liegenschaften und Miteigentumsanteile), so gehören diese Vermögenswerte zu den eigenen Mitteln. Personen, die Liegenschaften besitzen, sollen nicht bessergestellt sein als Personen, die Vermögenswerte in Form von Sparkonten Wertschriften angelegt haben. Wenn eine Liegenschaft von der unterstützten Person selbst bewohnt wird, ist auf die Verwertung zu verzichten, falls sie zu marktüblichen sogar günstigeren Bedingungen wohnen kann. Die Sozialhilfeorgane können ebenfalls von der Verwertung absehen, wenn jemand voraussichtlich nur kurzoder mittelfristig unterstützt wird, wenn jemand in relativ geringem Umfang unterstützt wird wenn wegen ungenügender Nachfrage nur ein zu tiefer Erlös erzielt werden könnte. Ist es sinnvoll, Grundbesitz zu erhalten, so empfiehlt es sich, eine Rückerstattungsverpflichtung mit Grundpfandsicherung zu vereinbaren. Diese Rückerstattungsverpflichtung soll fällig werden, wenn die Liegenschaft veräussert wird wenn die unterstützte Person stirbt (Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Sozialhilfe [SKOS-Richtlinien] E.2-4).
4. Die Vorinstanz begründet die Rückerstattungspflicht im konkreten Fall wie folgt: Bei der Anmeldung zum Bezug von Leistungen habe die Beschwerdeführerin am 16. Februar 2018 das Formular «Orientierung der Hilfesuchenden über ihre Rechte und Pflichten» unterzeichnet sowie die «Rückerstattungsverpflichtung bei nicht realisierbarem Vermögen». Dadurch habe sie von der ihr obliegenden Meldepflicht sowie der möglichen Pflicht zur Errichtung einer Grundpfandverschreibung Kenntnis erhalten. Entsprechend sei sie auch angehalten gewesen, die Einverständniserklärung zur Grundpfandverschreibung des ASO vom 14. Mai 2018 zu unterschreiben. Im vorliegenden Fall habe es die Beschwerdeführerin unter Verletzung ihrer Mitwirkungspflichten gemäss § 17 SG nach mehrmaliger Aufforderung unterlassen, die Einverständniserklärung zur Errichtung einer Grundpfandverschreibung zu unterzeichnen. Durch dieses pflichtwidrige Verhalten habe die Beschwerdeführerin für die Monate März 2018 bis Juni 2018 im Umfang von CHF 2'867.00 unberechtigterweise Sozialhilfeleistungen erhalten, ohne dass hierauf ein Anspruch bestanden habe. Ein Härtefall werde weder geltend gemacht noch bestünden Hinweise auf das Vorliegen eines solchen.
5. Die Beschwerdeführerin hat gegenüber der Sozialbehörde im Antrag zum Bezug von Sozialhilfe vom 16. Februar 2018 korrekt angegeben, über Grundeigentum zu verfügen. Gleiches geht auch aus der Selbstdeklaration im Rahmen des Formulars «Orientierung der Hilfesuchenden über ihre Rechte und Pflichten» hervor, welches die Beschwerdeführerin ebenfalls am 16. Februar 2018 unterzeichnet hat. Aus der Vermögensübersicht der SDOL vom 1. März 2018 geht hervor, dass die Sozialbehörde bei der Anspruchsprüfung davon ausgegangen ist, dass (noch) nicht realisierbares Grundeigentum vorhanden ist. Mit Blick darauf hat die Beschwerdeführerin am 16. Februar 2018 denn auch eine entsprechende Rückerstattungsverpflichtung unterzeichnet.
6. Die Sozialbehörde hat der Beschwerdeführerin daraufhin mit Verfügung vom 15. März 2018 aufgrund deren Bedürftigkeit ab 1. März 2018 sozialhilferechtliche Unterstützung gewährt. Obschon die Sozialbehörde bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Grundeigentum der Beschwerdeführerin hatte, wurde in der genannten Verfügung mit keinem Wort festgehalten, dass die Sozialhilfeleistungen nur gegen pfandrechtliche Sicherstellung ausgerichtet würden. Mit anderen Worten wurde die Ausrichtung der Sozialhilfe an keine Bedingung geknüpft.
7. Zwar besteht mit Blick auf § 153 SG unbestritten eine gesetzliche Grundlage für die mit Schreiben vom 14. Mai 2018 verlangte pfandrechtliche Sicherstellung mittels Grundpfandverschreibung. Indem sich die Beschwerdeführerin nachträglich geweigert hat, zur Sicherstellung der Rückerstattungsverpflichtung ein Grundpfandrecht errichten zu lassen, kann die Sozialbehörde von dem ihr zustehenden Recht gemäss § 153 SG keinen Gebrauch machen. Dieser Umstand ist aber weder auf eine Auskunftspflichtverletzung noch auf eine sonstige Verfehlung der Beschwerdeführerin zurückzuführen. Es kann dieser nicht angelastet werden, wenn die Sozialbehörde die Ausrichtung der Sozialhilfe in der Verfügung vom 15. März 2018 nicht ausdrücklich an die Bedingung der Rückerstattungsverpflichtung mit Grundpfandverschreibung geknüpft hat. Die Beschwerdeführerin hat ihr Grundeigentum zu keinem Zeitpunkt verschwiegen und ihre Bedürftigkeit war ausgewiesen. Eine unrechtmässige Erwirkung von Sozialhilfe i.S.v. § 164 SG liegt demnach nicht vor.
8.1 Eine Rückforderung ist indes auch bei rechtmässig bezogener Sozialhilfe möglich: Personen, die Geldleistungen der Sozialhilfe erhalten haben, sind zur Rückerstattung verpflichtet, wenn sie in finanziell günstige Verhältnisse gelangen. Die Rückerstattungsforderungen sind unverzinslich (§ 14 Abs. 1 SG). Eine entsprechende Verpflichtung hat die Beschwerdeführerin ja auch bereits am 16. Februar 2018 unterschrieben.
8.2 Die Beschwerdeführerin hat ihren hälftigen Miteigentumsanteil am hier interessierenden Grundeigentum gemäss Scheidungsurteil vom 11. Dezember 2018 an ihren ehemaligen Ehemann zu Alleineigentum übertragen. Dafür hat dieser der Beschwerdeführerin bis spätestens am 30. Juni 2030 eine güterrechtliche Ausgleichszahlung in der Höhe von CHF 65'000.00 zu bezahlen. Sollte die Beschwerdeführerin die güterrechtliche Ausgleichszahlung erhalten, kann die vorliegend ausgerichtete Sozialhilfe zurückgefordert werden. Die Beschwerdeführerin erklärt sich in der Beschwerdebegründung denn auch zur Abtretung der gestundeten Forderung bereit, worauf sie zu behaften ist. Jedenfalls besteht im vorliegenden Fall für das Gemeinwesen nach wie vor die Möglichkeit, die ausgerichtete Sozialhilfe zurückzufordern. Seit dem 1. Januar 2020 sind im Bereich der kommunal getragenen Sozialhilfe die Einwohnergemeinden bzw. Sozialregionen für die Durchführung der Rückerstattungsverfahren zuständig. Somit obliegt es den SDOL, ob, wann und inwieweit sie eine Rückerstattung der ausgerichteten, rechtmässigen Sozialhilfe verlangen. Die SDOL haben auch die von der Beschwerdeführerin angebotene Möglichkeit, sich die Forderung aus güterrechtlichem Ausgleich im Umfang der bezahlten Sozialhilfe abtreten zu lassen. Dies ändert am Ergebnis allerdings nichts, da die angefochtene Verfügung des DdI auf einer nicht einschlägigen Gesetzesgrundlage beruht.
9. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet; sie ist gutzuheissen: Die Verfügung vom 7. November 2019 des Departements des Innern ist aufzuheben. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens trägt der Kanton Solothurn die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht. Die Parteientschädigung der Beschwerdeführerin ist entsprechend der von Rechtsanwalt Marc Aebi eingereichten Honorarnote, die angemessen ist und zu keinen Bemerkungen Anlass gibt, auf total CHF 2'331.50 (8.6 Std. à CHF 230.00 nebst CHF 186.80 Auslagen und CHF 166.69 MWST) festzusetzen und vom Kanton Solothurn zu bezahlen.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen: Die Verfügung vom 7. November 2019 des Departements des Innern wird aufgehoben.
2. Der Kanton Solothurn trägt die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht.
3. Der Kanton Solothurn hat A.___ eine Parteientschädigung von CHF 2'331.50 (inkl. Auslagen und MWST) auszurichten.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
Scherrer Reber Gottesman
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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