Zusammenfassung des Urteils VWBES.2019.352: Verwaltungsgericht
A.___ wurde von der Sozialregion Unteres Niederamt bis zum 30. Juni 2019 unterstützt, zog dann um und erhielt Ergänzungsleistungen. Er reichte Rechnungen ein, die abgelehnt wurden. Nach Beschwerden und Einsprachen wurde entschieden, dass A.___ die Kosten erstattet werden müssen. Das Verwaltungsgericht hob die Ablehnung auf und wies die Sozialregion an, die Kosten zu erstatten.
| Kanton: | SO |
| Fallnummer: | VWBES.2019.352 |
| Instanz: | Verwaltungsgericht |
| Abteilung: | - |
| Datum: | 05.05.2020 |
| Rechtskraft: | - |
| Leitsatz/Stichwort: | Kostenübernahme |
| Schlagwörter: | Sozialhilfe; Rechnung; Beschwerde; Departement; Rechnungen; Verfügung; Strom; Entscheid; Betrag; Unterstützung; Innern; Sozialregion; Kostenübernahme; Ablösung; Leistungen; Ergänzungsleistungen; Vergangenheit; Service; Beschwerdeführers; Statuten; Vorstand; Sozialbehörde; Grundbetrag; Recht; Niederamt; Verwaltungsgericht; Sozialdienst; Ablehnung |
| Rechtsnorm: | - |
| Referenz BGE: | - |
| Kommentar: | - |
Es wirken mit:
Präsidentin Scherrer Reber
Oberrichter Müller
Oberrichter Stöckli
Gerichtsschreiberin Kaufmann
In Sachen
A.___
Beschwerdeführer
gegen
1. Departement des Innern, vertreten durch Rechtsdienst Departement des Innern,
2. Sozialregion Unteres Niederamt,
Beschwerdegegner
betreffend Kostenübernahme
zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___ wurde nach Angaben der Sozialregion Unteres Niederamt (SRUN) bis zum 30. Juni 2019 sozialhilferechtlich unterstützt. Am 1. Juli 2019 zog er nach [ ] um und erhält seither neben dem Vorbezug der AHV-Rente auch Ergänzungsleistungen, welche seinen Lebensunterhalt decken. Vermögen ist keines vorhanden.
2. Mitte Juli 2019 reichte A.___ dem Sozialdienst drei Rechnungen mit Rechnungsdatum Juli 2019 ein, welche angefallene Auslagen in der vergangenen Unterstützungszeit beträfen. Der Sozialdienst schickte ihm die Rechnungen am 22. Juli 2019 zurück, weil er per 30. Juni 2019 von der Sozialhilfe abgelöst sei und seit 1. Juli 2019 nicht mehr unterstützt werde.
3. Auf «Beschwerde» von A.___ vom 23. Juli 2019 erliess die SRUN am 26. Juli 2019 eine Verfügung, in welcher die verlangte Kostenübernahme abgelehnt und als Rechtsmittel eine Einsprache bei der Sozialhilfebehörde der SRUN angegeben wurde. Die Verfügung wurde per A-Post versendet und ging beim Betroffenen am 6. August 2019 ein.
4. Mit Eingabe vom 7. August 2019 erhob A.___ beim Departement des Innern Beschwerde gegen die Ablehnung, weil alle Rechnungen die Unterstützungsperiode beträfen und er sich nicht in der Lage sehe, diese zu begleichen, da der Umzug seine letzten finanziellen Reserven aufgebraucht habe.
5. Mit Entscheid vom 23. September 2019 wies das Departement des Innern (DdI) die Beschwerde ab. Seit 1. Juli 2019 sei der Beschwerdeführer von der Sozialhilfe abgelöst und weise gemäss Budget einen monatlichen Überschuss von CHF 510.00 aus. Aus den Akten sei nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer vor der Ablösung über künftige Rechnungen bzw. während seinem Unterstützungszeitraum über künftige hohe Ausgaben informiert hätte. Zudem hätte er sich nicht gegen die Ablösung der Sozialhilfe per 1. Juli 2019 gewehrt. Der Bedarf habe in der Vergangenheit bestanden und bestehe jetzt nicht mehr.
6. Am 26. September 2019 erhob A.___ gegen den ablehnenden Entscheid des Departement Beschwerde beim Verwaltungsgericht und verlangte wiederum die Finanzierung der eingereichten und in der Zwischenzeit mittels Privatdarlehen bezahlten Rechnungen.
7. Die Sozialregion liess sich am 30. September 2019 vernehmen und das Departement stellte am 3. Oktober 2019 den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen.
II.
1. Die Beschwerde ist rechtzeitig innert der Beschwerdefrist begründet eingereicht worden. Der Antrag auf Kostenübernahme geht aus der Beschwerde klar hervor. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid des Departements, mit welchem seine Beschwerde gegen die Ablehnung der Kostenübernahme abgewiesen wurde, besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung Änderung. Er ist deshalb zur Beschwerde legitimiert, auf seine Beschwerde ist einzutreten.
2. Der Beschwerdeführer hat beim Sozialdienst folgende drei Rechnungen eingereicht, deren Übernahme bzw. unterdessen Rückvergütung er verlangt:
- Schlussrechnung der [ ] Energie AG vom 22. Juli 2019 für Stromlieferung in der Periode vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 für das Einfamilienhaus an der [ ]strasse in [ ] im Betrag von CHF 1'976.40;
- Rechnung der [ ] vom 7. Juli 2019 im Betrag von CHF 835.40 für einen Service und den Ersatz eines Spurstangenendstücks am Fahrzeug [ ], ausgeführt am 24. Juni 2019;
- Leistungsabrechnung der Krankenkasse vom 7. Juli 2019 für die Behandlung vom 29. Mai bis 17. Juni 2019, Selbstbehalt für Leistungen der Grundversicherung im Betrag von CHF 51.20.
3. Die SRUN und das Departement berufen sich für ihren ablehnenden Entscheid einmal auf die unangefochten gebliebene Ablösung des Beschwerdeführers von der Sozialhilfe per 1. Juli 2019.
3.1 Das Schreiben der SRUN an den Beschwerdeführer, an die Adresse in [ ], datiert mit 23. August 2019, als Kopie bezeichnet und original unterschrieben von der zuständigen Sachbearbeiterin, in welchem der Beschwerdeführer darüber informiert wird, dass er wegen des Bezugs von Ergänzungsleistungen per 1. Juli 2019 von der Sozialhilfe abgelöst sei, kann aber schwerlich als Verfügung betrachtet werden. In der Fusszeile dieses Schreibens steht nämlich, dass der Beschwerdeführer schriftlich innerhalb von 10 Tagen eine beschwerdefähige Verfügung verlangen könne, wenn er mit diesem Entscheid nicht einverstanden sei.
3.2 Das Schreiben stammt auch nicht von einer Behörde, die zu einem solchen Entscheid befugt ist. Die SRUN ist gemäss ihren Statuten aus dem Jahr 2009, mit Änderungen genehmigt durch RRB Nr. 2009/2370 vom 15. Dezember 2009, ein privatrechtlicher Verein. Nach § 4bis (vom Regierungsrat eingefügt) amtet der Vorstand in öffentlich-rechtlicher Funktion als Sozialkommission für die Sozialregion. Nach § 4 Abs. 2 der Statuten besorgt der Vorstand, welcher aus den von den Gemeinden bestimmten Delegierten besteht (§ 3 lit. a Satz 1 und lit. b alinea 1 in der vom Regierungsrat genehmigten Fassung), alle Geschäfte, die nicht der Delegiertenversammlung einer andern Instanz zugewiesen sind. Nach dieser statutarischen Regelung und einer Organisationsform, welche schon anlässlich ihrer Genehmigung durch den Regierungsrat als fragwürdig bezeichnet wurde, ist klar, dass einzig der Vorstand in seiner Funktion als Sozialkommission zuständig ist, Verfügungen zu erlassen. Er kann diese ihm durch die Statuten übertragene Funktion nicht weitergeben, schon gar nicht in internen «Grundsatzentscheiden» «Richtlinien», da eine Delegationsmöglichkeit in den von den Gemeindeversammlungen genehmigten Statuten nicht vorgesehen ist. Die Erteilung einer Unterschriftsberechtigung an den Leiter der Sozialbehörde an Fallverantwortliche kann nicht über den Mangel der fehlenden Zuständigkeit hinweghelfen.
3.3 Das Argument, es liege eine unangefochten gebliebene und damit gültige Entscheidung vor, dass der Beschwerdeführer per 1. Juli 2019 von der Sozialhilfe abgelöst worden sei, hält also nicht stand.
4. Die SRUN und die Vorinstanz stützen ihre Ablehnung der Kostenübernahme auf die Verfügung der SRUN vom 26. Juli 2019. Was soeben hinsichtlich der Zuständigkeit der Sozialbehörde für den Erlass von Verfügungen dargelegt wurde, gilt auch für diese Verfügung. Sie ist nach den Akten nicht von der zuständigen Behörde, nämlich dem Vereinsvorstand als Sozialkommission, erlassen worden; jedenfalls liegt kein entsprechend protokollierter Vorstandsbeschluss vor. Die Sozialregion wird sich überlegen müssen, ob ihre Organisationsform dem Gemeindegesetz entspricht und den Anforderungen an eine Sozialhilfebehörde genügt.
5.1 Da die Verfügung vom 26. Juli 2019 aber offensichtlich auch inhaltlich falsch ist, ist zur Vermeidung weiterer Verzögerung auch materiell auf die Sache einzugehen und über diese zu entscheiden (§ 72 Abs. 1 VRG). Wie schon dargelegt, liegt keine rechtskräftig verfügte Ablösung der Sozialhilfe per Ende Juni 2019 vor (oben Erw. 3).
5.2 Die geltend gemachten Kosten, deren Übernahme bzw. Rückerstattung der Beschwerdeführer verlangte und verlangt, fallen ganz klar in die Periode, in welcher der Beschwerdeführer von der SRUN mittels Sozialhilfe unterstützt wurde. Wenn die Rechnungen erst kurze Zeit nach Ende Juni ausgestellt wurden, ändert das daran nichts. Die Leistungen erfolgten in der Unterstützungsperiode, der Aufwand entstand in dieser Zeit, im ersten Halbjahr 2019, also auch nach Auffassung der SRUN und der Vorinstanz vor der Ablösung des Beschwerdeführers von der Sozialhilfe. Es ist nicht Aufgabe der Ergänzungsleistungen, Schulden aus der Vergangenheit zu decken, sowenig wie dies bei der Sozialhilfe für Schulden aus der Vergangenheit der Fall ist. Und wenn die Ergänzungsleistungen etwas grosszügiger bemessen sind als die Sozialhilfeleistungen und zu einem «Überschuss» über das Sozialhilfebudget führen, wird damit nicht ein Einkommen generiert Vermögen geäufnet, welches zur Rückerstattungspflicht von Sozialhilfeleistungen führen könnte. Zu beurteilen sind, was die SRUN angeht, nicht Schulden des Beschwerdeführers aus der Vergangenheit, also solche, die bei Eintritt der Sozialhilfeabhängigkeit bzw. bei Unterstützungsbeginn schon bestanden, sondern Forderungen für Leistungen, auf welche der Beschwerdeführer in der Zeit der Unterstützung Anspruch hatte, die aber im Zeitpunkt des Wegzugs noch nicht beziffert werden konnten, da die Rechnungen noch nicht ausgestellt waren.
5.3.1 Wenn die Sozialbehörde bzw. die Vorinstanz dem Beschwerdeführer ein Auto aus medizinischen Gründen als notwendig zugestand, wie der Beschwerdeführer unwidersprochen behauptet, gehören die notwendigen Unterhaltskosten für einen Service bzw. eine kleine Reparatur zu den Leistungen, die zu vergüten sind.
5.3.2 Und dass die Stromrechnung, welche augenscheinlich den Zeitraum betrifft, in welchem der Beschwerdeführer unterstützt wurde, nicht (einzig) den im Grundbetrag enthaltenen Stromkonsum betrifft, sondern auch die Heizkosten umfasst, liegt angesichts der Angaben in der eingereichten Rechnung auf der Hand und ist ebenfalls nicht bestritten. Die Heizkosten sind aber zusätzlich zu allfälligen Mietoder Hypothekarzinskosten zu vergüten und nicht im Grundbetrag inbegriffen, auch wenn sie als Stromgebühren anfallen. Der Beschwerdeführer behauptet, es sei vereinbart gewesen, dass pro Monat Stromkosten von CHF 70.00 als im Grundbetrag enthaltene Kosten vereinbart gewesen seien. Die SRUN hat dies nicht bestritten. Monatliche Kosten für Strom von CHF 70.00 für den allgemeinen Verbrauch (ohne Heizung) erscheinen für einen Einpersonenhaushalt jedenfalls nicht zu tief.
5.3.3 Auch der Selbstbehalt und Franchisen für medizinisch notwendige Leistungen in der Zeit der Unterstützung gehören zu den Kosten, welche die Sozialhilfe im Budget zu berücksichtigen und zu tragen hat (SKOS-Richtlinien B.5-2).
5.4 Der Beschwerdeführer machte also die von ihm eingereichten Rechnungen zu Recht geltend. Deren Übernahme in das Sozialhilfebudget wäre gesetzlich und nach den geltenden Richtlinien geboten gewesen. Da sie unterdessen vom Beschwerdeführer mittels privater Darlehen bezahlt wurden, sind sie ihm von der SRUN im gebotenen Umfang bei der Stromrechnung reduziert um den im Grundbetrag enthaltenen Betrag von CHF 70.00 pro Monat zurückzuerstatten.
6. Die Beschwerde erweist sich also grössten teils als begründet. Der Beschwerdeentscheid des Departement des Innern vom 23. September 2019 ist aufzuheben und die SRUN anzuweisen, dem Beschwerdeführer die Kosten für die Reparatur und den Service seines Autos gemäss Rechnung der [ ] vom 7. Juli 2019 im Betrag von CHF 835.40, die Kosten für Strombezug im ersten Halbjahr 2019 gemäss Rechnung der [ ] Energie AG im Betrag von CHF 1976.40 abzüglich CHF 420.00 (6 Monate à CHF 70.00) sowie die Kosten von CHF 51.20 gemäss Leistungsabrechnung der Krankenkasse vom 7. Juli 2019 innert längstens 30 Tagen zu erstatten.
7. Bei diesem Ausgang sind die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten vom Staat Solothurn zu tragen.
Demnach wird erkannt:
1. In Gutheissung der Beschwerde wird der Beschwerdeentscheid des Departements des Innern vom 23. September 2019 aufgehoben.
2. Die Sozialbehörde bzw. der Verein Sozialregion Unteres Niederamt wird verpflichtet, A.___ die Kosten für die Reparatur und den Service seines Autos gemäss Rechnung der [ ] vom 7. Juli 2019 im Betrag von CHF 835.40, die Kosten für Strombezug im ersten Halbjahr 2019 gemäss Rechnung der [ ] Energie AG im Betrag von CHF 1'556.40 (CHF 1976.40 abzüglich CHF 420.00 [6 Monate à CHF 70.00]) sowie die Kosten von CHF 51.20 gemäss Leistungsabrechnung der Krankenkasse vom 7. Juli 2019 innert längstens 30 Tagen zu erstatten.
3. Die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten trägt der Kanton Solothurn.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Schweizerisches Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
Scherrer Reber Kaufmann
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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