Zusammenfassung des Urteils VWBES.2019.154: Verwaltungsgericht
Am 12. Mai 2018 kam es zu einem Unfall zwischen einem Lieferwagen und einem Personenwagen in Muttenz, bei dem A.___ eine Verkehrsregelverletzung begangen hat. Er wurde zu einer Busse verurteilt und ihm wurde der Führerausweis für einen Monat entzogen. A.___ legte Beschwerde ein, da er die Verletzung als Bagatelle ansah und auf den Führerausweis angewiesen war. Das Verwaltungsgericht wertete das Verhalten von A.___ als leichte Verletzung und verwarnte ihn nur. Die Kosten des Verfahrens wurden zwischen A.___ und dem Kanton Solothurn aufgeteilt.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2019.154 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 06.07.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Führerausweisentzug |
Schlagwörter: | Fahrzeug; Verkehr; Widerhandlung; Verkehrs; Recht; Strasse; Gefahr; Führer; Strassen; Führerausweis; Gefährdung; Verwaltungsgericht; Verletzung; Beschwerdeführers; Fahrzeuge; Sicherheit; Urteil; Unfall; Fahrbahn; Bundesgericht; Verkehrsregeln; Bundesgerichts; Sachverhalt; Verfahren; Polizei; Piaggio; Verschulden; Recht |
Rechtsnorm: | Art. 16 SVG ;Art. 16a SVG ;Art. 31 SVG ;Art. 34 SVG ;Art. 90 SVG ; |
Referenz BGE: | 123 II 97; 124 II 103; 131 II 627; 136 II 447; |
Kommentar: | Philippe Weissenberger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, Art. 34 OBG SVG, 2015 |
Es wirken mit:
Präsidentin Scherrer Reber
Oberrichter Müller
Oberrichter Stöckli
Gerichtsschreiberin Droeser
In Sachen
A.___, vertreten durch Rechtsanwalt und Notar lic. iur. Bruno Nüssli
Beschwerdeführer
gegen
Bauund Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle,
Beschwerdegegner
betreffend Führerausweisentzug
zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. Am 12. Mai 2018 kam es auf der Eigentalstrasse in Muttenz um 11.30h in einer Kurve zu einer seitlich-frontalen Kollision zwischen dem talwärts fahrenden Lieferwagen Piaggio I Porter 13 von A.___ und einem bergwärts fahrenden Personenwagen VW Tiguan. Grund für den Unfall waren gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft vom 20. Dezember 2018 pflichtwidrig mangelnde Aufmerksamkeit und ungenügendes Rechtsfahren. A.___ wurde deswegen einer einfachen Verletzung der Verkehrsregeln für schuldig erklärt und zu einer Busse von CHF 400.00 verurteilt. Bei der Strafzumessung wurde das Mitverschulden der entgegenkommenden Lenkerin, welche ihrerseits den Unfall durch mangelnde Aufmerksamkeit und ungenügendes Rechtsfahren mitverursacht habe, strafmildernd berücksichtigt. A.___ akzeptierte den Strafbefehl und zog eine zuerst dagegen eingereichte Einsprache nach einer Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft am 11. Februar 2019 aus finanziellen Überlegungen zurück.
2. Am 18. Februar 2019 teilte die Motorfahrzeugkontrolle (MFK) des Kantons Solothurn A.___ mit, es sei vorgesehen, ihm den Führerausweis gestützt auf Art. 16b des Strassenverkehrsgesetzes (SVG; SR 741.01) wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften für einen Monat zu entziehen. Innert erstreckter Frist liess A.___ durch seinen damaligen Anwalt darum ersuchen, es sei von einer leichten Verletzung der Verkehrsregeln auszugehen und eine Verwarnung auszusprechen. Eventualiter seien anstelle eines Entzugs Ersatzmassnahmen anzuordnen und subeventualiter sei der Führerausweis für maximal einen Monat zu entziehen.
3. Am 10. April 2019 verfügte die MFK namens des Bauund Justizdepartements (BJD) den Entzug des Führerausweises für einen Monat gestützt auf Art. 16 Abs. 3 und 16b Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a SVG sowie Art. 33 der Verkehrszulassungsverordnung (VZV; SR 741.51).
4. Mit Eingabe vom 19. April 2019 gelangte A.___ gegen diesen Entscheid ans Verwaltungsgericht. Sinngemäss beantragte er die Aufhebung der angefochtenen Verfügung. In seiner Beschwerdeergänzung vom 13. Mai 2019 führte er im Wesentlichen aus, als Bauer sei er für diverse Transporte (Milch, Obst, Gemüse und Brot) auf den Führerausweis angewiesen. Er fahre die Strecke seit mehr als 53 Jahren und sei bis zum 12. Mai 2018 stets unfallfrei unterwegs gewesen. Deshalb sei er der Meinung, er habe keine Verkehrsregelverletzung begangen, jedenfalls keine mittelschwere. Es handle sich um eine Bagatelle; die Fahrzeuge hätten nur minimale Schäden aufgewiesen. Für ihn stehe seine Existenz auf dem Spiel.
5. Die MFK liess am 10. Mai 2019 namens des BJD auf Abweisung der Beschwerde schliessen. U.a. wies sie darauf hin, dass der Führerausweis in den Spezialkategorien G und M nicht entzogen worden sei. Auf den Namen des Beschwerdeführers seien zwei landwirtschaftliche Fahrzeuge eingetragen, mit denen er während der Dauer des Entzugs die in Art. 87 der Verkehrsregelnverordnung (VRV; SR 741.11) vorgesehenen Fahrten zur Bewirtschaftung eines Landoder Forstwirtschaftsbetriebs durchführen könne.
6. In weiteren Eingaben vom 22. Mai und 10. Juni 2019 hielt der Beschwerdeführer sinngemäss und im Wesentlichen an seinen Anträgen und deren Begründung fest. Zudem ersuchte er um eine Verhandlung am Unfallort.
7. Am 3. Juli 2019 fand vor dem Verwaltungsgericht eine Hauptverhandlung mit Parteibefragung statt, anlässlich welcher der Beschwerdeführer neu durch Rechtsanwalt Bruno Nüssli vertreten war.
II.
1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid, mit welchem ihm der Führerausweis für die Dauer eines Monats entzogen wurde, beschwert und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung. Er ist somit zur Beschwerde legitimiert, weshalb darauf einzutreten ist.
2.1 Streitig ist vorliegend, ob das Verhalten des Beschwerdeführers als leichte als mittelschwere Verletzung von Strassenverkehrsvorschriften zu qualifizieren ist.
Nach Art. 16 Abs. 2 Strassenverkehrsgesetz (SVG, SR 741.01) wird nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz ausgeschlossen ist, der Führerausweis entzogen eine Verwarnung ausgesprochen. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a bis c SVG). Gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft. Nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG begeht eine mittelschwere Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt. Gestützt auf Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG begeht eine schwere Widerhandlung, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt. Eine leichte Widerhandlung i.S.v. Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft, wenn ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft. Nach einer leichten Widerhandlung wird der Lernfahroder Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis entzogen war eine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Abs. 2). Die fehlbare Person wird verwarnt, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Abs. 3). In besonders leichten Fällen wird auf jegliche Massnahme verzichtet (Abs. 4). Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG stellt einen Auffangtatbestand dar. Sie liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind (Urteil 1C_250/2017 des Bundesgerichts vom 7. September 2017 E. 2.2; Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, BBl 1999 4487).
2.2 Die MFK wertete das Verhalten des Beschwerdeführers als mittelschwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG. Die Staatsanwaltschaft dagegen qualifizierte die Verfehlung als leichte Verkehrswiderhandlung i.S.v. Art. 90 Abs. 1 SVG.
2.3 Die für den Führerausweisentzug zuständige Verwaltungsbehörde darf bei einem Warnungsentzug grundsätzlich nicht von den Tatsachenfeststellungen des rechtskräftigen Strafentscheids abweichen. Ein Abweichen ist nur zulässig, wenn die Behörde ihrem Entscheid Tatsachen zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren, wenn sie zusätzliche Beweise erhebt wenn der Strafrichter nicht alle sich mit dem Sachverhalt stellenden Rechtsfragen abklärte. Sie ist unter bestimmten Voraussetzungen auch an einen Strafentscheid gebunden, der im Strafbefehlsverfahren ergangen ist, selbst wenn er ausschliesslich auf einem Polizeirapport beruht. Dies gilt namentlich, wenn der Beschuldigte wusste angesichts der Schwere der ihm vorgeworfenen Delikte davon ausgehen musste, dass neben dem Strafverfahren ein Administrativverfahren eröffnet wird. Entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben muss der Betroffene allfällige Verteidigungsrechte und Beweisanträge im Strafverfahren vorbringen und dort gegebenenfalls alle Rechtsmittel ausschöpfen (BGE 123 II 97 E. 3c/aa; 121 II 214 E. 3a; Urteil 1C_266/2014 des Bundesgerichts vom 17. Februar 2015 E. 2.1.2).
2.4 In der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts, insbesondere auch des Verschuldens, ist die Verwaltungsbehörde demgegenüber frei, ausser die rechtliche Qualifikation hängt stark von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Strafrichter besser kennt, etwa weil er den Beschuldigten persönlich einvernommen hat (BGE 136 II 447 E. 3.1; Urteil 1C_39/2018 des Bundesgerichts vom 4. Juli 2018 E. 2.2). Die Tatbestandsumschreibungen für den Führerausweisentzug und die strafrechtliche Sanktion stimmen zwar nicht überein. Es bestehen aber gewisse Parallelen. Die Strafnorm von Art. 90 SVG legt das Schwergewicht auf das Verschulden des Fahrzeuglenkers und verlangt eine Würdigung des Sachverhalts unter einem subjektiven Gesichtspunkt, während die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen von Art. 16 ff. SVG mehr auf die objektive Gefährdung des Verkehrs abstellen (BGE 124 II 103 E. 1c/bb; 102 Ib 193 E. 3). Der Entscheid über die Schwere einer Verkehrsgefährdung ist eine Frage der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts (Urteil 6A.64/2006 des Bundesgerichts vom 20. März 2007 E. 2.1). Die strafrechtliche Qualifikation einer Verkehrsregelverletzung als einfach im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG schliesst die Annahme einer mittelschweren Widerhandlung im Administrativverfahren nicht aus (Urteil 1C_184/2011 des Bundesgerichts vom 31. Oktober 2011 E. 2.4.2 mit Hinweisen).
3.1 Als Grundsatz hält Art. 31 Abs. 1 SVG fest, dass der Führer das Fahrzeug ständig so beherrschen muss, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Fahrzeuge müssen rechts, auf breiten Strassen innerhalb der rechten Fahrbahnhälfte fahren. Sie haben sich möglichst an den rechten Strassenrand zu halten, namentlich bei langsamer Fahrt und auf unübersichtlichen Strecken (Art. 34 SVG). Der Fahrzeugführer muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV). Das Gebot, möglichst weit rechts zu fahren, gilt auf allen Strassen und unabhängig von der gefahrenen Geschwindigkeit. Es gehört zu den grundlegenden Bestimmungen des Strassenverkehrsrechts. Die Verletzung des Gebots des Rechtsfahrens kann namentlich zum Entzug des Führerausweises führen und strafbar sein, sei es als einfache (Art. 90 Abs. 1 SVG) je nach Umständen als grobe (Art. 90 Abs. 2 SVG) qualifiziert grobe (Art. 90 Abs. 3 SVG) Verkehrsregelverletzung (vgl. Philippe Weissenberger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl., Zürich 2015, Art. 34 N 1 und N 14).
3.2 Die Busse erging im Strafbefehlsverfahren. Der Beschwerdeführer war mit der Strafe zwar nicht einverstanden, zog seine Einsprache dann aber auf Zureden des Untersuchungsbeamten und auf Rat seiner Rechtsschutzversicherung zurück, weil ihm beide Seiten beschieden, es handle sich lediglich um eine Bagatelle. Daraus kann er zwar nichts zu seinen Gunsten ableiten, da die Aussagen der Beteiligten keinen Anspruch aus Vertrauensschutz zu begründen vermögen (vgl. BGE 131 II 627 E. 6.1). Daraus wird aber auch deutlich, dass nie vertiefte Sachverhaltsabklärungen über den genauen Unfallhergang getroffen wurden, sondern lediglich auf den Polizeirapport abgestellt wurde. Anlässlich der Hauptverhandlung vor Verwaltungsgericht wurde deutlicher, wieviele Unklarheiten zum rechtlich relevanten Sachverhalt bestehen.
3.3 Erstellt ist, dass der Beschwerdeführer am Samstag, 12. Mai 2018, gegen 11.30h mit seinem Lieferwagen Piaggio Porter auf der Eigentalstrasse talwärts Richtung Muttenz fuhr. Er war unterwegs zum Baden in Rheinfelden und hatte es nicht eilig. Die andere Unfallbeteiligte fuhr mit ihrem VW Tiguan bergwärts Richtung «Sulzkopf», einer Hütte, die für Privatanlässe gemietet werden kann (https://www.baselland-tourismus.ch/tagen/waldhuetten/sulzkopfhuette, abgerufen am 4. Juli 2019). In einer Linkskurve (von oben herkommend) kam es zwischen den Fahrzeugen zu einer seitlichen Streifkollision. Die Fahrbahn war damals trocken, es herrschte schönes Wetter. Aufgrund der Fotos, die der Beschwerdeführer eingereicht hat und der Bilder von google streetview lässt sich auf eine grundsätzlich übersichtliche Situation an der Kollisionsstelle schliessen. Es handelt sich um keine sehr enge Kurve. Im Polizeirapport findet sich eine einfache Skizze, auf welcher die Fahrbahnbreite ca. in der Kurvenmitte mit 5.30m vermasst ist. Wie exakt diese Angaben sind, lässt sich nicht mehr eruieren, wie sich aus den der Strafanzeige beiliegenden Fotos entnehmen lässt, wurden auch die an die asphaltierte Fahrbahn angrenzenden gekiesten Bankette mitgemessen (img. 0759860 und img. 0759861). Als die Polizei vor Ort erschien, waren beide Fahrzeuge nicht mehr in der Unfallposition, sondern je zurückgesetzt. Der genaue Unfallhergang liess sich nicht mehr nachvollziehen. Ungefähr in der Fahrbahnmitte lagen Scherben von den jeweiligen vorderen linken Scheinwerfern (der Beschwerdeführer sprach vom Blinklicht) der beteiligten Fahrzeuge und «kennzeichneten somit die mutmassliche Kollisionsstelle» (Zitat Polizeirapport vom 16. Juni 2018). Beide Parteien beschuldigten sich gegenseitig des Fehlverhaltens. Der Sachschaden war gering (von der Polizei je auf CHF 2'000.00 geschätzt), dies zeigen einerseits die Polizeifotos, andererseits auch die vom Beschwerdeführer an der Hauptverhandlung eingereichten Fotos, auf denen beim Piaggio leichte Kratzspuren auf der linken Vorderseite zu sehen sind. Daraus lässt sich ableiten, dass keines der Fahrzeuge besonders schnell unterwegs war, hätte sich doch sonst ein anderes Schadensbild geboten. Zu berücksichtigen ist Folgendes: Der (kleine) Piaggio ist gemäss Internetrecherche knapp zwischen 1.40 m breit (statt vieler: https://de.wikipedia.org/wiki/Piaggio_Porter, https://www.tuttotrasporti.it/listini-nuovo/archivioLeggeri.941-3247-TA05.html zuletzt abgerufen am 4. Juli 2019), gemäss Aussage des Beschwerdeführers gar nur 1.18 m. Dagegen ist ein VW Tiguan, ein sogenannter SUV, 1.80m breit (ohne Spiegel, https://www.angurten.de/is/abmessungen/168-Tiguan, zuletzt abgerufen am 4. Juli 2019). Schon von den Massen her ist es plausibel, dass das entgegenkommende Fahrzeug seine Fahrbahnbreite deutlich mehr beanspruchte als der äusserst schmale Wagen des Beschwerdeführers. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer die Strecke seit Jahrzehnten befährt und bestens kennt, wie er anlässlich der Hauptverhandlung glaubhaft darlegte. Dagegen kam die andere Fahrerin aus Frankreich, war also kaum ortskundig. Auch dieser Umstand spricht tendenziell eher dafür, dass sie zu wenig rechts gefahren ist. Im Administrativmassnahmenrecht gibt es zwar wie im Strafrecht keine Schuldkompensation. Dennoch: Mit abschliessender Sicherheit lässt sich das Mass des jeweiligen Fehlverhaltens der beiden Unfallbeteiligten nicht feststellen. Wäre es zu einem ordentlichen Strafverfahren gekommen, ist die Wahrscheinlichkeit eines Freispruchs in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo nicht von der Hand zu weisen; dies gab der Anwalt des Beschwerdeführers anlässlich der Hauptverhandlung zu Recht zu bedenken. Der rapportierende Polizist führte denn auch aus: «Aufgrund der festgestellten, im Bereich der Fahrbahnmitte liegenden Glassplitter der jeweiligen linken Frontscheinwerfer der beteiligten Fahrzeuge, gehe ich davon [aus], dass beide Fahrzeuglenker ungenügend rechts gefahren sind. Zudem beschuldigen sich die Beteiligten gegenseitig, recht schnell gefahren zu sein und nicht rechtzeitig und genügend gebremst zu haben. Aus diesen Gründen bringe ich beide Fahrzeuglenker wegen ungenügendem Rechtsfahren, Nichtbeherrschen des Fahrzeuges und Mangel an Aufmerksamkeit zur Anzeige». Über das Verschulden des Beschwerdeführers lassen sich also keine zweifelsfreien Aussagen machen, ausser, dass es aufgrund der gesamten genannten Indizien leicht war, selbst wenn er aufgrund der Scherben nicht ganz am rechten Rand gefahren sein dürfte und damit gegen Art. 34 SVG verstossen hat.
3.4 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung setzt ein Warnungsentzug bzw. eine Verwarnung grundsätzlich in Abgrenzung zum Ordnungsbussenrecht eine erhöhte abstrakte Gefährdung voraus, worunter «die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung Verletzung» verstanden wird (Bernhard Rütsche/Denise Weber in: Marcel Alexander Niggli et al. [Hrsg.], Strassenverkehrsgesetz, Basler Kommentar, Basel 2014, Art. 16a N 5). Diese Rechtsprechung wird kritisiert. Rütsche/Weber halten entgegen, Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG sei unbestritten ein abstrakter Gefährdungstatbestand. Nach dem Gesetzeswortlaut genüge eine geringe Gefahr, damit dieser Tatbestand erfüllt sei. Folglich müsse für eine leichte Widerhandlung eine geringe abstrakte Gefahr ausreichen und bedürfe keiner erhöhten abstrakten Gefahr. Dabei liege eine geringe abstrakte Gefahr vor, wenn die Verkehrsregelverletzung typischerweise adäquat kausal geeignet sei, eine geringe konkrete Gefahr für die Sicherheit anderer Personen hervorzurufen. Massgebend sei somit die hypothetische konkrete Gefährdung; diese müsse gering sein (Rütsche/Weber, a.a.O.). Auch Philippe Weissenberger äussert sich kritisch und wirft die Frage auf, ob die von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG geforderte Hervorrufung einer nur geringen Gefahr für die Sicherheit anderer stets zu verneinen sei, wenn eine erhöhte abstrakte Gefahrschaffung bejaht werde. Es erschiene indessen widersprüchlich, für eine Massnahme nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG einerseits eine erhöhte abstrakte Gefährdung zu verlangen, die ja wesensgemäss höher sei als eine bloss abstrakte, andererseits diese erhöhte Gefahr bloss als gering im Sinne von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG zu qualifizieren. Wenn eine erhöhte abstrakte Gefährdung zum Ausschluss von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG führen würde, wäre dessen Anwendungsbereich nahezu Null, was dem Willen des Gesetzgebers widerspräche. Solange man am Erfordernis der erhöhten abstrakten Gefährdung für eine Warnungsmassnahme festhalte, wofür gute Gründe sprächen, werde man eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer annehmen müssen, wenn sich die erhöhte abstrakte Gefährdung im unter(st)en Schwerebereich bewege. Dann stelle sich aber die Frage, wann ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 16a Abs. 4 SVG überhaupt noch vorliegen könne (Philippe Weissenberger, Kommentar SVG und Ordnungsbussengesetz, Zürich 2015, 2. Aufl., Art. 16a N 4).
3.5 Es ist unbestritten, dass vorliegend keine Menschen zu Schaden gekommen sind. Auch der Sachschaden bewegt sich im unteren Bereich. Die Sicherheit der Fahrzeuginsassen war wenn überhaupt aufgrund der offenkundig niedrigen Geschwindigkeiten nur gering gefährdet. Rütsche/Weber nennen eine geringfügige Streifkollision gar als Beispiel für eine besonders leichte Gefährdung (Rütsche/Weber, a.a.O., N 25). Weissenberger gibt zu bedenken, nach der neuen gesetzlichen Regelung dürfte die Verletzung des Gebots des Rechtsfahrens durch einen Sattelschlepper, wodurch es zu einer Streifkollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug und einem Kippen der Ladung des Sattelschleppers auf die Fahrbahn komme, nicht mehr als leichte Widerhandlung gewertet werden (so aber noch Urteil 6A.15/2003 des Bundesgerichts vom 7. Juli 2003). Verglichen mit dem soeben zitierten Fall (Sattelschlepper, gekippte Ladung versus Piaggio Porter mit zerbrochenem Vorderlicht und leichtem Streifschaden) handelt es sich hier geradezu um eine Bagatelle.
3.6 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Sachverhalt durch die Strafbehörde nicht umfassend erhoben wurde und das Verwaltungsgericht durch die Anhörung des Beschwerdeführers und die zusätzlichen Abklärungen zusätzliche Erkenntnisse gewonnen hat. Entgegen der Qualifizierung durch die MFK sind sowohl das Verschulden als auch die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Gefährdung als leicht zu bewerten. Aufgrund des ansonsten tadellosen verkehrsrechtlichen Leumunds des Beschwerdeführers ist dieser lediglich zu verwarnen (Art. 16 Abs. 3 SVG).
4. Die Beschwerde erweist sich somit als teilweise begründet, sie ist teilweise gutzuheissen. Die Verfügung der MFK vom 10. April 2019 ist aufzuheben und A.___ in Anwendung von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG, Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 34 SVG zu verwarnen. Bei diesem Ausgang hat A.___ lediglich in reduziertem Umfang an die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'300.00 zu bezahlen. Angemessen erscheinen CHF 650.00. Sein erst am 2. Juli 2019 mandatierter Anwalt Bruno Nüssli hat für seine Aufwendungen ein Honorar von CHF 1'249.30 geltend gemacht (4.5h à CHF 250.00 zuzügl. Fahrspesen für 70 km à CHF 0.50 zuzügl. MWST). Dies erscheint angemessen und ist im Umfange des Obsiegens zur Hälfte also zu CHF 624.65 - durch den Kanton Solothurn zu tragen.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und die Verfügung des Bauund Justizdepartements vom 10. April 2019 aufgehoben. A.___ wird in Anwendung von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG, Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 34 SVG verwarnt.
2. A.___ hat an die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'300.00 die Hälfte, somit CHF 650.00, zu bezahlen. Die restlichen Kosten trägt der Kanton Solothurn.
3. Der Kanton Solothurn hat A.___ für das Verfahren vor Verwaltungsgericht mit CHF 624.65 (inkl. Auslagen und MWST) zu entschädigen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
Scherrer Reber Droeser
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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