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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2018.428)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2018.428: Verwaltungsgericht

A.___ wurde aufgrund von Alkoholkonsum und psychischen Problemen während einer Verkehrskontrolle der Führerausweis vorläufig entzogen. Nachdem die Motorfahrzeugkontrolle einen vorsorglichen Führerausweisentzug anordnete, erhob A.___ Beschwerde dagegen. Das Verwaltungsgericht entschied, dass aufgrund der ernsthaften Zweifel an der Fahreignung der Beschwerdeführerin der Führerausweis vorsorglich entzogen bleibt. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und A.___ muss die Gerichtskosten von CHF 1'000.00 tragen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2018.428

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2018.428
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2018.428 vom 26.11.2018 (SO)
Datum:26.11.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:vorsorglicher Führerausweisentzug und verkehrsmedizinische Kontrolluntersuchung
Schlagwörter: Fahreignung; Polizei; Führerausweis; Zweifel; Verwaltungsgericht; Urteil; Borderline-Syndrom; Beschwerde; Alkohol; Medikament; Entscheid; Medikamente; Strassenverkehr; Antidepressiva; Duloxetin; Depressionen; Kantons; Probleme; Abklärung; Recht; Person; Sicherungsentzug; Medikamenten; Präsidentin; Scherrer; Reber
Rechtsnorm: Art. 15d SVG ;
Referenz BGE:125 II 492; 127 II 122;
Kommentar:
Philippe Weissenberger, Kommentar zum SVG, Art. 15 SVG, 2015

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2018.428

Urteil vom 26. November 2018

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Stöckli

Gerichtsschreiberin Kofmel

In Sachen

A.___,

Beschwerdeführerin

gegen

Bauund Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle,

Beschwerdegegner

betreffend vorsorglicher Führerausweisentzug und verkehrsmedizinische Kontrolluntersuchung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. A.___, geb. [...] 1983, wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle am 2. Oktober 2018, 19:30 Uhr in Kölliken, von der Kantonspolizei Aargau angehalten und kontrolliert. Aufgrund von Anzeichen auf Alkoholkonsum führte die Polizei eine Atemalkoholprobe durch, die mit einem Wert von 0.60 mg/l positiv ausfiel. Gegenüber der Polizei erweckte A.___ einen psychisch instabilen Eindruck. Sie gab an, täglich Antidepressiva (2 Tabletten à 60 mg Duloxetin) zu nehmen, Depressionen zu haben und am Borderline-Syndrom zu leiden. Die Polizei nahm A.___ den Führerausweis vorläufig ab.

2. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs verfügte die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn (nachfolgend: MFK), namens des Bauund Justizdepartements (nachfolgend: BJD), am 26. Oktober 2018 einen vorsorglichen Führerausweisentzug und wies A.___ einer verkehrsmedizinischen Untersuchung zu.

3.1 Dagegen erhob A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) am 5. November 2018 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und ersuchte um Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Zudem stellte sie sinngemäss den Antrag um aufschiebende Wirkung der Beschwerde.

3.2 Die MFK schloss mit Stellungnahme vom 15. November 2018 auf Beschwerdeabweisung.

3.3 Mit Präsidialverfügung vom 19. November 2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht erteilt.

4. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

II.

1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid. Da dieser für die Beschwerdeführerin von erheblichem Nachteil ist, ist er gemäss § 66 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 124.11) hinsichtlich der Anfechtbarkeit einem Hauptentscheid gleichgestellt. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.1 In der angefochtenen Verfügung erwog die MFK, die Polizei habe der Beschwerdeführerin wegen Führens eines Personenwagens in angetrunkenem Zustand mit einer qualifizierten Alkoholkonzentration von 0.60 mg/l, begangen am 2. Oktober 2018, ein Fahrverbot erteilt. Dem Polizeibericht sei zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin anlässlich der Anhaltung vom 2. Oktober 2018 einen psychisch instabilen Eindruck gemacht habe. Gemäss ihren eigenen Angaben nehme sie täglich Antidepressiva (zwei Tabletten à 60 mg), habe Depressionen und leide an einem Borderline-Syndrom. Sie habe angegeben, dass ihr momentan «alles ein wenig viel» sei. Ihre Oma sei verstorben, sie habe sich von ihrem Partner getrennt und sei in einer allgemein schlechten Stimmung. Am Folgetag habe sich die Beschwerdeführerin mit einer E-Mail bei der Polizei für ihren Zustand am Vortag entschuldigt und erklärt, dass sie sich in eine Klinik begeben werde, um dort ihre Probleme mit professioneller Hilfe anzugehen. Die MFK schlussfolgerte, es würden ernsthafte Zweifel an der Fahreignung der Beschwerdeführerin bestehen, weshalb ihr der Führerausweis bis zu deren Abklärung vorsorglich zu entziehen sei.

2.2 Die Beschwerdeführerin moniert, sie sei am Tag der Polizeikontrolle emotional stark belastet gewesen und habe aus dem Affekt heraus falsch gehandelt, was sie sehr bedaure. Sie befinde sich zurzeit in der Klinik [...] in [...]. Dort könne sie die schlimmen Ereignisse der letzten Wochen aufarbeiten. Es bestehe keine Medikamentenproblematik. Sie nehme seit zwei Jahren auf ärztliche Verordnung hin 120 mg Duloxetin. Weitere Medikamente nehme sie nicht. Ihre psychischen Probleme würden sich auf Vorfälle (Trennung, Tod, Stress) beziehen, die innerhalb kürzester Zeit stattgefunden hätten. Betreffend des Borderline-Syndroms sei sie in Behandlung. Dieses beeinträchtige ihre Fahrfähigkeit in keiner Weise. Sie schäme sich für die Kurzschlussreaktion und kümmere sich darum, aus der traurigen Phase herauszufinden. Sie sei seit ihrem 18. Lebensjahr im Besitze des Führerausweises und ihre Fahrtauglichkeit sei noch nie in Frage gestellt worden.

2.3 Die MFK hält in ihrer Vernehmlassung fest, auch die Beschwerdeführerin räume in ihrer Beschwerde ein, dass sie an einem Borderline-Syndrom leide. Gemäss Polizeirapport habe die Beschwerdeführerin am Tag der Kontrolle vor Fahrtbeginn «in einem Schluck» eine derartige Menge Alkohol konsumiert, die zu einer Atemalkoholkonzentration von 0.60 mg/l, d.h. zu einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.2 g/kg geführt habe. Angesichts ihrer psychischen Erkrankung könne nicht ausgeschlossen werden, dass es im Strassenverkehr, namentlich bei affektiven Belastungen, zu weiteren derartigen Kurzschlusshandlungen komme, zumal die psychiatrische Behandlung noch anzudauern scheine. Der Nachweis einer erfolgreichen, langfristigen Psychotherapie sei bisher jedenfalls nicht erbracht worden. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin in einer eher hohen Dosierung (120 mg) das Medikament Duloxetin einnehme, welches negative Wirkungen auf die Fahrfähigkeit habe.

3.1 Strittig und zu klären ist, ob die MFK den Führerausweis der Beschwerdeführerin zu Recht vorsorglich entzog und sie einer verkehrsmedizinischen Kontrolluntersuchung zuwies.

3.2 Bestehen ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person, so kann der Lernfahroder der Führerausweis vorsorglich entzogen werden (Art. 30 Verkehrszulassungsverordnung, VZV, SR 741.51). Angesichts des grossen Gefährdungspotentials, welches dem Führen eines Motorfahrzeuges eigen ist, erlauben schon Anhaltspunkte, die den Lenker als besonderes Risiko für die anderen Verkehrsteilnehmer erscheinen lassen und ernsthafte Zweifel an seiner Fahreignung erwecken, den vorsorglichen Ausweisentzug. Der strikte Beweis für die Fahreignung ausschliessende Umstände ist nicht erforderlich; wäre dieser erbracht, müsste unmittelbar der Sicherungsentzug selbst verfügt werden. Können die notwendigen Abklärungen nicht rasch und abschliessend getroffen werden, soll der Ausweis schon vor dem Sachentscheid provisorisch entzogen werden können und braucht eine umfassende Auseinandersetzung mit sämtlichen Gesichtspunkten, die für gegen einen Sicherungsentzug sprechen, erst im anschliessenden Hauptverfahren zu erfolgen (Urteile des BGer 1C_357/2014 vom 18. November 2014 E. 1.3; 1C_423/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3, u.a. mit Hinweis auf BGE 125 II 492 E. 2b).

3.3 Nach Art. 15d Abs. 1 Strassenverkehrsgesetz (SVG, SR 741.01) wird eine Person einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen, wenn Zweifel an der Fahreignung bestehen. Art. 15d Abs. 1 SVG nennt Beispiele von Fällen, in denen Bedenken an der Fahreignung bestehen. Die Aufzählung der Verdachtsgründe fehlender Fahreignung in Art. 15d Abs. 1 lit. a bis e SVG ist beispielhaft und nicht abschliessend. Eine Fahreignungsuntersuchung ist auch dann zwingend anzuordnen, wenn aus anderen Gründen begründete, ernsthafte Zweifel an der Fahreignung vorliegen. Vorausgesetzt sind dabei aber konkrete Anhaltspunkte; abstrakte Zweifel genügen nicht. Zudem ist das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten (Jürg Bickel in: Marcel Alexander Niggli et al. [Hrsg.], Strassenverkehrsgesetz, Basler Kommentar, Basel 2014, Art. 15d N 35 f.; siehe auch Urteile des BGer 1C_111/2015 vom 21. Mai 2015, 1C_328/2013 vom 18. September 2013). Eine Fahreignungsabklärung kann z.B. bei einem Mischkonsum von Alkohol und Medikamenten angeordnet werden (Philippe Weissenberger, Kommentar zum SVG, 2. Aufl., Zürich 2015, Art. 15d N 29).

4.1 Bei der Beschwerdeführerin wurde am 2. Oktober 2018 ein Atemalkoholtest durchgeführt. Die Atemalkoholmessung ergab einen Wert von 0.60 mg/l. Die Beschwerdeführerin gab gegenüber der Polizei an, sie habe die Menge Alkohol in einem Schluck vor Fahrtbeginn getrunken. Sie erklärte zudem, sie nehme täglich Antidepressiva (120 mg), habe Depressionen und leide an einem Borderline-Syndrom.

4.2 Dass für die MFK gestützt auf diese Umstände ernsthafte Zweifel an der Fahreignung der Beschwerdeführerin bestanden, ist nachvollziehbar. Sowohl das Trinkverhalten der Beschwerdeführerin als auch deren Angaben über die Medikamenteneinnahme und ihre psychischen Probleme begründen einen dringenden Verdacht einer fehlenden Fahreignung. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin über einen ungetrübten automobilistischen Leumund verfügt. Es ist nicht vertretbar, die Beschwerdeführerin bis zum Vorliegen der Abklärungsresultate der verkehrsmedizinischen Untersuchung weiterhin zum Strassenverkehr zuzulassen. Der vorsorgliche Entzug des Führerausweises bildet während eines Sicherungsentzugsverfahrens zum Schutz der allgemeinen Verkehrssicherheit denn auch die Regel (Urteil des BGer 1C_232/2018 vom 13. August 2018 E. 3.1; BGE 127 II 122 E. 5; 125 II 396 E. 3).

5. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1'000.00 festzusetzen sind. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'000.00 zu bezahlen.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Kofmel



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