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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2018.259)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2018.259: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat in einem Fall zwischen A.___ und der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Olten-Gösgen entschieden. A.___ hatte Einsicht in die Akten einer verstorbenen Person beantragt, um seine Erbschaftsrechte geltend zu machen. Die KESB hatte das Akteneinsichtsgesuch abgelehnt, woraufhin A.___ Beschwerde einreichte. Das Gericht entschied, dass die Akteneinsicht aufgrund des Datenschutzgesetzes nicht gewährt werden könne, da die Daten der verstorbenen Person besonders schützenswert seien. Die Beschwerde von A.___ wurde abgewiesen, und er wurde zur Zahlung der Gerichtskosten von CHF 800.00 verurteilt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2018.259

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2018.259
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2018.259 vom 30.10.2018 (SO)
Datum:30.10.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Akteneinsicht
Schlagwörter: Akten; Daten; Interesse; Recht; Akteneinsicht; InfoDG; Person; Interessen; Datenschutz; Verwaltungsgericht; Entscheid; Datenschutzgesetz; Einsicht; Verfahren; Schutz; Informations; Personen; Anspruch; Verfahrens; Erwachsenenschutz; Schutzfrist; Persönlichkeit; Urteil; Olten-Gösgen; Gesuch; Gutachten
Rechtsnorm: Art. 449b ZGB ;Art. 451 ZGB ;Art. 519 ZGB ;
Referenz BGE:140 V 464;
Kommentar:
Christoph Auer, Marti, Heinrich, Basler Zivilgesetzbuch I, Art. 449 ZGB, 2014

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2018.259

Urteil vom 30. Oktober 2018

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Stöckli

Oberrichter Müller

Gerichtsschreiberin Kaufmann

In Sachen

A.___, vertreten durch Fürsprecherin Ursula McCreight-Ernst

Beschwerdeführer

gegen

KESB Olten-Gösgen

Beschwerdegegnerin

betreffend Akteneinsicht


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. Die Kindesund Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Olten-Gösgen führte für B.___ eine Erwachsenenschutzmassnahme, welche mit dem Tod der Betroffenen am 5. August 2017 beendet wurde. Mit Entscheid vom 14. Februar 2018 genehmigte die KESB den Schlussbericht und die Schlussrechnung der Beiständin. Sämtlichen Erben wurde zusammen mit dem Entscheid auch eine Kopie der Schlussrechnung zugestellt.

2. Am 9. Mai 2018 liess A.___, einer der Nachkommen, durch seine Anwältin bei der KESB ein Gesuch um Einsicht in die Akten der Verstorbenen stellen. Insbesondere wurde um Zustellung einer Kopie des Gutachtens vom 11. September 2007 sowie aller weiteren Dokumente, welche Aufschluss über die geistigen Fähigkeiten von B.___ geben könnten, gebeten.

3. Mit Verfügung vom 28. Mai 2018 wies der Präsident der KESB Olten-Gösgen das Akteneinsichtsgesuch ab.

4. Gegen diese Verfügung liess A.___ am 25. Juni 2018, vertreten durch Rechtsanwältin Ursula McCreight-Ernst, Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben und neben der Auflösung des vorinstanzlichen Entscheids beantragen, es sei die KESB Olten-Gösgen anzuweisen, dem Beschwerdeführer innert fünf Tagen ab Rechtskraft des Urteils Einsicht in sämtliche Akten der Erwachsenenschutzmassnahmen von B.___, insbesondere in das Gutachten vom 11. September 2007 sowie alle weiteren Dokumente, welche Aufschluss über die geistigen Fähigkeiten von B.___ geben können, zu gewähren; dies unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) zulasten der Staatskasse des Kantons Solothurn.

5. Am 6. Juli 2018 beantragte die KESB die Abweisung der Beschwerde und verwies auf die Begründung des angefochtenen Entscheids.

II.

1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. Art. 450 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB, SR 210] i.V.m. § 130 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum ZGB [EG ZGB, BGS 211.1]). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. Der Beschwerdeführer stellt den Beweisantrag einer Parteibefragung. Dies würde die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung voraussetzen, was von ihm nicht verlangt wurde. Gemäss § 52 Abs. 1 des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 124.11) sind die Verwaltungsgerichtsbehörden nicht an die Beweisanträge der Parteien gebunden. Nach § 71 VRG finden mündliche Verhandlungen nur bei Disziplinarbeschwerden statt. In allen übrigen Fällen entscheiden die Verwaltungsgerichtsbehörden aufgrund der Akten; sie können jedoch, auf Antrag von Amtes wegen, eine Verhandlung anordnen, sofern dies als notwendig erachtet wird und Sinn macht. Im vorliegenden Fall geht es ausschliesslich um die Beantwortung einer Rechtsfrage. Es ist nicht ersichtlich, welche zusätzlichen relevanten Erkenntnisse das Gericht durch eine Parteibefragung anlässlich einer Verhandlung gewinnen könnte. Der Antrag ist deshalb abzuweisen.

3. Die Beschwerde wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer die Informationen benötige, um seine Erbschaftsrechte durchzusetzen. Die Verstorbene habe am 14. April 2007 ein handschriftliches Testament errichtet, dessen einziger Inhalt die Ernennung von C.___ als Willensvollstrecker sei. Da sie seit dem 23. Juni 2004 unter Beiratschaft gestanden habe und zunehmend unter Wankelmütigkeit und Beeinflussbarkeit gelitten habe, hätten die Nachkommen im April 2007 um Entmündigung ihrer Mutter ersucht. Im Mai 2007 sei die Mutter durch Dr. med. D.___ untersucht worden, welcher am 11. September 2007 ein Gutachten erstellt und festgehalten habe, sie leide an einer mittelschweren Demenz und sei nicht mehr urteilsfähig bzw. nicht mehr in der Lage, ihre persönliche Fürsorge wahrzunehmen. Aufgrund dessen sei die Mutter am 24. Oktober 2007 entmündigt worden. Es sei davon auszugehen, dass die Mutter im Zeitpunkt der Errichtung ihrer letztwilligen Verfügung am 14. April 2007 nicht mehr verfügungsfähig gewesen sei und diese nicht gültig zustande gekommen sei. Da C.___ nicht freiwillig auf sein Amt als Willensvollstrecker verzichten wolle, sehe sich der Beschwerdeführer gezwungen, eine Ungültigkeitsklage nach Art. 519 ZGB einzureichen.

Der Beschwerdeführer sei als Erbe zur Führung einer Ungültigkeitsklage berechtigt, weshalb er in der Verfolgung seiner Erbschaftsrechte auch Einsicht in die verlangten Akten erhalten müsse. Das Zivilgesetzbuch kenne keinen über den Tod hinausgehenden Persönlichkeitsschutz, weshalb die Akten herauszugeben seien. Die Daten der verstorbenen Person fielen deshalb auch nicht unter das Datenschutzgesetz.

Zur Beurteilung des Gesuchs um Akteneinsicht sei eine Interessenabwägung nach § 13 Abs. 1 lit. a des Informationsund Datenschutzgesetzes (InfoDG, BGS 114.1) vorzunehmen. Die Interessen an der Geheimhaltung seien gegen das Recht auf Information abzuwägen. Das Erwachsenenschutzgeheimnis und die Persönlichkeitsrechte bestünden nur bis zum Tod, weshalb das Recht auf Information überwiege. Der Andenkensschutz der Angehörigen könne nicht gegenüber ihm als Angehörigem geltend gemacht werden.

4.1 Gemäss Art. 449b Abs. 1 ZGB haben die am Verfahren beteiligten Personen Anspruch auf Akteneinsicht, soweit nicht überwiegende Interessen entgegenstehen. Es handelt sich bei diesem Recht um einen Ausfluss aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör. Nach Abschluss des Verfahrens können die Verfahrensbeteiligen ihren Anspruch auf Akteneinsicht nicht mehr gestützt auf Art. 449b ZGB geltend machen. Das Akteneinsichtsrecht entscheidet sich nunmehr nach der im jeweiligen Kanton geltenden Datenschutzund Informationsbzw. Öffentlichkeitsgesetzgebung. Gleiches gilt für Dritte, die Einsicht in die Akten eines abgeschlossenen Verfahrens nehmen wollen. Die um Akteneinsicht ersuchende Person hat dabei ein besonders schutzwürdiges Interesse glaubhaft zu machen. Im Kindesund Erwachsenenschutz ergibt sich die Notwendigkeit eines überwiegenden Einsichtsinteresses zudem explizit aus Art. 451 Abs. 1 ZGB. Danach ist die mit einem Akteneinsichtsgesuch konfrontierte KESB zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit nicht überwiegende Interessen entgegenstehen (vgl. Christoph Auer/Michèle Marti in: Heinrich Honsell et al. [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Basel/Zürich/St. Gallen 2014, Art. 449b ZGB N 28 f.).

4.2. Auf die vorliegende Fragestellung ist im Kanton Solothurn das Informationsund Datenschutzgesetz (InfoDG, BGS 114.1) anwendbar. Gemäss dessen § 21 Abs. 5 dürfen besonders schützenswerte Daten verstorbener Personen, wenn keine Rechtsgrundlage nach § 15 Absatz 2 litera a, b c besteht, Privaten erst nach Ablauf einer Schutzfrist bekannt gegeben werden; die Schutzfrist beträgt 30 Jahre seit dem Tod oder, wenn der Tod ungewiss ist, 110 Jahre seit der Geburt. Sind weder Todesnoch Geburtsdatum festzustellen, beträgt die Schutzfrist 80 Jahre seit der letzten Aufzeichnung. Die Behörde kann Ausnahmen bewilligen, wenn schützenswerte private wichtige öffentliche Interessen vorliegen die Daten für die wissenschaftliche Forschung erforderlich sind.

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, die Datenschutzgesetzgebung sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da der Persönlichkeitsschutz mit dem Tod erlösche, geht er fehl. Die Botschaft zum Informationsund Datenschutzgesetz hält zu § 21 Abs. 5 ausdrücklich fest, dieses Gesetz fülle als öffentliches Recht die Lücke aus, die sich im Privatrecht durch das Erlöschen der Persönlichkeit mit dem Tod und den fehlenden postmortalen Persönlichkeitsschutz ergebe (vgl. RRB Nr. 2000/1653 S. 22). § 21 Abs. 5 InfoDG bildet also die Grundlage für den Schutz der besonders schützenswerten Personendaten über den Tod hinaus.

4.2.1 Als besonders schützenswerte Personendaten definiert § 6 Abs. 3 InfoDG Angaben über die religiösen, weltanschaulichen, politischen gewerkschaftlichen Ansichten Tätigkeiten, über die Gesundheit, die Intimsphäre, die rassische und ethnische Herkunft, über Massnahmen der sozialen Hilfe sowie über administrative strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen.

4.2.2 Die vom Beschwerdeführer verlangten Unterlagen, insbesondere das ärztliche Gutachten über den geistigen Zustand der betroffenen Person, sowie die weiteren Unterlagen, die Auskunft geben sollen, über ihre Urteilsfähigkeit, bilden Unterlagen über die Gesundheit von B.___, und sind damit besonders schützenswerte Personendaten im Sinne des Gesetzes.

4.3.1 Eine Rechtsgrundlage nach § 15 Abs. 2 InfoDG wäre nur gegeben, wenn ein Gesetz die Datenherausgabe ausdrücklich vorsähe (lit. a), wenn diese unentbehrlich wäre, um eine in einem Gesetz klar umschriebene Aufgabe zu erfüllen (lit. b) wenn und soweit die betroffene Person die Daten allgemein zugänglich gemacht hätte (lit. c).

4.3.2 Vorliegend ist keiner dieser Gründe zutreffend, sodass die Daten grundsätzlich erst nach Ablauf der 30-jährigen Schutzfrist seit dem Tod der Betroffenen am 5. August 2017 herausgegeben werden dürfen.

4.4.1 Zu prüfen ist letztlich, ob vorliegend schützenswerte private wichtige öffentliche Interessen vorliegen, ob die Daten für die wissenschaftliche Forschung erforderlich sind, was eine Ausnahme von der Schutzfrist rechtfertigen würde.

4.4.2 Klar ist, dass es vorliegend nicht um Daten geht, die für die wissenschaftliche Forschung erforderlich wären. Als schützenswerte private Interessen nennt § 5 Abs. 1 InfoDG insbesondere die Gewährleistung der Privatsphäre sowie des Berufs-, Geschäftsund Fabrikationsgeheimnisses. Als wichtiges öffentliches Interesse führt § 5 Abs. 2 InfoDG insbesondere die Wahrung der öffentlichen Sicherheit sowie der freien Meinungsund Willensbildung der Behörden auf.

Der Beschwerdeführer verfolgt hingegen erbrechtliche und damit letztlich finanzielle Interessen. Wie die Vorinstanz bereits ausgeführt hat, hat das Bundesgericht bezüglich des Anspruchs einer Erbin auf Einsicht in die AHV-Akten ihrer verstorbenen Eltern gestützt auf die eidgenössische Datenschutzgesetzgebung ausgeführt, wenn das Gesuch um Akteneinsicht ausschliesslich in der Verfolgung eines erbrechtlichen Anspruchs begründet sei, komme das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht von Art. 8 des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG, SR 235.1) nicht zum Tragen. Das erbrechtliche Interesse stimme nicht mit der Zielsetzung des DSG überein (BGE 140 V 464 S. 468 E. 4.2). Analog ist vorliegend zu entscheiden. Das erbrechtliche Interesse des Beschwerdeführers gilt nicht als schützenswert im Sinne der kantonalen Informationsund Datenschutzgesetzgebung.

5. Soweit der Beschwerdeführer ausführen lässt, die Beurteilung des Gesuchs um Akteneinsicht habe sich nach § 12 Abs. 1 i.V.m § 13 Abs. 1 lit. a InfoDG zu richten, so hält § 13 Abs. 1 lit. a InfoDG fest, der Zugang zu amtlichen Dokumenten werde eingeschränkt, aufgeschoben verweigert, soweit ein Gesetz schützenswerte private wichtige öffentliche Interessen entgegenstünden. Mit § 21 Abs. 5 InfoDG ist ein solches entgegenstehendes Gesetz gegeben.

6. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat A.___ die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 800.00 festzusetzen sind. Parteientschädigung ist bei diesem Ausgang keine auszurichten.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 800.00 zu bezahlen.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Kaufmann



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