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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2018.186)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2018.186: Verwaltungsgericht

Der kosovarische Staatsangehörige A. heiratete eine serbische Staatsangehörige, lebte in der Schweiz und bezog Sozialhilfe. Das Migrationsamt drohte ihm mit der Nichtverlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung und der Wegweisung. A. legte Einspruch ein, argumentierte mit gesundheitlichen Problemen und beantragte die Aufhebung der Verfügung. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde ab, da A. weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen war und keine Aussicht auf eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit bestand. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 1'500 wurden A. auferlegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2018.186

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2018.186
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2018.186 vom 05.12.2018 (SO)
Datum:05.12.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung
Schlagwörter: Sozialhilfe; Familie; Arbeit; Beschwerdeführers; Schweiz; Urteil; Migrationsamt; Aufenthaltsbewilligung; Widerruf; Recht; Widerrufsgr; Person; Bundesgericht; Verwaltungsgericht; Ausreise; Entscheid; Wegweisung; Verlängerung; Verfügung; Bundesgerichts; Sozialhilfebezug; Verfahren; Höhe; Einkommen; Lebensunterhalt; Unterstützung; Solothurn; Arbeitsvertrag
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2018.186

Urteil vom 5. Dezember 2018

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Stöckli

Gerichtsschreiberin Gottesman

In Sachen

A.___

Beschwerdeführer

gegen

Departement des Innern, vertreten durch Migrationsamt

Beschwerdegegner

betreffend Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. Der kosovarische Staatsangehörige A.___ (geb. [...] 1989, nachfolgend Beschwerdeführer genannt) heiratete am 15. September 2010 im Kosovo die in der Schweiz seit 1995 niedergelassene serbische Staatsangehörige E.___ (geb. [...] 1992). Das Ehepaar hat drei gemeinsame Töchter (B.___ [geb. [...] 2012] und die Zwillinge C.___ und D.___ [geb. [...] 2017]), welche alle über Niederlassungsbewilligungen verfügen.

2. Der Beschwerdeführer reiste im Rahmen des Familiennachzuges am 3. Mai 2012 in die Schweiz ein. Er verfügt seit dem 22. Mai 2012 über eine Aufenthaltsbewilligung, welche letztmals bis am 21. Dezember 2017 verlängert wurde.

3. Mit Schreiben vom 5. Juni 2013 verwarnte die Migrationsbehörde den Beschwerdeführer anlässlich der Prüfung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, weil der Beschwerdeführer und seine Familie seit dem 1. Juni 2012 Sozialhilfe in der Höhe von CHF 37912.70 (Stand 1. Mai 2013) bezogen haben. Das Migrationsamt teilte mit, es werde erwartet, dass der Beschwerdeführer künftig einer Arbeit nachgehe und ein Einkommen erwirtschafte, welches den Bedarf der Familie decke, sodass keine Sozialhilfegelder mehr beansprucht würden.

4. Nachdem sich die Fürsorgeabhängigkeit auf rund CHF 160'000.00 erhöht hatte, erliess das Migrationsamt namens des Departements des Innern (DdI) am 22. Dezember 2016 nach Gewährung des rechtlichen Gehörs folgende Verfügung:

1.    A.___ wird aufgrund des Sozialhilfebezuges verwarnt.

2.    Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung sowie die Wegweisung aus der Schweiz werden A.___ angedroht.

3.    Die Aufenthaltsbewilligung von A.___ wird um ein Jahr verlängert.

4.    Die Verlängerung erfolgt unter den Bedingungen, dass A.___ den Lebensunterhalt von sich und seiner Familie ohne Beanspruchung von Sozialhilfe bestreitet, seine Sprachkenntnisse durch Besuch eines Deutschkurses verbessert, keine Schulden anhäuft und nicht straffällig wird.

5.    Anlässlich der nächsten Verlängerung hat A.___ unaufgefordert Unterlagen einzureichen, aus denen hervorgeht, dass er die Bedingungen unter Ziff. 4 eingehalten hat.

5. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs verfügte das DdI, v.d. das Migrationsamt, am 27. April 2018, die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers werde nicht verlängert. Dieser werde weggewiesen und habe die Schweiz unter Androhung von Zwangsmassnahmen im Unterlassungsfall bis am 31. Juli 2018 zu verlassen. Er habe sich vor der Ausreise bei der Einwohnerkontrolle [...] ordnungsgemäss abzumelden und sich die Ausreise mittels beiliegender Ausreisemeldekarte an der Schweizer Grenze bestätigen zu lassen.

6. Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Mai 2018 an das Migrationsamt und verlangte sinngemäss die Aufhebung der angefochtenen Verfügung («Aufschiebung der Wegweisung»). Er befinde sich seit dem 17. April 2018 in ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung sowie in regelmässiger Ergound Physiotherapie. Aufgrund seines verschlechterten Gesundheitszustandes sei eine Wiederanmeldung bezüglich Unterstützung bei der beruflichen Eingliederung bei der IV-Stelle Solothurn veranlasst worden. Er habe die Hoffnung, durch die Unterstützung der Invalidenversicherung eine Arbeitsstelle zu finden und den Unterhalt seiner Familie ohne Sozialhilfe gewährleisten zu können.

7. Das Migrationsamt überwies die Beschwerde gleichentags an das Verwaltungsgericht.

8. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 9. Mai 2018 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt.

9. Das Migrationsamt schloss namens des DdI am 30. Mai 2018 auf vollumfängliche Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolgen und verzichtete auf eine Vernehmlassung.

10. Der Beschwerdeführer reichte mit Eingaben vom 4. Juni 2018 (Posteingang) und 27. September 2018 (Posteingang) einen Einsatzund einen Arbeitsvertrag ein.

II.

1. Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 7. Mai 2018, die fälschlicherweise an das Migrationsamt adressiert war, ist ohne Weiteres als Beschwerde zu betrachten. Sie ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. An eine Laienbeschwerde, wie sie hier vorliegt, sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Die Eingabe des Beschwerdeführers ist nach Treu und Glauben als Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids aufzufassen. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.1 Ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Personen mit Niederlassungsbewilligung haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 43 Abs. 1 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG, SR 142.20]). Nach Art. 51 Abs. 2 lit. b AuG erlischt dieser Anspruch, wenn Widerrufsgründe nach Art. 62 Abs. 1 AuG vorliegen. Ein solcher Widerrufsgrund ist gegeben, wenn die ausländische Person eine Person, für die sie zu sorgen hat, auf Sozialhilfe angewiesen ist (Art. 62 Abs. 1 lit. e AuG). Der Widerruf fällt in Betracht, wenn eine Person über einen längeren Zeitraum hinweg hohe finanzielle Fürsorgeleistungen erhalten hat und nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft für ihren Lebensunterhalt bzw. denjenigen ihrer Familie längerfristig losgelöst hiervon wird aufkommen können. Der Widerrufsgrund ist erfüllt, wenn konkret die Gefahr einer Fürsorgeabhängigkeit besteht; blosse finanzielle Bedenken genügen nicht. Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen muss dabei als wesentliches Element auch die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht hin in die Beurteilung miteinbezogen werden. Ausschlaggebend ist eine Prognose zur voraussichtlichen Entwicklung der finanziellen Situation in Berücksichtigung der realisierbaren Einkommensaussichten sämtlicher Familienmitglieder (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_1064/2017 vom 15. Juni 2018, E. 4.1 m.w.H.). In diesem Sinne müssen die Erwerbsmöglichkeiten und das damit verbundene Einkommen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf mehr als nur kurze Frist hin gesichert erscheinen (Urteil des Bundesgerichts 2C_599/2017 vom 25. Juni 2018, E. 3.2).

2.2 Der Beschwerdeführer und seine Familie bezogen seit Juli 2012 bis Januar 2018 Sozialhilfeleistungen in der Höhe von CHF 183'753.25. Ein Sozialhilfebezug in dieser Höhe ist als erheblich zu qualifizieren. Daran vermag auch der Umstand, dass nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch die Ehefrau und die drei Kinder von diesen Leistungen profitierten, nichts zu ändern. Vor seiner Einreise in die Schweiz legte der Beschwerdeführer den Arbeitsvertrag mit der Malerei & Gipserei [...] GmbH vom 29. Februar 2012 vor, woraufhin der Familiennachzug bewilligt wurde. Bereits am 13. Juni 2012 endete das dortige Arbeitsverhältnis offenbar aufgrund der schlechten Auftragslage. Der Beschwerdeführer ist in der Schweiz nachweislich bis zum jetzigen Zeitpunkt nie einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit nachgegangen. Die aktenkundigen Arbeitseinsätze des Beschwerdeführers und dessen Ehefrau waren stets von kurzer Dauer. Der vorliegend eingereichte Einsatzvertrag vom 24. Mai 2018 als Lagermitarbeiter ist auf die Dauer von maximal drei Monaten beschränkt und die sich daraus ergebenden Einnahmen reichen zur Existenzsicherung offensichtlich nicht aus. Bezüglich des unbefristeten Arbeitsvertrags vom 22. September 2018 ist ebenfalls höchst fraglich, ob der daraus ersichtliche Bruttolohn von CHF 4'200.00 ausreicht, um den Lebensunterhalt der 5-köpfigen Familie des Beschwerdeführers zu decken. Jedenfalls ist aufgrund der Akten zu bezweifeln, dass die beiden ins Recht gelegten Arbeitsverhältnisse tatsächlich zu einer längerfristigen Beschäftigung des Beschwerdeführers führen. Vielmehr besteht der Verdacht, dass die eingereichten Arbeitsverträge lediglich dazu dienen sollen, die Wegweisung des Beschwerdeführers zu verhindern. Bereits im Jahr 2016 reichte der Beschwerdeführer bei der Vorinstanz zwei Arbeitsverträge für sich und seine Ehefrau ein, nachdem ihm aufgrund des gewichtigen Sozialhilfebezugs die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung in Aussicht gestellt worden ist. Auch diese Arbeitsverhältnisse dauerten lediglich wenige Monate. Eine Ablösung von der Sozialhilfe im jetzigen Zeitpunkt ist im Übrigen nicht belegt. Aufgrund der gesamten Umstände ist davon auszugehen, dass auch künftig eine Unterstützungsbedürftigkeit befürchtet werden muss. Nach dem Gesagten ergibt sich, dass ein Widerrufsgrund nach Art. 62 Abs. 1 lit. e AuG vorliegt.

3.1 Liegt der Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit vor, ist zu prüfen, ob die damit verbundene aufenthaltsbeendende Massnahme verhältnismässig erscheint. Nach der bundesgerichtlichen Praxis sind für die Beurteilung, ob dies der Fall ist, namentlich die Schwere des Verschuldens an der Sozialhilfeabhängigkeit, der Grad der Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die der betroffenen Person und ihrer Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen; zu beachten ist auch die Qualität der sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen sowohl im Gastwie im Heimatland. Ob und inwieweit die betroffene Person ein Verschulden an der Sozialhilfebedürftigkeit trifft, bildet praxisgemäss nicht eine Frage des Widerrufsgrundes, sondern eine solche der Verhältnismässigkeitsprüfung (Urteil des Bundesgerichts 2C_395/2017 vom 7. Juni 2018, E. 3.2. mit Hinweis)

3.2 Was die Verhältnismässigkeitsprüfung anbelangt, kann vollumfänglich auf die umfangreichen, zutreffenden Ausführungen des Migrationsamtes verwiesen werden (S. 6 ff des angefochtenen Entscheids). Soweit der Beschwerdeführer im vorliegenden Rechtsmittelverfahren einen verschlechterten Gesundheitszustand geltend macht und angibt, er befinde sich in psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung und gehe regelmässig in die Ergound Physiotherapie, sei folgendes angemerkt: Mit negativem Vorbescheid vom 4. Januar 2018 wies die IV Stelle Solothurn berufliche Eingliederungsmassnahmen und der Anspruch auf eine Invalidenrente ab. Die Angaben und Diagnosen von Dr. med. [...] in seinem Schreiben vom 3. Mai 2018 an die IV Stelle Solothurn sind im vorliegenden migrationsrechtlichen Verfahren nicht entscheidrelevant. Da die in die Wege geleitete Wiederanmeldung bei der IV für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine massgebende Bedeutung hat, ist der sinngemässe Antrag des Beschwerdeführers auf Sistierung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens abzuweisen. Der Beschwerdeführer legt im Übrigen nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, dass die seit Jahren andauernde und gewichtige Sozialhilfeabhängigkeit auf seine gesundheitliche Situation zurückzuführen ist. Der Beschwerdeführer wurde bereits mit Verfügung vom 22. Dezember 2016 wegen des Sozialhilfebezugs verwarnt. Für eine weitere Verwarnung als mildere Massnahme im Sinne von Art. 96 Abs. 2 AuG bleibt demnach kein Raum.

4.1 Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers wurde zu Recht nicht verlängert. Da der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukam, war der Beschwerdeführer vorderhand weiterhin berechtigt, sich in der Schweiz aufzuhalten. Die inzwischen abgelaufene Ausreisefrist ist auf zwei Monate nach Rechtskraft dieses Urteils festzusetzen, um dem Beschwerdeführer eine geordnete Ausreise zu ermöglichen.

4.2 Zufolge Unterliegens des Beschwerdeführers sind ihm die Kosten des Verfahrens, welche einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1500.00 festzusetzen sind, aufzuerlegen.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Der Beschwerdeführer hat die Schweiz spätestens zwei Monate nach Rechtskraft dieses Urteils zu verlassen.

3.    Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'500.00 zu bezahlen.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Gottesman

Das vorliegende Urteil wurde vom Bundesgericht mit Urteil 2C_13/2019 vom 31. Oktober 2019 bestätigt.



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