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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2017.79)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2017.79: Verwaltungsgericht

A.___ wurde wegen einer Verletzung der Verkehrsregeln verurteilt und ihm wurde der Führerausweis entzogen. Er erhob Beschwerde gegen die Einstufung seiner Verkehrsregelverletzung. Das Verwaltungsgericht entschied, dass sein Verhalten als mittelschwere Widerhandlung einzustufen sei und wies die Beschwerde ab. Die Kosten des Verfahrens belaufen sich auf CHF 800.00.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2017.79

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2017.79
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2017.79 vom 23.03.2017 (SO)
Datum:23.03.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Führerausweisentzug
Schlagwörter: Verkehr; Verkehrs; Strasse; Widerhandlung; Vortritt; Führerausweis; Beschwerde; Verfahren; Verwaltungsgericht; Verkehrsregeln; Urteil; Entscheid; Gefahr; Richter; Unfall; Recht; Umstände; Befehl; Verletzung; Verhalten; Umständen; Strassenverkehrsgesetz; Sicherheit; Beschwerdeführers; Würdigung; Motorfahrzeug; Führerausweisentzug; Lenker; Hauptstrasse; Fahrt
Rechtsnorm: Art. 14 VRV ;Art. 16 SVG ;Art. 36 SVG ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:123 II 97; 124 II 103; 136 II 447;
Kommentar:
Philippe Weissenberger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, Zürich, Art. 36 SVG, 2015

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2017.79

Urteil vom 23. März 2017

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Stöckli

Gerichtsschreiberin Kofmel

In Sachen

A.___,

Beschwerdeführer

gegen

Bauund Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle,

Beschwerdegegner

betreffend Führerausweisentzug


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. Am 15. August 2016, 17:52 Uhr, fuhr A.___ als Lenker eines Lieferwagens in [Ort 1] auf der [X-Strasse] in Fahrtrichtung Hauptstrasse, wobei er bei der dortigen Einmündung korrekt beim Stoppsignal anhielt und nach links und nach rechts blickte. Als er in der Folge seine Fahrt fortsetzte und nach links in die Hauptstrasse Richtung [Ort 2] einzubiegen beabsichtigte, kam es zu einer Kollision mit einem sich von rechts nähernden und vortrittsberechtigten Personenwagen.

2. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft verurteilte A.___ deshalb mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 31. Januar 2017 wegen einer einfachen Verletzung der Verkehrsregeln i.S.v. Art. 90 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01).

3. Die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn (nachfolgend: MFK) entzog A.___, namens des Bauund Justizdepartements (nachfolgend: BJD), den Führerausweis mit Verfügung vom 13. Februar 2017 für die Dauer eines Monats. Sie stufte sein Verhalten als mittelschwere Verkehrswiderhandlung ein.

4.1 Dagegen erhob A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) am 17. Februar 2017 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und verlangte, es sei die Verfügung vom 13. Februar 2017 aufzuheben und die Verkehrswiderhandlung vom 15. August 2016 sei analog dem Strafbefehl als leicht einzustufen.

4.2 Mit Präsidialverfügung vom 22. Februar 2017 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.

5. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

II.

1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.1 Nach der Grundregel des Art. 26 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01) müssen sich alle im Verkehr so verhalten, dass andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet werden. Diese Vorschrift wird durch die einzelnen Verkehrsregeln konkretisiert.

2.2 Laut Art. 36 Abs. 2 SVG hat auf Strassenverzweigungen das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt. Die Vortrittsregel wird durch Art. 14 Abs. 1 VRV konkretisiert, wonach der Vortrittsbelastete den Vortrittsberechtigten in seiner Fahrt nicht behindern darf (Art. 14 Abs. 1 Verkehrsregelnverordnung [VRV, SR 741.11]).

2.3 Das Mass der Sorgfalt, die ein Wartepflichtiger anzuwenden hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (Philippe Weissenberger in: Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, Zürich/St. Gallen 2015, Art. 36 N 38).

2.4 Nach Art. 16 Abs. 2 SVG wird nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz ausgeschlossen ist, der Führerausweis entzogen eine Verwarnung ausgesprochen. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a-c SVG). Gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft. Nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG begeht eine mittelschwere Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt. Gestützt auf Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG begeht eine schwere Widerhandlung, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt. Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG stellt einen Auffangtatbestand dar. Sie liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind (Urteil des BGer 6A.16/2006 E. 2.1.1 vom 6. April 2006, in: JdT 2006 I S. 442; Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, BBl 1999 4487).

3.1 Die MFK wertete das Verhalten des Beschwerdeführers als mittelschwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG. Die Staatsanwaltschaft qualifizierte das Verhalten des Beschwerdeführers als leichte Verkehrsregelverletzung i.S.v. Art. 90 Abs. 1 SVG.

3.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Verkehrsregelverletzung sei im Administrativverfahren analog dem Strafverfahren als leicht zu qualifizieren.

3.3 Die für den Führerausweisentzug zuständige Verwaltungsbehörde darf bei einem Warnungsentzug grundsätzlich nicht von den Tatsachenfeststellungen des rechtskräftigen Strafentscheids abweichen. Eine Abweichung ist nur zulässig, wenn die Behörde ihrem Entscheid Tatsachen zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren, wenn sie zusätzliche Beweise erhebt wenn der Strafrichter nicht alle sich mit dem Sachverhalt stellenden Rechtsfragen abklärte. Sie ist unter bestimmten Voraussetzungen auch an einen Strafentscheid gebunden, der im Strafbefehlsverfahren ergangen ist, selbst wenn er ausschliesslich auf einem Polizeirapport beruht. Dies gilt namentlich, wenn der Beschuldigte wusste angesichts der Schwere der ihm vorgeworfenen Delikte davon ausgehen musste, dass neben dem Strafverfahren ein Administrativverfahren eröffnet wird. Entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben muss der Betroffene allfällige Verteidigungsrechte und Beweisanträge im Strafverfahren vorbringen und dort gegebenenfalls alle Rechtsmittel ausschöpfen (BGE 123 II 97 E. 3c/aa; 121 II 214 E. 3a; Urteil des BGer 6A.81/2006 vom 22. Dezember 2006 E. 2.3).

3.4 In der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts, insbesondere auch des Ver­schuldens ist die Verwaltungsbehörde demgegenüber frei, ausser die rechtliche Qualifikation hängt stark von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Strafrichter besser kennt, etwa weil er den Beschuldigten persönlich einvernommen hat (BGE 136 II 447 E. 3.1). Die Tatbestandsumschreibungen für den Führerausweisentzug und die strafrechtliche Sanktion stimmen zwar nicht überein. Es bestehen aber gewisse Parallelen. Die Strafnorm von Art. 90 SVG legt das Schwergewicht auf das Verschulden des Fahrzeuglenkers und verlangt eine Würdigung des Sach­verhalts unter einem subjektiven Gesichtspunkt, während die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen von Art. 16 ff. SVG mehr auf die objektive Gefährdung des Verkehrs abstellen (BGE 124 II 103 E. 1c/bb; 102 Ib 193 E. 3). Der Entscheid über die Schwere einer Verkehrsgefährdung ist eine Frage der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts (Urteil des BGer 6A.64/2006 vom 20. März 2007 E. 2.1). Die strafrechtliche Qualifikation einer Verkehrsregelverletzung als einfach im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG schliesst die Annahme einer mittelschweren Widerhandlung im Administrativverfahren nicht aus.

4.1 Strittig und zu klären ist somit, ob der Beschwerdeführer eine leichte eine mittelschwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften begangen hat.

4.2 Nach dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 31. Januar 2017 steht fest, dass der Beschwerdeführer vortrittsbelastet war und das Vortrittsrecht des Unfallbeteiligten verletzte, als er mit seinem Lieferwagen, von einer Stoppstrasse herkommend, links in die Hauptstrasse einbog.

4.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe im Moment des Abbiegens kein Auto gesehen.

4.4 Bei der heutigen Verkehrsdichte genügt es im Allgemeinen nicht, bloss unmittelbar vor dem Anfahren zu beobachten, ob die Strasse frei ist, sondern die Beobachtung muss auch noch während des Einbiegens fortgesetzt werden, damit vor einem überraschend auftauchenden Vortrittsberechtigten noch angehalten ihm auch einem erkennbar verkehrsregelwidrig sich verhaltenden Verkehrsteilnehmer durch rasche Beschleunigung die ungestörte Weiterfahrt ermöglicht werden kann (Philippe Weissenberger, a.a.O., Art. 36 N 37 mit Hinweisen).

4.5 Gemäss Polizeirapport näherte sich der unfallbeteiligte Lenker mit erlaubter Geschwindigkeit von 50 km/h bzw. mit 13.88 m/s. Sein Auto wurde vom Beschwerdeführer seitlich erfasst. Die Sichtverhältnisse zum Zeitpunkt des Unfalls waren gut, die Strasse trocken. Es herrschte reger Verkehr. Die Sicht auf die Strasse war nicht verdeckt (siehe Polizeirapport mit Fotodokumentation). Bei pflichtgemässer Sorgfalt welche bei Verzweigungen in besonderem Masse verlangt wird hätte der Beschwerdeführer den vortrittsberechtigten Unfallgegner unter den gegebenen Umständen sehen müssen. Der Beschwerdeführer hat dem Verkehr und damit allfälligen vortrittsberechtigten Verkehrsteilnehmern nicht die gebotene Aufmerksamkeit gewidmet. Bei den Regeln über den Vortritt handelt es sich um Grundregeln des Verkehrs, deren strikte Beachtung eine unabdingbare Voraussetzung für einen geordneten Verkehrsablauf ist. Mit der Missachtung des Vortrittsrechts hat der Beschwerdeführer die Gefahr einer Kollision geschaffen, die sich dann auch konkretisiert hat. Der verursachte Unfall zog zwar «nur» Sachschaden nach sich, zeigt aber, dass im Fall einer Realisierung der Gefährdung mit Unfällen zu rechnen ist, die durchaus auch geeignet sind, nebst Sachauch Personenschäden zu verursachen. Dass sich kein schwererer Unfall ereignete, ist glücklichen Umständen zu verdanken. Insgesamt steht damit fest, dass der Beschwerdeführer durch Nichtbeachtung des Vortrittsrechts eine konkrete Gefahr für die Sicherheit anderer, insbesondere des unfallbeteiligten Lenkers geschaffen hat, die nicht mehr als gering bezeichnet werden kann. Das Verhalten des Beschwerdeführers wurde unter diesen Umständen von der Vorinstanz zu Recht nicht mehr als leicht eingestuft.

4.6 Nach Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG ist der Führerausweis bei einer mittelschweren Widerhandlung mindestens für einen Monat zu entziehen. Bei der Festsetzung der Dauer des Führerausweises sind zwar die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit ein Motorfahrzeug zu führen. Dabei darf aber die Mindestentzugsdauer nicht unterschritten werden (Art. 16 Abs. 3 SVG). Folglich ist die von der Vorinstanz verfügte Entzugsdauer von einem Monat nicht zu beanstanden.

5. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 800.00 festzusetzen sind. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 800.00 zu bezahlen.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Kofmel



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