Zusammenfassung des Urteils VWBES.2017.472: Verwaltungsgericht
Die Mutter A.___ verliert vor Gericht die vorläufige Obhut über ihre drei Kinder an den Vater, nachdem die Halbschwester der Kinder sich bei der KESB über die Vernachlässigung der Kinder beschwert hatte. Die Kinder äussern den Wunsch, beim Vater zu bleiben, da es ihnen dort besser gehe. Das Gericht entscheidet, dass die Kinder vorerst beim Vater bleiben sollen, da die Mutter nicht ausreichend für ihre Bedürfnisse sorgt. Die Beschwerde der Mutter wird abgewiesen, und sie muss die Gerichtskosten in Höhe von CHF 800.00 tragen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2017.472 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 04.01.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | vorsorgliche Obhutsumteilung |
Schlagwörter: | Kinder; Richt; Mutter; Vater; Verwaltungsgericht; Beistand; Gericht; Obhut; Olten-Gösgen; Sorge; Kleider; Beschwerde; Verfahren; Hausaufgaben; Abänderung; Entscheid; Halbschwester; Brüder; Schule; Kindern; Mittag; Kindsvater |
Rechtsnorm: | Art. 134 ZGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Es wirken mit:
Präsidentin Scherrer Reber
Oberrichter Müller
Oberrichter Stöckli
Gerichtsschreiberin Kaufmann
In Sachen
A.___
Beschwerdeführerin
gegen
1. KESB Olten-Gösgen,
2. B.___
Beschwerdegegner
betreffend vorsorgliche Obhutsumteilung
zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___ und B.___ sind die Eltern von C.___ (geb. Mai 2005), D.___ (geb. November 2006) und E.___ (geb. Juni 2008). Die Ehe der Kindseltern wurde am [ ] Juli 2016 geschieden. Sie verfügen gemeinsam über die elterliche Sorge, wobei die Obhut der Mutter zugeteilt wurde. Zudem wurde für die drei Kinder eine Erziehungsbeistandschaft errichtet. Beistand ist F.___.
2. Mit Mail vom 4. November 2017 meldete sich G.___, die Tochter von A.___ aus erster Ehe, u.a. bei der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Olten-Gösgen und dem Beistand ihrer drei Halbbrüder. Sie mache sich grosse Sorgen um ihre Halbgeschwister. Die Mutter kümmere sich wenig um die Kinder. Sie als Schwester müsse für die Kinder kochen, Kleider kaufen, mit ihnen Hausaufgaben machen, dafür sorgen, dass es ihnen gut gehe und vieles mehr. Im Unterschied zur Mutter schaue der Vater gut zu den drei Brüdern.
3. Am 8. November 2017 besuchte daraufhin der Beistand die drei Kinder bei ihrem Vater und führte mit ihnen Einzelgespräche.
4. Die Kindsmutter, A.___, wurde am 14. November 2017 vom fallführenden Behördenmitglied der KESB angehört, am 15. November 2017 folgte die telefonische Anhörung des Kindsvaters.
5. Am 23. November 2017 entschied die KESB Olten-Gösgen, in Abänderung des Scheidungsurteils vom 25. Juli 2016 werde der Mutter die Obhut über die drei Kinder einstweilen entzogen und dem Vater zugeteilt. Die Kinder wohnten nun beim Vater. Der Vater wurde aufgefordert, der KESB innert 30 Tagen mitzuteilen, ob er beim zuständigen Gericht Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils eingereicht habe. Gleichzeitig wurde einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen.
6. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2017 gelangte A.___ ans Verwaltungsgericht und führte aus, sie sei nicht einverstanden mit dem Entscheid vom 23. November 2017. Sie sei ein sozialer Mensch, sehr höflich und keine Alkoholikerin. Sie schlage die Kinder nicht, diejenigen, die schreien und Gewalt ausüben würden, seien G.___ und B.___.
7. Die KESB Olten-Gösgen schloss am 12. Dezember 2017 auf Abweisung der Beschwerde. Gleichentags nahm B.___ Stellung zur Angelegenheit. Er hielt nachdrücklich fest, er wolle seine Ex-Frau nicht angreifen, sondern einfach sich und seine Kinder schützen. Die Kinder hätten unabhängig voneinander klar und deutlich gesagt, sie würden lieber bei ihm bleiben.
II.
1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. Art. 445 Abs. 3 i.V. m. Art. 450 des Zivilgesetzbuchs, ZGB, SR 210 und § 130 des Einführungsgesetzes zum ZGB, EG ZGB, BGS 211.1). A.___ als Kindsmutter ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Grundsätzlich wurde die Obhutszuteilung im Ehescheidungsurteil vom [ ] Juli 2016 geregelt. Nach Art. 315a Abs. 3 Ziff. 2 ZGB bleibt die Kindesschutzbehörde jedoch befugt, die zum Schutz der Kinder sofort notwendigen Massnahmen anzuordnen, wenn sie das Gericht voraussichtlich nicht rechtzeitig treffen kann. Es handelt sich um eine Dringlichkeitszuständigkeit. Diese beinhaltet lediglich Eingriffe vorsorglicher Natur und setzt eine umgehende Benachrichtigung der zuständigen Behörde voraus (Peter Breitschmid in: Heinrich Honsell / Nedim Peter Vogt / Thomas Geiser [Hrsg.], Zivilgesetzbuch I, BSK, 5. Auflage 2014, Art. 315-315b N 9).
2.1 Im vorliegenden Fall wurde das Verfahren durch die Nachricht der Halbschwester vom 4. November 2017 ausgelöst. Im Detail führte diese in ihrer Mail ihre Sorge um die drei Brüder aus und schilderte, oft sei nichts Essbares vorhanden, da sich die Mutter nicht verpflichtet fühle, etwas zu kochen wenigstens einzukaufen. Die Kinder hätten auch selten passende Kleidung und seien mehrmals «dreckig» zur Schule gegangen. Die beiden jüngeren Brüder würden seit Monaten auf schmutzigen Matratzen schlafen und hätten kein richtiges Zimmer. Die Kinder würden von der Mutter ins Zimmer geschickt, sobald sie daheim seien und würden oft bis 22 Uhr wach bleiben, da sich die Mutter nicht um sie kümmere. Die Mutter verschwinde oft tageweise und lasse die Kinder ohne jegliche Unterstützung daheim. Sie mache Ferien, färbe die Haare, kaufe sich fünf Paar Winterschuhe und Kleider. Ihre Mutter drohe ihr, sie aus der Wohnung zu werfen. Sie habe zehn Tage lang (nach der Schule der Arbeit) während der Ferien der Mutter jeden Abend für die Jungen sorgen müssen. Auch den Kindern drohe die Mutter, sie ins Heim zu schicken. Die Mutter habe immer wieder behauptet, Frau H.___ werde am Mittag bei den Kindern sein. Das stimme überhaupt nicht. Diese habe sie, die Halbschwester, bedroht, beschimpft und habe sogar handgreiflich werden wollen. Dagegen sorge sich der Vater um das Wohl seiner Kinder. Er wasche ihre Kleider, sorge für eine warme Mahlzeit, mache mit ihnen Hausaufgaben und interessiere sich für sie (act.131).
2.2 Der Beistand hat die Kinder unabhängig voneinander am 8. November 2017 beim Vater daheim befragt und meldete der KESB am selben Tag per Mail (act. 136), gemäss Aussagen der Kinder bekämen sie dreibis viermal in der Woche zu wenig zu essen und hätten fast immer Hunger. Die Mutter koche nur etwa fünfmal pro Monat etwas Warmes, aber jeweils ohne Fleisch. Die Resten davon stelle sie in den folgenden Tagen kalt auf. Es interessiere sie nicht, wie es den Kindern gehe. Wenn sie von der Schule nach Hause kämen, würden sie von ihr oft gleich wieder hinausgeschickt. Die Mutter verliere rasch die Nerven, schlage sie werfe mit Finken nach ihnen, dies ungefähr einmal monatlich. Ca. zehnmal pro Monat sei sie betrunken. Am 5. November 2017 sei sie weggegangen und komme erst am 15. November 2017 wieder. Alle drei Jungen hätten nachdrücklich gesagt, sie wollten am 15. November 2017 auf keinen Fall zur Mutter zurück, sondern viel lieber beim Vater bleiben. Bei ihm gehe es ihnen gut, er schaue zu ihnen und respektiere sie, helfe bei den Hausaufgaben und kaufe Kleider. Sie hätten auch genug zu essen. Der Beistand schloss seine Ausführungen mit der Einschätzung, eine Umplatzierung zum Vater sei angebracht bzw. notwendig.
2.3 Die Beschwerdeführerin war anlässlich der Anhörung vom 14. November 2017 nicht damit einverstanden, dass die Kinder vorläufig beim Kindsvater bleiben sollten. Dieser habe die Kinder beeinflusst und sie mit materiellen Dingen zu sich gelockt. Sie zitierte dazu gemäss Aktennotiz der KESB (act. 138) immer wieder Gott und sagte, jeder würde seine Rechnung von Gott erhalten.
2.4 Der Kindsvater bestätigte telefonisch gegenüber der KESB am 15. November 2017 (act. 139), dass er bereit sei zur Betreuung seiner Kinder. Seine Kinder seien am Tag zuvor und am 15. November 2017 bei der Mutter zum Mittagessen gewesen, da diese dem Vater gedroht habe, die Polizei zu rufen. Die Kinder hätten berichtet, es habe lediglich Salat und Brot zum Mittagessen gegeben.
2.5 Aufgrund der Schilderungen der Halbschwester, der Einschätzung des Beistands, vor allem aber der übereinstimmenden Aussagen der direkt betroffenen Kinder, scheint es im Augenblick angezeigt, die Kinder zumindest vorübergehend beim Vater wohnen zu lassen. Aus den glaubhaften Erzählungen der Jungen lässt sich schliessen, dass die Mutter nicht genügend für deren grundlegende persönlichen Belange sorgt. So scheinen sowohl Ernährung wie Bekleidung äusserst mangelhaft. Auch die Wohnverhältnisse entsprechen offenbar nicht kindgerechten Bedürfnissen. Ein Eingreifen von behördlicher Seite war darum geboten. Der KESB ist nicht vorzuwerfen, dass sie die Kinder vorerst beim Vater wohnen lassen wollte, zumal dies faktisch bereits der Fall war. Dass es sich lediglich um eine vorsorgliche Massnahme handelt, wurde von der Vorinstanz unmissverständlich festgehalten. Sie hat dem Vater denn auch eine dreissigtägige Frist zur Klaganhebung beim zuständigen Gericht gesetzt. In ihrer Vernehmlassung führt sie zusätzlich aus, sie werde allenfalls selber gestützt auf Art. 134 ZGB bei Gericht vorstellig werden, wenn der Vater dies nicht tue. Wie die KESB richtig festhält, wird es Sache des Zivilgerichts sein, im Rahmen des Abänderungsverfahrens die Erziehungsfähigkeit der Eltern zu prüfen und über das Sorgerecht sowie die Obhutszuteilung allenfalls neu zu entscheiden. Die angeordnete vorsorgliche Massnahme war darum geboten und verhältnismässig.
3. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 800.00 werden dem Verfahrensausgang entsprechend der Beschwerdeführerin auferlegt, sind aber zufolge der am 8. Dezember 2017 bewilligten unentgeltlichen Rechtspflege durch den Kanton Solothurn zu übernehmen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald die Beschwerdeführerin dazu in der Lage ist (§ 76 Abs. 4 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes [VRG, BGS 124.11] i.V.m. Art. 123 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]).
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 800.00 werden A.___ auferlegt, sind aber zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege durch den Kanton Solothurn zu übernehmen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ dazu in der Lage ist.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
Scherrer Reber Kaufmann
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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