Zusammenfassung des Urteils VWBES.2017.369: Verwaltungsgericht
Die Einwohnergemeinde Wangen an der Aare hat gegen die Baukommission der Einwohnergemeinde Flumenthal und die Schweizerische Eidgenossenschaft Beschwerde erhoben, da ein Bundesasylzentrum auf einem Grundstück im Bereich öffentlicher Bauten genehmigt wurde. Das Verwaltungsgericht prüfte, ob die Baubehörde auf die Einsprache hätte eingehen müssen und entschied, dass die Beschwerde unbegründet ist. Die Einwohnergemeinde Wangen an der Aare muss die Verfahrenskosten von CHF 100.00 tragen.
| Kanton: | SO |
| Fallnummer: | VWBES.2017.369 |
| Instanz: | Verwaltungsgericht |
| Abteilung: | - |
| Datum: | 15.11.2017 |
| Rechtskraft: | - |
| Leitsatz/Stichwort: | Neubau Bundesasylzentrum |
| Schlagwörter: | Bundes; Recht; Gemeinde; Wangen; Verwaltungsgericht; Entscheid; Einwohner; Einsprache; Interesse; Bundesgericht; Legitimation; Einwohnergemeinde; Flumenthal; Aufhebung; Gemeindegebiet; Verfahren; öffentlich-rechtliche; «Berner; Schachen»; Urteil; Bauten; Bundesasylzentrum; Einspracheverhandlung; Gemeinden; öffentlich-rechtlichen; Angelegenheiten; ützen |
| Rechtsnorm: | Art. 29 BV ;Art. 48 VwVG ;Art. 89 BGG ; |
| Referenz BGE: | 136 II 274; 140 V 328; |
| Kommentar: | Waldmann, Weissenberger, Praxis Verwaltungsverfahrensgesetz, Zürich, Art. 48 VwVG, 2016 |
Es wirken mit:
Präsidentin Scherrer Reber
Oberrichter Müller
Oberrichter Stöckli
Gerichtsschreiber Schaad
In Sachen
Einwohnergemeinde Wangen an der Aare, Postfach 228, 3380 Wangen an der Aare,
Beschwerdeführerin
gegen
1. Baukommission der Einwohnergemeinde Flumenthal, 4534 Flumenthal,
2. Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch Bundesamt für Bauten und Logistik Kompetenzzentrum Beschaffungswesen, Bund und Rechtsdienst, Fellerstrasse 21, 3003 Bern
Beschwerdegegner
betreffend Neubau Bundesasylzentrum
zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. Am 29. August 2017 bewilligte die Bauund Werkkommission Flumenthal auf GB Nr. 624, einer Parzelle, deren südlicher Teil in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen liegt, ein Bundesasylzentrum. Auf die Einsprache der bernischen Einwohnergemeinde Wangen an der Aare wurde nicht eingetreten.
2. Die Einwohnergemeinde Wangen an der Aare erhob Verwaltungsbeschwerde. Weil das streitbetroffene Grundstück dem Kanton Solothurn gehört, kommt die Sprungbeschwerde nach § 2 Abs. 4 der Kantonalen Bauverordnung (KBV, BGS 711.61) zur Anwendung. Beschwerdeinstanz ist das Verwaltungsgericht. Entsprechend hat das Bauund Justizdepartement die Eingabe ans Verwaltungsgericht weitergeleitet.
3. Die Beschwerdeführerin verlangt sinngemäss die Aufhebung der Baubewilligung und rügt, man habe zu Unrecht auf eine Einspracheverhandlung verzichtet. Das Bauvorhaben grenze an das Gemeindegebiet. Entlang der Grenze verlaufe ein Fussund Veloweg. Es gehe um Fragen der Zonenkonformität.
4. Die kommunale Baubehörde und das kantonale Bauund Justizdepartement haben auf eine Vernehmlassung verzichtet, ebenso das Bundesamt für Bauten und Logistik.
II.
1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12 i.V.m. § 2 Abs. 4 KBV). Gegenstand des vorliegenden Verfahren ist bloss, ob die kommunale Baubehörde auf die Einsprache hätte eintreten müssen. Insofern hat die Beschwerdeführerin offensichtlich ein schützenswertes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen kommunalen Entscheids.
2.1 Die Legitimationsvoraussetzungen nach solothurnischem Recht (§ 12 Abs. 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen; Verwaltungsrechtspflegegesetz; BGS 124.11), wonach Gemeinden zur Beschwerde legitimiert sind, wenn sie durch eine Verfügung einen Entscheid besonders berührt werden und ein schutzwürdiges kommunales Interesse an deren Aufhebung Änderung haben, entsprechen denjenigen des Bundesrechts. Zumindest im Umfang von letzterem muss die Beschwerdemöglichkeit auch auf kantonaler Stufe bestehen.
2.2 Nach Art. 89 Abs. 1 des Bundesgerichtsgesetzes (BGG, SR 173.110) ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht befugt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung Änderung hat. Diese Regelung ist in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann sich auch das Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich ähnlich wie ein Privater aber in spezifischer Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird und nicht bloss das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung geltend macht (BGE 140 V 328 E. 4.1 S. 329 f.; 138 I 143 E. 1.3.1 S. 149; 137 IV 269 E. 1.4 S. 273; 136 I 265 E. 1.4 S. 268). Gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel von Art. 89 Abs. 1 BGG dürfen Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zugelassen werden (BGE 136 II 274 E. 4.2 S. 279).
2.3 Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften sind nach Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt, wenn sie die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen die Kantonsoder Bundesverfassung gewährt. Für das Eintreten ist allein entscheidend, dass die Beschwerde führenden Gemeinden durch einen Akt in ihrer Eigenschaft als Träger hoheitlicher Gewalt berührt sind und eine Verletzung der Autonomie geltend machen (Urteil des Bundesgerichts 8C_764/2015).
3.1 Die Beschwerdeführerin legt nicht näher dar, aus welchen rechtlichen Gründen der kommunale Nichteintretensentscheid falsch sein soll. Es liegt jedenfalls auf der Hand, dass eine bernische Gemeinde auf solothurnischem Gebiet keine hoheitliche Gewalt hat und keine Autonomie geltend machen kann. Grundsätzlich denkbar wäre allenfalls, einen Schutz der eigenen Einwohner vor Immissionen anzustreben (Waldmann/Weissenberger: Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, Zürich 2016, N 21 zu Art. 48 VwVG). Die Beschwerdeführerin macht denn auch keine Autonomieverletzung geltend, sondern rügt in allgemeiner, wenig konkreter Weise sinngemäss die Zonenwidrigkeit des geplanten Asylzentrums. Worin diese Zonenwidrigkeit liegen soll und warum die Einwohner von Wangen dadurch besonders berührt sein sollen, wird nicht dargetan. Offenbar bemängelt die Beschwerdeführerin, dass der Sachplan Asyl des Bundes noch nicht rechtskräftig sei. Inwiefern dies Auswirkungen auf ihre Legitimation im Bauverfahren haben soll, ist nicht erkennbar.
3.2 Was einen etwaigen Schutz vor Immissionen anbelangt, sind die geografischen Gegebenheiten zu bedenken: Wangen an der Aare grenzt im nordwestlichsten Zipfel des Gemeindegebiets, im sogenannten «Berner Schachen», an Flumenthal. Vom Städtchen aus gesehen ist das Gebiet sehr abgelegen. Vielen Einwohnern von Wangen dürfte kaum bewusst sein, dass es überhaupt noch auf Gemeindeboden liegt. Der «Berner Schachen» liegt nördlich der Aare, das Bundesasylzentrum südlich der Aare. Eine Aarebrücke gibt es nicht. Luftlinie beträgt die Distanz zwischen dem nächsten Gebäude im «Berner Schachen» und der Bauzonengrenze auf GB Nr. 624 ca. 470 m. Die Messung erfolgt dabei über die Aare und durch das nördlich angrenzende Gehölz. Das Asylzentrum hat keinerlei erkennbare Auswirkung auf die kleine Siedlung im «Berner Schachen». Auch in diesem Punkt begründet die Beschwerdeführerin im Übrigen mit keinem Wort, inwiefern sie von dem Projekt in einem Mass betroffen sein sollte, das ihre Legitimation zu begründen vermöchte.
3.3. Weiter gehört ein Teil des Weges, der südlich der Aare zur Autobahnraststätte Nord in Deitingen führt, noch zum Gemeindegebiet Wangen an der Aare. Es handelt sich um einen unbedeutenden Fussund Veloweg. Die nächste südlich der Aare gelegene Siedlung auf dem Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin (Hohfuren) ist Luftlinie über einen Kilometer entfernt. Das Umland ist nicht besiedelt und zum Teil bewaldet. Die örtliche Beziehungsnähe fehlt somit. Ein anderes schützenswertes Interesse der Beschwerdeführerin ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht dargetan.
4. Die Rüge der Gehörsverletzung wegen fehlender Einspracheverhandlung schliesslich ist ebenfalls unbegründet. Einerseits besteht keine Pflicht, im Bauverfahren jeweils eine Einspracheverhandlung durchzuführen. § 23 Abs. 1 VRG sieht lediglich vor, dass die Parteien vor Erlass einer Verfügung eines Entscheids anzuhören sind; sie haben das Recht, sich schriftlich zur Sache zu äussern und an den Beweisvorkehren teilzunehmen. Auch Art. 29 BV begründet keinen weitergehenden Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführerin mangels Legitimation die Parteistellung fehlt. Die kommunale Behörde war nicht gehalten, eine aus ihrer Sicht (zu Recht) nicht legitimierte Einsprecherin in einer etwaigen Verhandlung anzuhören.
5. Die Vorinstanz ist somit zu Recht auf die Einsprache nicht eingetreten. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 100.00 festzusetzen sind.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 100.00 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber
Scherrer Reber Schaad
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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