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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2017.230)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2017.230: Verwaltungsgericht

Nach zehn Jahren im Strafund Massnahmenvollzug wurde die stationäre Massnahme für A. aufgehoben und durch eine ambulante Massnahme ersetzt. Es gab Probleme mit der GPS-Überwachung, weshalb Beschwerden eingereicht wurden. Letztendlich entschied das Verwaltungsgericht, dass die GPS-Überwachung bestehen bleibt, da sie rechtskräftig verfügt wurde. A. muss nun Gerichtskosten von CHF 300.00 tragen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2017.230

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2017.230
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2017.230 vom 19.12.2017 (SO)
Datum:19.12.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Strafvollzug
Schlagwörter: Recht; Überwachung; GPS-Überwachung; Verfügung; Vollzug; Verwaltungsgericht; Massnahme; Antrag; Beschwerde; Gerät; Justizvollzug; GPS-Gerät; Rechtsanwalt; Konrad; Jeker; Departement; Rechtspflege; Staat; Innern; Entscheid; Beendigung; Rechtsbegehren; Rechtsbeistand; Beschwerdeführers; Rückforderungsanspruch; Zahlung; Solothurn
Rechtsnorm: Art. 123 ZPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2017.230

Urteil vom 19. Dezember 2017

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Stöckli

Oberrichter Müller

Gerichtsschreiberin Kaufmann

In Sachen

A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,

Beschwerdeführer

gegen

1. Departement des Innern, vertreten durch Rechtsdienst Departement des Innern,

2. Amt für Justizvollzug,

Beschwerdegegner

betreffend Strafvollzug


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. Nach zehn Jahren im Strafund Massnahmenvollzug hob das Obergericht des Kantons Solothurn die für A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer genannt) angeordnete stationäre Massnahme auf und ordnete stattdessen eine ambulante Massnahme an, verbunden mit Bewährungshilfe.

2. Mit Verfügung vom 11. November 2016, welche unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, legte das Amt für Justizvollzug die Einzelheiten betreffend die Umsetzung der ambulanten Massnahme fest. Dabei wurde unter anderem festgehalten, der Beschwerdeführer habe sich in einem geschützten Wohnund Arbeitsrahmen aufzuhalten und werde mittels GPS-Gerät überwacht.

3. Da der Beschwerdeführer die Nächte ausserhalb des Wohnheims verbracht hatte und es infolge eines unsachgemässen Umgangs mit dem GPS-Gerät zu einem Ausfall der Überwachung gekommen war, erliess das Amt für Justizvollzug am 13. Februar 2017 eine «Ergänzende Verfügung zur rechtskräftigen Verfügung vom 11. November 2016». Es präzisierte, der Beschwerdeführer habe mindesten fünf Nächte pro Woche im Wohnheim zu übernachten und er habe das GPS-Gerät beim Verlassen des Zimmers bzw. der Wohnräumlichkeiten nicht nur ständig, sondern auch stets in funktionstüchtigem Zustand auf sich zu tragen.

4. Am 24. Februar 2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, Beschwerde an das Departement des Innern, welches mit Entscheid vom 9. Juni 2017 auf den Antrag um Beendigung der GPS-Überwachung nicht eintrat und die Beschwerde im Übrigen abwies.

5. Der Beschwerdeführer liess dagegen am 22. Juni 2017, vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben und folgende Rechtsbegehren stellen:

1.   Der Beschwerdeentscheid vom 9. Juni 2017 sei aufzuheben.

2.   Der Vollzug der ambulanten Massnahme sei in dem Sinne anzupassen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Hausordnung und der Absprachen mit der Leitung der Institution und der Bewährungshilfe frei über seinen Aufenthalt entscheiden kann.

3.   Die GPS-Überwachung sei zu beenden.

4.   Dem Beschwerdeführer sei die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen unter Einsetzung des unterzeichneten Anwalts als unentgeltlichen Rechtsbeistand.

5.   Es sei dem unterzeichnenden Anwalt eine angemessene Nachfrist zur ergänzenden Begründung der Beschwerde nach dem vorgesehenen Entscheid über eine Umplatzierung des Beschwerdeführers anzusetzen.

6.   Unter Kostenund Entschädigungsfolgen.

Es sei eine Umplatzierung vorgesehen, die möglicherweise eine Anpassung des Vollzugsregimes mit sich bringe.

6. Mit Verfügung vom 26. Juni 2017 wurde dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und Rechtsanwalt Konrad Jeker als unentgeltlicher Rechtsbeistand eingesetzt.

7. Da die geplante Umplatzierung noch nicht erfolgt war, wurde das Verfahren mit Verfügung vom 25. August 2017 bis zum 31. Oktober 2017 sistiert.

8. Mit Schreiben vom 9. November 2017 liess der Beschwerdeführer vorbringen, er lebe in der Zwischenzeit in einer eigenen Wohnung und verfüge über ein festes Arbeitseinkommen. Das Rechtsbegehren Nr. 2 sei daher gegenstandslos geworden. Weiterhin zu entscheiden sei hingegen über den Antrag, die GPS-Überwachung zu beenden. Da der Beschwerdeführer mit seiner Bibelgruppe für wenige Tage nach Brüssel reisen wolle, werde die aufschiebende Wirkung in dem Sinn beantragt, als die GPS-Überwachung vom 23. bis 27. November 2017 einstweilen ausgesetzt werde.

9. Mit Verfügung vom 10. November 2017 wurde das Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen.

10. Sowohl das Departement des Innern als auch das Amt für Justizvollzug verzichteten auf eine Vernehmlassung. Das Amt für Justizvollzug wies darauf hin, dass eine Änderung des Settings im Zusammenhang mit der ambulanten Massnahme nicht vorgesehen sei. Es sei aber das Prüfungsverfahren für die Aufhebung der ambulanten Massnahme eingeleitet worden.

II.

1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 36 Abs. 2 Gesetz über den Justizvollzug, JUVG, BGS 331.11). Mit Bezug einer eigenen Wohnung ist das Rechtsbegehren Ziffer 2 gegenstandslos geworden. Zu entscheiden bleibt einzig über den Antrag betreffend Beendigung der GPS-Überwachung. A.___ ist in diesem Umfang durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist soweit einzutreten.

2.1 Mit rechtskräftiger Verfügung vom 11. November 2016 war unter Ziffer 3 Folgendes entschieden worden:

A.___ wird mittels GPS-Gerät überwacht. Die Überwachung erfolgt mit einer elektronischen Fussfessel sowie einem mobilen GPS-Gerät. A.___ hat beim Verlassen seines Zimmers / seiner Wohnräumlichkeiten das mobile GPS-Gerät ständig auf sich zu tragen.

Mit der angefochtenen Verfügung vom 13. Februar 2017 entschied das Amt für Justizvollzug Folgendes:

Die Ziffer 3 der Verfügung vom 11. November 2016 wird dahingehend präzisiert, dass A.___ das GPS-Gerät beim Verlassen des Zimmers / seiner Wohnräumlichkeiten nicht nur ständig, sondern auch funktionstüchtig auf sich trägt.

2.2 Zum Rechtsbegehren des Beschwerdeführers, die GPS-Überwachung zu beenden, führte das Departement des Innern in seinem Beschwerdeentscheid aus, die GPS-Überwachung sei rechtskräftig verfügt worden. Dass das Gerät jederzeit in funktionstüchtigem Zustand gehalten werden müsse, verstehe sich von selbst. Es handle sich um eine rein deklaratorische Ergänzung. Bei der GPS-Überwachung handle es sich um eine res iudicata, weshalb auf den Antrag nicht eingetreten werde.

2.3 Der Beschwerdeführer lässt vor Verwaltungsgericht erneut beantragen, die GPS-Überwachung sei zu beenden. Die Auflage sei verfassungsrechtlich nicht haltbar. Der Beschwerdeführer befinde sich in einer ambulanten Behandlung und seine Strafe sei längst verbüsst. Das beanstandete Setting gehe nicht nur über den Anordnungsentscheid des Obergerichts hinaus, es beschränke zudem auch die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers weit über das zulässige Mass hinaus. Die faktische Totalüberwachung seit mehreren Monaten sei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit und in die Privatsphäre. Die Voraussetzungen nach Art. 36 Bundesverfassung (BV, SR 101) seien offensichtlich nicht erfüllt. Für die GPS-Überwachung bestehe keine gesetzliche Grundlage und sie sei auch nicht geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen. Auch wenn die Massnahme rechtskräftig verfügt sei, heisse dies nicht, dass sie auf ewig gelte, zumal sie bundesrechtswidrig bleibe und damit jederzeit aufgehoben werden könne bzw. müsse. Die Überwachung sei im Gegenteil geeignet, die gesetzlichen Ziele der ambulanten Massnahme und die dafür vorgesehene Psychotherapie zu untergraben.

2.4 Nachdem die Vorinstanz auf den Antrag um Beendigung der GPS-Überwachung nicht eingetreten ist, verfügt das Verwaltungsgericht nicht über die Kognition, um materiell über diesen Antrag zu entscheiden (vgl. § 68 Abs. 3 Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG, BGS 124.11). Es hätte vor Verwaltungsgericht einzig beantragt werden können, die Angelegenheit sei an das Departement zurückzuweisen, um materiell über den Antrag zu entscheiden. Ein solcher Antrag wäre jedoch abzuweisen. Da die GPS-Überwachung mit Verfügung vom 11. November 2016 bereits rechtskräftig angeordnet wurde, ist die Vorinstanz auf den Antrag um Beendigung der GPS-Überwachung zu Recht nicht eingetreten. Es handelt sich um eine abgeurteilte Sache und die präzisierende Verfügung vom 13. Februar 2017 hat rein deklaratorischen Charakter.

Mit dem Beschwerdeführer ist einig zu gehen, dass diese GPS-Überwachung nicht für ewig angeordnet sein kann. Diesbezüglich wäre ein Aufhebungsantrag an die erste Instanz zu richten, was der Beschwerdeführer offenbar bereits getan hat.

3. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann und sie nicht gegenstandslos geworden ist. Bei diesem Ausgang hat A.___ an die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht CHF 300.00 zu bezahlen. Zufolge Bewilligung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege trägt der Kanton Solothurn die Kosten; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Kantons während der Dauer von zehn Jahren, sobald der Beschwerdeführer zur Nachzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 Zivilprozessordnung, ZPO, SR 272).

Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes, Rechtsanwalt Konrad Jeker, wird entsprechend der eingereichten Kostennote vom 18. Dezember 2017 auf CHF 596.50 (inkl. Auslagen und MwSt) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald der Beschwerdeführer zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird und sie nicht gegenstandslos geworden ist.

2.    A.___ hat an die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht CHF 300.00 zu bezahlen. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege trägt die Kosten der Staat Solothurn; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).

3.    Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes, Rechtsanwalt Konrad Jeker, wird auf CHF 596.50 (inkl. Auslagen und MwSt) festgesetzt und ist zufolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Kaufmann



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