Zusammenfassung des Urteils VWBES.2016.80: Verwaltungsgericht
A.___ wurde bis August 2015 von den Sozialen Diensten Mittlerer und Unterer Leberberg unterstützt, zog dann nach Solothurn um und erhielt ab September 2015 Unterstützung von den Sozialen Diensten der Stadt Solothurn. Die SDS stellten fest, dass die Wohnkosten von A.___ die Richtlinien überschreiten und empfahlen eine günstigere Wohnung. Das Departement des Innern wies die Beschwerde ab, da die Miete zu hoch sei. A.___ erhob Beschwerde beim Verwaltungsgericht, argumentierte mit Treu und Glauben und erhielt schliesslich recht, dass die Mietkosten von CHF 1320.00 auf CHF 1100.00 reduziert werden.
| Kanton: | SO |
| Fallnummer: | VWBES.2016.80 |
| Instanz: | Verwaltungsgericht |
| Abteilung: | - |
| Datum: | 16.12.2016 |
| Rechtskraft: | - |
| Leitsatz/Stichwort: | Wohnkosten |
| Schlagwörter: | Mietzins; Wohnung; Sozialhilfe; Solothurn; Zimmer; Richtlinie; Mietkosten; SDMUL; Person; -Zimmer-Wohnung; Entscheid; Richtlinien; Verfügung; Soziale; Dienste; Verwaltungsgericht; Nebenkosten; Tochter; Umzug; Beschwerde; Wohnungen; Urteil; Departement; Innern; Wohnkosten; Sozialen; Zeitpunkt; Akten; öglich |
| Rechtsnorm: | - |
| Referenz BGE: | - |
| Kommentar: | - |
Es wirken mit:
Vizepräsident Stöckli
Oberrichter Müller
Oberrichter Frey
Gerichtsschreiberin Droeser
In Sachen
A.___
Beschwerdeführerin
gegen
1. Departement des Innern, vertreten durch Amt für soziale Sicherheit,
2. Soziale Dienste der Stadt Solothurn,
Beschwerdegegner
betreffend Sozialhilfe (Wohnkosten)
zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. A.___ wurde bis am 31. August 2015 durch die Sozialen Dienste Mittlerer und Unterer Leberberg (nachfolgend SDMUL) unterstützt. Aufgrund ihres Umzuges per 1. August 2015 von [...] nach Solothurn wird sie seit dem 1. September 2015 durch die Sozialen Dienste der Stadt Solothurn (nachfolgend SDS) sozialhilferechtlich unterstützt. A.___ wohnt in einer 3.5-Zimmer-Wohnung. Der Mietzins inkl. Nebenkosten beträgt CHF 1320.00.
2. Mit Entscheid vom 15. Oktober 2015 stellten die SDS unter anderem fest, dass die Wohnkosten von A.___ die Richtlinien der SDS überschreiten würden. A.___ habe als zugezogene Sozialhilfebezügerin Kenntnis von den Mietzinsrichtlinien der SDS und sei von den SDMUL auf diese aufmerksam gemacht worden. Es werde empfohlen, eine günstigere Wohnung zu beziehen, da sie ab dem 1. September 2015 Anspruch auf Mietkosten von maximal CHF 850.00 inkl. Nebenkosten habe.
3. Die mit Schreiben vom 24. Oktober 2015 dagegen erhobene Beschwerde wies das Departement des Innern (nachfolgend DdI genannt) mit Verfügung vom 15. Februar 2016 ab mit der Begründung, eine Internetrecherche zum Zeitpunkt des Entscheides habe ergeben, dass neben einer 2-Zimmer-Wohnung mehrheitlich 1- 1.5 Zimmer-Wohnungen in der Höhe von CHF 850.00 inkl. Nebenkosten in Solothurn erhältlich seien. Ein Mietzins von CHF 1320.00 inkl. Nebenkosten für einen 1-Personen-Haushalt liege mit CHF 470.00 deutlich über dem maximalen Mietzinsansatz. Auch wenn sich die Beschwerdeführerin tatsächlich auf eine Mietzinsübernahme von CHF 1100.00 hätte verlassen dürfen, was jedoch aufgrund der erfolgten Aufklärung durch die SDMUL zu verneinen sei, so läge die jetzige Miete dennoch CHF 220.00 über dem maximalen Mietzinsansatz. Aus den Akten seien keinerlei Hinweise dafür ersichtlich, dass die Tochter von A.___ wieder zu ihr in die Wohnung ziehen werde, zumal ihre Wohnsituation derzeit geregelt sei. Auch liege keine besondere Verwurzelung vor, da A.___ erst seit kurzer Zeit in dieser Wohnung wohne. In Bezug auf die Gesundheit sei festzuhalten, dass das eingereichte Zeugnis bereits über ein Jahr alt sei und sich damals auf den bevorstehenden Umzug in [...] bezogen habe. Zudem gehe daraus auch nicht hervor, dass ein Umzug gänzlich unmöglich wäre.
4. Dagegen erhob A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin genannt) mit Schreiben vom 5. März 2016 Beschwerde beim Verwaltungsgericht und beantragte, die Verfügung vom 3. Februar 2016 (recte: 15. Februar) sei aufzuheben und ein erhöhter Mietzins rückwirkend per September 2015 zu gewähren. Mit Beschwerdebegründung vom 29. März 2016 machte die Beschwerdeführerin insbesondere geltend, nach Treu und Glauben habe sie sich auf die Mietzinsübernahme im Umfang von CHF 1100.00, die ihr zuvor die SDMUL gewährt hätten, verlassen dürfen, vorallem auch im Hinblick auf ihre Pensionierung im Oktober 2016. Zudem sei die Wohnsituation mit ihrer Tochter noch nicht gänzlich geklärt. Auch sei sie mit [...] sehr verwurzelt. Gesundheitlich sei sie angeschlagen und seit langer Zeit, und bis auf weiteres, nicht arbeitsfähig. Überdies seien die SDS befangen bzw. hätten ihr gegenüber Vorurteile, was ihr schwer zu schaffen mache.
5. Mit Schreiben vom 6. April 2016 hielt das DdI an der Verfügung vom 15. Februar 2016 fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
6. Mit Stellungnahme vom 18. April beantragten die SDS ebenfalls die Abweisung der Beschwerde.
II.
1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 159 Abs. 3 Sozialgesetz, SG, BGS 831.1; § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.1 Die Sozialhilfe bezweckt die Existenzsicherung. Sie fördert die wirtschaftliche und persönliche Selbständigkeit und unterstützt die berufliche und gesellschaftliche Integration (§ 147 Abs. 2 SG). Die Sozialhilfe umfasst vor allem Dienstleistungen, Sachund Geldleistungen (§§ 149 f. SG). Die wirtschaftliche Hilfe ist als Grundpfeiler der sozialen Unterstützung zu verstehen und hat den Zweck, allen Menschen eine Lebensgrundlage zu garantieren. Wirtschaftliche Hilfe bemisst sich gemäss § 152 Abs. 1 SG grundsätzlich nach den von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe erlassenen Richtlinien (SKOS-Richtlinien). Der Regierungsrat kann Ausnahmen von der generellen Anwendbarkeit der SKOS-Richtlinien festlegen (Abs. 2).
2.2 Die bedürftige Person trifft die Pflicht, sich wirtschaftlich zu verhalten bzw. die Notlage soweit als möglich zu vermindern (SKOS-Richtlinie A.5.2). Eine hilfesuchende Person hat demnach alles Zumutbare zu unternehmen, um die Beanspruchung der Sozialhilfe zu minimieren. Dazu gehört auch, die Mietzinskosten für die eigene Wohnung so tief wie möglich zu halten, d.h., dass Sozialhilfebezüger grundsätzlich eine Wohnung mit einem tiefen Mietzins mieten sollen.
2.3 Wohnkosten werden nach § 93 Abs. 1 lit. b Sozialverordnung (BGS 831.2) maximal bis zur ortsüblichen Höhe vergütet. Missbräuchlich hohe Mietkosten dürfen von Beginn der Unterstützung an auf die ortsübliche Höhe herabgesetzt werden.
Kapitel B.3 der SKOS-Richtlinien sieht vor, dass der Wohnungsmietzins nur soweit anzurechnen ist, als er im ortsüblichen Rahmen liegt. Dem Handbuch Sozialhilfe des Kantons Solothurn (http://www.so.ch/departemente/inneres/soziale-sicherheit/ themen/notlagen/sozialhilfe/handbuch/m/m_03_mietzins.pdf) ist zu entnehmen, dass der ortsübliche Mietszins von den Sozialkommissionen nach den entsprechenden Mittelwerten in einer Richtlinie festzusetzen ist. Dies wurde durch die SDS im Formular «Auskunft Mietzins» vorgenommen. Danach ist für eine erwachsene Person ein Richtmietzins inkl. Nebenkosten von CHF 850.00 für zwei Zimmer und für zwei erwachsene Personen CHF 1100.00 für drei Zimmer auszurichten.
2.4 Bei der Anwendung der Mietzinsrichtwerte sind zwei Dinge zu beachten: Einmal muss die Bedarfsberechnung der Realität entsprechen. So sind Richtlinien über Mietkosten nur solange richtig und anwendbar, wie genügend Wohnungen im entsprechenden Preissegment vorhanden sind, die auch an Sozialhilfebezüger vermietet werden. Zum andern gilt im Sozialhilferecht das Prinzip der Individualisierung. Dies verlangt, dass Hilfeleistungen dem Einzelfall angepasst werden müssen. Die Festlegung der Mietkosten in der Bedarfsrechnung ist davon trotz aller möglichen Objektivierung nicht ausgenommen. Welche Wohnsituation für eine bedürftige Person angezeigt erscheint, bedarf der individuellen Abklärung, und die Sozialkommission ist verpflichtet, von einer Richtlinie über Mietkosten abzuweichen, sollte der Einzelfall dies gebieten.
3. Aufgrund der Aktenlage ist vorliegend von einem 1-Personen-Haushalt auszugehen. Die Tochter der Beschwerdeführerin ist bereits im Dezember 2014 aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen und wohnt gemäss Untermietvertrag vom 15. Mai 2015 seit dem 1. Juli 2015 in einem möblierten Zimmer an der [...]strasse 9 in [...]. Es sind keinerlei Hinweise ersichtlich, dass die Tochter wieder zur Beschwerdeführerin ziehen wird.
Eine Internetrecherche zum Zeitpunkt des Gerichtsentscheides zeigt auf, dass zurzeit in Solothurn keine 2-Zimmer-Wohnungen für einen Mietzins von maximal CHF 850.00 zu mieten sind. Die ausgeschriebenen fünf 2-Zimmer-Wohnungen auf comparis.ch haben einen Mietzins zwischen CHF 880.00 und CHF 1350.00. Es ist somit nicht realistisch, in Solothurn eine 2-Zimmer-Wohnung für CHF 850.00 zu finden. Auch die von der Vorinstanz vorgenommene Internetrecherche im Zeitpunkt ihres Entscheides ergab bloss eine einzige 2-Zimmer-Wohnung zu diesem Preis; alle übrigen Wohnungen in diesem Preisrahmen verfügten nur über 1 1 ½ Zimmer.
Die Beschwerdeführerin unterzeichnete am 26. Juni 2015 den Mietvertrag für die neue Wohnung in Solothurn. Mit Schreiben vom 8. Juli 2015 teilten die SDMUL der Beschwerdeführerin mit, da sie ab August eine neue Wohnung habe, sei das Budget angepasst worden. Es würden Mietkosten von CHF 1100.00 übernommen. Dies entspreche den Wohnkosten, welche auch die Ergänzungsleistungen im kommenden Jahr ab dem Vorbezug der Altersrente anrechnen würden.
Die Beschwerdeführerin hat unterdessen bereits seit dem 1. Juli 2016 Anspruch auf eine ganze IV-Rente und erhält rückwirkend per 1. Juli 2016 auch Ergänzungsleistungen. Per 30. November 2016 wurde sie von der Sozialhilfe abgelöst (vgl. Schreiben der Stadt Solothurn vom 2. Dezember 2016). Es hat sich damit bestätigt, dass es nur eine Frage von einigen Monaten (schlussendlich 10 Monate) war, bis die Beschwerdeführerin Ergänzungsleistungen erhalten würde, was der Grund dafür war, dass die SDMUL diese Mietkosten akzeptierten.
Dass es sich um eine befristete Übergangszeit handelte, war auch den SDS im Zeitpunkt ihres Entscheides bewusst, wie sich der Korrespondenz in den Akten entnehmen lässt. Weshalb sie sich den entsprechenden Überlegungen des SDMUL, der seine Büros ebenfalls in Solothurn hat und für ein Gebiet zuständig ist, in welchem das Mietzinsniveau gerichtsnotorisch in einigen Ortschaften deutlich unter demjenigen von Solothurn liegt, nicht hat anschliessen können, ist in der entsprechenden Verfügung mit keinem Wort begründet.
Dass die SDS nicht den vollen Mietzins von CHF 1320.00 monatlich zu übernehmen haben, ist klar und auch unbestritten. Es wäre aber in der vorliegenden Situation klar unverhältnismässig, wenn die Beschwerdeführerin, auch unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Verfassung und der bekannten andern Umstände, die zur Sozialhilfeabhängigkeit führten, für diese kurze Zeit nochmals einen Umzug hätte vornehmen müssen, zumal es um Gesamtkosten von maximal etwa CHF 1500.00 bis 2000.00 ging, welche in etwa den Kosten eines Umzuges entsprechen. Aufgrund des Prinzips der Individualisierung und der vorliegenden speziellen Situation gebietet es sich im vorliegenden Fall von der Richtlinie der Mietkosten abzuweichen und der Beschwerdeführerin einen monatlichen Mietzins von CHF 1100.00 von September 2015 bis Juni 2016 zu gewähren.
4. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Umstand, dass B.___ und C.___ frühere Nachbarn der Beschwerdeführerin waren, keine Befangenheit auslöst. Ebenso wenig der Fall, dass anlässlich des Erstgespräches B.___ einen Praktikanten bei sich hatte, gehört es doch zur Ausbildung eines Sozialarbeiters, Praxiserfahrung zu sammeln. Das Gleiche gilt für die Anhörung der Tochter durch D.___ und C.___. Aus den Akten sind keine Befangenheit der SDS Vorurteile gegenüber der Beschwerdeführerin ersichtlich.
5. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet; sie ist gutzuheissen: Die Verfügung des Departements des Innern vom 15. Februar 2016 ist aufzuheben. Die Sozialen Dienste Solothurn haben der Beschwerdeführerin für die Zeit von September 2015 bis und mit Juni 2016 im Sozialhilfebudget monatlich je CHF 1100.00 anzurechnen und zu vergüten, soweit dies nicht bereits geschehen ist. Eine allfällige Nachzahlung ist spätestens 10 Tage nach Rechtskraft des Urteils auszurichten.
6. Für das Verfahren vor Verwaltungsgericht sind praxisgemäss keine Kosten zu erheben, wodurch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege hinsichtlich der Gerichtskosten gegenstandslos wird. Parteikosten sind keine entstanden, da die Beschwerdeführerin nicht vertreten war.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Departements des Innern vom 15. Februar 2016 aufgehoben.
2. Die Sozialen Dienste Solothurn haben der Beschwerdeführerin für die Zeit von September 2015 bis und mit Juni 2016 Sozialhilfe berechnet mit Mietzinskosten von CHF 1100.00 monatlich auszurichten. Eine allfällige Nachzahlung ist innert 10 Tagen nach Rechtskraft des Urteils auszurichten.
3. Es werden keine Kosten erhoben.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Der Vizepräsident Die Gerichtsschreiberin
Stöckli Droeser
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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